Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Herr Merz, ich will ganz ausdrücklich sagen: Es funktioniert nicht mit den Popanzen in dieser Republik. Und der wichtigste Popanz, den Sie eben aufgebaut haben, hat etwas zu tun mit der Aufkündigung eines Konsenses, den wir hier mit Zweidrittelmehrheit – sogar etwas mehr – gefasst haben, als wir das Sondervermögen für die Bundeswehr beschlossen haben. Und Sie werden dem Ernst der Lage, der mit der Zeitenwende einhergeht, die der russische Angriffskrieg auf die Ukraine darstellt, überhaupt nicht gerecht mit Ihrer nur rhetorisch gemeinten Rede. Das ist schlecht, weil die Aufgabe, auf die Zeitenwende zu reagieren, die der russische Angriffskrieg darstellt, und die Bedrohung, die er für die Sicherheitsarchitektur in Europa darstellt, uns ja nicht nur in dieser, sondern viele, viele Legislaturperioden beschäftigen wird.
Und ja, wir geben jetzt die 100 Milliarden Euro aus, damit die Bundeswehr ab dem nächsten Jahr zwei Prozent Nato-Quote an Finanzmitteln zur Verfügung hat. Und ja, schon jetzt, schon heute, ist klar, dass wir allerspätestens ab 2028 zusätzliche 25 Milliarden, vielleicht auch fast 30 Milliarden Euro für die Bundeswehr aus dem Bundeshaushalt direkt finanzieren müssen. Und deshalb dienen dem Ernst der Lage nicht Rhetorik und Popanze, sondern dass wir mit allem, was wir jetzt tun, dazu beitragen, dass wir in dem Jahr in der Lage sein werden, diese Haushaltsmittel auch aufzubringen. Wir garantieren der Bundeswehr zwei Prozent Nato-Quote auch 2028, 2029 und 2030, in den ganzen 30er-Jahren. Das soll jetzt so sein.
Und dazu passt es nicht, Herr Merz, dass Sie in dem, was Sie gesagt haben, darauf verweisen, dass Sie hier in dieser Woche Steuervorschläge gemacht haben, die alle noch irgendwie zu verstehen versucht wird, weil sie ja gar nicht so genau sind, aber bei denen man jedenfalls errechnen kann, dass sie 20 Milliarden, vielleicht 30 Milliarden Euro kosten, einfach so. Wie geht das zusammen, wenn wir wissen, dass wir jetzt schon jedes Jahr diszipliniert sein müssen, damit wir 2028, 2029 diese Mittel aufbringen können? Und Sie machen Vorschläge, als gäbe es kein Morgen. Das sollten wir nicht mehr tun.
Und ja, ich will auch sagen: Wir müssen uns um die Leistungsträger in dieser Gesellschaft kümmern. Auch mit Ihnen bin ich der Meinung, dass dazu gerne auch Leute gehören, die sehr viel Geld verdienen. Ich möchte, dass es in diesem Land erfolgreiche Unternehmen gibt, Start-ups; Leute, die mit dem, was sie schaffen, Millionäre werden – eine gute Sache. Aber, Herr Merz, Sie haben einen merkwürdigen Leistungsträgerbegriff. Ich glaube, der fängt erst ab 120.000 Euro im Jahr an, und Leute, die arbeiten und jeden Tag berufstätig sind und 40 Stunden, 45 Stunden die Woche arbeiten, zählen bei Ihnen nicht dazu. Deshalb haben Sie hier mal so schlankweg vorgeschlagen, dass Leute, die viele Jahrzehnte berufstätig waren, nicht mehr ein paar Jahre früher ohne Abschläge in Rente gehen können, übrigens zwei Jahre eher als alle anderen. Das finden Sie eine Bedrohung für das Zusammenleben in Deutschland, dass so fleißige Leute diese Möglichkeit haben. Was für ein Leistungsbegriff ist das bei Ihnen?
Und ohnehin, Herr Merz, finde ich interessant, dass zu den Vorschlägen, die Sie bei den Sozialreformen am wichtigsten finden, gehört, dass wir das gesetzliche Renteneintrittsalter anheben sollen. Das kommt immer wieder als Obsession bei Ihnen in allen Vorschlägen vor. Ich sage: Das ist nicht gerecht gegenüber den fleißigen Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes. Herr Merz, das musste jetzt sein, weil Ihr Popanz so groß war.
Aber trotzdem will ich ausdrücklich sagen, dass das eigentlich nicht die Situation für die ganz klassischen Schlagabtausche in diesem Bundestag ist, auch bei dieser Debatte, wobei das aber jedem freisteht. Der Krieg, die Energiekrise, die Inflation, die Folgen der Klimakrise: Das alles sorgt für gewaltige Veränderungen – Veränderungen, die vielen Bürgerinnen und Bürgern Sorge machen, die für Verunsicherung sorgen.
Was die Bürgerinnen und Bürger in einer solchen Lage von uns erwarten, ist doch kein Schattenboxen hier im Bundestag. Sie wollen Orientierung, mutige Kompromisse, zupackende Arbeit für unser Land. Das ist der Anspruch an uns alle: an die Regierungsparteien, die in den letzten Monaten zu viel gestritten haben, und genauso an die demokratische Opposition. So setzen wir denen etwas entgegen, die politischen Profit schlagen wollen aus Abstiegsszenarien und Panikmache. Die allermeisten Bürgerinnen und Bürger wissen, dass die selbsternannte Alternative in Wahrheit ein Abbruchkommando ist – ein Abbruchkommando für unser Land. Unser Wohlstand ist auf das Engste verknüpft mit der Europäischen Union. Deshalb sind die Forderungen nach neuen Schlagbäumen zwischen den Mitgliedstaaten, nach einem Rückbau der Europäischen Union und nach einem radikalen Abbau des Sozialstaats nichts als mutwillige Wohlstandsvernichtung.
Umso mehr sind wir, die demokratischen Kräfte, gefordert, an wirklichen Lösungen zu arbeiten. Zu viel ist in den vergangenen Jahren auf die lange Bank geschoben worden. Wer heute mit der Bahn oder mit dem Auto von Hamburg nach München fährt, der erlebt bei jeder Weichenstörung oder jeder Brückenbaustelle, wie sehr unsere Infrastruktur auf Verschleiß gefahren wurde. Statt in die Zukunft zu investieren, haben wir über die Pkw-Maut diskutiert. Die jahrelange Vernachlässigung unserer Bundeswehr bis zur Zeitenwende ist hier schon so oft debattiert worden, dass ich darüber nicht mehr als das zu Anfang Gesagte sagen muss.
Es war eine Koalition unter CDU-Führung, die die großen Sparprogramme bei der Bundeswehr gemacht hat. Don’t forget, never forget: 2010 – vergessen Sie es nicht! –, Sie waren das.
Die Vorgängerregierungen haben beschlossen, aus der Kernenergie auszusteigen und aus der Kohleverstromung. Wohlgemerkt, beides finde ich richtig – nur, wer aussteigt, der muss umso dringender einsteigen: einsteigen in die erneuerbaren Energien. Genau das tun wir jetzt, übrigens auch dort, wo der Nachholbedarf am größten ist: im Süden und Westen unseres Landes.
Seit Jahren ist unübersehbar, dass wir in Deutschland auf einen Mangel an Arbeitskräften zusteuern. Das sehen wir. Das ist etwas, das uns seit vielen Jahren umtreibt. Und deshalb ist es ganz, ganz wichtig, dass wir alles dafür tun, dass wir diesen Arbeitskräftemangel bekämpfen können. Ich finde es wichtig, dass wir jetzt auch gestartet sind mit den Maßnahmen, die wir mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz auf den Weg gebracht haben.
Aber genauso wie bei dem Ausbau der erneuerbaren Energien, genauso wie bei den Maßnahmen, die wir ergreifen müssen, damit wir es schaffen, dass Fachkräfte in unserem Land da sind, genauso ist es überall wichtig, dass wir Tempo machen. Deshalb noch mal an dieser Stelle: Wenn uns zum Beispiel ein großer Versorger wie EON sagt, er habe 600 Verfahren am Laufen und nur wenige davon seien bisher abgewickelt worden für den Ausbau der Verteilnetze, dann ist das etwas, das wir nicht mehr so lassen können, wie es heute ist. Das ist meine feste Überzeugung. Das geht so nicht weiter. In der Zeit, in der wir über die Verlängerung einer einzigen U-Bahn-Linie oder über einen Hochhausbau sprechen und dies planen, werden in anderen Ländern ganze Strecken gebaut. Die Bürgerinnen und Bürger sind diesen Stillstand leid, und ich bin es auch.
Immer wenn ich in den letzten Monaten in Deutschland unterwegs gewesen bin, habe ich die Botschaft gehört: Sorgt dafür, dass wir unser Land auf Vordermann bringen und dass wir schneller werden, unkomplizierter und weniger bürokratisch – so wie es zum Beispiel mit dem Deutschlandticket der Fall gewesen ist, das den öffentlichen Nahverkehr so viel attraktiver gemacht hat, so wie mit dem Deutschlandtempo, mit dem wir innerhalb weniger Monate neue Flüssiggasterminals ans Netz gebracht haben.
Solche Erfolge haben zwei Voraussetzungen: erstens moderne Gesetze, schnelle Verfahren, weniger Bürokratie und zweitens die Bereitschaft aller – wirklich aller –, an einem Strang zu ziehen und das natürlich in eine Richtung: der Bund, die Länder, Städte und Gemeinden, Unternehmen und Behörden, Verbände und Gewerkschaften. Nur gemeinsam werden wir den Mehltau aus Bürokratismus, Risikoscheu und Verzagtheit abschütteln, der sich über Jahre und Jahrzehnte hinweg über unser Land gelegt hat.
Dieser Mehltau lähmt unsere Wirtschaft, und er sorgt für Frust bei den Leuten im Land, die einfach wollen, dass Deutschland ordentlich funktioniert: dass die Bahn pünktlich fährt, dass unsere Infrastruktur analog und digital zu der besten in Europa zählt, dass ihnen die Ämter unter die Arme greifen und keine Schwierigkeiten machen. Das erwarten die Bürgerinnen und Bürger nach Jahren des Stillstands.
In meiner Verantwortung als Bundeskanzler möchte ich Ihnen daher heute ein Angebot machen. Mein Vorschlag richtet sich an die 16 Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder, an die Landrätinnen und Landräte, an die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister überall in unserer Republik, und mein Vorschlag richtet sich ausdrücklich auch an Sie, verehrter Herr Merz, als Vorsitzender der größten Oppositionsfraktion und einer Partei, die im Bundesrat, in den Ländern und Kommunen Verantwortung trägt. Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung. Lassen Sie uns unsere Kräfte bündeln! Beweisen wir den Bürgerinnen und Bürgern, wozu unser Land, unser Föderalismus und unsere Demokratie imstande sind. Viele im Lande warten geradezu sehnsüchtig auf einen solchen Schulterschluss.
Ich möchte Ihnen deshalb gerne einen Pakt vorschlagen, sagen wir: einen Deutschlandpakt – einen Deutschlandpakt, der unser Land schneller, moderner und sicherer macht. Tempo statt Stillstand, Handeln statt Aussitzen, Kooperation statt Streitereien. Das ist das Gebot der Stunde.
Als Bundeskanzler kann ich natürlich einen solchen Aufbruch nicht verordnen. Für den Bund kann ich aber fest zusagen: Wir gehen mit ganzer Kraft voran. Der Deutschlandpakt setzt dort an, wo die Bürgerinnen und Bürger Fortschritte am dringendsten erwarten: bei der Energieversorgung, die sauber, sicher und bezahlbar sein muss, beim Bau neuer Wohnungen und Häuser, bei der Modernisierung und Digitalisierung unserer Infrastruktur, bei der Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen, bei einer schnellen, leistungsfähigen und digitalen Verwaltung.
Wir haben den 16 Ländern dazu sehr konkrete Vorschläge gemacht, und aus meinen Gesprächen mit Ländern und Kommunen weiß ich: Sie teilen unser Ziel, schneller, moderner und sicherer zu werden. Das gilt übrigens für alle Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder, egal welcher Partei sie angehören.
„Schneller“, das heißt, dass wir die Deutschlandgeschwindigkeit zum Maßstab für alle großen Erneuerungsprojekte in unserem Land machen, zum Beispiel, indem wir auch noch die letzten Hürden beim Ausbau der erneuerbaren Energien abräumen. Das ist auch der schnellste und nachhaltigste Weg für niedrige Strompreise.
Als ich vor einigen Monaten gesagt habe, wir brauchen vier bis fünf neue Windräder und viele, viele Fußballfelder Photovoltaikanlagen pro Tag, da haben mich viele gefragt: Wie soll das gehen? Aber wir sehen: Es geht. Wir haben schon 30 Fußballfelder Solaranlagen, die pro Tag installiert werden. Und es geht sogar noch viel mehr. Schauen wir uns an, was zum Beispiel bei den Windkraftanlagen passiert! Dort haben wir im Juni 200 Genehmigungen gehabt. Wenn das alles in diesem Tempo auch gebaut wird und wir es halten können, sind die vier bis fünf Windräder pro Tag auch erreichbar. Das ist das, was wir heute wissen.
Und ich bin froh, dass in vielen Ländern jetzt auch das Tempo zugenommen hat. In Schleswig-Holstein, Niedersachsen und auch in Nordrhein-Westfalen ist die Zahl der Genehmigungen deutlich gestiegen, teilweise um 60 Prozent. Das muss Schule machen, etwa wenn wir in den nächsten Jahren die Netze für Strom und Wasserstoff ausbauen. Der Ausbau der Netze wird Investitionen von mehr als 100 Milliarden Euro auslösen und Tausende gute Arbeitsplätze schaffen. Bis Ende des Jahres stehen die Pläne für den Aufbau des Wasserstoffkernnetzes.
Was wir aber vor allem brauchen, sind natürlich überall Beschäftigte in den Planungsbehörden, in den Bauämtern, die schnell und zügig und unkompliziert die Genehmigungen erteilen. Vielleicht hat es früher gereicht, dass man für irgendeinen Flugplatz oder ein anderes Vorhaben 5, 10 oder 15 Jahre braucht. Aber das ist vorbei. Wir müssen jetzt das Tempo erreichen, das den Herausforderungen unseres Landes entspricht. Dann haben wir auch die Möglichkeit, dass wir die große Transformation hinkriegen, die ja immerhin so groß ist wie die industrielle Modernisierung Deutschlands am Ende des 19. Jahrhunderts.
„Schneller“ heißt natürlich auch, dass wir die Planungsprozesse überall digitalisieren. Schluss mit zwei Meter Aktenordnern für den Bau eines Solardachs oder einer Mobilfunkantenne. „Schneller“ heißt, dass Gutachten und Umweltdaten, die oft schon da sind, nicht noch mal vorgelegt werden. „Schneller“ heißt, dass wir EU-Regeln zum Naturschutzrecht eins zu eins umsetzen, damit das überall gleich funktioniert. „Schneller“ heißt, dass alle 16 Länder bis Ende des Jahres Bauanträge auch digital annehmen. „Schneller“ heißt, dass nicht noch weitere Gutachter und Sachverständige für Genehmigungen gebraucht werden, wenn ein Handwerksmeister bestimmte Gebäude und Gebäudeteile plant. „Schneller“ heißt, das Raumordnungsrecht so zu ändern, dass überall im Land neue Geothermieanlagen entstehen können. „Schneller“ heißt, dass wir eine Anlaufstelle schaffen für Schwertransporte auf Autobahnen, damit die Rotorblätter für Windräder und vieles andere besser transportiert werden können. „Schneller“ heißt, auf manche Genehmigungspflicht einfach mal zu verzichten, damit Glasfaserleitungen zu den Nutzern kommen. Alles das heißt „schneller“, und darum geht es. Wir müssen das Bürokratiedickicht lichten.
Der Deutschlandpakt ist genau das: Arbeit im Maschinenraum unseres Staates, das Drehen an Hunderten von Reglern, um dafür zu sorgen, dass der Tanker Deutschland auf Touren kommt. Damit das gelingt, muss unser Staat natürlich jetzt überall den Schritt in das Digitalzeitalter machen.
Ziel des Deutschlandpakts ist eine moderne, digitale und bürgernahe Verwaltung. Vergangene Woche in Meseberg haben wir Eckpunkte für ein Bürokratieentlastungsgesetz beschlossen, das besonders kleine und mittlere Betriebe von unnötigem Papierkram entlasten soll. Auch gegenüber Brüssel setzen wir uns für weniger Bürokratie und schnellere Entscheidungen ein, zum Beispiel in Beihilfeverfahren. Das wollen wir auch gerne mit Frankreich vorantreiben. Seit der Bund und die Länder sich 2017 darauf verständigt haben, ihre wichtigsten Verwaltungsleistungen zu digitalisieren, hat der Bund 85 Prozent seiner Leistungen umgesetzt. Länder und Kommunen haben bisher ein Viertel der zugesagten Leistungen online zugänglich gemacht. Und dabei reden wir über sehr zentrale Fragen wie die Beantragung von Personalausweisen, die Verlängerung des Führerscheins oder die Ummeldung nach dem Umzug. Ich weiß: In mehr als 10.000 großen und kleinen Städten und vielen Gemeinden mit ganz unterschiedlicher IT- und Personalausstattung ist das alles nicht trivial. Aber es ist den Bürgerinnen und Bürgern schlicht nicht mehr zu erklären, dass sie zwar im Internet einkaufen, Geld überweisen und ihren Urlaub buchen können, aber dass solch grundlegende Verwaltungsleistungen noch immer nicht überall in Deutschland online möglich sind. Das muss sich ändern.
Und – ganz wichtig –: Dieses Vorhaben scheitert nicht am Geld. In den zurückliegenden vier Jahren hat der Bund den Ländern und Kommunen dafür 1,4 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt; Hunderte Millionen können noch abgerufen werden.
Auch über andere Großbaustellen werden wir mit den Ländern im Rahmen des Deutschlandpakts reden. Was stauanfällige Straßen und marode Brücken angeht, sorgen wir per Gesetz dafür, dass schneller geplant und gebaut wird. Das muss jetzt auch passieren. Auch den Investitionsstau bei der kaputtgesparten Bahn gehen wir an. 24 Milliarden Euro an zusätzlichem Investitionsspielraum erhält die Bahn in den kommenden vier Jahren. Das ist das größte Investitionsprogramm in so kurzer Zeit; ich sage mal, seit der Dampflok – ein großer Schub nach vorn. Wer selber schon mal ein Haus gebaut hat, weiß: Da gibt es viele Baustellen. Aber ich bin sicher, die Bürgerinnen und Bürger werden dafür Verständnis haben, weil sie sehen: Jetzt wird endlich angepackt, anstatt unsere Infrastruktur weiter verfallen zu lassen.
Eine der zentralen Botschaften des Deutschlandpakts ist daher auch: Wir denken über den Tag hinaus. Wir legen heute den Grundstein für den Wohlstand und die Stabilität in unserem Land in den nächsten 10, 20 und 30 Jahren. Ich sage das auch in Richtung derjenigen, die irgendwie immer von der Deindustrialisierung unseres Landes sprechen. Die große Leistungsfähigkeit unserer Industrie habe ich gerade gestern bei der IAA Mobility, der Internationalen Automobil-Ausstellung, sehen können. Das ist kein Land, dem die Deindustrialisierung bevorsteht, sondern ein Land, das weltweit wettbewerbsfähig ist mit seiner leistungsfähigen Industrie.
Ja, niemand kann zufrieden sein, wenn Deutschlands Wirtschaft nicht wächst. Doch wir werden strukturelle Probleme nur mit strukturellen Antworten lösen. Das beste Wachstumsprogramm ist, wenn ein Betrieb statt drei Jahre künftig vielleicht nur drei Monate auf eine Baugenehmigung oder die Betriebserlaubnis wartet; zumal solche strukturellen Verbesserungen auch günstiger und nachhaltiger sind als Dauersubventionen. Ich halte auch nichts vom schuldenfinanzierten Strohfeuer namens Konjunkturprogramm, das die Inflationsbekämpfung, die so wichtig ist seitens der Europäischen Zentralbank, konterkarieren würde.
Wir sorgen stattdessen dafür, dass unsere Unternehmen jetzt in die Zukunft investieren können. Die Beschlüsse, die wir vergangene Woche in Meseberg getroffen haben, senden eine klare Botschaft: Wer jetzt in saubere Energie und Klimaschutz investiert, der spart dank der Investitionsprämie viel Geld. Mit der Ausweitung des Verlustvortrages sorgen wir mit einem Schlag für mehr Liquidität in den Unternehmen. Rückwirkend ab dem 1. Oktober werden neue großzügige Abschreibungsregeln für alle beweglichen Wirtschaftsgüter möglich, damit auch kleine und mittlere Unternehmen investieren können und die großen auch. Und Betriebe, die Geld in Forschung und Entwicklung investieren, können künftig mehr von der Steuer absetzen. Und natürlich – das Wichtigste –: Großzügige Abschreibungsregeln werden auch den Bau neuer Häuser und Wohnungen unterstützen. Das sorgt für mehr Investitionen in der Bauwirtschaft; denn wir wollen das Ziel nicht aufgeben, mehr Wohnungen in diesem Land zu bauen.
Ja, die Zinserhöhungen haben zu einer Anpassungskrise geführt, die steigenden Baupreise auch; die zu hohen Grundstückspreise übrigens auch. Aber ganz wichtig ist, dass wir darüber nicht aufhören, zu verstehen, dass jetzt in großer Zahl bezahlbare Wohnungen für Millionen Menschen in diesem Land gebaut werden müssen. Und deshalb werden wir alles tun, damit wir so weit kommen, dass wir tatsächlich jedes Jahr und Jahr für Jahr 400.000 Wohnungen errichten können.
Wir werden das auch beim Baugipfel besprechen. Aber ich sage ausdrücklich: Vielleicht war da die eine oder andere Wohnung, bei der man sehr viel Geld bezahlen muss, um da einziehen zu können, zu viel geplant und waren zu wenige Wohnungen geplant, die sich jemand leisten kann, der auch zu den Leistungsträgern gehört, weil er 40 Stunden die Woche arbeitet, aber nicht so viel verdient. 18 Milliarden Euro stecken wir in den geförderten Wohnungsbau, damit das auch funktioniert.
Und natürlich dürfen wir unser wichtigstes Instrument nicht vergessen: den Klima- und Transformationsfonds. Allein im kommenden Jahr sind darin 58 Milliarden Euro Investitionen möglich: in die Wasserstoffwirtschaft, in die Halbleiterindustrie, in saubere Energie, in klimafreundliche Mobilität, in digitale Infrastruktur und in die Sanierung von Gebäuden. Rekordinvestitionen aus dem Bundeshaushalt kommen noch dazu: 54 Milliarden für bessere Schienen und Brücken, schnelles Internet oder Ladesäulen. Alles das zusammen sind 110 Milliarden Euro, mit denen wir in der Lage sind, trotz der Tatsache, dass wir jetzt mit den Ausgaben, die wir für Investitionen in unserem Land tätigen, vorsichtig umgehen müssen, die Schuldenregel der Verfassung einzuhalten.
Wir sehen übrigens auch erste Erfolge. Mehr als 80 Milliarden Euro investieren internationale Unternehmen in den Standort Deutschland, und zwar in Zukunftsbranchen wie Biotechnologie und Batteriefertigung, Clean-Tech, in klimaneutralen Stahl und künstliche Intelligenz.
Und wir sind gerade dabei zu dem Halbleiterstandort in Europa zu werden. Die 30-Milliarden-Euro-Investition von Intel in Magdeburg ist die größte ausländische Einzelinvestition in der Geschichte Europas. Hinzu kommen die neuen Fabriken von Infineon in Sachsen, von Wolfspeed und ZF im Saarland, die Investitionen von GlobalFounderies in Dresden und zuletzt der Einstieg von TSMC in die Chipproduktion, auch in Dresden, übrigens im Verbund mit NXP, Infineon und Bosch.
Denn es ist ja nicht so, dass wir in dieser Frage technologisch erst alles lernen müssen. Jede dieser Investitionen stärkt unsere technologische Souveränität, und jede dieser Investitionen sorgt dafür, dass Dutzende Zulieferer davon profitieren und für gute und sichere Arbeitsplätze und für Aufträge beim lokalen Handwerk sorgen. Ganze Städte und Regionen profitieren auf Dauer davon. Deshalb werden wir als Bund diesen großen Fortschritt, der mit der Wiederansiedlung der Halbleiterindustrie in Europa, und zwar in Deutschland, verbunden ist, auch weiter unterstützen; übrigens tun das andere Länder auch – um das mal im Hinblick auf eine etwas merkwürdige Debatte hierzulande zu sagen.
Wenn man die Unternehmen fragt, was der größte Unsicherheitsfaktor für sie ist, dann sind das nicht so sehr die Energiepreise oder die Frage, ob sie noch mehr Subventionen bekommen können, sondern dann ist das der Mangel an Arbeitskräften. Das ist in der Tat die große Herausforderung für unser Land. Und deshalb tun wir erst mal alles dafür, dass diejenigen, die hierzulande aufwachsen, auch die besten Bedingungen vorfinden und dass sie eine gute Ausbildung und einen guten Arbeitsplatz bekommen. Damit das klappt, haben wir Mittel in Höhe von vier Milliarden Euro bereitgestellt, damit die Länder und Gemeinden Kitas ausbauen können.
Wer allerdings behauptet, wir können völlig ohne Arbeitskräfte aus dem Ausland auskommen, der hat in den letzten Jahren nicht mit Handwerksmeistern, Mittelständlern und Krankenhausbetreibern gesprochen. 13 Millionen Beschäftigte gehen bis Mitte des kommenden Jahrzehnts in den Ruhestand. Deshalb ist es notwendig, dass wir das auch tun. Ich appelliere an alle, dass das jetzt schon beschlossene Fachkräfteeinwanderungsgesetz überall in Deutschland umgesetzt wird, damit wir unbürokratisch Möglichkeiten schaffen und der Krankenpfleger aus Georgien und die IT-Spezialisten aus Indien nicht Monate auf ein Visum oder eine Arbeitserlaubnis warten müssen.
Moderne, untereinander vernetzte Ausländerbehörden nützen übrigens auch an anderer Stelle. Wer hier kein Aufenthaltsrecht hat, der muss unser Land natürlich wieder verlassen. In Meseberg haben wir beschlossen, Georgien und Moldau als sichere Herkunftsländer einzustufen. Das ist ein wichtiger Fortschritt im Kampf gegen die irreguläre Migration. Ich bin der Bundesinnenministerin sehr dankbar dafür, dass sie den Ländern auch in Sachen Rückführung bei der Ausweitung der Abschiebehaft und an vielen anderen Stellen ganz konkrete Verbesserungsvorschläge gemacht hat. Schönen Dank für diese Arbeit! Auch das muss Teil des Deutschlandpaktes sein.
Und mir ist schon aufgefallen, was passiert. Die Bundesregierung hat alles, was zu tun ist, auf den Weg gebracht. Über die sicheren Herkunftsländer habe ich eben gesprochen. Über Verbesserungen aller seit Jahren nicht zustande gekommenen Regelungen bei der rechtlichen Organisation der Abschiebung habe ich auch gesprochen. Über die europäische Verständigung über einen Solidaritätsmechanismus, damit nicht alle zu uns kommen, sondern damit ein gemeinsames Verfahren entwickelt wird, haben wir hier schon diskutiert. Wir haben darüber diskutiert, wie die Digitalisierung der Ausländerbehörden vorangeht und, und, und. Aber dann, wenn das alles passiert, suchen Sie sich immer noch das nächste Thema. So viel, wie hier auf der Agenda steht, haben CDU-Innenminister in den letzten Jahren nicht vorangebracht.
Nach drei außergewöhnlichen Krisenjahren steht der Bundeshaushalt 2024 für die Rückkehr zur Normalität und für einen solide finanzierten Staat. Wir investieren, ohne an der falschen Stelle zu kürzen, weil wir wissen: Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist die entscheidende Voraussetzung dafür, dass alle mitkommen können auf dem Weg in die Zukunft unseres Landes.
Durch den Ausgleich der kalten Progression haben 48 Millionen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler mehr Netto vom Brutto. Wir reden hier über den größten steuerlichen Inflationsausgleich, wie ihn eine Bundesregierung jemals vorgenommen hat. Danke für den Applaus aus der CDU!
Die Tarifpartner machen millionenfach Gebrauch von unserem Vorschlag, den Beschäftigten mit steuer- und abgabenfreien Einmalzahlungen durch die Inflation zu helfen. Und das alles zeigt Wirkung: Erstmals seit zwei Jahren steigt die Kaufkraft in Deutschland wieder. Am deutlichsten sind die Löhne übrigens bei denjenigen gestiegen, die am wenigsten verdienen, und darauf bin ich ganz besonders stolz.
Das ist auch ein Erfolg des Mindestlohns und der beschlossenen Reduzierung von Steuern und Sozialabgaben für Geringverdiener. Auch die Renten sind zum 1. Juli so stark angehoben worden wie seit Jahrzehnten nicht. Mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung ist die Rentenangleichung zwischen Ost und West endlich geschafft.
Auch die Familien hat diese Bundesregierung massiv unterstützt. Allein das höhere Kindergeld bedeutet für eine Familie mit zwei Kindern über 700 Euro mehr im Jahr; beim Kinderzuschlag sind es bis zu 500 Euro. Das alles fließt ein in die neue Kindergrundsicherung, die im Jahr 2025 eingeführt wird.
Krieg, Klimawandel, Energiekrise, Inflation, die Folgen der Pandemie: – Niemand hat sich die Lage ausgesucht, mit der wir es derzeit zu tun haben. Aber gerade wenn man bedenkt, wie groß diese Herausforderungen sind, wird doch ganz besonders deutlich, was wir hinbekommen, wenn wir zusammenhalten.
Wir haben die Pandemie überstanden mit weniger Opfern als viele andere Staaten. Wir haben entschlossen auf Russlands Angriffskrieg und seine dramatischen Folgen reagiert, ohne dass die Nato Kriegspartei geworden ist. Nach den Vereinigten Staaten von Amerika sind wir der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine. Wir haben unser Land innerhalb weniger Monate aus der Abhängigkeit von russischer Energie befreit – ohne Versorgungsengpässe, ohne Blackouts, ohne Wutwinter – ja, ohne Wutwinter!
Wir kommen voran bei der Aufgabe, unser Land so aufzustellen, dass unsere besten Tage nicht hinter uns liegen, sondern vor uns. Auch das kriegen wir hin, wenn wir zusammenhalten. Genau das erwarten die Bürgerinnen und Bürger doch von uns: dass wir unsere Kraft zusammennehmen und gemeinsam anpacken. Dieses Angebot mache ich Ihnen heute mit dem Deutschlandpakt.
Schönen Dank.