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Symbolbild: Olaf Scholz
Photothek
22.05.2023 | Berlin

Rede anlässlich des Wirtschaftstags des CDU-Wirtschaftsrats e.V.

Meine Damen und Herren, 
lieber Herr Premierminister De Croo, 
lieber Alexander, 
sehr geehrte Frau Hamker,
sehr geehrter Herr Brudermüller, 

zunächst sind natürlich hier Glückwünsche angebracht, liebe Frau Hamker, denn Ihr Wirtschaftstag jährt sich nun zum sechzigsten Mal. Natürlich bin ich heute hierhergekommen, um über die Zukunft zu sprechen, wie das meine beiden Vorredner doch sehr beeindruckend getan haben. 

Doch ein ganz kurzer Blick zurück sei angesichts des Jubiläums auch erlaubt: 1963, vor sechzig Jahren, wurde Ludwig Erhard Bundeskanzler. Sein Buch ‚Wohlstand für alle‘ stand damals in vielen deutschen Wohnzimmerregalen und wurde, glaube ich, auch öfter gelesen. Ludwig Erhard beschreibt darin den Dreiklang, in dem die soziale Marktwirtschaft in Westdeutschland Fuß fassen konnte.

Erstens: Wettbewerb ist die Grundlage von Wohlstand.
Zweitens: Wohlstandsmehrung erfolgt durch Wachstum und schließlich: Es braucht eine Beteiligung aller am gemeinsamen Erfolg.

Bei allen Unterschieden zwischen damals und heute: Dieser Dreiklang gilt auch heute noch, wenn wir die große Aufgabe angehen, klimaneutral zu werden und zugleich erfolgreiches Industrieland zu bleiben. 

Dafür braucht es mehr Mut, mehr Investitionen und vor allem mehr Tempo. Ob Energiewende, Infrastrukturausbau, Digitalisierung, Modernisierung der Bundeswehr, Fachkräftesicherung oder wirtschaftliche Diversifizierung angesichts der veränderten geopolitischen Lage, es ist zu viel liegengeblieben in unserem Land.

Und Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat den Handlungsdruck lediglich verstärkt, er bestand auch vorher schon.

Dass wir schnell sein können, das haben wir im letzten Jahr bewiesen und beweisen es noch, indem wir die Energieversorgung unseres Landes gesichert haben. Niemand hätte auch noch im Herbst des letzten Jahres prognostiziert, dass wir sicher durch den Winter kommen, dass wir eine stabile Energieversorgung haben und dass wir es schaffen können, auch die Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürger so zu unterstützen, dass es nicht zu einer weitreichenden, langfristigen ökonomischen Krise gekommen ist.

Aus meiner Sicht ist das unverändert eine große Leistung, die unsere Volkswirtschaft, aber auch alle Verantwortlichen dort zustande gebracht haben und ich will ausdrücklich sagen: Nur, weil es gut gegangen ist, dürfen wir uns die Herausforderung, die da bewältigt wurde, nicht zu klein vorstellen. Es ist eine große Leistung unseres Landes, das zusammengehalten hat und dass etwas gezeigt hat, was wir dringend brauchen, nämlich Deutschland-Geschwindigkeit.

Meine Vorredner haben schon darüber gesprochen, dass wir diese Deutschland-Geschwindigkeit auch für die Zukunft brauchen angesichts der vielen Herausforderungen, vor denen wir stehen und die ich eben beschrieben habe. Deshalb will ich einmal beginnen mit der auch angesprochenen Frage der geopolitischen Fragmentierung, denn das war auch das Thema beim G7-Gipfel in Hiroshima und meinen Gesprächen in Korea, von denen ich heute Morgen zurückgekommen bin. 

Für mich ist ganz zentral, dass wir sehr klar gesagt haben: Wirtschaftliche Sicherheit, Diversifizierung von Lieferketten und die globale Energiewende sind unverzichtbare Aufgaben, denen sich die G7-Staaten gemeinsam stellen müssen. 

Im Hinblick auf die wirtschaftliche Diversifizierung ist auch sehr klar gesagt worden, was das Ziel ist. Nicht, dass wir uns mit den Investitionen aus einzelnen Ländern zurückziehen, nicht, dass wir Lieferketten von einzelnen Ländern komplett wegfahren, außer da, wo wir es jetzt gemacht haben, bei Russland notwendigerweise wegen des Krieges. Aber es geht schon um De-Risking, darum sicherzustellen, dass wir mehrere Ressourcen haben für unsere Lieferketten, dass wir mehrere Länder haben, in die wir exportieren können und dass auch mehr Länder genutzt werden für ganz konkrete Formen der Direktinvestition. 

Wenn wir das machen, dann können wir weltweit erfolgreich handeln. Aber was wir auch vermeiden müssen, und das ist aus meiner Sicht ganz zentral, ist die Vorstellung, dass man die Welt in der Zukunft so organisieren kann, dass das, was wir an weltwirtschaftlichem Erfolg durch die Globalisierung erlebt haben, was wir an Zusammenarbeit durch die Globalisierung erlebt haben, jetzt dem Protektionismus zum Opfer fällt. De-Risking ist etwas anderes als Decoupling und Globalisierung bleibt auch weiter eine Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg.

Deshalb ist es auch richtig, dass die Europäische Union jetzt noch mal neu Tempo aufgenommen hat bei dem Abschluss von Freihandelsverträgen. Wir werden sie brauchen mit den vielen Ländern im Süden Amerikas, mit Indien, Indonesien, Australien, Kenia, um nur einige, die aktuell zur Debatte stehen, zu benennen. Ich spreche mich hier ausdrücklich dafür aus, dass wir das auch hinbekommen, denn nur, wenn wir faire Handelsverträge mit diesen Ländern haben, können wir die wirtschaftlichen Möglichkeiten nutzen, die vor uns liegen und ich bin sehr dafür, dass das, was so lange nicht vorangekommen ist, jetzt endlich schnell gelingt.

Hier ist schon gesprochen worden, dass es darum geht, klimaneutral zu wirtschaften. Ich will das sehr klar sagen: Wenn das 2045 gelingen soll, dann ist das eine große, große Herausforderung. 

Schon 2030 wollen wir 80% unseres Stroms aus erneuerbaren Energien beziehen und dazu müssen wir ein großes Tempo vorlegen, das wir bisher nicht ausreichend entwickelt haben. Es muss etwas passieren, damit das tatsächlich auch gelingt. 

Ich will das mal an Beispielen festmachen, die das sehr plastisch beschreiben: Das bedeutet, vier bis fünf Windräder an Land pro Tag. Das bedeutet, 45 Fußballfelder PV-Anlagen. Das bedeutet, unglaublich viele Elektrolyseure, viele, viele Kilometer Stromleitungen und natürlich auch Speicherkapazitäten. 

Ich will sehr klar sagen: Das müssen wir, das werden wir auch hinkriegen mit den vielen gesetzlichen Änderungen, die wir bereits auf den Weg gebracht haben und denen, die wir uns noch vorgenommen haben. Aber das heißt, es braucht ein wirklich neues Tempo. 

Dass wir uns dabei auf dem richtigen Weg befinden, das kann man daran sehen, dass wir theoretisch im Norden und im Osten Deutschlands sehr billige international wettbewerbsfähige Strompreise hätten, denn dort spielen die erneuerbaren Energien schon eine viel, viel größere Rolle. 

Wir müssen angesichts der industriellen Schwerpunkte dieses Landes im Süden und Südwesten aber dafür Sorge tragen, dass diese billigen Strompreise, die in einem Teil Deutschlands heute schon möglich wären, für ganz Deutschland verfügbar werden. Darum werden wir mit riesiger Anstrengung die ganzen Planungsverzüge, die es beim Ausbau der Stromleitungen in Deutschland gibt, aufheben. Wir werden das Tempo beschleunigen. Wir werden ein Netz schaffen, das sofort wirksam werden lässt, dass das, was bereits produziert wird, auch genutzt werden kann und wir werden natürlich den Ausbau der erneuerbaren Energien auch im Süden und Westen der Republik vorantreiben.

Weil es gesagt wurde: Es ist natürlich auch richtig einmal darauf hinzuweisen, dass natürlich immer, wenn man so viel Strom produziert und ihn so viel aus erneuerbaren Quellen bekommt, es auch tatsächlich gelingt, dass dann 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche Strom zur Verfügung steht. Deshalb werden wir noch dieses Jahr die notwendigen Ausschreibungen voranbringen, die darauf hinführen, dass wir mit Gaskraftwerken, die Wasserstoff-ready sind, in der Lage sind, diese Flaute-Situation jeweils auszugleichen. 

Das muss auch jetzt auf den Weg gebracht werden, denn in den dreißiger Jahren müssen alle diese vielen Kraftwerke installiert, gebaut sein und ihren Beitrag zur Energiesicherheit in Deutschland gewährleisten.

Wir wollen uns nicht abhängig machen von Stromimporten aus anderen Ländern. Wir müssen unseren Strom selber produzieren können und im europäischen Verbund dann nutzbar machen, aber die Produktionskapazität muss groß genug sein, um uns selbst ausreichend Strom zu verschaffen.

Wir werden übrigens auch noch andere Entscheidungen treffen, die ganz wichtig sind. Zum Beispiel wird es auch eine Entscheidung geben über den Aufbau eines Wasserstoffnetzes, wie es eben von Herrn Brudermüller angesprochen wurde. Das notwendig ist, damit das tatsächlich gelingt. Dieses Netz wird natürlich erst einmal nicht ausgelastet sein. Trotzdem ist das ein jahrzehntelang notwendiges Konzept, das wir jetzt auf den Weg bringen müssen, damit es losgehen kann mit dem Import und der Produktion von Wasserstoff in Deutschland.

Dass wir gute Möglichkeiten haben, hat der Nordsee-Gipfel in Ostende gezeigt, über den hier schon gesprochen wurde. Ich will das deshalb hier nicht länglich ausführen, sondern nur noch mal sagen: Wir haben die Möglichkeiten, dort eine große, große Produktionskapazität im europäischen Verbund zu schaffen, die theoretisch in der Lage wäre, den größten Teil des Strombedarfs, den wir haben, auch tatsächlich abzusichern. 

Deshalb ist es notwendig, dass wir das jetzt auch mit dem richtigen Tempo machen, damit wir diese Möglichkeiten so schnell wie möglich für uns in Europa und in Deutschland auch einsetzen können. Das geht aber nur, wenn wir, und darüber ist gesprochen worden, auch Tempo machen bei all den Entscheidungen, die getroffen werden.

Ich will das an dieser Stelle sagen: Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten liebevoll - die Europäische Union ist auch der gleichen Liebe erlegen und viele andere Länder befürchte ich auch - mit Vorschriften zugemauert, die alle funktioniert haben, wenn es nicht ganz schnell gehen muss. Aber es kann bei dem gegenwärtigen Gesetzesstand gar nicht funktionieren, dass wir unsere Ziele zum Ausbau der erneuerbaren Energien und zur Stromproduktion und Wasserstoffproduktion tatsächlich erreichen. Wir würden es der Rechtslage wegen nicht schaffen. 

Wir müssen die Genehmigungszeiten verkürzen. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass es einfacher wird und wir können auch nicht vorschreiben, dass es überall Gutachten geben muss, wenn es gar nicht genug Gutachter gibt, um das bis zum Jahre 2100 überhaupt einmal hinzukriegen. All diese Dinge müssen geändert werden und werden auch geändert.

Strom spielt eine Rolle und Wasserstoff und mehr Strom auch. Das ist hier gesagt worden. Deshalb haben wir uns endlich das Ziel gesetzt, dass wir die Stromproduktion ausweiten, um ein Drittel bis zum Ende des Jahrzehnts, wahrscheinlich auf tausend Terrawatt in den dreißiger Jahren, damit wir ausreichend Stromproduktionskapazitäten für unser Land haben, die aber dann eben subventionsfrei billig sein müssen.

Das, da will ich alles unterstreichen, was hier gesagt ist, muss das eigentliche Ziel sein. Die Energiewirtschaft kann kein Dauersubventionsfall für die Bundesrepublik Deutschland werden. Das kann in keinem Land gutgehen und das würde auch bei uns nicht funktionieren. Wir müssen dafür sorgen, dass wir billige Produktionsbedingungen haben für Strom, damit wir tatsächlich dann auch billige Strompreise in Deutschland haben für die Zukunft.

Nun will ich ja meinen Vorrednern nicht widersprechen, deshalb sage ich einmal so frei in den Raum: Ein neu gebautes Atomkraftwerk hat Stromposten von über zwanzig Cent, ist in zehn bis 15 Jahren fertig und kostet viele Milliarden. Deshalb glaube ich, fahren wir schon besser, wenn wir dann schon alles fertig haben und für sechs bis sieben Cent Strom aus erneuerbaren Quellen produzieren und das in der ausreichenden Menge.

Aber: Wir haben nichts dagegen, wenn andere einen anderen Weg einschlagen, sie müssen dann nur mit den Preisen klarkommen. 

Was die Frage der Zukunftsfähigkeit unseres Landes betrifft gibt es natürlich nicht nur den klimaneutralen Umbau unserer Industrie, der ja viele, viele Milliarden Investitionen voraussetzt in die Stahlindustrie, in die Chemieindustrie, das ist gesagt worden, sondern es bedeutet auch, dass wir versuchen, dort wieder neu mit dabei zu sein, wo es um unsere Zukunft geht.

Deshalb will ich ein Thema ansprechen, das für mich wichtig ist, nämlich: Wir müssen den Fehler wieder ändern, dass wir in Deutschland und Europa zwar immer noch eine ziemlich leistungsfähige Halbleiterindustrie haben, aber nicht in der Größe und der Dimension, wie das nötig wäre, um einen solch großen Kontinent mit Halbleitern zu versorgen. 

Wir müssen dazu beitragen, dass die jetzt geplanten Investitionen in Halbleiter in Deutschland und Europa tatsächlich stattfinden. Ich finde es sehr berührend zu sehen, wie viele Milliarden Investitionen jetzt schon ausgelöst worden sind in Deutschland und es ist noch bewegender, wenn man weiß, dass noch viele andere weitere Pläne gerade dabei sind, geschmiedet zu werden. 

Dass wir falsch abgebogen sind beim Ausbau der Halbleiterindustrie in Europa, war ein Fehler. Jetzt müssen wir wieder auf die richtige Straße zurück, denn das ist ein Teil der Zukunftsfähigkeit unseres Kontinents.

Wir haben ein Fachkräfteproblem, allerdings die gute Chance, es zu lösen. Deshalb, weil Deutschland ein Land ist, das attraktiv ist für Fachkräfte aus aller Welt und aus Europa. Ich höre da ein Raunen, ich gehe gleich noch darauf ein.

Aber die Zahlen sind andersherum als das Geraune, denn wir haben ja unseren wirtschaftlichen Aufschwung der letzten Jahre überhaupt nur beibehalten können, weil wir über sechs Millionen Fachkräfte zusätzlich im deutschen Arbeitsmarkt haben, zusätzlich zu all den Prognosen der Statistikerinnen und Statistiker in den 90er und 2000er Jahren. Was die uns vorhergesagt hatten für die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland, ist alles nicht eingetreten. Auch übrigens, was die uns vorhergesagt haben für die Bevölkerungsentwicklung. Tatsächlich sind wir heute 84 Millionen Einwohner mit steigender Tendenz. Tatsächlich haben wir die höchste Zahl von Erwerbstätigen auf dem deutschen Arbeitsmarkt jemals in der Geschichte unseres Landes.

Deshalb ist es ganz klar, dass es neben der weiteren Mobilisierung der Beschäftigung von Frauen für den Arbeitsmarkt, der weiteren Schaffung von Arbeitsbedingungen, die so sind, dass 58-jährige und 62-jährige Lust haben, auch noch weiterzuarbeiten, wichtig ist, dass wir dafür sorgen, dass wir auch in Zukunft Fachkräfte aus aller Welt nach Deutschland bekommen können.

Damit das tatsächlich gelingt, werden wir mit dem Fachkräfte-Einwanderungsgesetz, über das jetzt der Bundestag berät, auch die Grundlage im Recht schaffen. Danach gehen wir das Geraune an und werden dafür Sorge tragen, dass die ganzen bürokratischen Hemmnisse, die da existieren, alle aufgelöst werden.

Heute Morgen hat mir jemand an meine Telefonnummer eine SMS geschickt und gesagt, dass es jetzt notwendig sei, alle Dokumente zu übersetzen, die für die Bescheinigungen wichtig sind für die Zuwanderung, dass das oft nur in Deutschland gehe und deshalb Monate und wirklich viel Geld koste - das ginge so nicht weiter. Recht hat er, habe ich mir gedacht und deshalb gibt es diese und noch ein paar andere Vorschriften, die wir uns bereits jetzt angucken, damit nach dem Gesetz dann tatsächlich die Aufschwungsmöglichkeiten auch genutzt werden können, die wir für uns brauchen.

Meine Damen und Herren, wir müssen den Stillstand der vergangenen Jahre und Jahrzehnte überwinden und die Probleme unserer Zeit anpacken. Das müssen wir tun, indem wir von der Globalisierung weiter profitieren, aber uns diversifizieren, sodass wir nicht abhängig sind von einzelnen Ländern und Regionen. Gleichzeitig müssen wir dazu beitragen, dass unser Land digital vorankommt und unser Land die Klimaneutralität erreicht, als industrielles Projekt, als Innovationsprojekt und als ein Projekt, das darauf setzt, dass wir tatsächlich auch mit den industriellen Prozessen dazu kommen, dass alles billiger wird, was da notwendig ist.

Ich halte es für möglich, dass wir das schaffen, weil wir es jetzt mit großer, großer Zielstrebigkeit vorantreiben. Aber auch deshalb, weil etwas stattgefunden hat, über das hier auch schon berichtet wurde. Es gibt kaum ein Unternehmen, das nicht bereits alle möglichen Pläne hat, wie es seinen Beitrag zur Klimaneutralität leisten kann. Wenn wir die Wirtschaft das machen lassen, dann wird das dazu beitragen, dass wir eine Phase guten Wachstums in unserem Land haben und Wohlstand für alle.