Lieber Herr Köckler,
sehr geehrte Damen und Herren Minister,
sehr geehrter Herr Botschafter Dion,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Stephan,
lieber Herr Kawlath,
lieber Herr Busch,
meine Damen und Herren!
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Gastländer der Hannover Messe mit langem Vorlauf ausgewählt werden. Schon vor drei Jahren, bei meinem Besuch in Kanada – das wurde eben angesprochen – hatte ich die Einladung für 2025 im Gepäck. Schon damals war klar: Unsere beiden Volkswirtschaften sind in fast allen Bereichen ein „perfect match“.
Aber niemand hat 2022 vorhergesehen, unter welchen Vorzeichen wir uns heute hier in Hannover treffen würden. Premierminister Carney sah sich noch vor Amtsantritt zu der Versicherung gezwungen, Kanada werde niemals, in welcher Form auch immer, ein Teil der USA sein. Das ist ein Satz, der noch vor wenigen Monaten kaum vorstellbar war unter Nachbarn, Alliierten und G7-Partnern. Es sind Sätze, die auch uns hier in Europa bewegen. Und deshalb will ich unseren kanadischen Freunden und Gästen heute zuallererst eines sagen: „We stand by your side!“
Kanada ist kein Bundesstaat von irgendwem. Kanada ist eine stolze, unabhängige Nation. Kanada hat Freunde überall auf der Welt – und ganz besonders viele davon hier in Deutschland und Europa. In diesem Sinne: Willkommen bei Freunden! Welcome to Germany, „dear Canadian friends“!
Ich habe bei einer Eröffnungsfeier der Hannover Messe selten so viele politische Botschaften gehört wie heute Abend. Die geopolitischen Realitäten schlagen voll durch auf die Weltwirtschaft, auf Handel und Lieferketten, auf Investitionen und Technologien. Manche Branchen sind ganz besonders gefragt. Ich denke zum Beispiel an die Verteidigungswirtschaft.
Sie alle haben die weitreichenden Entscheidungen verfolgt, die wir in Deutschland und in Europa in den vergangenen Wochen getroffen haben, um unsere Sicherheit zu stärken. Das ist bitter notwendig in einer Zeit wachsender Unsicherheit weltweit. Mehr Unsicherheit und mehr Unberechenbarkeit, mehr Zölle und mehr Fragmentierung – das verheißt auch für die allermeisten Unternehmen nichts Gutes.
Doch ich bin überzeugt: Wir sind diesen Entwicklungen nicht wehrlos ausgesetzt. Wir, das ist Europa mit der Marktmacht von 450 Millionen Bürgerinnen und Bürgern. Wir, das sind die 27 Länder der Europäischen Union sowie die über 70 Länder und Regionen weltweit, mit denen wir über Handelsabkommen verbunden sind. Wir, das sind hunderttausende Unternehmen – Unternehmen wie Ihre –, die weiter auf Kooperation und Arbeitsteilung setzen, weil das die Welt wohlhabender macht. Und deshalb lautet unsere Antwort auf Abschottung, auf Zölle, auf „my country first“: mehr freier Handel, mehr Wettbewerbsfähigkeit und mehr technologische Souveränität.
Ich will zu diesen drei Punkten einige Worte sagen.
Auf einen Nenner gebracht lautet Europas Devise in der Handelspolitik: Wir sind offen, aber wir sind nicht naiv. Offen heißt: Wir werden auch weiter auf freien Handel mit möglichst vielen Partnern weltweit setzen. Allein seit dem Inkrafttreten des CETA-Abkommens mit Kanada 2017 ist der Güterhandel zwischen uns um mehr als 50 Prozent gestiegen. Und ich bin sicher: Er wird schon bald weiter steigen – ich nenne das einmal den Hannover-Effekt.
Die neue EU-Kommission hat den Abschluss zusätzlicher Freihandelsabkommen richtigerweise zu einer ihrer Prioritäten gemacht. Konkret heißt das: Das fertig verhandelte Mercosur-Abkommen muss jetzt sehr schnell ratifiziert werden.
Auch in den Verhandlungen mit Ländern wie Indien und Indonesien gibt es auf beiden Seiten neue Dynamik – oder wie man im Fußball sagt: „Zug zum Tor“. Und zugleich sind wir eben nicht naiv und auch nicht schwach.
Die EU nutzt ihre Instrumente, um ihre Industrien zu schützen – gegen unfairen Wettbewerb und Marktverzerrungen genauso wie gegen ungerechtfertigte amerikanische Zölle. Ein Blick auf die Märkte und Börsenkurse zeigt doch: Nicht wir sind mit unserer Zollpolitik derzeit auf dem Holzweg. Handelskriege sind eben nicht wirklich zu gewinnen, sogar für die USA nicht. Am Ende machen sie alle Beteiligten ärmer. An die Adresse der USA sage ich daher: Europas Ziel bleibt Kooperation. Aber wenn die USA uns keine Wahl lassen, so wie bei den Zöllen auf Stahl und Aluminium, werden wir als Europäische Union geschlossen reagieren.
Der zweite Hebel, den wir in diesen Zeiten umlegen müssen, betrifft unsere Wettbewerbsfähigkeit. Schon in den vergangenen Jahren haben wir bürokratische Hürden und strangulierende Regeln abgeschafft – beginnend mit dem Energiesektor, aber auch beim Ausbau von Straßen, Schienen, Brücken, Industrieanlagen, Telekommunikationsnetzen. Wer sich das Ausbautempo bei den erneuerbaren Energien anschaut, der sieht: Deutschland liegt da inzwischen weltweit an der Spitze. Und das muss weitergehen. Deshalb müssen und werden Bürokratieabbau, Planungsbeschleunigung, Bekämpfung des Fachkräftemangels, Wachstumsfinanzierung, Investitionsförderung auch in den kommenden Jahren weit oben auf der politischen Agenda bleiben.
Wettbewerbsfähigkeit, das heißt für Ihre Unternehmen neben erneuerbarer vor allem bezahlbare Energie. Die Vorschläge zur Stabilisierung der Netzentgelte, die wir als Bundesregierung noch vor der Neuwahl gemacht hatten, sind aufgegriffen worden.
Und auch beim Thema Wasserstoff haben wir die Grundlagen für einen schnellen Hochlauf in den kommenden Jahren gelegt. Der rechtliche Rahmen steht. Deutschlands Wasserstoffkernnetz soll weitestgehend bis 2032 in Betrieb gehen. Unsere Importstrategie für Wasserstoff gibt unseren Partnern – darunter, ganz wichtig, auch Kanada – klare Perspektiven für die Zusammenarbeit. Bereits ab Mai können sich kanadische Wasserstoffproduzenten auf die Ausschreibungen von H2Global für Nordamerika bewerben. Erst vor wenigen Monaten haben sich unsere beiden Länder zusätzlich auf die gemeinsame Finanzierung einer ersten gemeinsamen Wasserstoffausschreibung geeinigt. Jetzt ist die EU-Kommission am Zug, damit es auch damit noch in diesem Jahr losgehen kann.
Am Zug ist die Europäische Union auch in Sachen Wettbewerbsfähigkeit insgesamt. Sie hat das Thema zum Schwerpunkt der neuen Legislatur erklärt. Der französische Präsident und ich hatten uns dafür gemeinsam stark gemacht. Erste konkrete Vorschläge, vor allem zur Vereinfachung und Abschaffung von Berichtspflichten, liegen seit Ende letzten Monats auf dem Tisch. Unsere Erwartung ist: Mehr davon! Und vor allem müssen diese Vorschläge jetzt auch zügig umgesetzt werden, damit die Entlastungen schnell in den Unternehmen ankommen.
Noch einen dritten und letzten Punkt möchte ich hinzufügen, der hier in Hannover natürlich besonders im Fokus steht: Technologie und Innovation – und damit verbunden das Thema technologische Souveränität. Damit meine ich ausdrücklich nicht, dass wir uns vom Rest der Welt abkoppeln sollten. Das würde nur weniger Wettbewerb und weniger Innovation bedeuten.
Mit dem Global Innovation Summit, den wir zusammen mit unseren kanadischen Freunden hier im Rahmen der Hannover Messe ausrichten, senden wir deshalb ganz bewusst ein anderes Signal: Technologischer Fortschritt und Innovation sind erfolgreicher, wenn wir über unterschiedliche Sektoren, Disziplinen und Länder zusammenarbeiten. So stärken wir gemeinsam unsere technologische Souveränität. Denn eines ist doch unübersehbar angesichts der geopolitischen Lage: Bestimmte Schlüsseltechnologien sind unverzichtbar.
Dafür müssen wir in Deutschland und Europa kämpfen. Das beginnt bei der Finanzierung. Die Einigung auf einen europäischen Kapitalmarkt ist überfällig. Gut, wenn das auch unter dem Druck der Ereignisse nun weiter vorankommt. Ihre Unternehmen brauchen zudem sichere Zugänge zu Rohstoffen wie Graphit, Lithium und seltenen Erden. Diversifizierung lautet da die Devise.
Dabei habe ich einen Satz von Premierminister Trudeau im Ohr, den er mir bei einer unserer ersten Begegnungen gesagt hat:
„Wir in Kanada haben alles, was Russland hat – nur sind wir dazu noch ein Rechtsstaat, eine Demokratie und ein verlässlicher Partner.“
Das sehen auch deutsche Unternehmen wie K+S, BASF und PowerCo so, die in Kanada im Rohstoffsektor und bei der Weiterverarbeitung investieren. Zugleich profitiert Kanadas Rohstoffbranche von den Stärken deutscher Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau.
Und das ist bei weitem nicht der einzige Bereich, wo Kanada, Deutschland und Europa sich auf beinahe ideale Weise ergänzen. Robotics, Artificial Intelligence, E-Mobility, Clean Technologies, Clean Energy – die Schwerpunkte des kanadischen Messeauftritts decken eigentlich alles ab, was ich mit Schlüsseltechnologien meine: Schlüsseltechnologien, in die wir auch hier in Deutschland massiv investieren und in die wir weiter massiv investieren werden, mit privatem Kapital, aber eben auch mit öffentlichen Mitteln.
Deutschland hat den Willen und die Kraft dazu. Das lässt sich hier auf der Hannover Messe besichtigen. Das zeigen die mutigen, weitreichenden Beschlüsse, die Bundestag und Bundesrat in den vergangenen Tagen gefasst haben. Und deshalb dürfen wir – trotz aller Widrigkeiten, trotz aller geopolitischen Herausforderungen – mit Zuversicht in die Zukunft schauen.
„Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten“, das hat einer meiner Amtsvorgänger – Willy Brandt – einmal gesagt. Das ist eine gute Handlungsmaxime für uns alle, gerade in dieser Zeit.
Meine Damen und Herren, die Hannover Messe 2025 ist hiermit eröffnet!