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03.12.2009

Rede zum Gesetzentwurf der SPD-Fraktion für einen bessern Arbeitnehmerdatenschutz

 

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Skandal für Skandal hat uns in den letzten Jahren gelehrt: Wir  brauchen einen Beschäftigtendatenschutz. Das ist eine Erfahrung, die wir alle gemeinsam in Deutschland gemacht haben. Die Geschichte des Datenschutzes für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist so wie die vieler rechtlicher Regelungen für Arbeitnehmer: Der Datenschutz kommt zu spät das muss man offen sagen , er kommt erst allmählich, und er stand am Anfang nicht fest. Das erinnert an die Geschichte zum Beispiel des bürgerlichen Rechts in Deutschland. Auch dort gab es das Arbeitsverhältnis ganz lange gar nicht. Obwohl es immer eine Lebenstatsache für Millionen Bürgerinnen und Bürger gewesen ist, hat es dort keinen Niederschlag gefunden. Erst heute finden sich solche Vorschriften. Dementsprechend müssen wir auch jetzt vorgehen. Wir brauchen nach all den Skandalen, die fast eine Liste der bekanntesten Unternehmen Deutschlands darstellen, endlich einen Beschäftigtendatenschutz, der die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland besser absichert.

Ich sage ausdrücklich: Wir brauchen ihn auch deshalb, weil die Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ganz anders ist als die vieler anderer, die ebenfalls betroffen sind und die Probleme mit der Datensicherheit und der Verwendung ihrer Daten haben. Man kann eben als Arbeitnehmer nicht so frei wählen, bei welchem Anbieter man Daten hinterlässt und mit wem man Kontakt aufnimmt. Man ist von anderen abhängig, und die Abhängigkeitsstrukturen des Arbeitsverhältnisses machen einen ganz besonderen Schutz notwendig. Deshalb bin ich der festen Überzeugung: Wir brauchen ein eigenes Beschäftigtendatenschutzgesetz und keine Regelung, die irgendwo anders mit unterkommt.

Nun hat man dazugelernt. In der letzten Koalition, in der letzten Regierung hat es zwei Vereinbarungen gegeben. Diese sind interessant, wenn wir über das weitere Vorgehen reden. Die erste war: Wir wollen eine Generalklausel im Bundesdatenschutzgesetz für die Beschäftigten unterbringen. Die zweite war: Wir werden in der Regierung bis zum August dieses Jahres ein Eckpunktepapier, möglicherweise einen Gesetzentwurf zum Beschäftigtendatenschutz einvernehmlich zustande bringen. Das waren zwei Verabredungen, die die alte Koalition getroffen hatte.

Das mit der Generalklausel war schon eine eigene Geschichte. Ich glaube, dass ich nicht allzu viel ausplaudere, wenn ich sage, dass es zwischen dem Innenminister, der Justizministerin und dem Arbeitsminister mehrfach Einigungen gegeben hat, dass diese Einigungen aber immer nach Telefonanrufen von Wirtschaftsverbänden im Wirtschaftsministerium nicht für die ganze Regierung gegolten haben. Erst am Ende und in allergrößter Not ist es zu der heutigen Generalklausel gekommen, weil der Lobbyismus massiv interveniert hat. Immer dann, wenn es einen Skandal gab, haben alle gesagt: Man muss etwas tun; aber wenn es konkret wurde, waren viele nicht mehr dabei. Das war schon bemerkenswert. Ich habe mich nicht gefreut, dass die Vereinbarung, dass es bis zum August eine Verständigung über einen Beschäftigtendatenschutz geben sollte, nicht umgesetzt worden ist. Ich habe mich darüber aber nicht gewundert. Das war nach der Vorgeschichte mit der Generalklausel im Bundesdatenschutzgesetz nicht anders zu erwarten. Es hat massive Widerstände gegen eine Verständigung über konkrete Ziele gegeben. Das muss ein Ende haben. Wir brauchen deshalb jetzt eine solche Gesetzgebung in Deutschland.

Was da passiert, das kann man nur ahnen. Jedenfalls ist der Koalitionsvertrag keine gute Botschaft; denn darin steht nicht, dass es ein Beschäftigtendatenschutzgesetz geben sollte. Vielmehr heißt es dort, man wolle im Bundesdatenschutzgesetz eine Regelung für die Arbeitnehmer treffen. Nun kann man sagen: Es ist egal, wo die entsprechende Regelung steht. Ehrlicherweise muss ich sagen: Wenn die Inhalte stimmen, ist es wirklich egal. Die Frage ist aber: Warum ist das passiert?

Die vorherige Forderung anderer, zum Beispiel von der FDP, war die nach einem eigenen Gesetz, und die Union hat dazu schon einmal Ja gesagt. Ich will dazu ausdrücklich sagen: Dass das jetzt so geregelt werden soll, macht misstrauisch. Misstrauen muss nicht bestätigt werden. Als Bürger dieses Landes, als jemand, der sich für den Datenschutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einsetzt, wünsche ich mir, dass dabei etwas Gutes herauskommt. Ich werde einen Gesetzentwurf, der noch gar nicht vorliegt, nicht kritisieren. Das ist die Methode anderer; die mache ich nicht mit. Ich betone: Das, was darin steht, kann man messen. Mit der Verabschiedung des hier vorliegenden Gesetzentwurfs kann man ganz deutlich feststellen, ob das, was vorgeschlagen wird, mehr oder weniger ist. Weniger als das, was in dem jetzt vorgelegten Gesetz zum Beschäftigtendatenschutz stehen soll, sollte keine gesetzliche Regelung umfassen.

Es gilt in diesem Deutschen Bundestag: Hic Rhodus, hic salta. Das ist ganz wichtig. Hier im Bundestag wird das Gesetz beschlossen. Allgemeine Reden zu diesem Thema sind völlig überflüssig. Eine angemessene Behandlung, das ist etwas, was die Bürgerinnen und Bürger verdient haben. Denn sie kennen die Methode der Auseinandersetzung mit dem Datenschutz für Beschäftigte sehr genau: Immer wenn ein Skandal bekannt wird, meldet sich eine große Zahl von Politikerinnen und Politikern zu Wort und fordert: Ein Beschäftigtendatenschutzgesetz muss her! Hinterher stellen sie ihre Aktivitäten komplett ein, bekämpfen ein solches Gesetz sogar im Einzelnen wenn sie Minister sind, überlassen sie das möglicherweise ihren Beamten , damit nichts wirklich Konkretes herauskommt. Das darf an dieser Stelle nicht passieren. Dafür ist diese Frage zu sensibel. Wir müssen jetzt endlich etwas zustande bringen. Das muss spätestens im nächsten Jahr etwas werden. Mit dem Gesetzentwurf, den wir hier vorlegen, ist das möglich.

Es gibt nicht nur Interpretationsprobleme. Lange haben wir alle gesagt ich will mich da nicht ausschließen : Wer sich gut auskennt, weiß, dass das meiste, was in diesen Skandalen passiert ist, schon jetzt verboten ist. Aber natürlich müssen wir lernen, dass ganz offenbar ein Teil derjenigen, die Verantwortung in Unternehmen tragen, Gesetze nur befolgen will, wenn sie ihren Inhalt ganz genau nachlesen können, und deshalb müssen wir das, was wir wollen, aufschreiben.

Aber es gibt auch ohne Ende Regelungslücken, wie sich bei der genaueren Beschäftigung mit modernen technischen Möglichkeiten und mit diesem Gesetzentwurf zeigt. Wir brauchen klare Regelungen, wonach zum Beispiel bei Einstellungen gefragt werden darf. Wir brauchen klare Regelungen über die Verwendung und Nutzung von Daten im Beschäftigungsverhältnis, sodass zweifelsfrei feststeht: Was man für eine konkrete Tätigkeit in einem Unternehmen nicht braucht, danach darf weder gefragt noch darf es gewusst oder verwendet werden. Zuwiderhandlung muss verboten sein, und das geschieht mit der Verabschiedung unseres Gesetzentwurfs.

Wir müssen natürlich auch den ganzen Missbrauch bei gesundheitlichen Untersuchungen unterbinden. Ich denke dabei sowohl an die Frage nach vorliegenden Diagnosen als auch an das, was beim Eintritt in ein Unternehmen häufig gemacht wird. Es ist nicht zulässig es darf auch nicht zulässig sein , die allgemeine Fitness der Arbeitnehmer abzutesten; das geht nicht. Zulässig ist, Konkretes zu erfahren, wenn es um einen Arbeitsplatz geht, bei dem bestimmte gesundheitliche Probleme eintreten können. Aber das ist die einzige Situation, und die ist ganz selten. Sie auf diese seltenen Fälle zu beschränken, das ist das, was wir jetzt tun müssen.

Ich will es ausdrücklich ergänzen: Es gibt dann vieles, was mit den Techniken verbunden ist, zum Beispiel Fernüberwachung bei Telearbeiten. Wir brauchen eine Regelung, die das so beschränkt, dass das nicht zu einer allgemeinen Kontrolle der Arbeitnehmer wird. Wir müssen sicherstellen, dass es keine Videoüberwachung gibt, die konkret auf Arbeitnehmer bezogen bloß auf Verdacht hin möglich ist; wenn, dann müssen schon ganz konkrete Vorwürfe gegen einen konkreten Einzelnen vorliegen. In allen anderen Fällen muss man sicherstellen, dass das, was zur Betriebssicherheit notwendig ist, auch nur zur Betriebssicherheit dient und nicht dazu, Beschäftigte zu überwachen. Das Gleiche gilt für biometrische Daten und all die Dinge, die dort stattfinden. Ein wichtiges Thema ist die Verwendung des Telefons im Betrieb. Ich finde, wir sollten eine neue Klarstellung vornehmen, nämlich sicherstellen, dass es erlaubt ist, das Telefon auch privat zu nutzen, wie es meistens geschieht, und dann klar erklären: Dann darf die Überwachung, die da heute in Unternehmen stattfindet, nicht mehr fortgesetzt werden. Auch das muss beendet werden.

Wir brauchen dieses Gesetz. Wir brauchen eine klare Verantwortlichkeit des Arbeitgebers. Auch wenn er andere beauftragt, endet die nicht. Er muss das weiter tun. Wir brauchen Schadensersatzansprüche für die Arbeitnehmer bei Missbrauch von Daten, Unterlassungsansprüche, Korrekturmöglichkeiten. Alles das ist jetzt möglich. Lassen Sie uns diese Dinge gemeinsam zustande bringen!

Schönen Dank.


Den Gesetzentwurf (BT-Drucksache 17/69) finden Sie hier (PDF).