Lieber Andreas Hensen,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Stephan,
sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister, lieber Olaf,
lieber Daniel Friedrich,
liebe Familie Meyer,
sehr geehrter Herr Schmitz,
vor allem liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich muss nicht lange darum herumreden, weshalb ich nun heute nach Papenburg gekommen bin. Es geht in diesen Tagen um die Zukunft der Meyer Werft. Ich kann mir vorstellen, wie sehr Euch alle die Unsicherheit belastet, die da in den letzten Tagen und Wochen eine große Rolle gespielt hat, nicht nur für alle hier Versammelten und diejenigen, die hier arbeiten und heute nicht hier sein können, sondern auch für die Familien und Freunde, ja, die ganze Region. Alle machen sich Sorgen um die Zukunft der Meyer Werft. Ich bin deshalb heute aus Berlin hierhergekommen, um zu sagen: Wir lassen Euch mit Euren Sorgen nicht allein! Wenn jemand in Schwierigkeiten steckt, dann packen wir alle gemeinsam an. So sind wir. So ist Deutschland. Das ist jedenfalls mein Prinzip.
Fast 16 Jahre ist es her, dass ich zuletzt hier auf der Werft war. Im November 2008 war das. Damals war ich Arbeitsminister. Vielleicht erinnert sich sogar noch jemand daran. Aber es gab ja hier viele Besuche von Leuten, insofern ist das nicht ganz sicher. Schließlich gehören viele aber schon seit vielen Jahren und manchmal seit Generationen zur „Meyer-Werft-Familie“. Ich habe jedenfalls in den vergangenen Tagen, in denen wir so intensiv über die Zukunft Eures Unternehmens verhandelt haben, an meinen Besuch hier gedacht und daran, was für tolle Arbeit hier geleistet wird.
Schiffe aus Papenburg und der Region sind auf den Weltmeeren „State of the Art“ – und darauf könnt Ihr stolz sein – wobei die Bezeichnung „Schiff“ eigentlich viel zu klein gegriffen ist für das, was hier vom Stapel läuft. Was hier gebaut wird, sind eigentlich kleine Städte – mit allem, was dazugehört. Zu den schönsten und aussagekräftigsten Geschichten über die Meyer Werft gehört, dass Ihr zum Beispiel auch Deutschlands größter Theaterbauer seid. 15 Millionen Einzelteile hat so ein Ozeanriese, habe ich mir jedenfalls sagen lassen, 15 mal mehr als ein Airbus A380.
Das zeigt, die Meyer Werft ist nicht irgendein Unternehmen, sondern ein industrielles Kronjuwel unseres Landes. Wir reden über 3.000 Arbeitsplätze allein hier auf der Stammwerft in Papenburg. Wir reden über knapp 6.000 Beschäftigte bei rund 200 Zulieferbetrieben – vom Tischler bis zum Hightechunternehmen – allein hier in Weser-Ems. Und wir reden über 17.000 Arbeitsplätze deutschlandweit, die auf die eine oder andere Weise von der Meyer Werft abhängen. Es ist eben keine Übertreibung, wenn man sagt: Der Wohlstand, den Ihr Euch hier im Emsland und in Ostfriesland in den vergangenen Jahrzehnten hart erarbeitet habt, hängt zu einem großen Teil an der maritimen Wirtschaft und am Schiffbau. Aber auch Deutschland insgesamt profitiert davon.
Wir sind ein starkes Industrieland. Wir sind eine erfolgreiche Handelsnation. Wir sind – manchmal gerät das aus dem Blick – mit 84 Millionen Einwohnern unter mehr als acht Milliarden Menschen die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Diese Stellung als Industrieland, als Handelsnation, als führende Volkswirtschaft hängt unmittelbar von einer leistungsfähigen maritimen Wirtschaft ab. Und hier in Eurer Region ist ein ganz wichtiger Ort, ein Zentrum dieser maritimen Wirtschaft in Deutschland. Nirgendwo sonst ist die gesamte maritime Wertschöpfungskette auf so kleinem Raum so hoch spezialisiert zuhause. Das ist ein Trumpf, den wir nicht aufgeben dürfen und den wir nicht aufgeben werden.
Damit bin ich zurück bei dem Grund für meinen Besuch. Ihr alle kennt die Ursachen, weshalb diese traditions- und erfolgreiche Werft in Schwierigkeiten geraten ist. Da spielen die Folgen der Pandemie eine große Rolle und das Bestellverhalten auf den Märkten. Sicher, auch strukturelle Fragen auf der Werft sind ein Punkt. Selbst für ein weltweit agierendes Unternehmen wie die Meyer Werft sind die wirklich speziellen Bedingungen bei der Finanzierung des Baus von Kreuzfahrtschiffen eine Herausforderung.
Klar ist aber auch, Eure Produkte sind nicht das Problem. Im Gegenteil, die Auftragsbücher sind randvoll. Die Qualität, die hier abgeliefert wird, sucht weltweit ihresgleichen. Die Schiffe sind Aushängeschilder für das Beste, was „Made in Germany“ ausmacht. Als Ausbildungsbetrieb, als Partner von Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen seid Ihr ein Treiber für Forschung und Innovation, gerade bei den Zukunftsthemen der Branche wie Ressourceneffizienz und CO2-Neutralität. Wenn sich dann eines Eurer Schiffe auf den Weg in Richtung des Dollarts macht, stehen Zehntausende entlang der Ems Spalier. Ihr seid der Stolz einer ganzen Region. Ihr seid, auch wenn ich das Wort nach der Bankenkrise eigentlich nie wieder in den Mund nehmen wollte, systemrelevant für die maritime Wirtschaft und den Schiffbau in Deutschland. Deshalb war es für mich auch nie eine Frage, ob wir der Meyer Werft in dieser Lage helfen wollen, sondern für mich war nur die Frage: Wie bekommen wir das hin?
Ich habe gerade schon erwähnt, dass wir als Bundesregierung mit dem Land Niedersachsen, Stephan und Olaf, dem Werftmanagement, der Familie Meyer und den Banken in den zurückliegenden Wochen intensiv verhandelt und große Fortschritte erzielt haben. Klar ist, wir alle wollen das Fortbestehen der Werft sichern und damit auch alles, was an dieser Werft hängt. Ein bisschen Detailarbeit gibt es noch zu tun, das ist klar. Gespräche mit Banken über die Finanzierung der vielen neuen Schiffaufträge laufen. Der Bundestag muss befasst werden, nicht nur formal. Wir sprechen auch mit der Europäischen Kommission. Das alles ist unsere Arbeit. Und es gehört dazu. Aber das kann ich heute klar sagen: Der Bund trägt seinen Teil zur Lösung bei. Und wenn alle anderen mitziehen, was ich erwarte, dann bekommen wir die Sache hin. Der Schiffbau hier in Papenburg und in der ganzen Region hat eine Zukunft. Wir stehen zu einer starken maritimen Wirtschaft in Deutschland. Wir stehen zur Meyer Werft.
Eines will ich gern noch hinzufügen: Wenn wir in dieser Lage helfen, dann nicht deswegen, weil der Staat der bessere Unternehmer wäre oder weil die Mitglieder der Bundesregierung ganz viel vom Schiffbau verstünden, sondern um in einer ganz besonderen Lage das Vertrauen der Märkte in die Zukunft der Meyer Werft zu stärken. Ziel ist, dass möglichst bald die Stabilität und die Zukunftschancen der Werft mit überzeugendem privatwirtschaftlichem Engagement sichergestellt werden. Mit allen Beteiligten bauen wir der Meyer Werft so eine stabile Brücke in die Zukunft, wie wir das zum Beispiel auch getan haben, als es während der Coronakrise darum ging, Lufthansa oder TUI zu retten. Auch das ist uns gelungen. Deshalb ist das etwas, womit wir Erfahrung haben und was wir gern tun.
Ich bin Euch allen hier auch sehr dankbar dafür, dass Ihr mitzieht. Das ist nicht leicht. Der Betriebsratsvorsitzende und die Gewerkschaft wissen das ganz genau. Die Rahmenvereinbarungen, die der Betriebsrat, die Industriegewerkschaft Metall und die Geschäftsführung im Juli abgeschlossen haben, enthalten für alle Seiten schwierige Zugeständnisse. Aber das zeigt eben auch, was wir in Deutschland an der Sozialpartnerschaft haben und wie wichtig eine starke betriebliche Mitbestimmung ist. Deshalb bitte ich Euch: Macht so weiter! Helft mit, dass hier auch in Zukunft die weltbesten Kreuzfahrtschiffe gebaut werden! Helft mit, dass der Name Meyer-Papenburg auch in den kommenden 229 Jahren – denn so lange gibt es die Werft ja schon – auf allen Weltmeeren präsent ist! Ich bin mir sicher, es geht weiter mit der Meyer Werft hier in Papenburg. Meine Unterstützung habt Ihr.
Schönen Dank.