"Neue Chancen, neue Perspektiven Die Integration in Ausbildung und Erwerbsleben" - Rede auf dem Kongress der Caritas
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich danke Ihnen herzlich für die Einladung und die Gelegenheit, über unsere Anstrengungen zu sprechen und es sind ja oft Anstrengungen, die wir gemeinsam unternehmen, um die Integration in die Gesellschaft zu fördern, indem wir die Integration in Arbeit erreichen.
Integration ist eine uralte Aufgabe. Im 3. Buch Mose steht zu lesen: Unterdrückt nicht die Fremden, die bei euch im Land leben, sondern behandelt sie genau wie euresgleichen. Jeder von euch soll seinen fremden Mitbürger lieben wie sich selbst. Denkt daran, dass auch ihr in Ägypten Fremde gewesen seid.
Das Wissen um das Gefühl des Fremd-Seins ist für unsere Anstrengungen wichtig und entscheidend. Ich will meinen Gedanken etwas plastischer werden lassen mit einem Lied aus dem Gotteslob: Maria, breit den Mantel aus, mach Schild und Schirm für uns daraus; lass uns darunter sicher stehn, bis alle Stürm vorübergehn. Patronin voller Güte, uns allezeit behüte.
Sie werden nun sicher zunächst stutzen. Doch ich denke, dass in diesem Vers ein für unser Thema ganz wesentliches Gefühl seinen Ausdruck findet. Es ist das Bewusstsein der Pilgerinnen und Pilger, die dieses Lied anstimmen, dass sie auf ihrem Weg ohne weltlichen Schutz sind. Sie rufen daher Maria als Patronin an, ihnen Schutz, Asyl zu gewähren. Heute ist es beim Wallfahren nicht mehr so, aber für viele der Menschen, die in unser Land gekommen sind, begann der Weg mit dem Verlassen ihres gewohnten Gemeinwesens und auch mit der Aufgabe von Bürgerrechten. Sei es, weil ihre Heimat ihnen keinen Schutz mehr gewähren konnte oder wollte. Sei es, weil sie trotz eigener Anstrengungen keine Perspektive sehen konnten.
Der Weg in unsere Gesellschaft ist mit dem Eintreffen hier nicht abgeschlossen. Duldung, befristeter Aufenthalt bis sie endlich Bürgerinnen und Bürger geworden sind, ist es manchmal ein Weg von drei Generationen. Wir können also nicht auf der kurzen Strecke zum Erfolg kommen. Integration ist ein langer Prozess. Und er gelingt nur, wenn er ein Anliegen beider Seiten ist derer, die Bürger sind und derer, die Bürger werden.
Sehr geehrte Damen und Herren,
es ist die Auffassung Ihrer Kirche so entnehme ich es der Enzyklika Pacem in terris Johannes XXIII. Migrantinnen und Migranten als Mitglied der Menschheitsfamilie und Bürger jener universalen Gesellschaft zu sehen. Ich sehe diese Einstellung widerscheinen in der Arbeit der Caritas, wenn Sie Migrantinnen und Migranten von der Erstorientierung an auf ihrem Weg der Integration begleiten und unterstützen. Dafür danke ich Ihnen. Denn Hilfe und Unterstützung ist nötig.
Die Situation auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ist für Menschen aus Zuwandererfamilien sehr schwierig. Das beginnt bei der Bildung. Der Anteil der Jugendlichen, die die Schule ohne einen Abschluss verlassen, ist unter Migranten mehr als doppelt so hoch (17 %) wie im Gesamtdurchschnitt (8 %). Weitere 41 % der jugendlichen Migranten gehen mit dem Hauptschulabschluss ab, bei den deutschen Jugendlichen sind es nur etwa halb so viele (22,5 %). Fast die Hälfte der Deutschen (45 %) besuchte ein Gymnasium, während es bei den ausländischen Schülerinnen und Schülern nur jeder Fünfte war. Weil auch die Ausbildungs-Beteiligung bei Jugendlichen aus Zuwandererfamilien mit unter einem Viertel (23 %) deutlich unter der deutscher Jugendlicher von etwa 57 % liegt und tendenziell noch weiter sinkt, ist die Aussicht vieler ausländischer Jugendlicher auf dem Arbeitsmarkt schlecht. Jeder zehnte arbeitslose Jugendliche kommt aus dieser Bevölkerungsgruppe.
Das ist für die individuelle Perspektive dieser Jugendlichen eine dramatische Entwicklung. Denn die Zahl der Arbeitsplätze für niedrig Qualifizierte wird am Arbeitsmarkt stetig abnehmen. Die Zukunft gehört zumindest in Deutschland der qualifizierten Arbeit.
Etwa eine halbe Million Arbeitslose können keinen Schulabschluss vorweisen. Doch die Voraussetzung, dass jede und jeder immer wieder eine neue Chance bekommt, liegt ganz maßgeblich in Bildung. Nicht jeder muss Professor werden, aber auch für ein normales Berufsleben ist ein Berufs- und Schulabschluss unabdingbar. Bildung ist eine Grundbedingung für Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Neben Bildungsdefiziten sind es mangelnde Deutschkenntnisse, die die Chance auf dem Arbeitsmarkt verschlechtern. Auch wenn im Ausland erworbene Qualifikationen nicht anerkannt werden, entstehen Nachteile am Arbeitsmarkt. Das führt dazu, dass die berufliche Stellung von Menschen mit Migrationshintergrund häufig niedriger ist, als bei Deutschen mit vergleichbarem Bildungsstand.
Und es führt zu einer mehr als doppelt so hohen Arbeitslosigkeit von Ausländern (17,8 %) im Vergleich zum Gesamt-Durchschnitt (7,6 %).
Diese Reihe von Zahlen erweckt insgesamt den Eindruck eines geschlossenen Bildes. Doch dem ist nicht so. In Wahrheit steckt darin eine in sich gespaltene Wirklichkeit: Während Kinder qualifizierter Zuwanderer ebenso häufig studieren wie deutsche Kinder, betrifft Bildungsarmut vor allem Kinder geringqualifizierter Zuwanderer. Hier verbinden sich oft zwei Problemlagen auf fatale Weise.
Einer der wesentlichen Gründe für Armut das zeigt der Armuts- und Reichtumsbericht ist die fehlende Ausbildung. Und Migranten haben immer noch ein deutlich höheres Armutsrisiko. Darum müssen wir dort soziale Ausgrenzungen aufbrechen und mit intensivierten Sprach- und Bildungsangeboten die Chancen auf Teilhabe verbessern.
Sehr geehrte Damen und Herren,
und Teilhabe heißt Arbeit. Wir leben in einer Arbeitsgesellschaft und Arbeit hat Zukunft. Der These vom Ende der Arbeit widerspreche ich klar und deutlich ausnahmsweise will ich mich dafür sogar eines theologischen Arguments bedienen: Arbeit ist so alt wie der Mensch und sein Leben auf der Erde. So entnehme ich es der Enzyklika Laborem exercens Papst Johannes Pauls des II. (1981). Arbeit gehört zur Schöpfung, zum Wesen des Menschen als Abbild des Schöpfers. Und daher wird es Arbeit geben, so lange die Schöpfung besteht: der Mensch [ist] von seinem Ursprung her zur Arbeit berufen.
Über Arbeit vermitteln sich Stolz und Würde, Respekt und Selbstwertgefühl. Arbeit hat ihren eigenen Wert. Wir sehen in Deutschland immer noch unsere Arbeit nicht als Job, sondern als Beruf. Diese Einstellung ist für unser Wirtschaftssystem von entscheidender Bedeutung. Ein großer Teil unseres wirtschaftlich nachhaltigen Erfolges beruht darauf, dass wir unsere Arbeit gut machen wollen.
Verantwortungsbewusstsein und Pflichtgefühl der Arbeitnehmer sind tragende Säulen unserer Wirtschaftsordnung. Wenn das so ist, dann ist Arbeitslosigkeit vor allem lange Arbeitslosigkeit kein Randproblem, sondern eine zentrale Herausforderung. Eine Herausforderung freilich, die wir nicht erst jetzt erkannt haben, sondern der sich in den letzten zehn Jahren die Regierung endlich gestellt hat.
Mit den Arbeitsmarktreformen haben wir wichtige Grundlagen dafür gelegt, dass wir Arbeitslosigkeit wirksam bekämpfen können.
Wir haben Hunderttausende aus verdeckter Arbeitslosigkeit geholt, und zwar das war die zweite wichtige Verbesserung haben wir sie in die Vermittlung geholt und ihnen Ansprüche auf die Leistungen der aktiven Arbeitsmarktpolitik gegeben.
Wir haben vor allem eine eigene Institution gebildet, die sich speziell um die Langzeit-Arbeitslosen kümmert, dezentral organisiert und bereichert um die Erfahrung und Kompetenz aus Städten und Kreisen.
Und es gibt durchaus sichtbare Erfolge: Mit 3,2 Millionen Arbeitslosen hatten wir im August über 1,5 Millionen weniger Arbeitslose als vor 3 Jahren zu verzeichnen.
Und vieles spricht dafür, dass wir noch in diesem Jahr Monatswerte von weniger als 3 Millionen haben werden. Auch die Ausländer-Arbeitslosigkeit sinkt um mehr als ein Viertel seit 2005.
Aber wir sind bei der Vermittlung bei Weitem nicht gut genug. Wir müssen noch besser werden. Mein Ziel ist: Die Vermittlung in Arbeit muss in unserem Land die leistungsfähigste Institution sein und weltweit ebenfalls an der Spitze.
Ich habe in diesem Zusammenhang bisweilen davon gesprochen, dass auf mittlere Sicht Vollbeschäftigung erreichbar ist. Es kamen daraufhin nicht die noch vor einigen Jahren üblichen zynischen Antworten. Das zeigt, dass eine ernsthafte Debatte über diese Frage wieder möglich geworden ist. Für mich ist Vollbeschäftigung erreicht, wenn niemand länger als ein Jahr arbeitslos ist, wenn jede und jeder in unserem Land immer wieder eine neue Chance bekommt.
Daher bleibt Arbeitsmarktpolitik eine politische Kernaufgabe. Dabei sind diejenigen Gruppen besonders im Fokus, die mit besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen haben.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ein wesentlicher Fortschritt für Arbeitslose mit Migrationshintergrund war unsere Grundsatzentscheidung, im Arbeitsförderungsrecht Zuwanderer nicht mehr abhängig von ihrem Rechtsstatus, sondern nach ihrem Integrationsbedarf zu fördern.
Durch das so genannte Profiling kann besonderer individueller Förderbedarf ermittelt werden, der etwa aus mangelnden Deutschkenntnissen erwächst unabhängig vom Rechtsstatus oder der Staatsbürgerschaft.
Ebenso sollen besondere Talente, Kenntnisse und Fähigkeiten erkannt und genutzt werden. Denn gerade muttersprachliche Sprachkenntnisse, interkulturelle Kompetenz und profundes Wissen über andere Länder und Kulturen können besondere Vermittlungschancen sein.
Solche Kompetenzen werden in einer exportorientierten Gesellschaft mit ihrer globalisierten Wirtschaft dringend gebraucht. Es geht darum, das kulturelle Kapital von Menschen mit Migrationshintergrund als Begabung und Talent zum Nutzen von Unternehmen und Gesellschaft zu begreifen. Um diese Potenziale zu erkennen, brauchen wir entsprechend geschulte Vermittlerinnen und Vermittler insbesondere solche, die selbst entsprechende Erfahrungen, sprich: Migrationshintergrund haben. Dennoch hat sich gezeigt, dass bei vielen Migrantinnen und Migranten die mangelnde Sprachkompetenz in Deutsch ein Vermittlungshindernis ist. Daher ist eine intensive Sprachförderung ein zentrales Element unserer Maßnahmen.
Neben den Integrationskursen, die wir im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes 2005 eingeführt haben, bieten wir mit der neuen ESF-Förderperiode zusätzlich berufsbezogene Sprachkurse zur Verbesserung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt an. Diese berufsbezogenen Sprachkurse stehen jetzt nicht mehr nur im Rahmen des SGB III, sondern auch für Leistungsempfänger des SGB II und auch für Beschäftigte zur Verfügung.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Migration als Bereicherung für Wirtschaft und Gesellschaft deutlich zu machen, ist auch das Anliegen der Unternehmens-Initiative Charta der Vielfalt. Toleranz und Vielfalt als Schlüssel für globale Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliches Wachstum zu sehen, diesen Gedanken unterstütze ich nachdrücklich. Und daher bin ich auch stolz, dass sich mein Ministerium als bisher einziges Bundesministerium ausdrücklich zur Charta der Vielfalt bekannt hat.
Integration ist ein Prozess, den die Gesellschaft gemeinsam leisten muss. Darum ist es uns wichtig, möglichst alle Beteiligten einzubinden, damit wir zu einer erfolgreichen Integration von Migrantinnen und Migranten in den Arbeitsmarkt kommen.
Wir haben daher gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit ein bundesweites Beratungs- und Informations-Netzwerk Integration durch Qualifizierung geknüpft.
Darin arbeiten viele Akteure gemeinsam daran, die Arbeitsmarktsituation von Menschen mit Migrationshintergrund zu verbessern. So werden unter anderem neue Maßnahmen entwickelt und erprobt:
maßgeschneiderte Beratungsangebote für Arbeitsuchende, zur Existenzgründung oder zur interkulturellen Personalentwicklung,
neue und bessere Verfahren zur Kompetenzfeststellung,
gezielte Weiterbildungen.
Wir haben mit der Änderung des Zuwanderungsgesetzes 2007 für viele, die ohne sicheren Status in Deutschland lebten, eine Perspektive für den dauerhaften Aufenthalt geschaffen. Viele Geduldete erhielten so eine Chance zur Integration in den Arbeitsmarkt und damit in die Gesellschaft.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales fördert auch hier mit einem Sonderprogramm 43 regionale Netzwerke, die Bleibeberechtigte und Flüchtlinge beim Zugang zum Arbeitsmarkt unterstützen. Auch Unternehmerverbände, Handwerkskammern und natürlich Träger der freien Wohlfahrtspflege sind in diese Netzwerke eingebunden. Für das Programm stehen in den nächsten beiden Jahren über 30 Millionen Euro zur Verfügung. Insbesondere was Fachkräfte angeht, müssen und wollen wir die Potenziale in unserem Land besser nutzen. Dafür haben wir in der Bundesregierung ein Gesetz auf den Weg gebracht.
Wir wollen Geduldeten einen sicheren Aufenthalt verschaffen, wenn sie in Deutschland eine qualifizierte Berufsausbildung abgeschlossen haben und hier arbeiten oder eine verbindliche Einstellungszusage haben. Auch geduldete Fachkräfte oder Hochschulabsolventen, deren Abschluss in Deutschland anerkannt ist, und die zwei Jahre lang durchgehend in einem ihrer Qualifikation entsprechenden Beruf gearbeitet haben, sollen einen sicheren Aufenthalt erhalten können. Wer sich anstrengt und sich einsetzt, verdient eine ehrliche und verlässliche Perspektive.
Mit dem Nationalen Integrationsplan haben wir 2007 die Integrationspolitik auf eine neue Grundlage gestellt. Dabei ging es nicht allein um abgestimmtes Regierungshandeln. Ziel war ein interkultureller Gedankenaustausch, es sollte ein gesamtgesellschaftliches Konzept zur Integrations-Förderung entwickelt werden. Wir haben daher Migranten-Organisationen und die Bürgergesellschaft wie die Sozialpartner und die Wohlfahrtsverbände in die Beratungen und mit Selbstverpflichtungen einbezogen. Auch die Caritas hat sich intensiv mit Ideen und Vorschlägen eingebracht.
Einen wichtigen Teil dieses Plans stellen die Maßnahmen zur Bildung und zur Eingliederung von Migrantinnen und Migranten in den Arbeitsmarkt dar. Als Ministerium haben wir uns besonders dafür stark gemacht, dass Unternehmerinnen und Unternehmer mit Migrationshintergrund in die Arbeitsgruppen einbezogen wurden.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe es schon angesprochen: Eine qualifizierte Ausbildung legt das Fundament für die berufliche Zukunft. Sie verringert die Gefahr, arbeitslos zu werden oder zu bleiben.
Mit dem Ausbildungspakt haben wir eine deutliche Steigerung der Zahl der Ausbildungsplätze erreicht. Mit über 625.000 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen haben wir im vergangenen Jahr den zweithöchsten Wert seit der Wiedervereinigung erzielt. Das ist die gute Nachricht. Das Bild trübt sich etwas, wenn man sich vergegenwärtigt, dass in den 80er Jahren die Zahl der Ausbildungsplätze allein in Westdeutschland durchgehend auf dem Niveau lag, das wir jetzt für Gesamtdeutschland mühsam wieder erreicht haben. Und die Schattenseite ist: Mittlerweile suchen mehr Alt- als Neubewerber einen Ausbildungsplatz. Wenn sie jetzt keinen Ausbildungsplatz finden, werden sie ihr gesamtes Berufsleben lang damit zu kämpfen haben. Ich weiß, da ist mancher dabei, der keinen guten Schulabschluss geschafft hat. Aber wir dürfen nicht so leichthin zwischen geeigneten und ungeeigneten Bewerbern unterscheiden. Jede und jeder verdient eine Chance, wenn nötig auch eine zweite und dritte. Jede und jeder soll sich seinen Platz in der Gesellschaft erarbeiten können. Ein Gedanke, der mir sehr wichtig ist. Darum unterstützen wir mit dem Ausbildungsbonus Betriebe, die zusätzliche Ausbildungsplätze schaffen und mit Jugendlichen besetzen, die schon lange vergeblich einen Platz suchen. Es bleibt dabei: Ausbildung ist zuerst die Verantwortung der Unternehmen. Aber klar für mich ist auch: Die jungen Leute, die jetzt auf der Straße stehen, dürfen nicht die Leidtragenden sein. Und weil mir dieser Gedanke der zweiten und dritten Chance so wichtig ist, setze ich mich für den Rechtsanspruch ein, einen nicht erreichten Hauptschul-Abschluss nachholen zu können. Egal ob mit 24 oder mit 42 wer sich anstrengt, darf nicht auf unüberwindliche Hindernisse stoßen.
Gerade mit dem Blick auf die Situation der Jugendlichen aus Migrantenfamilien, die ich vorhin skizziert habe, müssen wir die Chancen zur Integration in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt weiter verfolgen und verstärken. Die Partner im Ausbildungspakt haben vor zwei Jahren gemeinsam eine Erklärung zur Verbesserung der Bildungs- und Ausbildungschancen für Jugendliche mit Migrationshintergrund verabschiedet. Das Engagement für diese Jugendlichen soll Schwerpunkt der Bemühungen im Rahmen des Paktes sein, ihre berufliche Integration besonders in den Blick genommen werden. Wir haben zum Beispiel die Möglichkeiten für ausländische Auszubildende, Berufsausbildungsbeihilfe zu erhalten, wesentlich verbessert. Und bei den Plätzen zur Einstiegsqualifizierung (EQJ), die die Bundesregierung fördert, liegt der Anteil der ausländischen jungen Menschen über einem Drittel. Diese Einstiegsqualifizierung ist bisher sehr erfolgreich: 65,5 Prozent der Teilnehmer sind anschließend in eine betriebliche Ausbildung gekommen. Als Sonderprogramm hat die Einstiegsqualifizierung seit ihrem Start 2004 Jahr für Jahr mehr dazu beigetragen, den Einstieg in eine Ausbildung zu schaffen. Deshalb haben wir die Einstiegsqualifizierung jetzt dauerhaft in das Arbeitsförderungsrecht und die Grundsicherung für Arbeitsuchende aufgenommen.
Besonders erfreulich ist, dass Jugendlichen mit Migrationshintergrund der Übergang in Ausbildung genauso gut gelingt wie Jugendlichen ohne Migrationshintergrund. Darüber hinaus unternehmen wir als Bundesregierung viele weitere Anstrengungen, um zu einer besseren Integration in und durch Ausbildung und Arbeit zu kommen. Zum Beispiel mit ausbildungsbegleitenden Hilfen und mit verstärkter Förderung von Berufsausbildungen in außerbetrieblichen Einrichtungen. Oder mit der Aufstockung des Programms Jobstarter zur besseren regionalen Versorgung Jugendlicher mit betrieblichen Ausbildungsplätzen.Und wir setzen dabei gerade auch auf das Engagement von Unternehmern, die selbst Migrationserfahrungen gemacht haben.
Die Bundesregierung unterstützt dies zum Beispiel mit der Arbeit von KAUSA, wo wir um Ausbildungsplätze bei Unternehmern ausländischer Herkunft werben. Unternehmerinnen und Unternehmer mit Migrationshintergrund leisten etwas ganz Wichtiges für unsere Gesellschaft: Sie sind Vorbilder und Botschafter, insbesondere für junge Menschen mit Migrationshintergrund: Eine erfolgreiche Berufskarriere ist möglich. Es ist wichtig, diese Erfahrungen weiterzugeben und jungen Menschen eine Chance zu schaffen, dem Beispiel zu folgen.
Aber auch Jugendlichen, die keinen Berufsabschluss haben, oder die trotz eines Berufsabschlusses schon lange arbeitslos sind, wollen wir Perspektiven eröffnen. Dazu haben wir einen Qualifizierungs-Kombi eingeführt. Sie erhalten eine Chance auf Arbeit im Betrieb und auf Qualifizierung, die sie an eine Ausbildung heranführt. Um solche Problemlagen gar nicht erst entstehen zu lassen, werden auch die präventiven Anstrengungen verstärkt. Jugendliche, die Probleme haben, einen Schulabschluss zu erreichen oder den Übergang in berufliche Ausbildung zu bewältigen, sollen schon frühzeitig Unterstützung bekommen. Wir erproben dazu ab 2009 eine Berufseinstiegs-Begleitung durch Ausbildungspaten.
Aber es gibt auch vor Ort eine Vielzahl von Ideen und Projekten zur frühzeitigen und verstärkten Berufsorientierung.
Als Beispiel will ich zwei Projekte hier aus Berlin anführen:
Mit SPRINT was für Sprache und Integration steht werden gleichzeitig sprachliche Barrieren und Schwellen zur Ausbildung abgebaut. Sprachtraining und praxisnaher Unterricht, um die Kompetenzen zu erweitern, sind verbunden mit individueller Begleitung.
Durch gezielte Sprachförderung und die Förderung einer Ausbildung zur Hotelfachkraft mit interkulturellem Schwerpunkt sollen Jugendliche ihre Zweisprachigkeit als Stärke nutzen können.
Auch die Caritas leistet dabei ihren Beitrag. In Düsseldorf etwa kümmert sich der Caritas-Verband mit dem Projekt MOrie (Migranten Orientierung) darum, jungen Menschen mit Migrationshintergrund durch Qualifizierung und Praktika die Chance zu geben, ihre Kompetenzen zu verbessern und so besser im Ausbildungs- oder Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Es ist ein Beispiel für viele andere Projekte, in denen die Verbände mit an unserem gemeinsamen Ziel einer besseren Integration arbeiten. Gerade für das Engagement des Caritasverbandes möchte ich ausdrücklich danken.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Integration ist ein langer Prozess, ein langer Weg. Er muss ernsthaft und dauerhaft gegangen werden. Integration kann niemand alleine schaffen, es ist eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft. Ein gelungenes Ganzes braucht viele Beiträge. Integration hat Geschichte. Vor gut 50 Jahren brauchte das deutsche Wirtschaftswunder Arbeitskräfte. Vor allem junge Männer für die Industrie. Innerhalb weniger Jahre kamen Hunderttausende, zuerst aus Italien, später aus Spanien, Griechenland, der Türkei. Damals hießen diese Menschen Gastarbeiter. Sie wurden angeworben, um hier zu arbeiten und dafür Geld nach Hause zu schicken. Dorthin sollten sie ja auch nach wenigen Jahren wieder gehen.
Aber es ist anders gekommen. Viele der Gastarbeiter sind geblieben und sie haben ihre Familien zu sich geholt und eine neue Heimat aufgebaut. Wir sollten aus diesen Erfahrungen lernen, um unsere Integrationswilligkeit und -fähigkeit zu verbessern.
Und schließlich ist Integration eine Zukunftsaufgabe. Denn die demografische Entwicklung und die Globalisierung verändern unsere Wirtschaft und Gesellschaft auch dahin, dass Migration viel selbstverständlicher und in manchen Bereichen auch nötiger wird, als das im abgelaufenen Jahrhundert empfunden wurde. Darum werden wir auch bei den erreichten Veränderungen und ich persönlich empfinde die meisten ausdrücklich auch als Verbesserungen im Zuwanderungsrecht nicht stehen bleiben können.
Arbeitsmigration und Fachkräftemangel sind Stichworte, die in den letzten Jahren deutlich öfter gefallen sind als zuvor. Aber da sind noch einige Diskussionen zu führen. Wir haben als Bundesregierung die nötigen Vorbereitungen auf den Weg gebracht, damit diese Diskussionen auf einer soliden Basis geführt werden können. Für mich ist klar: Einfach und billig Fachkräfte aus anderen Ländern anzuwerben ohne Rücksicht auf die dortige Entwicklung Stichwort brain drain , das ist nicht unser Weg in Deutschland. Bei all den anstehenden Diskussionen erhoffe ich mir auch die Beiträge der Caritas.
Die zweite Strophe des zu Beginn zitierten Liedes lautet:
Dein Mantel ist sehr weit und breit,
er deckt die ganze Christenheit, er deckt die weite, weite Welt,
ist aller Zuflucht und Gezelt.
Diese Globalisierungs- und Migrationserfahrung, mit der und aus der die Kirche lebt, ist weit umfangreicher als die, die wir in der Politik überblicken. Das Wissen um das Gefühl des Fremd-Seins legt eine gute Basis für gelingende Integration, für neue Chancen und neue Perspektiven.
Vielen Dank.