Wenn alle einverstanden sind, würde ich es so halten wie unsere britischen Freunde und nicht noch einmal alle einzeln begrüßen, sondern einfach sagen: „All protocol observed.“ Oder, wie man in Hamburg sagt: Moin!
Es ist schön, mal wieder in Rahlstedt zu sein. Es ist schon ein bisschen her, seit ich hier zur Schule gegangen bin. Damals war zwar die Elektrolyse längst bekannt, aber das lief alles auf ziemlich kleiner Flamme. Dass wir hier einmal mit grünem Wasserstoff auftreten würden, dass wir ihn herstellen könnten aus Wind- und Sonnenenergie, dass wir damit etwa Kraftwerke, Schiffe und auch Flugzeuge antreiben könnten, davon hat uns in der Schule noch niemand etwas erzählt. Das war eine Idee aus der Wissenschaft, aber so eine von der Sorte: „Ja, ja, lass‘ die mal reden. Die müssen das ja alles nicht bezahlen.“ Kopfschütteln in der Politik, Pläne für irgendeine ferne Zukunft in den Schubladen der Unternehmen.
Und jetzt stehen wir hier. Diese ferne Zukunft ist da. Dass wir hier gemeinsam heute eine Fünf-Gigawatt-Anlage einweihen – einen Gigahub für die Stackproduktion –, das ist ein echter Meilenstein für den deutschen Wasserstoffhochlauf. Nach Berlin ist dieser Gigahub schon der zweite beeindruckende Start für eine Gigafabrik für die Elektrolyseurproduktion made in Germany. Das zeigt: Zukunftsweisende Großprojekte sind in Deutschland möglich und rechnen sich. Wir setzen auf grünen Wasserstoff, fördern die Grundlagenforschung, geben Impulse und sehen an Tagen wie diesen und heute: Das funktioniert!
Das verdanken wir auch den vielen Forscherinnen und Forschern und innovativen Unternehmen, die diesen Fortschritt unermüdlich vorangetrieben haben. Und das verdanken wir auch Ihrer unternehmerischen Weitsicht, die es braucht für große Zukunftsinvestitionen wie diese. Deshalb sage ich an dieser Stelle an Ihr Unternehmen, Herr von Plettenberg, das schon seit den 90er Jahren unermüdlich an der Wasserstofftechnologie geforscht hat, und an Sie, Herr Pötsch und Herr Lauber, dass Sie mit klugen Investments die Transformation tatkräftig vorantreiben und Ihre Unternehmen, aber auch die Ihrer vielen Kunden zukunftsfest aufstellen, vielen herzlichen Dank!
Dieser Tag und auch dieser Start sind aber auch Ergebnis politischen Handelns. Inhaltlich haben meine Vorredner schon einiges dazu gesagt. Ich verspreche Ihnen also: Ich mache es kurz. Aber es gibt drei Punkte, die sind mir sehr wichtig: erstens, dass wir uns nicht darauf ausruhen, dass wir die drittgrößte Volkswirtschaft auf der Welt sind mit gerade einmal einem Prozent der Weltbevölkerung, sondern dass wir nach vorn denken und heute die Grundlagen dafür legen, dass wir morgen weiter ganz vorne mit dabei sind, zweitens, dass wir unsere Energieversorgung auf sichere Füße stellen und hierfür jetzt auch das Wasserstoffnetz schnell aufbauen, und drittens, dass Forschung und Innovation noch schneller in die Praxis gebracht werden. Der Vorsprung wird zum Wettbewerbsvorteil, mit dem wir in Deutschland Geld verdienen, damit nachhaltige Wertschöpfung in deutschen Unternehmen erfolgt. Denn sie sind beim technologischen Knowhow der Konkurrenz voraus, zum Beispiel auch der aus China, Herr von Plettenberg.
2030 wollen wir in Deutschland 80 Prozent unseres Stroms aus erneuerbarer Energie produzieren. In den zurückliegenden Monaten waren es um die 60 Prozent. Vor drei Jahren waren es noch 40. Auch das zeigt: Es geht! Günstiger, selbst produzierter Strom ist die Grundlage für eine sichere und bezahlbare Energieversorgung. Das ist wichtig für die Wirtschaft. Deshalb bauen wir Wind- und Sonnenstrom im Rekordtempo aus.
Aber gerade für die Industrienation Deutschland spielt auch Wasserstoff eine ganz entscheidende Rolle, denn nicht alles lässt sich effizient elektrifizieren. Herr von Plettenberg hat es auch schon ausgeführt. Zum Beispiel Schiffe, Flugzeuge, die Stahl- oder Chemieproduktion, für all diese großen und sehr großen Maschinen, Fabriken und Motoren brauchen wir Wasserstoff, dieses kleine Molekül, ohne das es auf der Erde gar kein Leben gäbe.
Lieber Herr von Plettenberg, Sie haben Ihr Unternehmen sehr treffend in „Quest One“ umbenannt, weil der Klimawandel eine wahre Herausforderung darstellt und Wasserstoff das erste Element im Periodensystem ist – jetzt hat wahrscheinlich jeder kurz diese bunte Tafel aus der Schule vor Augen, die auch in meinem Gymnasium Heegen hier in Rahlstedt hing. Und dieses kleine Element kann eine entscheidende Rolle spielen bei der Dekarbonisierung der Industrie auf der ganzen Welt. Deutschland hat jetzt die Chance, da weiter Pionier und ein Technologieführer zu sein. Deshalb haben wir in den letzten 15 Monaten ordentlich Tempo gemacht, „Deutschlandtempo“:
Erstens: Wir haben unser Elektrolyseziel verdoppelt. Bis 2030 wollen wir die Elektrolyse in Deutschland auf zehn Gigawatt ausbauen. Dafür fördern wir den Bau von großen Elektrolyseuren – auch hier in Hamburg. Auf dem Gelände des ehemaligen Kohlekraftwerks Moorburg wird zum Beispiel ein 100-Megawatt-Elektrolyseur gebaut, inklusive angeschlossenem Wasserstoffverteilnetz. Gleichzeitig bringen Sie, meine Damen und Herren, mit Gigaproduktionsfabriken wie dieser hier die industrielle Serienfertigung von Stacks einen großen Schritt voran.
Zweitens: Parallel dazu bauen wir die nötige Infrastruktur. In einer ersten Stufe soll bis 2032 unser Wasserstoffkernnetz in Betrieb gehen. Es ist eingebettet in den Binnenmarkt der Europäischen Union (EU). Und es verbindet alle wichtigen Zentren, die Wasserstoff erzeugen oder verbrauchen. Die Finanzierung läuft weitgehend privat.
Die Bundesnetzagentur arbeitet aktuell mit Hochdruck daran, den Antrag dafür noch im Herbst zu genehmigen. Dann können die Netzbetreiber loslegen, neue Leitungen bauen, Gasleitungen umwidmen und so weiter. Mitte Juli hat das Wirtschaftsministerium Förderbescheide für 23 IPCEI-Projekte übergeben, die für ganz Europa von großem Interesse sind. 4,6 Milliarden Euro staatliche Förderung stehen für diese Projekte zum Bau von Wasserstoffleitungen, Elektrolyseuren und Speichern zur Verfügung. Es kann also losgehen.
Drittens: Auch auf EU-Ebene haben wir uns für eine vernünftige Regulierung eingesetzt, damit Unternehmen flexibel arbeiten können und Wasserstoffprojekte wirtschaftlicher werden. Und – das stand ja auch letzte Woche in der Presse – wir setzen uns in Brüssel aktiv dafür ein, dass die Grünstrombezugskriterien beim Delegierten Rechtsakt handhabbarer werden, damit sie den Wasserstoffhochlauf pushen und nicht langsamer machen. Dafür haben wir uns übrigens von Anfang an eingesetzt. Und wir kämpfen dafür weiter.
Ich glaube, wir müssen an dieser Stelle einfach zur Kenntnis nehmen, dass es manche Entscheidungen gibt, die man, wenn sie einmal dastehen, nicht mehr so richtig erklären kann. Was haben Sie sich dabei gedacht – um das einmal sehr platt zu sagen –, die Dinge so miteinander zu kombinieren? Darin sind viele, viele Details, die der praktischen Realität nicht gerecht werden. Deshalb müssen wir da etwas tun.
Das ist auch eine der ganz großen Anforderungen an die künftige Kommission. Wir können uns nicht immer damit beschäftigen, dass wir nach Brüssel gehen und versuchen, das Schlimmste zu verhindern, wenn es um irgendwelche Regeln geht, um dann dem heimischen Publikum zu erklären: Das ist zwar keine gute Regelung, aber sie hätte noch schlimmer kommen können. Ich glaube, so kann das in der europäischen Politik nicht weitergehen. Es müssen Regelungen sein, die man nicht rechtfertigen muss, weil man das Schlimmste verhindert hat, sondern man soll begründen können, dass sie pragmatisch gemacht worden sind, in der Realität funktionieren und auch den Test durch die Unternehmen bestehen können.
Viertens: Wir fördern Industrie- und Forschungsprojekte. Über drei Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts fließen in Forschung und Entwicklung – mehr als in jeder anderen der großen Volkswirtschaften Europas. Das ist und bleibt die Basis unseres Wohlstands. Dank industrienaher Forschung wissen wir, wie eine Wasserstoffproduktion im großen Stil möglich ist, wie sich Wasserstoff am besten transportieren lässt und wie man ihn in den Unternehmen am besten nutzen kann. Unter anderem mit Leitprojekten des Forschungsministeriums wie H2Giga, H2Mare und TransHyDE unterstützen wir das. Davon hat auch dieser Standort hier profitiert. Auch dadurch sind Sie so schnell in die Serienfertigung gelangt – gut so!
Unabhängig davon, wie schnell wir hier vorankommen und wie viel wir gerade parallel auf den Weg bringen, einen großen Teil des Wasserstoffs, den wir in Zukunft brauchen, werden wir vermutlich importieren müssen. Deshalb bauen wir unsere Energie- und Importpartnerschaften aus – sehr breit gefächert, damit wir nicht einseitig von nur einem Land abhängig sind. Denn es ist beim Wasserstoff so wie bei der Energieversorgung insgesamt und auch bei den Halbleitern, den Quantencomputern, der Künstlichen Intelligenz, der Biotechnologie oder der Fusionsenergie: Deutschland und Europa dürfen in diesen strategischen Zukunftsbereichen nicht von wenigen anderen Ländern abhängig sein, sondern wir wollen unser Knowhow weiter ausbauen und hier selbst produzieren. Darum geht es. Dafür sorgen wir.
Bis jetzt waren Elektrolyseure Handarbeit. Wenn der Schritt zur automatisierten Produktion im industriellen Maßstab gelingt, sinken die Kosten und die Zeit für die Fertigung. Mit der Serienfertigung wollen Sie hier in Rahlstedt 75 Prozent der Produktionszeit einsparen. Das ist beeindruckend! Das zeigt, was in unserem Land alles möglich ist. Vorletzte Woche erst ist eine Studie des Bundesverbands der Deutschen Industrie erschienen, die zeigt: Wir liegen im internationalen Vergleich der großen Industrienationen auf Platz zwei bei der Innovationsfähigkeit. Vielleicht ist das unter all den anders orientierten Meldungen untergegangen. Deshalb sage ich es noch einmal: Platz zwei! Für die Zukunft ist unsere Wirtschaft insoweit also ganz gut aufgestellt, auch wenn man oft anderes hört.
Es ist mir deshalb wichtig, dass wir alle zusammen nach vorn denken, weniger meckern und mehr machen. Von Hamburg-Rahlstedt geht heute also ein Zeichen aus. Dafür müsste jetzt nur noch jemand den Startknopf drücken. Und dann kann es losgehen.
Schönen Dank!