Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Woidke, lieber Dietmar,
sehr geehrte Frau Ministerin Schüle, liebe Manja,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Schick, lieber Tobias,
sehr geehrter Herr Scholl,
meine Damen und Herren,
lieber Herr Brodermann, ich weiß noch, wie wir beide 2019 – damals war ich noch Finanzminister – hier in Cottbus beim Bäcker saßen. Wir haben über die Idee dieser Uniklinik gesprochen, über die Größe und den Anspruch dieses Projekts, und wir waren uns einig: Eine Universitätsklinik – das ist eine gute Idee für Cottbus, für die Lausitz, für Brandenburg und für Deutschland.
Bis zu 200 Medizinerinnen und Mediziner, die wir in Deutschland dringend brauchen, sollen hier in Cottbus künftig Jahr für Jahr ausgebildet werden. 80 Professuren entstehen, 1.300 neue Arbeitsplätze für Fachkräfte aus der Region, aus dem ganzen Land und aus der ganzen Welt. Das ist groß – und deshalb freue ich mich, heute dieses Ereignis mit Ihnen allen feiern zu können. Schönen Dank!
Groß ist es auch deshalb, weil es so gar nicht zu der Erzählung passen will, die sich über Jahre und Jahrzehnte in den Köpfen über die Lausitz festgesetzt hat: Randlage, abhängig von der Braunkohle, keine schnellen Zugverbindungen, dünn besiedelt, schrumpfende Bevölkerung – Sie alle wissen, wovon ich spreche. Und auch manche Lausitzerin und mancher Lausitzer hat sich in den zurückliegenden Jahren immer wieder die bange Frage gestellt: Was wird aus meiner Region, wenn die Braunkohle geht? Gehen hier die Lichter aus oder geht es hier weiter in den nächsten Jahren?
Strukturwandel – für viele in Deutschland und ganz besonders hier in Ostdeutschland war das jahrelang ein Synonym für das Ende von etwas, für Unsicherheit, für die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz oder den der Kinder und Enkel. Hier in der Lausitz zeigen Sie gerade, dass es auch anders geht. Strukturwandel hier ist zum Zukunftsprojekt für eine ganze Region geworden. Grundsteinlegungen für Großprojekte, Einweihungen, Gründungsveranstaltungen wie diese heute hier – all das gehört zum Alltag eines Bundeskanzlers. Aber in keiner Region war ich dafür in den zweieinhalb Jahren seit meinem Amtsantritt so häufig wie bei Ihnen hier in der Lausitz.
Natürlich sichern ein neues ICE-Werk, einer der größten Batteriespeicher Europas, ein Industriepark und selbst eine neue Universitätsklinik für sich allein nicht die Zukunft einer ganzen Region. Aber zusammengenommen ist das, was hier gerade passiert, einmalig in Deutschland. Alle, die daran hier vor Ort mitgearbeitet haben, spüren das. Sie alle sind Teil von etwas Großem, Teil des Wandels dieser Region, eines neuen Kapitels der Geschichte der Lausitz.
Das passt auch zu Brandenburgs starker Wirtschaft, die drei Jahre hintereinander einen Spitzenplatz im Vergleich aller Bundesländer belegt hat und die allein im vergangenen Jahr über zwei Prozent gewachsen ist – also deutlich stärker als in fast allen anderen Bundesländern. Lieber Dietmar, das ist auch Dein Verdienst und der Verdienst einer Landesregierung, die Investitionen und Innovationen ins Land holt. Deshalb sage ich an dieser Stelle Dir und allen, die seit Jahren daran arbeiten, dass wir diesen Tag hier und heute feiern können, vielen herzlichen Dank.
Der Bund fördert diesen Aufbruch mit 10,3 Milliarden Euro. Davon fließen 1,9 Milliarden Euro allein in den Aufbau der Universitätsmedizin in Cottbus. Ich möchte heute aber nicht über Milliardensummen reden – das mache ich derzeit fast täglich in den Haushaltsverhandlungen in Berlin. Ich möchte über den Kopf und das Herz der Medizin sprechen, die hier seit 110 Jahren zu Hause ist und für die sich nun ein neues Kapitel öffnet.
Ich fange mit dem Kopf an: Das ist die Forschung; wir haben es ja gerade schon gehört. Aus dem 110 Jahre alten Carl-Thiem-Klinikum wird eine Uniklinik, ein kleines Wort, das aber einen großen Unterschied macht. Es ist die erste staatliche Universitätsmedizin in Brandenburg und damit ein wegweisendes Projekt für die ganze Region.
Die Schwerpunkte der neuen Uniklinik werden auf der Gesundheitssystemforschung und der Digitalisierung liegen. Diese Schwerpunkte werden es sein, die diese neue Uniklinik so besonders machen. Eine Frage, die dabei im Fokus steht, lautet: Wie können Gesundheitsdaten von Patientinnen und Patienten besser genutzt werden, um Krankheiten zu erforschen, zu erkennen und zu heilen?
Bereits im März ist dafür ein wichtiges Gesetz in Kraft getreten: Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz. Es hilft Forscherinnen und Forschern, die damit einen besseren Zugang zu Gesundheitsdaten bekommen – für bessere Therapien, wirksamere Medikamente und Forschung auf Spitzenniveau.
Mit dem Digitalgesetz und der Einführung der elektronischen Patientenakte wollen wir es schaffen, dass alle, die im Gesundheitssystem arbeiten, digital miteinander vernetzt werden, damit im Klinikalltag weniger Zeit für Papierkram draufgeht und mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten bleibt.
Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz und das Digitalgesetz helfen einem innovativen Klinikum wie diesem. Wie wir Gesundheitsdaten sinnvoller nutzen – und vor allem digitaler –, das sind aber auch Zukunftsthemen für unser Gesundheitssystem insgesamt. Zukunftsthemen, bei denen die Lausitz mit Ihrem Fachwissen und durch Ihre tägliche Arbeit zur „Modellregion“ wird.
Und damit sind wir beim Herzen der Medizin, den Frauen und Männern, die jeden Morgen – in vielen Fällen sehr früh – aufstehen und Leben retten, die Schmerzen lindern, pflegen, diagnostizieren und operieren, die diesen Laden am Laufen halten, auf die wir uns alle verlassen können.
Liebe Manja, du hast im Mai für einen Tag Deine Akten gegen die Praxiserfahrung in der Notaufnahme des Carl-Thiem-Klinikums getauscht. Die Pflegerinnen und Pfleger, die Ärztinnen und Ärzte haben dich sehr beeindruckt, hast du mir erzählt. Wie viel Zeit sie sich für ihre Patientinnen und Patienten genommen haben – trotz knappem Personal, trotz Stress und Überstunden! Aber in den kommenden Jahren werden viele Beschäftigte in unseren Kliniken und Praxen in Rente gehen. Gleichzeitig werden viele Frauen und Männer heute älter als früher; das ist auch ein Erfolg der Gesundheitsversorgung in unserem Land. Das heißt aber: 2040 könnten 150.000 Pflegekräfte und 30.000 Ärztinnen und Ärzte fehlen, wenn wir jetzt nicht gegensteuern. Das tun wir.
Lieber Herr Scholl, Sie haben für das Carl-Thiem-Klinikum vom Aufstieg in die Champions League gesprochen. Und wie im Fußball brauchen wir auch für unser Gesundheitssystem die besten Talente – ob in Deutschland geboren oder in anderen Ländern, ob hier ausgebildet oder woanders, ob Deutsch-Muttersprachler oder Deutsch-Lernende. Wer zu uns kommt und hier anpacken möchte, ist uns herzlich willkommen. Dafür haben wir mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz das modernste Einwanderungsrecht geschaffen, das unser Land je hatte. Gerade auch in den Gesundheitsberufen und in der Wissenschaft wollen wir dadurch mehr gute Leute nach Deutschland holen. Schon heute wurde ein Viertel unserer Ärztinnen und Ärzte nicht in Deutschland geboren oder hat ausländische Eltern. Auch viele Pflegerinnen und Pfleger haben eine Migrationsgeschichte. Unsere Krankenhäuser und Praxen wären ohne sie alle ziemlich leer. Auch hier in Cottbus kommen die Beschäftigten am Klinikum aus 55 verschiedenen Ländern – aus Polen, Vietnam, Ägypten, Brasilien, Israel, Indonesien oder der Ukraine. Sie alle sind Teil dieser Klinik und der Erfolgsgeschichte, die wir heute feiern. Deutschland ist ein vielfältiges Land – und wir lassen uns nicht spalten.
Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Carl-Thiem-Klinikums – viele von Ihnen sind heute Abend hier: Sie alle werden die neue Uniklinik mit aufbauen und der wichtigste Teil von ihr sein. Sie halten alles am Laufen, Sie sind das Herz unserer Medizin. Dafür von Herzen vielen Dank!
Als Carl Thiem, der Namensgeber der bisherigen und der neuen Cottbuser Klinik 1877 hierherzog, war die Lausitz eine Tuchmacherregion. Die Webstühle in den Tuchfabriken waren schlecht gesichert, immer wieder gab es Unfälle. Arbeiter brachen sich den Arm und sollten trotzdem so schnell wie möglich wieder arbeiten.
Carl Thiem, von dem wir gerade gesprochen haben, wurde hier in Cottbus zum „Vater der Unfallheilkunde“ – zu Kopf und Herz dieses von ihm mitgegründeten Krankenhauses. Er wäre bestimmt stolz gewesen, zu sehen, wie sich sein Lebenswerk bis heute entwickelt hat – und auf das große Kapitel, das jetzt noch hinzukommt, das Sie gemeinsam schreiben. Ich wünsche Ihnen dafür jetzt nicht Hals- und Beinbruch, sondern lieber allen erdenklichen Erfolg!
Schönen Dank.