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Symbolfoto: Olaf Scholz
Photothek
05.09.2024 | Berlin

Rede anlässlich der Eröffnungsfeier zum Jubiläum „100 Jahre Internationale Funkausstellung (IFA)“

Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister Kai Wegner,
sehr geehrte Frau Dr. Warneke,
sehr geehrter Herr Lindner,
meine Damen und Herren,

ich war neun Jahre alt, als Willy Brandt 1967 auf die Bühne der Großen Deutschen Funkausstellung trat – über ihm drei Kronleuchter, hinter ihm ein großes Orchester, vor ihm ein Publikum aus Männern in Anzügen, neben ihm auf dem hölzernen Pult ein großer Knopf. Er drückte den Knopf, und das Bild wurde bunt, zumindest in 6.000 Haushalten, die schon einen Farbfernseher hatten, obwohl es noch gar kein Farbfernsehen gab. Auch ich erinnere mich noch an dieses Ereignis, denn dafür bin ich alt genug. Ich erinnere mich sowohl an Testbilder, die das Programm beendeten, als auch an Schwarzweißfernsehen und daran, dass es später Farbfernsehen wurde. Das war schon ein ganz einschneidendes Ereignis. Ich weiß nicht, ob alle es damals so empfunden haben. Wir wissen heute, wie weit es gereicht hat.

Nach dieser Funkausstellung fing in vielen Familien das Sparen an, denn die ersten Farbfernseher kosteten um die 3.000 Mark, also mehrere Monatsgehälter der Zeit. Willy Brandt behielt wie so oft recht, als er damals sagte: „Das Farbfernsehen will kein Luxusartikel bleiben.“ Heute kosten die günstigsten Geräte nicht einmal mehr 200 Euro – was für eine Veränderung! Sie sind keine Luxusartikel mehr, sondern gehören ganz selbstverständlich zu unserem Alltag. Dazu passt das neue Motto der IFA: „Innovationen für alle“. Es sind Innovationen, die unser Leben schöner, leichter und besser machen.

Zu sehen gibt es sie auf der IFA schon, seitdem die Ausstellung vor 100 Jahren zum ersten Mal ihre Tore geöffnet hat. Doch eigentlich muss man noch viel weiter zurückgehen als bis 1924, um den Erfolg der IFA zu verstehen, circa zweieinhalb Millionen Jahre weiter zurück. Damals erfanden unsere ganz frühen Vorgänger die ersten, heute noch bekannten Werkzeuge. Von dort war es zwar noch ein sehr weiter Weg zur Smartwatch oder zum Roboter, der mit uns spricht. Aber der Wunsch, unseren Alltag schöner, leichter und besser zu machen, der steckt ganz tief in uns. Die Geschichte der Menschheit ist von Erfindungen geprägt. Ja, Technologie ist die entscheidende Triebfeder für den menschlichen Fortschritt. Am Ende ist immer wieder das wahr geworden, was sich Willy Brandt mit Blick auf den Farbfernseher gewünscht hat. Eine Technik, die einfach zu handeln und gut ist, setzt sich durch. Daran hatte die IFA großen Anteil. Danke dafür!

Aber natürlich spielen auch andere Faktoren eine Rolle: weltweite Arbeitsteilung, Automatisierung, grenzüberschreitender Handel, der für weltweiten Wettbewerb sorgt und damit für niedrigere Preise. Deshalb – das will ich hier klar sagen – dürfen wir den Freihandel und länderübergreifende Lieferketten übrigens auch nicht über Bord werfen. „Decoupling“ und „friend-shoring“, das sind Irrwege, teure Irrwege. Lassen Sie uns stattdessen die Risiken minimieren, indem wir mehr Handel mit unterschiedlichen Partnern betreiben. Aber abschotten dürfen wir uns nicht. – Der Beifall (soeben im Publikum) war davon abhängig, ob hier viele Wirtschaftsvertreter oder viele Politiker sitzen. Die Wirtschaftsvertreter sind sich einig: Abschotten dürfen wir uns nicht. Eine Messe wie diese ist eine gute Gelegenheit, neue Kontakte zu knüpfen.

Meine zweite Botschaft lautet: Wir müssen uns die Begeisterung für Technologie bewahren, gerade hier in Deutschland, denn dann bleiben wir das führende Industrieland, das wir sind. So wie jeder von uns zumindest in Grundzügen versteht, wie ein Auto funktioniert, wie man ein Smartphone oder einen Computer bedient, so müssen wir auch den Ehrgeiz haben, Künstliche Intelligenz (KI) für uns zu nutzen – in der Wirtschaft, in den Büros, aber eben auch im Alltag. Wir müssen wissen wollen, was Halbleiter sind und warum sie so wichtig für unsere Industrie sind. Ich würde wetten, dass ich auf meinem Eröffnungsrundgang morgen kein einziges Gerät zu sehen bekomme, das ohne moderne Hochleistungschips auskommt, denn ohne Chips geht heute fast nichts und in Zukunft noch weniger. Für die Elektronik- und Unterhaltungsbranche gilt das allemal. Deshalb will ich hier auf der IFA bekräftigen: Wir werden am rasanten digitalen Fortschritt dranbleiben und dabei nicht von anderen abhängig sein. Deshalb hat die Bundesregierung intensiv daran gearbeitet, dass die großen Chiphersteller in Deutschland Produktionsstandorte aufbauen. Das hat geklappt in weniger als zwei Jahren. Aus meiner Sicht ist das ein enormer Erfolg. Erst kürzlich war ich beim Spatenstich für die neue Fabrik von ESMC in Dresden. Jeder dritte in Europa gefertigte Chip kommt schon jetzt aus Sachsen. Das ist wichtig, denn damit wird künftig Geld verdient, ob in Elektroautos oder in intelligenten Haushaltsgeräten.

Wichtig ist natürlich auch, dass Ihre Kundinnen und Kunden all die schönen, intelligenten und miteinander vernetzten Geräte auch tatsächlich nutzen können. Ich erinnere mich noch an mein erstes Handy, das ich damals liebevoll „Nokiabrikett“ genannt habe. Heute gibt es smarte Waschmaschinen, intelligente Backöfen und schlaue Haushaltsroboter. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie brauchen eine gute Internetverbindung, sonst wird aus Technik, die begeistert, schnell Elektroschrott, der frustriert. Dafür haben wir einiges vereinfacht und auch beschleunigt. So haben wir im Juli ein Gesetz auf den Weg gebracht, das den Telekommunikationsnetzausbau als überragendes öffentliches Interesse feststellen soll. Kleinere Mobilfunkmasten kann man schon jetzt leichter bauen. Das haben wir mit den Ländern im Deutschlandpakt vereinbart. Das Verfahren zum Mobilfunkausbau in Bahntunneln dauert jetzt nur noch halb so lange. Allein im Jahr 2023 ist die Zahl der Haushalte, für die Glasfaseranschlüsse verfügbar sind, um fast 40 Prozent gestiegen. Sie sind jetzt für fast jeden dritten Haushalt in Deutschland verfügbar. Beim Ausbau der 5G-Netze sind wir in der Europäischen Union mittlerweile eines der führenden Länder. Auf 90 Prozent der Fläche und für fast 99 Prozent der Haushalte in Deutschland ist mindestens das 5G-Netz eines Anbieters verfügbar. Beim Netzempfang unterwegs und bei der Bereitstellung von Gigabitgeschwindigkeit zu Hause schließen wir gezielt die letzten Lücken, auch auf dem Land.

Dieser Ausbau und dieses Tempo machen Begeisterung für Technologie erst möglich, und zwar nicht nur auf der IFA, sondern auch und gerade im Wohnzimmer. Wenn ich von Begeisterung für Technologie spreche, dann meine ich damit übrigens keinen blinden Zukunftsoptimismus. Begeisterung für Technologie setzt Vertrauen in die Technologie voraus. Die Geräte und das Mobilfunknetz müssen zuverlässig sein. Und sie müssen sicher sein. Damit kennen sich die deutschen und europäischen Hersteller aus. Sie bauen Geräte, die lange halten, die man gut reparieren kann und deren Wertstoffe sich wiederverwenden lassen. Es ist den Leuten heute wichtig, dass wir weniger Ressourcen verbrauchen und mehr recyceln. Die Bundesregierung arbeitet gerade an einer Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie. Das Schlüsselprinzip dafür heißt „Design for Circularity“, damit die Materialien möglichst lange im Kreislauf bleiben.

Dann bleibt neben der Zuverlässigkeit noch der Aspekt der Netzsicherheit. Über 5G habe ich eben schon gesprochen. 5G ist Teil unserer kritischen Infrastruktur. Deshalb hat die Bundesregierung mit den Betreibern vereinbart, dass bis spätestens Ende 2026 keine kritischen Komponenten mehr in den 5G-Kernnetzen eingesetzt werden. In den 5G-Zugangs- und Transportnetzen werden bis spätestens Ende 2029 die kritischen Managementsysteme ersetzt. Das ist der richtige Weg.

Auch im Umgang mit KI dürfen wir die Risiken nicht ausblenden. Kaum jemand macht das so klar wie Mustafa Suleyman in seinem beeindruckenden Buch „The Coming Wave“ – wirklich kein Fortschrittsskeptiker. Aber gerade, weil Suleyman selbst ganz vorn dabei ist, warnt er auch vor Gefahren, zumindest dann, wenn wir die Entwicklung einfach laufen lassen. Deshalb haben wir mit dem „AI Act“ der Europäischen Union weltweit das erste KI-Gesetz verabschiedet, mit dem wir ein sicheres Umfeld für Investitionen schaffen und gleichzeitig das Vertrauen der Nutzerinnen und Nutzer stärken.

Wir schaffen Sicherheit, damit daraus Vertrauen entstehen kann. Beide sind die Voraussetzungen für eine Technologieoffenheit und auch für eine Technologiebegeisterung, die auf der IFA schon seit 100 Jahren zu Hause sind. Davon brauchen wir mehr in unserem Land. Offenheit und Begeisterung sind das Gegenteil von Pessimismus, von Angstmacherei und von Weltuntergangsstimmung. Die schlechte Stimmung und das Schlechtreden schaden der deutschen Wirtschaft. Das merken Sie als Konsumgüterhersteller am allermeisten. Seit einigen Monaten werden in Deutschland rekordverdächtige Lohnabschlüsse erzielt. Die Reallöhne steigen. Damit sich das aber auf den Konsum überträgt, braucht es weniger Pessimismus und mehr berechtigte Zuversicht.

Wir haben auch Grund zur Zuversicht. Die Bundesregierung hilft ein bisschen. Sie hat kürzlich eine Wachstumsinitiative beschlossen. Und wir wollen alle Maßnahmen noch in diesem Jahr verabschieden und umsetzen. Wir haben in diesem Land großartige Hersteller von Qualitätsgeräten, die lange halten. Wir haben Ingenieurinnen und Techniker, die mit neuen Ideen ständig ihre Produkte verbessern. Unsere KI-Forschung gehört zur absoluten Weltspitze. Das alles ist auf der IFA zu sehen, diesem Schaufenster für Innovationen, die unser Leben schöner, leichter und besser machen. Seit 1924 ist hier die Zukunft spürbar. Und das wird auch in den kommenden 100 Jahren so bleiben.

Ich wünsche Ihnen alles Gute und erkläre die IFA 2024 hiermit für eröffnet.