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13.11.2009

"Natürlich müssen wir die kritisch diskutieren."

Olaf Scholz im Interview mit der Frankfurter Rundschau

 

Herr Scholz, schlafen Sie noch gut vor dem Parteitag?

Olaf Scholz: Ich schlafe immer gut, auch jetzt.

Nicht nervös wegen Dresden?

Ich hoffe, der Parteitag wird als Neuanfang in die SPD-Geschichte eingehen. Nach einer so schweren Wahlniederlange müssen wir bilanzieren: Was war gut und was war nicht so gut?

Dann fangen wir mal an: Weshalb ist Ihre Partei am 27. September so abgestürzt?


Der SPD ist es in ihrer Regierungszeit zwar gelungen, auf die Globalisierung und die demografische Entwicklung zu reagieren. Mit der Kurzarbeit haben wir nicht nur Arbeitsplätze gerettet, sondern auch gezeigt, dass ein Sozialstaat besser für die Krise gerüstet ist. Wir können den Vertrauensverlust der SPD aber nur beheben, wenn wir zur Kenntnis nehmen, dass viele potenzielle SPD-Anhänger häufig genug den Eindruck haben, für sie und ihr direktes Umfeld rechnet sich eine bestimmte Reform nicht. Darüber müssen wir nun sprechen, der Parteitag macht dabei den Anfang.

Die Partei begibt sich auf einen Selbstfindungstrip?


Die SPD wird sich selbstverständlich mit den Problemen des Landes beschäftigen, aber sie muss sich in den nächsten beiden Jahren auch um die eigene Lage kümmern. Die Zukunft der SPD betrifft doch nicht nur die Partei allein, sondern auch unsere Anhänger. Deshalb müssen wir offen und ausgiebig diskutieren und dürfen nichts verdrängen.

Künftig wird es also weniger Weisungen von oben geben?

Wir müssen die Mitglieder breiter an den Beschlüssen der SPD beteiligen. In der Opposition müssen wir einüben, was alle für künftige Regierungszeiten dann verinnerlicht haben sollen.

Passt die Rente mit 67 noch in diese neue SPD-Welt?

Es ist uns gelungen, die Alterssicherung trotz einer sich wandelnden Altersstruktur bezahlbar zu halten. Es geht aber nicht nur um eine stabile Rentenversicherung. Es muss uns auch darum gehen, jene, die ein Leben lang Beiträge gezahlt haben, im Alter vor Armut schützen.

An der Parteibasis heißt es aber: Die Rente mit 67 muss weg!

Natürlich müssen wir die kritisch diskutieren. Wir sollten ohnehin die Sozialreformen der jüngeren Zeit nicht nur daraufhin abklopfen, ob sie technisch funktionieren, sondern ob sie aus der Perspektive jedes einzelnen Bürgers sinnvoll sind. Für jeden muss wieder gelten: Wenn ich mich anstrenge, wenn ich tüchtig bin, komme ich zurecht.

Herr Scholz, Sie drücken sich vor einer Antwort!

Entschuldigen Sie, die Frankfurter Rundschau wird damit leben müssen, dass ich noch keine Antwort gebe. In der Partei wird darüber diskutiert. Der Debatte will ich nicht vorgreifen.

Haben Sie als Ex-Sozialminister keine Meinung zur Rente mit 67?


Wegen der Lage der älteren Arbeitnehmer habe ich als Minister vorgeschlagen, die Altersteilzeit zu verlängern. Die SPD-Fraktion hat das Gesetz gerade in den Bundestag eingebracht. Und von Gesetzes wegen ist nächstes Jahr zu prüfen, ob die Beschäftigungslage der Älteren die Anhebung der Regelaltersgrenze rechtfertigt.

Plötzlich stellen Sie in Frage, was Sie bis vor kurzem als Regierungsmitglied verteidigt haben?


Wir können doch nicht so tun, als hätte es die Niederlage nicht gegeben. Noch einmal: Wir müssen Bilanz ziehen, was wir seit 1998 erreicht haben und was schief gelaufen ist.

Das ist ein gewagter Spagat.

Das ist kein Spagat. Man kann doch Erfolge würdigen und zugleich Fehler korrigieren. Die SPD wird ihre Kompetenz als pragmatische, für eine funktionierende Wirtschaft eintretende Sozialstaats-Partei nicht aufgeben, wenn sie sich weiterentwickelt.

Sigmar Gabriel und Andrea Nahles sollen diesen Prozess steuern. Doch schon gibt es Kritik, dass ihre Ernennung im Hinterzimmer ausgekungelt wurde.


Der Parteitag wählt die neue SPD-Spitze, das ist nach meinem Verständnis Basisdemokratie...

...die autoritär von oben vorbereitet worden ist.


Ich glaube nicht, dass es eine Entscheidung von oben nach unten ist, wenn der Parteitag von unten nach oben wählt.

Wie vertrauensvoll werden Sigmar Gabriel und Andrea Nahles denn zusammenarbeiten?

Alle in der neuen Führung werden beweisen müssen, dass sie trotz unterschiedlicher Biografien und verschiedener Einstellungen in Sachfragen gemeinsam kämpfen können. Die SPD vereint viele Strömungen, Meinungen und Haltungen. Das macht unsere Stärke als Volkspartei aus. Nun müssen wir zeigen, dass das zusammengeht. Die Partei ist in einer Lage, in der wir uns nur noch wenige Fehler leisten können.

Wer gibt den neuen Ton an?

Wir singen im Chor.

Wer ist der Dirigent?


Der Vorsitzende.

Und welchen Part singt Frank-Walter Steinmeier?


Als Fraktionschef ist er Teil der engsten Parteiführung. Und der Oppositionsführer.

Ist er nicht eher der Solist, der die ungeliebten Regierungsjahre der Sozialdemokraten bis heute verteidigt?

Wir haben Frank-Walter Steinmeier bis vor kurzem diesem Land als Kanzler empfohlen. Und er ist jetzt der beste Mann für den Fraktionsvorsitz in der Opposition.


Interview: Karl Doemens und Steffen Hebestreit 


Hier finden Sie das Interview auf der Internetseite der Frankfurter Rundschau.