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Symbolbild: Olaf Scholz
Photothek
29.11.2023 | Berlin

Rede anlässlich des 75-jährigen Jubiläums der Kreditanstalt für Wiederaufbau

Sehr geehrter Herr Wintels,
liebe Kolleginnen und Kollegen
aus dem Kabinett und aus dem Deutschen Bundestag,
meine Damen und Herren!

Sie haben die 80er Jahre gerade als ein Jahrzehnt des Fortschritts beschrieben, sehr geehrter Herr Wintels. Ich erinnere mich daran, dass es sich für mich als Juso damals eher anders anfühlte. Aber das zeigt nur: Stimmung und tatsächliche Lage klaffen manchmal eben auseinander. Aber dazu später mehr.

Heute ist es jedenfalls allen klar: Die 80er waren allenfalls so etwas wie das Aufwärmen für den Marathon, den wir jetzt laufen. Die Welt ist aufgebrochen in eine klimaneutrale Zukunft. Wir selbst stecken mittendrin in der größten Transformation unserer Wirtschaft seit der Industriellen Revolution im vorletzten Jahrhundert, als global vernetztes Land, als innovatives Land, als starkes Land.

Diese Position der Stärke haben wir uns in den vergangenen 75 Jahren erarbeitet. Welchen Weg wir dabei zurückgelegt haben, zeigt der Blick zurück, zurück auf den 18. November 1948, den Tag, an dem das Gesetz über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Kraft getreten ist. Die deutsche Wirtschaft war nach dem Krieg völlig am Boden. Häuser und Wohnungen lagen in Trümmern. Es gab nicht genug Wohnraum, nicht genug zu essen, nicht genug Kohle und Energie. In ihrer Ausgabe vom 18.11.1948 berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ über die dramatische Berlin-Blockade und über ein neues Grundgesetz, das gerade erst in Arbeit war. Und „Die Zeit“ beschrieb den Hauptstadtstreit zwischen Frankfurt und Bonn.

Heute wissen wir, wie das ausgegangen ist und wie weit wir gekommen sind. Dass unser Land so schnell wieder auf die Beine gekommen ist, lag auch an einer Idee der Amerikaner, die geradezu visionär war angesichts ihrer Tragweite und angesichts dieses zerstörerischen Krieges, den Deutschland angezettelt hatte. Der amerikanische Außenminister George Marshall sagte damals über seinen Plan für Deutschland und Europa: „Its purpose should be the revival of a working economy in the world so as to permit the emergence of political and social conditions in which free institutions can exist.“ Dieser Gedanke, dass es eine enge Wechselwirkung gibt zwischen politischer Freiheit, sozialer Absicherung und einer funktionierenden Wirtschaft trägt unser Land bis heute.

Seine Wurzeln liegen im Marshallplan, aus dem damals auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau hervorging, als Bank an jener Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, als Bank, auf die man sich bis heute verlassen kann, und zwar auch oder vielleicht gerade dann, wenn es schwierig wird.

75 Jahre KfW, das sind 75 Jahre deutsche Geschichte. Unser Land hat sich verändert und mit ihm unsere Bank – vom Wiederaufbau bis zum Wirtschaftswunder, von der Wende bis zur Energiewende, von der Finanzkrise bis zur Coronapandemie. Als Finanzminister habe ich damals – es fühlt sich wie damals an, auch wenn das Ende der Pandemie noch keine zwei Jahre her ist – auf das Engste mit der KfW zusammengearbeitet. Gemeinsam haben wir uns gegen die Folgen gestemmt, damit die Coronakrise nicht in eine Wirtschaftskrise mündet. Wir haben einen Schutzschirm aufgespannt für Unternehmen, die wegen der Pandemie in Schwierigkeiten geraten waren. Aber – typisch KfW eben – nicht allein für die Großen gab es KfW-Schnellkredite, sondern auch für die Kleinen und für die Soloselbstständigen. Sie waren da als Helper of last resort. Ohne sie wäre uns das nicht gelungen. Dafür sage ich heute und hier noch einmal herzlichen Dank.

Wir feiern heute, was uns in der Vergangenheit gelungen ist. Aber untrennbar damit verbunden ist die Zukunft, die noch vor uns liegt. Sie haben eben von Zuversicht gesprochen, lieber Herr Wintels: Die ist uns Deutschen nicht unbedingt in die Wiege gelegt, und politisch verordnet werden kann sie schon gar nicht. Aber ich habe es zu Beginn schon angedeutet: Es ist schon auffällig, wie sehr gerade in Deutschland Stimmung und tatsächliche Lage auseinanderfallen.

Natürlich geht es nicht spurlos an uns vorbei, dass Russland als ehemals größter Gaslieferant von heute auf morgen seine Lieferungen einstellt. Natürlich spürt eine exportstarke Wirtschaft wie unsere, wenn die Weltkonjunktur lahmt – und das stärker als andere –, und natürlich müssen wir eigene Versäumnisse aufholen, Defizite, die mit zu geringen Investitionen in unsere Infrastruktur und die Digitalisierung zu tun haben, mit fehlenden Arbeitskräften, auch mit zu viel Bürokratie und zu vielen Vorschriften. Aber klar ist doch auch: Deutschland hat als eines von ganz wenigen klassischen Industrieländern heute überhaupt noch eine starke wettbewerbsfähige Industrie. Ein überholtes Modell sei das, so hieß es in den vergangenen 20 Jahren immer wieder. Gut, dass wir nicht auf diese Stimmen gehört haben. Denn wer, wenn nicht wir, sollte heute die Technologien und Maschinen entwickeln, die die Welt morgen für die Klimaneutralität braucht? Deutschland schrumpft auch nicht, so wie es nahezu alle Demoskopen uns noch vor 10, 20 Jahren vorhergesagt hatten – im Gegenteil: Noch nie haben so viele Frauen und Männer in Deutschland gearbeitet wie heute: 46 Millionen. Mit über 84 Millionen Einwohnern sind wir heute ein wachsendes Land, und wir tun alles dafür, damit das auch morgen so bleibt. Und schließlich, ja: Wir werden weiter in die Zukunft investieren – mit der KfW an unserer Seite.

Natürlich wird das mit den Investitionen jetzt auch noch mal neu zu organisieren sein im Hinblick auf die Entscheidung, die die Bundesregierung dem Bundestag vorschlagen möchte, was den Bundeshaushalt für die Zukunft betrifft. Aber ich und andere haben es schon wiederholt gesagt: Wir wollen uns dieser Aufgabe stellen und werden das auch hinbekommen, dass wir genau diese Zukunftsinvestitionen auch hinbekommen werden.

Auch andere haben längst erkannt, welche großen Chancen in der Transformation liegen. Die USA treiben mit dem Inflation Reduction Act erneuerbare Energien und klimafreundliche Technologien gezielt voran und holen auch abgewanderte Industrien zurück.

In China werden mehr Solaranlagen, Windräder, Batteriefabriken und E-Autos gebaut als irgendwo sonst auf der Welt – wenn auch mit massiven Subventionen in die staatlich gelenkte Wirtschaft. Aber wir treten nicht nur gegen die USA und China an, auch aus vielen Ländern in Asien, Afrika, Lateinamerika und der Karibik sind dank der Globalisierung längst ernstzunehmende Wettbewerber mit eigenen leistungsfähigen Industrien geworden. Die Welt wartet nicht auf uns. Um unsere Stärken zu nutzen, müssen wir uns jetzt auch zu investieren trauen, und zwar so, dass daraus mehr Arbeitsplätze und mehr Wachstum entstehen.

Wer jetzt, wer heute die richtigen Entscheidungen für kluge Investitionen in die Zukunft trifft, kann morgen saubere Technologien exportieren. Er kann die besten E-Autos bauen sowie Chips und Batterien dafür, und er kann Strom aus erneuerbaren Energien günstig herstellen. Das ist doch der Standortvorteil, den wir uns in den kommenden Jahren erarbeiten müssen, im Vertrauen auf unsere Stärken und mit dem nötigen Mut zu Veränderung.

Unsere Ziele für die Transformation haben wir klar formuliert. 80 Prozent des Stroms, den wir verbrauchen, soll bis 2030 aus erneuerbaren Energien kommen. 50 Prozent der Wärme, die wir produzieren, soll bis 2030 klimaneutral erzeugt werden. Bis 2045 wollen wir endgültig klimaneutral wirtschaften und arbeiten. Das ist alles sehr ambitioniert, das liegt ja auch nicht weit in der Zukunft, sondern ziemlich nah in der Zukunft, aber wir kriegen das hin. Schon jetzt haben wir vieles aufgeholt, was in den vergangenen Jahren liegen geblieben war. 2021 lag der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung noch bei 42 Prozent, seit Mai 2023 liegt dieser Anteil bei rund 60 Prozent und zum Teil darüber. Von 40 auf 60 Prozent Erneuerbare in nur zwei Jahren – und wir bleiben dabei am Ball.

Anfang des Monats haben wir uns mit den Ländern auf Teil 1 des Deutschlandpakts geeinigt. Es geht um mehr Tempo, um einfachere Verfahren und um weniger Bürokratie, damit Anlagen, Netze, Speicher, damit Leitungen und das Wasserstoffnetz sehr schnell genehmigt und dann auch gebaut werden. Auch dabei steht die KfW an unserer Seite. 36 Prozent ihres Fördervolumens stehen für Investitionen in den Klima- und Umweltschutz bereit, unter anderem für Offshore-Windparks, für Solaranlagen, für Ladesäulen und für die energieeffiziente Sanierung von Gebäuden. Damit setzen Sie die richtige Priorität und dafür sage ich auch vielen Dank.

Was für die Energiewende gilt, gilt auch für den Wohnungsbau. Sie haben eben von einer Kultur gesprochen, die Veränderung als Chance begreift. Genau so eine Kultur brauchen wir auch beim Bauen, damit wir mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen: mit seriellem und modularem Bauen, weniger Vorschriften und Gutachten, die die Kosten in die Höhe treiben, mit schnellerer Planung und Genehmigung, digitalen Bauanträgen, mehr Bauland in den Kommunen. Als Bund haben wir den sozialen Wohnungsbau wieder zur Priorität erklärt, das ist wichtig und das muss weitergehen. Denn bezahlbares Wohnen ist eine der ganz großen sozialen Fragen in unserem Land; die müssen wir zusammen lösen.

Und zugleich brauchen wir private Investitionen, wie die KfW sie möglich macht. In den Förderprogrammen verbinden sie Wirtschaftsförderung, Klimaschutz und sozialen Zusammenhalt. Auch hier bewegen sie sich an der Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft und Gesellschaft, die ich eben beschrieben habe. Typisch KfW, könnte man also sagen.

Noch ein letzter Punkt ist mir wichtig, ich habe ihn gerade schon angedeutet: Seit Gründung der KfW vor 75 Jahren haben sich die Gewichte in der Welt gründlich verschoben. Viele der aufstrebenden Länder Asiens, Afrikas, Lateinamerikas und der Karibik blicken zu Recht mit wachsender Zuversicht und großem Selbstvertrauen in die Zukunft. Wenn wir sie auch in der Zukunft als Partner halten oder neu gewinnen wollen, dann müssen wir ihnen auch echte Partnerschaft bieten, und zwar besser heute als morgen, Energiepartnerschaften, saubere Industrien aufbauen und unsere Volkswirtschaften gemeinsam diversifizieren. Deshalb habe ich vergangene Woche zahlreiche meiner Kolleginnen und Kollegen aus Afrika zum Compact with Africa der G20 nach Berlin eingeladen. Deshalb bin ich seit Amtsantritt immer wieder in Asien, Afrika und Lateinamerika unterwegs gewesen und habe dort an neuen Partnerschaften mit Deutschland und Europa gearbeitet. Viele Projekte, die beiden Seiten nutzen, scheitern nicht an Willen und Engagement unserer Partner vor Ort, sondern an den Finanzierungsbedingungen für viele Länder des globalen Südens. Sie ahnen, worauf ich hinauswill: Auch hier ist das Engagement der KfW-Entwicklungsbank unerlässlich und wird in Zukunft noch wichtiger. Und auch dieses Engagement steckt in Ihrer DNA.

Meine Damen und Herren, der Marshallplan ist aufgegangen. Der Wiederaufbau ist gelungen. Mehr noch: Das Zusammenspiel aus funktionierender Wirtschaft, politischer Freiheit und sozialer Absicherung ist zu einem Merkmal unseres Landes geworden: der Sozialen Marktwirtschaft. Die KfW hatte daran von Beginn an einen großen Anteil. Ich freue mich, dass wir das heute gemeinsam feiern. Sie können stolz sein auf das, was Sie jeden Tag für unser Land und seine Bürgerinnen und Bürger leisten. Schönen Dank an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der KfW! Herzlichen Glückwunsch und ein schönes Fest!