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Symbolbild Olaf Scholz
Photothek
30.11.2023 | Berlin

Rede anlässlich der Verleihung des German Dream Awards

Einen schönen Abend und herzlichen Dank für die Gelegenheit, heute ein paar Worte an Sie und euch zu richten. Mir ist das wichtig, weil das, was Düzen Tekkal und all ihre Unterstützerinnen und Unterstützer mit German Dream ins Leben gerufen haben, sehr wichtig ist für unser Land. Dass sie dafür zum Teil angefeindet werden, das schmerzt. Umso mehr möchte ich Ihnen für Ihren Mut danken, klar Stellung beziehen für unseren Zusammenhalt in Vielfalt.

Seit vielen Jahren stört es mich, wie wir als Gesellschaft über Themen wie Migration, Zuwanderung und Integration diskutieren. In 95 Prozent der Debatten, Zeitungsartikel und Fernsehbeiträge geht es um Negativbeispiele, ums Scheitern, um Ängste und Ressentiments. All das gibt es auch, keine Frage, zumal in einem Land, das jahrelang die Augen vor der Realität verschlossen hat, dass es längst ein Einwanderungsland ist.

Was aber in diesen Debatten und Berichten völlig verloren geht, ist doch, wie sehr Deutschland seit Jahrzehnten davon profitiert, dass Frauen und Männer aus anderen Ländern hierherkommen, hier mit anpacken, zu unserem Land gehören wollen – und auch zu unserem Land gehören. Ihre Geschichten, ihre Lebensleistungen beeindrucken und berühren mich und viele andere, gerade weil sie es häufig schwerer hatten als andere und trotzdem ihren Weg gegangen sind.

„Wo ist das Narrativ von einem chancenreichen Deutschland, von einem Land, in dem sich Träume erfüllen können?“ Diese Frage haben Sie, liebe Düzen Tekkal, an den Anfang Ihres Buches „German Dream“ gestellt. Ich könnte mir die Antwort darauf jetzt ganz einfach machen und sagen: Die Antwort sitzt neben Ihnen und euch – die Antwort sind Sie selbst: mit Ihren Lebensgeschichten und Ihren Erfolgen, mit Ihrem Mut und Ihrer Bereitschaft, sich für unser Land zu engagieren.

Die etwas längere Version meiner Antwort geht so: Deutschland ist in den vergangenen 100 Jahren von einem Auswanderungsland zu einem Hoffnungsland für Einwanderer aus aller Welt geworden. Darin liegt eine historische Chance, die Chance, als offenes, vielfältiges Land in einer globalisierten Welt auch in Zukunft Erfolg zu haben, die Chance, ein wirtschaftlich erfolgreiches Land zu bleiben – trotz unserer demografischen Entwicklung, die Chance, unseren Sozialstaat zu erhalten, weil wir auch in Zukunft ein wachsendes Land sind.

Um diese große Chance zu nutzen, haben wir im Sommer das modernste Einwanderungsrecht beschlossen, das Deutschland je hatte. Es sendet eine eindeutige Botschaft an die Welt: Wer etwas vorhat, wer sich anstrengt, wer etwas aus sich und dem eigenen Leben machen will, ist hier in Deutschland willkommen. Und es sendet auch eine Botschaft nach innen: Wir werden uns noch stärker darum bemühen, dass Frauen und Männer ihren Traum gerade hier in Deutschland realisieren wollen, denn das ist ja keineswegs selbstverständlich.

Integration von Anfang an – das ist in Zukunft der Maßstab. Dabei hat gelungene Integration aus meiner Sicht drei entscheidende Voraussetzungen: Sprache, Bildung und Arbeit. Das heißt: Schnellere Verfahren, sofortige Sprach- und Integrationskurse und ein Leben aus eigener Kraft, wo immer das möglich ist. Das ist die Idee hinter dem neuen Chancen-Aufenthaltsrecht, das jenen die Arbeitsaufnahme ermöglicht, die schon lange hier und gut integriert sind. Das ist die Idee dahinter, dass wir unsere Sprach- und Integrationskurse, unsere Kitas, Schulen und Universitäten, auch unseren Arbeitsmarkt von Beginn an für Geflüchtete aus der Ukraine geöffnet haben. Das ist die Idee dahinter, dass wir auf unsinnige Arbeitsverbote verzichten, die neu Angekommene zum Nichtstun verdammen.

Natürlich ist Integration nicht auf Spracherwerb und Arbeit beschränkt. Eine demokratische Gesellschaft wie unsere, in der alle offen ihre Meinung sagen können, in der Männer und Frauen gleiche Rechte haben und sich nach ihrem Willen frei entfalten können, in der Bürgerinnen und Bürger mit ganz unterschiedlichen kulturellen, religiösen oder familiären Prägungen zusammenleben – eine solche Gesellschaft braucht etwas, das sie im Kern zusammenhält.

Zusammenhalt braucht ein Fundament gemeinsamer Werte. Auch das verbinde ich mit German Dream. Daran arbeiten Sie mit den Wertedialogen ganz aktiv. Gerade in diesen Tagen ist das ungemein wichtig. Denn dieses Wertefundament umfasst auch die Geschichte unseres Landes und die Lehren, die wir gemeinsam aus ihr ziehen.

Ich bin mir sicher: Sie alle sind über die Verherrlichung des Hamas-Terrors und den offenen Hass gegen Jüdinnen und Juden auf unseren Straßen und im Netz genauso erschüttert wie ich. Unser Strafrecht stellt hier eine klare Grenze auf: Antisemitische Hetze ist strafbar. Die öffentliche Billigung von Straftaten ist strafbar. Und wir tun alles, um die Sicherheit jüdischer Bürgerinnen und Bürger gewährleisten.

Aber das allein reicht nicht aus. Ich habe noch das Interview im Ohr, lieber Herr Levit, das sie vor zwei Wochen der „ZEIT“ gegeben haben. Sie sagen darin: „Wenn ihr an Demokratie glaubt, und euer Land ist an einem Punkt, wo jemand wie ich rennen muss: Dann müsst auch ihr rennen.“ Und ich habe Sie im Ohr, sehr geehrte Frau Friedländer, wenn Sie uns immer wieder sagen: „Respekt gehört allen Menschen.“ Es ist diese Erkenntnis, dass wir in einer Gesellschaft des Respekts alle füreinander einstehen müssen, die uns nicht abhandenkommen darf.

Wenn jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger daran zweifeln, dann haben wir als Gesellschaft insgesamt ein Problem. Frauen und Männer jüdischen Glaubens sind ein unverzichtbarer Teil unseres Landes. Daran dürfen wir niemals irgendeinen Zweifel aufkommen lassen.

Und zugleich müssen wir auch jenen klar entgegentreten, die nun allen fünf Millionen Musliminnen und Muslimen in Deutschland ihren Platz in unserem Land absprechen. Der Anspruch, der für jede und jeden von uns gilt, ist doch folgender: Wer in Deutschland lebt, muss unsere freiheitliche Verfassung akzeptieren – und kann sich zugleich auf ihren Schutz verlassen.

Unser „Wir“ unterscheidet nicht danach, ob jemand eine Einwanderungsgeschichte hat oder nicht, auch nicht danach, wie wir aussehen oder woran wir glauben. Hinter diesem „Wir“ – davon bin ich überzeugt – steht die ganz große Mehrheit in unserem Land, die sich zu unserer freiheitlichen Ordnung und ihren Werten bekennt.

Einen starken Ausdruck findet dieses Bekenntnis übrigens in der deutschen Staatsbürgerschaft. Sie anzunehmen bedeutet, dieses Land als das eigene zu begreifen. Und zugleich muss dieser Schritt bedeuten, dass die neuen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger dann auch wirklich dazugehören, ohne dass ihre Zugehörigkeit immer wieder infrage gestellt wird und ohne, dass sie eine frühere Staatsangehörigkeit unbedingt aufgeben müssen.

Zugehörigkeit hat ja viele Facetten. Ich werbe deshalb schon seit vielen Jahren dafür: Wer hier auf Dauer lebt, wer hier arbeitet und sich zu den Grundwerten unserer Demokratie bekennt, sollte deutsche Staatsbürgerin oder deutscher Staatsbürger werden.

Deutsch ist, wer mitmacht in unserem Gemeinwesen, wer an unserer gemeinsamen Zukunft arbeitet, wer die eigene Perspektive einbringt, wer die eigenen Ideen und Potenziale entfaltet und damit zugleich zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft beiträgt. So, wie es die fantastischen Frauen und Männer tun, die Sie heute zu Recht mit dem German Dream Award ehren.

Herzlichen Glückwunsch an alle Preisträgerinnen und Preisträger! Vielen Dank Ihnen allen für Ihr beispielhaftes Engagement! Und vor allem: Lassen Sie uns weiter gemeinsam an unserem German Dream arbeiten – für unser Hoffnungsland Deutschland!