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Symbolfoto: Olaf Scholz
Photothek
16.05.2024 | Mannheim

Rede anlässlich der Verabschiedung von Hasso Plattner

Hallo Mannheim, hallo SAP!
Lieber Christian Klein,
liebe Mitglieder des Vorstands,
lieber Pekka Ala-Pietilä,
liebe Mitglieder des Aufsichtsrates,
lieber Dietmar Hopp,
lieber Henning Kagermann,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
liebe Familie Plattner,
meine Damen und Herren,
aber vor allem natürlich lieber Herr Professor Dr. Plattner!

Als Sie vor ein paar Monaten Ihren 80. Geburtstag feierten, da hat man Sie gefragt, wie Sie selbst auf Ihre Karriere zurückblicken. Und was haben Sie geantwortet? „Im Großen und Ganzen ist es gut gelaufen.“ Lieber Hasso Plattner, tiefer gestapelt geht es ja nicht.

Zum Glück haben Sie die Argumente dafür, wie untertrieben Ihr Satz war, gleich mitgeliefert. Ganz am Anfang hätten Sie und Ihre Mitstreiter eben bloß davon geträumt, vielleicht irgendwann hundert Mitarbeiter zu haben, hundert Millionen Mark Umsatz zu machen. Na klar, auch das wäre ein großer Erfolg gewesen. In Wirklichkeit ist es dann aber doch etwas anders gekommen, und wir haben es eben schon ein bisschen gehört. Heute hat SAP weltweit mehr als 110.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Heute macht SAP einen jährlichen Umsatz von über 30 Milliarden Euro. Heute ist SAP mit über 200 Milliarden Euro Börsenwert das mit Abstand wertvollste Unternehmen in Deutschland. Heute zählen 99 der 100 größten Unternehmen auf der Welt zu Ihren Kunden. Kurz gesagt, heute läuft die gesamte Weltwirtschaft auf Software der Marke SAP.

Was für eine unfassbare globale Erfolgsgeschichte aus Deutschland! Und Sie, lieber Hasso Plattner, Sie haben diese Geschichte geschrieben – als Mitbegründer von SAP, als unermüdlicher Ideengeber und Antreiber, als Technologiechef, als Vorstandsprecher und schließlich über 20 Jahre lang als Vorsitzender des Aufsichtsrats.

Wohlgemerkt, im Alleingang geschrieben haben Sie die großartige globale Erfolgsstory SAP natürlich nicht, sondern, so wie es zu Ihnen passt, immer gemeinsam mit anderen, immer zugleich im produktiven Wettstreit, gemeinsam zuerst mit Ihren vier Mitgründern in den Start-up-Jahren, mit Dietmar Hopp natürlich, mit Claus Wellenreuther, mit Klaus Tschira und mit Hans-Werner Hector, gemeinsam mit den vielen ehrgeizigen Kolleginnen und Kollegen, die dann sukzessive in der Unternehmensführung nachrückten – vor allem der große Name Henning Kagermann darf hier natürlich nicht fehlen –, gemeinsam mit Generationen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hier in Deutschland, in Europa, in den USA und weltweit, die sich immer wieder mitreißen und motivieren ließen von Ihrem unbändigen Vorwärtsdrang, und gemeinsam seit fast zwei Jahrzehnten auch mit Ihrem Betriebsrat hier bei SAP, einer Einrichtung, die Sie anfangs nicht ganz so notwendig fanden, aber die sich ja doch mittlerweile gut in die Unternehmenskultur eingebunden hat. Ich glaube, Mitbestimmung ist auch ein Markenzeichen aus Deutschland, das ganz gut funktioniert.

Lieber Hasso Plattner, mit SAP haben vor allem Sie und Ihre vier Gründungspartner Wirtschaftsgeschichte und – ich glaube, das ist nicht zu groß gegriffen – tatsächlich auch Globalisierungsgeschichte geschrieben – in Karlsruhe, wo Sie in jungen Jahren Nachrichtentechnik studierten, in Mannheim, wo Sie in der dortigen IBM-Filiale Ihren Kollegen Dietmar Hopp aus Hoffenheim kennenlernten, ein paar Kilometer weiter in Weinheim, wo Sie 1972 Ihr Unternehmen als Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit dem schönen Namen „Systemanalyse Programmentwicklung“ gründeten. Man fragt sich ja, was wohl passiert wäre, wenn Sie bei diesem lang zu sprechenden deutschen Namen geblieben wären und wie die Geschichte dann weitergegangen wäre.

Ganz in der Nähe, in der Kleinstadt Östringen, wurde dann das Nylonfaserwerk ICI Ihr allererster Geschäftskunde. Es ist schon oft beschrieben worden – wir haben eben ja sogar die Lochkarten und all das gesehen –: ICI fragte genau das nach, was Sie damals als die Ersten und überhaupt Einzigen zu bieten hatten, nämlich Unternehmensdatenverarbeitung am Bildschirm direkt und in Echtzeit. In Östringen bei ICI konnten Sie die erste Version Ihrer Standardsoftware für Unternehmen entwickeln. Diese Standardsoftware hat die wirtschaftliche Globalisierung der vergangenen Jahrzehnte so dynamisch, wie sie verlaufen ist, überhaupt erst möglich gemacht. Deshalb kann man sagen – das ist vielleicht übertrieben, aber wirklich nur ein bisschen –: In Östringen steht die Wiege der Globalisierung.

In Walldorf, wieder nur ein paar Kilometer weiter, fand Ihr junges Unternehmen schließlich seinen Stammsitz.

Mehr als ein halbes Jahrhundert liegt dieser historische Aufbruch nun zurück. Sie und Ihre Mitstreiter waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort, mit der richtigen Idee und dem richtigen Know-how. Daraus folgte alles Weitere.

Jetzt, lieber Hasso Plattner, schließt sich der Kreis also genau hier in Mannheim, wo alles irgendwie anfing. Mit dem Ende Ihrer Amtszeit als Vorsitzender des Aufsichtsrats von SAP nimmt nun auch der letzte der fünf legendären Gründerväter seinen Abschied, zumindest in formaler Hinsicht.

Wohlgemerkt, nach allem, was man weiß, verlassen Sie ein wohlbestelltes Feld. Das Thema künstliche Intelligenz kann SAP in den nächsten Jahren noch einmal einen ganz neuen Schub verleihen. Darauf haben Sie selbst in einem großen Interview vor ein paar Tagen hingewiesen. Und ich bin mir sicher, dafür sorgt Christian Klein, dafür sorgen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und dafür wird auch Ihr Nachfolger sorgen. Alles Gute also für diese Aufgaben!

Trotzdem ist klar: Für das gesamte Unternehmen SAP geht eine Ära zu Ende, nicht weniger. Aber, lieber Hasso Plattner, ob es sich umgekehrt auch für Sie selbst wie das Ende einer Ära anfühlt, weiß ich nicht so ganz genau. Erklärt haben Sie, Sie seien schon als Aufsichtsratsvorsitzender sowieso gar nicht mehr so richtig in der Firma gewesen. Mein persönlicher Eindruck: Da war wieder eine kleine Untertreibung dabei! Man hört, Sie hätten in den vergangenen Jahren noch eine ganze Menge Einfluss bei SAP gehabt, und womöglich ist es ja so, dass dieser Einfluss gar nicht ausschließlich mit dem Amt zu tun hat, das Sie da bekleidet haben. Womöglich wurzelt Ihr Einfluss ja vor allem darin, dass Sie einfach immer wieder neue Ideen ausbrüten, immer wieder kühne Pläne schmieden, immer wieder ehrgeizige Vorhaben vorantreiben.

Ich glaube, Sie können auch gar nicht anders; dafür brauchen Sie gar kein Amt. Ich lebe ja in Potsdam, so wie Sie, und darum weiß ich auch, wovon ich da rede. Günther Jauch, der uns eben hier eingeführt hat, weiß da auch Bescheid und hat ja auch ein bisschen darauf hingewiesen, dass die Nachbarschaft zu dem Museum Barberini nicht so weit weg ist. Deshalb konnte uns auch gar nicht entgehen, was für ein unglaubliches Feuerwerk an Ideen und Projekten Sie in den letzten Jahrzehnten in Ihrer Wahlheimatstadt gezündet haben, nicht nur in Potsdam, aber da eben ganz besonders. Das fällt mir natürlich als jemand, der dort lebt, auch auf. Auch wenn wie hier in Baden, am anderen Ende unseres Landes, sind, diese Eloge muss jetzt auch noch sein; denn an Ihrem Potsdam hängen Sie mit ganzem Herzen. Es ist nicht übertrieben, lieber Hasso Plattner: Wenn Sie als Stifter, Mäzen und Förderer für diese Stadt so viel getan haben, dann ist es richtig, zu sagen, dass das schlicht und einfach entscheidend für das Aufblühen von Potsdam in den letzten Jahrzehnten war. Gerade die Stadt, die ich die Ehre habe, im Deutschen Bundestag zu vertreten, verdankt Ihnen unendlich viel. Sie haben den Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses entscheidend finanziert, das heute Sitz des Brandenburger Landtags ist. Sie haben Potsdam mit der Errichtung und Etablierung des Museums Barberini mitten auf die Weltkarte vor allem der impressionistischen Kunst gesetzt, in einer Liga mit Paris, Chicago und New York. Ich habe gerade diese Kunst auch in Paris betrachten können und kann sagen: Wirklich eine Liga! Das ist schon ganz beeindruckend. Mit dem Museum Minsk haben Sie in Potsdam nicht nur ein wichtiges Stück Architektur der DDR-Moderne gerettet, sondern Sie haben sogar noch ein weiteres strahlendes kulturelles Highlight in dieser Stadt geschaffen. Das alles prägt Potsdam. Das strahlt weit darüber hinaus.

Noch viel weiter über Potsdam hinaus wirkt Ihr HPI, das Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik. Dieser Standort zukunftsweisender Wissenschaft ist in Deutschland einzigartig. Sie haben ihn schon 1998 gestiftet, gegründet, finanziert und seitdem aktiv lehrend und forschend auch selbst geprägt. Ich finde, ganz besonders mit dem HPI haben Sie eine Institution geschaffen, die auf ganz wunderbare Weise verkörpert, was Sie immer ausgemacht hat und weiterhin ausmacht: Das ist Ihre Lust aufs Neue. Das ist Ihr Vorwärtsdrang, Ihre Neugierde und zugleich Ihr Drang, gründlich nachzudenken und den Dingen auf den Grund zu gehen. Das ist nicht zuletzt, wie es Dietmar Hopp formuliert hat, Ihre schier unermüdliche Schaffenskraft.

Lieber Hasso Plattner, als Sie vor zehn Jahren das SAP Innovation Center in Potsdam eröffneten, haben Sie einen entscheidenden Satz formuliert: „You cannot postpone a change for too long which has to happen.“ Notwendige Erneuerung darf man eben nicht zu lange vor sich herschieben. Wenn man es doch tut, so erklärten Sie weiter, dann wird sich das irgendwann rächen: „And then you have less and less energy to fight back.“ Dann hat man eben weniger Kraft, sich zu behaupten.

Sie haben diese Sätze damals als Mahnung an Ihr eigenes Unternehmen gemeint. Sie sind aber von universeller Gültigkeit, und sie sind auch universell richtig. Wir in Deutschland haben in den letzten Jahrzehnten ja auch manche nötige Erneuerung zu sehr auf die lange Bank geschoben – bei der Digitalisierung und der Infrastruktur und bei unserer industriellen Transformation Richtung Klimaneutralität. Gerade haben wir deshalb jetzt den Hebel umgelegt.

Genau deshalb bin ich Ihnen ausdrücklich dankbar für diese Mahnung und Intervention. Sie kommen – das darf man nach der Lebensgeschichte sagen – aus berufenem Munde. Denn wer in Deutschland wüsste besser als Sie, wie Innovation funktioniert, und wer könnte überzeugender darlegen, nämlich aus erfolgreicher Erfahrung, dass Innovation keine Bedrohung ist, sondern eine Chance, gerade für unser Land der Ingenieure, Tüftlerinnen und Erfinder! Darum, lieber Hasso Plattner, mischen Sie sich bitte auch weiterhin ein! Ihre Erfahrung und ihre Rastlosigkeit, beides wird weiterhin gebraucht, ob in Potsdam oder in Berlin. Meine Tür steht Ihnen immer offen. Herzlichen Dank und alles Gute!