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Symbolfoto: Olaf Scholz
Photothek
02.04.2025 | Mannheim

Rede anlässlich des 14. Deutschen Seniorentages

Einen schönen guten Tag und herzlichen Dank für die Einladung! Ich freue mich, dass ich hier auf diesem Seniorentag sein kann. Wie wir eben schon gehört haben, habe ich schon lange zugesagt. Draußen vor der Tür sind auch einige Freunde, die sich besonders gefreut haben, den Bundeskanzler auf einem Seniorentag zu sehen und ihn zu fragen, was er denn hier machen wolle. Ich bin Ihretwegen hier. Insofern noch einmal schöne Grüße an die „heute-show“!

Man könnte natürlich auch sagen: Es gibt ein Lied, das etwas mit 66 zu tun hat. Das Alter habe ich schon erreicht. Auch das könnte ein Anlass sein, hier zu sprechen. Aber ich tue es natürlich deshalb, weil unsere Gesellschaft altert und das erst einmal eine tolle Sache ist. Ich finde, die Diskussion ist ein bisschen verschoben. Wir reden immer darüber, dass eine alternde Gesellschaft, das heißt, eine Gesellschaft mit sehr vielen älteren Menschen, ein riesiges Problem sei. Aber zuallererst ist es doch ein großes Geschenk, dass wir angesichts des medizinischen Fortschritts, des wirtschaftlichen Wohlstands, den wir haben, und auch des funktionierenden Sozialstaats ein Land sind, in dem so viele Menschen die Möglichkeit haben, ein langes Leben zu führen. Ich finde, wir können und dürfen stolz darauf sein, dass das so ist.

Deshalb geht es natürlich immer auch darum, wie wir die Bedingungen dafür organisieren, dass ein Land mit einer Bevölkerung, in der sehr viele und ein großer Teil, fast ein Viertel, ältere Menschen sind, gut zurechtkommen kann. Für mich ist ganz wichtig, dass wir erst einmal betonen, dass die Dinge, die wir uns erarbeitet haben und die in Deutschland eine lange Tradition haben, auch für die Zukunft von allergrößter Bedeutung sein werden.

Deshalb will ich direkt zu dem Thema kommen, das überall in den Wirtschaftsteilen unserer Zeitung diskutiert und überall politisch debattiert wird, nämlich unserem Rentensystem. Ich finde, dass es eine gute Tradition ist, die im 19. Jahrhundert in Deutschland in heftigem Streit zwischen Bismarck und den Sozialdemokraten gemeinsam entstanden ist und die heute dazu geführt hat, dass es eine Alterssicherung gibt, auf die sich die Menschen in diesem Land verlassen können. Für mich ist ganz klar: Das muss und das wird auch in Zukunft so sein.

Deshalb bin ich auch sehr froh darüber, dass ein Konsens bei den Diskussionen über die Bildung einer künftigen Regierung schon öffentlich gemacht worden ist, und zwar ein dann ja doch fast parteiübergreifender Konsens, dass es nämlich Verbesserungen bei der Altersrente für diejenigen geben soll, die zum Beispiel als Mütter eine große Leistung zustande gebracht haben, aber dass es auch darum gehen soll, eine Garantie für ein stabiles Rentenniveau zu geben. Ich sage: Das ist richtig so.

In diesem Land gibt es eine etwas merkwürdige Begebenheit. Wenn man sich die Talkshows anschaut und viele Expertinnen und Experten hört, dann sieht man, dass ungefähr 80 Prozent derjenigen, die sich dort äußern, sagen: Das kann nicht so bleiben; das kann nicht in diese Richtung gehen. Wenn man eine Umfrage unter den Bürgerinnen und Bürgern durchführt, und zwar sowohl unter den Jüngeren als auch unter den Älteren, dann sagen ungefähr 80 Prozent das Gegenteil. Sie finden, dass man sich, wenn man sein Leben lang Beiträge leistet und arbeitet, im Alter auf diese Lebensleistung verlassen können muss. Es handelt sich um etwas, das sich die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes erarbeitet haben. Deshalb ist es selbstverständlich, dass sie sich auch in Zukunft auf das Niveau ihrer Rente verlassen können müssen.

Es waren doch diese Expertinnen und Experten, die uns um die Jahrtausendwende, also vor ungefähr einem Vierteljahrhundert, vorhergesagt haben, dass wir heute in einer ganz anderen Zeit leben würden als der, in der wir uns tatsächlich befinden. Sie haben uns vorhergesagt, dass die Beiträge viel höher sein würden, als sie jetzt sind. Tatsächlich sind sie gesunken. Sie haben uns vorhergesagt, dass es nicht genügend junge Leute geben werde, die arbeiten würden. Tatsächlich arbeiten in Deutschland so viele wie noch nie. Beide Dinge haben etwas miteinander zu tun. Denn tatsächlich war das die große Fehlspekulation, die vor 25 Jahren alle umgetrieben hat, nämlich zu glauben, dass die Erwerbsbevölkerung, die Zahl derjenigen, die arbeiten, abnehmen werde. Tatsächlich ist das Gegenteil, wie ich gesagt habe, eingetreten.

Deshalb ist auch ganz klar, wie wir diese Garantie, diese Sicherheit für die Zukunft gewährleisten können. Die Antwort lautet: Wir müssen auch in Zukunft dafür sorgen, dass viele Bürgerinnen und Bürger dieses Landes Arbeit haben, dass wir dafür sorgen können, dass auch andere, die manchmal aus anderen Ländern kommen, mit anpacken können. Dann werden wir das, was uns als Land ausmacht, unseren Sozialstaat und unser stabiles Rentensystem auch für die Zukunft garantieren können.

Herausforderungen gibt es trotzdem viele, und ein Thema, das natürlich überall beredet wird – zu Recht –, ist die Situation der Pflege. Irgendwann im Leben ist es für die allermeisten so, dass sie einmal auf ambulante Pflegeleistungen und Unterstützung oder darauf angewiesen sind, dass sie in einer Pflegeeinrichtung das an Unterstützung bekommen, was sie in dem Lebensabschnitt ihres Lebens dann brauchen. Es ist ganz gut, dass wir mit einer Reform, die nun schon ein bisschen in die Jahre gekommen ist, aber nicht ganz so alt wie das Rentensystem ist, mit der Pflegeversicherung, es möglich gemacht haben, dass man da finanziell nicht alleingelassen wird. Ich finde, das war eine große Reform in Deutschland, und deshalb wird es bei allen Diskussionen, die wir zu führen haben, immer auch darum gehen, wie wir gewährleisten können, dass das auch weiter dazu beiträgt, dass man sich im Alter keine Sorge darüber machen muss, dass man auf Pflege angewiesen ist und dass man diese Unterstützung auch tatsächlich in Anspruch nehmen kann.

Ich finde, wir müssen offen sagen, dass da noch nicht alle Probleme gelöst sind. Klar, nur höhere Beiträge reichen nicht. Es geht auch darum, dass man das Angebot verbessert. Aber vielleicht liegt darin auch eine Chance, weil natürlich ein besseres Angebot vielleicht auch ein differenzierteres ist, das auf verschiedene Bedürfnisse eingeht und deshalb auch besser zu organisieren ist; denn heute ist die Varianz, die man hat, doch sehr klein. Entweder hat man eine ambulante Betreuung oder eben eine mehr oder weniger umfassende in einer Pflegeeinrichtung. Aber die Frage muss erörtert werden, ob es nicht Tausende Zwischenstufen gibt, ob man es nicht mit viel genauerem, zielgerichteterem Eingehen auf die Bedürfnisse derjenigen, die Pflege brauchen, viel besser schaffen kann, dann auch wirtschaftlich zu sein, weil wir manchmal auch zu viel tun, weil jemand gar nicht so viel braucht, wie er an Unterstützung bekommt. Deshalb ist es so, dass wir diese Gedanken miteinander erörtern müssen: Wie können wir durch eine bessere, effizientere, bedürfnisorientiertere Pflege auch dafür sorgen, dass sie wirtschaftlicher organisiert werden kann?

Was dazugehört, und auch da, glaube ich, weiß ich mich mit allen hier im Raum einig: Wir müssen selbstverständlich dafür Sorge tragen, dass diejenigen, die in den Pflegeeinrichtungen arbeiten, die die Pflege erbringen, sich ihrerseits auch auf ordentliche Löhne einrichten können. Die Auflösung der Herausforderung, dass das alles so teuer geworden ist, kann nicht sein, dass diejenigen, die diese schwere Arbeit leisten, schlecht bezahlt werden, sondern wir müssen uns schon Gedanken machen, wie wir diese Aufgabe gemeinschaftlich besser finanzieren können. Dazu gibt es viele Vorschläge, und die sind auch umstritten. Das ist ja kein Wunder. Ich will für mich aber doch sehr deutlich sagen: Ich habe auch meine eigenen Ideen dazu. Ein bisschen will ich einen Hinweis darauf geben, was ich glaube, wo entlang es sich zu denken lohnt: Wir brauchen etwas mehr Solidarität. Das gilt für die Pflege, das gilt für die Krankenversicherung, und es würde uns die Sache einfacher finanzierbar machen. Denn es ist doch so, dass wir sowohl bei den Krankenversicherungen privater und öffentlicher Art als auch bei der Pflegeversicherung zwei Systeme nebeneinander haben, die im Kern gar nicht so unterschiedliche Leistungen möglich machen. Das führt aber dazu, dass diejenigen, die das tun, unterschiedlich wirtschaftlich herangezogen werden.

Ich habe zum Beispiel, wenn es um die Krankenversicherung geht, immer nicht gut verstanden: Warum ist das eigentlich wie folgt? Wenn man 5.000 Euro verdient und in der gesetzlichen Krankenversicherung ist, dann zahlt man für jemanden mit, der 2.000 Euro verdient – eine alleinerziehende Mutter, vielleicht mit drei Kindern, die einen auf 2.000 Euro bemessenen Beitrag zahlt –, aber wenn man zum Beispiel 8.000 Euro oder 9.000 Euro verdient und nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung ist, dann hat man mit dieser Solidaritätsleistung nichts zu tun.

So ähnlich ist es bei der Pflegeversicherung. Nun bin ich nicht einer von denjenigen, die immer alles ganz anders machen wollen. Ich bin schon ein bisschen für Pragmatismus und dafür, dass man einen Weg in der Mitte unserer Gesellschaft geht. Aber ich glaube, dass wir, wenn wir ein bisschen die Solidarität verschränken – dafür gibt es auch technische Möglichkeiten –, das bestehende System gut weiterentwickeln und mit dem Geld besser wirtschaften können als wir das heute haben. Ich finde das jedenfalls einen Gedanken, über den sich das Nachdenken lohnt.

Ich bin heute aber nicht nur da, um über die Rente, die Pflege oder die Krankenversicherung zu sprechen, sondern auch um Danke zu sagen für die Lebensleistung aller hier Versammelten und derjenigen, die Sie alle repräsentieren. Denn Sie können auf ein Leben zurückblicken, in dem Sie etwas geschafft haben, in dem Sie angepackt und dafür gesorgt haben, dass unser Land in die richtige Richtung gegangen ist. Ich finde, das darf nie vergessen werden.

Aber Sie sind auch diejenigen, die Erfahrungen gesammelt haben und sicherlich verwundert in die heutige Zeit sehen. Zu den Erfahrungen gehört bei den sehr Alten natürlich immer noch der Krieg, der Faschismus mit seinem Terror und all das, was damit verbunden war. Deshalb war es eine große Errungenschaft, an der alle hier mitgewirkt haben, dass wir sie erreichen konnten, dass Deutschland ein demokratischer Rechtsstaat, ein Sozialstaat, eine Marktwirtschaft geworden ist, die sich in die Gemeinschaft der Demokratien des Westens eingebunden hat. Ich finde, das bleibt eine große Errungenschaft, die wir auch heute verteidigen müssen.

Wir haben uns in den letzten Jahrzehnten dafür eingesetzt, dass die Welt friedlicher wird – klar, immer auch mit einer starken Bundeswehr dabei, immer eingebunden in unser Verteidigungsbündnis, die NATO, aber doch mit der Perspektive, dass aus der Entspannungspolitik, die irgendwann erfolgreich gewesen ist, so etwas wie die Chance erwächst, dass dauerhaft Frieden in Europa herrschen kann. Das hätte bestimmt niemand gedacht, dass so ein furchtbarer Krieg wie der, den Russland gegen die Ukraine angezettelt hat, wieder zu den Dingen gehört, die wir jeden Tag in den Nachrichten verfolgen müssen. Und ich sage ausdrücklich: Wir dürfen uns an die Rückkehr des Imperialismus und des Krieges auf unserem Kontinent und in der Welt nicht gewöhnen. Wir müssen alles tun, damit dieser Trend wieder zurückgedrängt wird.

Für mich heißt das übrigens auch, dass wir die Ukraine unterstützen müssen, solange das notwendig ist, damit sie sich verteidigen kann. Gleichzeitig bedeutet das, dass wir alles dafür tun müssen, dass dieser Krieg sich nicht ausweitet, zu einem Krieg zwischen Russland und der NATO zum Beispiel. Das bleibt schwierig – kein Wunder, denn wir sehen ja auch jeden Tag, dass alle Bekenntnisse des russischen Präsidenten, dass er den Frieden will, nicht dazu gereicht haben, dass er das Angebot eines 30-tägigen Waffenstillstandes angenommen hat – einfach deshalb, weil es nicht wahr ist, dass es ihm um den Frieden geht. Trotzdem muss das eine Perspektive sein. Zu viele Menschen sind in der Ukraine gestorben, zu viele russische Soldaten sind das Opfer des imperialen Wahns ihres Präsidenten geworden. Wir müssen möglich machen, dass die Ukraine den Weg, den die Bürgerinnen und Bürger dort selber beschritten haben, auch zu Ende gehen kann, den Weg, eine demokratische Gesellschaft zu werden, am Ende als Mitglied der Europäischen Union. Deutschland ist an der Seite dieses Anliegens der Ukrainerinnen und Ukrainer.

Aber weil es schwierig ist, muss man besonnen sein, und ich bekenne mich sehr wohl dazu, dass ich das wichtig fand und finde. Deshalb gehört dazu, dass ich die Unterstützung organisiert habe – auch mit Waffen. Deutschland ist der stärkste Unterstützer in Europa, dieses Jahr wie alle Jahre davor. Gleichzeitig habe ich aber immer gesagt: Nicht alle Entscheidungen passen dazu, wenn man will, dass es am Ende wieder eine friedliche Entwicklung gibt, und solche Entscheidungen habe ich dann verweigert. Das muss auch in Zukunft der Fall sein.

Das gilt erst recht, wenn wir jetzt gleichzeitig feststellen, dass ganz unabhängig von diesem Krieg unser wichtigster und – sagen wir es ganz offen – mächtigster Verbündeter, die USA, neue Wege einschlagen.

Wir jedenfalls sind unverändert dankbar dafür, dass die USA uns die Demokratie nach 1945 möglich gemacht haben. Wir sind sehr dankbar dafür, dass wir zusammen sein können in der nordatlantischen Verteidigungsallianz. Und wir vergessen nicht, dass die USA eine viel längere demokratische Geschichte haben als Deutschland. Insofern wünschen wir uns, dass das auch in Zukunft so weitergehen wird.

Zugleich sagen wir, dass es sehr überraschend ist, wenn dieser wichtigste Partner und Verbündete nun seine engsten Freunde und Nachbarn mit der Idee konfrontiert, sie könnten ein weiterer Bundesstaat der USA werden, oder aber, dass man jetzt harte Zollpolitiken gegeneinander bräuchte. Über Jahrzehnte war es unser gemeinsames Anliegen, Zölle abzubauen – nicht nur in der Europäischen Union, sondern weltweit –, weil wir wissen: Das hat Wohlstand und Wachstum geschaffen. Es ist schon sehr merkwürdig, wenn wir sehen, dass es jetzt genau anders herum geht.

Ich will jedenfalls sagen, dass wir die Erfahrung, die wir als Menschen gemacht haben – wenn auch niemand hier persönlich, jedenfalls nicht als erwachsener Mensch –, dass die Weltwirtschaftskrisen der Zwanziger- und Dreißigerjahre das Ergebnis von Protektionismus waren, auch nicht vergessen dürfen. Deshalb werden wir als Europäische Union klar reagieren, aber auch immer mit einer Perspektive – nämlich der Perspektive, dass wir doch zueinanderkommen, dass wir uns verständigen und dass wir die Möglichkeiten des gemeinsamen Wirtschaftens hochhalten, und nicht des gegeneinander Handelns.

Die Welt ist also nicht einfacher geworden, und wir müssen das, was uns wichtig ist, verteidigen – aber wir können es auch, obwohl die Art und Weise, wie wir miteinander reden, sich auch verändert.

Viele hier kommunizieren mit ihren Nachkommen intensiv über die neuesten Möglichkeiten der sozialen Medien. Ich jedenfalls kann sagen: Es klappt. Meine Mutter und mein Vater wissen, wie sie sich mit mir nicht nur am Telefon unterhalten können, sondern auch mit diesen Techniken, und das gilt für viele andere auch.

Wir erleben, dass manches anders ist. In den Sechziger-, Siebziger, Achtzigerjahren und auch noch in den Neunzigerjahren gab es nicht so viele Fernsehsender, und man wusste am nächsten Tag, worüber alle anderen sich gestern Abend unterhalten haben. Das ist nicht mehr so. Und es gibt die ersten Senioren auf TikTok.

Ich glaube aber, die Erfahrung der letzten Jahrzehnte ist auch: Die Welt ändert sich, aber wir werden mit den anderen Begebenheiten auch zurechtkommen, wenn uns einige Dinge immer gleich wichtig sind, nämlich dass wir uns einander als Menschen etwas schulden, dass wir ein gerechtes Miteinander wollen und dass wir wissen, dass wir nur miteinander eine gute Zukunft erreichen können.

In diesem Sinne: Alles Gute für den Seniorentag!