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Symbolfoto: Olaf Scholz
Photothek
11.05.2023 | Berlin

Rede anlässlich der Verleihung der German Startup Awards

Schönen Dank für die nette Begrüßung!

Als ich die Einladung bekam und feststellte, dass ich einen Smoking tragen soll, habe ich gesagt: Das glaube ich jetzt nicht. Man muss allerdings sagen: Als ich noch Hamburger Bürgermeister war, war ich so zwei- bis dreimal die Woche im Smoking unterwegs - das gehört da irgendwie dazu - , und seitdem ich Bundesminister der Finanzen und jetzt Bundeskanzler geworden war, kein einziges Mal. Aber ich habe mir einen neuen gekauft, falls der alte nicht mehr passt. Der sah auch schon nicht mehr ordentlich aus. Insofern hätte ich in ihm kommen können, aber habe gedacht: Ich habe ja noch etwas anderes zu tun, und vorher sehe ich anders aus, da ziehe ich mich nicht um!

Schönen Dank für die Einladung! Irgendwie hatte mein Redenschreiber die Idee, ich sollte hier anfangen - Bei Ihnen geht es ja eher unförmlich zu. Das ist jetzt vielleicht kein so ganz passender Beginn. Also hallo!

Die Investorin Margit Wennmachers ist einmal gefragt worden, wie sie entscheidet, welches Start-up sie fördert. Ihre Antwort lautete: „Wir suchen nach dem Geheimnis, einer unoffensichtlichen Idee, die auf den ersten Blick vielleicht etwas komisch aussieht.“ Ich finde, das erklärt ganz gut, was Start-ups auszeichnet. Das Offensichtliche, das Altbewährte, das können - jedenfalls meistens - die anderen machen.

Das Herz der Start-up-Szene aber schlägt für das Neue, das unmöglich Scheinende und natürlich auch für das Schnelle. Nicht umsonst haben Sie ja auch Nico Rosberg eingeladen und netterweise zu mir an den Tisch gesetzt. Guten Tag! 

Ich habe den Wink auch ganz gut verstanden und will den Ball gerne aufnehmen. Ja, auch wir in der Bundesregierung wollen und machen Tempo, und zwar ausdrücklich nicht nur beim Bau von LNG-Terminals oder Windrädern, sondern auch, indem wir gute Investitionsbedingungen schaffen, vor allem, was Halbleiter angeht. Infineon in Dresden, Wolfspeed und ZF sind nur zwei Beispiele aus den vergangenen Monaten.

Genauso viel Tempo gibt es auch beim Ausbau unserer digitalen Infrastruktur oder beim Kampf gegen unnötige Vorschriften, überlange Genehmigungsverfahren, unzählige Gutachten. Ich will einmal sagen: Bei manchen Prozessen, bei denen Genehmigungen vorgesehen sind, sind Gutachten vorgeschrieben. Irgendwie stammt das alles aus einer Zeit, als wir für ziemlich viel ziemlich viel Zeit hatten. Wenn man jetzt all das, was wir in den nächsten Jahren so genehmigen müssen, zusammenrechnet und schaut, ob wir überhaupt genug Gutachter für all die Gutachten haben, die da vorgeschrieben sind, dann kommt man zum Ergebnis: Wir werden unsere Ziele nicht erreichen. – Deshalb werden wir das Problem wahrscheinlich nicht mit einer wundersamen Gutachtervermehrung lösen können, sondern müssen wohl tatsächlich ein paar Entscheidungen auf andere Weise treffen. Seien Sie sicher: Genau das haben wir vor.

Dann geht es eben auch darum, dass all das, was über die lange Zeit hinweg, als wir Wachstum hatten, das ganz gemütlich voranging, und in der wir uns das leisten konnten, wie die Entscheidung über einen Bauantrag oder die Genehmigung eines neuen Sendemasts dann eben ein paar Jahre gedauert hat. Aber diese Zeiten müssen vorbei sein. Deshalb brauchen wir auch eine wache und agile Start-up-Szene. Schon jetzt haben Ihre und eure Unternehmen unser Land und seine Businesskultur verändert.

Das Schnelle ist dabei das eine. Hinzu kommt die Erkenntnis, dass man von vielen verschiedenen Orten aus arbeiten kann. Ich denke da nur an die vielen Cafés in Berlin, die Anfang der Nullerjahre auf einmal mit Laptops überflutet wurden, auf denen dann Uni-Absolventen aus der ganzen Welt ihre Businesspläne tippten. 

Dann ist da natürlich die Begeisterung für den Wettbewerb, die Fähigkeit, veraltete Strukturen von Leadership aufzubrechen. Schließlich - das ist wohl das Wichtigste - ist da Innovationskraft. Deshalb passen Start-ups auch ganz hervorragend zu Deutschland. Schließlich sind wir ein Land der Tüftler und Schrauber oder der Tüftlerrinnen und Schrauberinnen, ein Land, das sich über seine vielen mittelständischen Unternehmen definiert, die irgendwo zwischen Alpen und Nordsee sitzen, aber oft Weltmarktführer sind, und ein traditionelles Industrieland, das durch Innovation und kluge Köpfe nun zu einem der ersten klimaneutralen Industrieländer werden soll.

Die Start-up-Szene macht uns vor, wie wichtig es ist, „first mover“ zu sein, und auf dem Weg zur Klimaneutralität, den die ganze Welt jetzt eingeschlagen hat, will Deutschland „first mover“ sein. Das ist unser „business model“ für die Zukunft. Wir wollen und wir werden das Land sein, das mit seinem Know-how, seinen traditionellen Stärken - kombiniert mit neuen Ideen und mehr Tempo - genau die Technologien entwickelt, die die Welt in der klimaneutralen Zukunft braucht.

Dafür brauchen wir Unternehmen, die scheinbar Unmögliches innerhalb von Monaten in Alltägliches verwandeln, die Start-up-Szene eben. Deshalb unterstützt die Bundesregierung gezielt und schafft weitere Verbesserungen für den Start-up-Standort Deutschland. Das ist meine Botschaft heute Abend an die gesamte Start-up-Branche. Gleich zu Beginn unserer Regierungszeit haben wir die Start-up-Strategie beschlossen. Im Sommer werden wir die bisherigen Ergebnisse auswerten und handeln, wo das nötig ist, und da wird sicher viel zu tun sein. Ein Schwerpunkt sind bessere Finanzierungsbedingungen. Wir haben - das ist ja eben schon angesprochen worden - uns darüber ja schon einmal ganz intensiv unterhalten, als ich noch ein anderes Amt innehatte, wobei ich ganz gerne sagen will, dass mich schon ein wenig bewegt, dass wir doch eine Situation haben, in der wir in Deutschland, wenn man genau hinschaut, nicht so viele unterschiedliche Rahmenbedingungen als in vielen anderen Ländern haben. Trotzdem gibt es da Raum für „improvement“. Aber die Frage ist, warum in einem Land, in dem wirklich ganz schön viel Geld vorhanden ist und sehr viele sehr reiche Leute leben und auch viele, die viel geerbt haben, die Kultur, sich mit Start-ups zu beschäftigen und ihre Finanzierung zu ermöglichen, nicht auf gleiche Weise und aus sich heraus gewachsen ist. Die treibt mich um. Was wir machen können, ist ein Thema, das übrigens nicht nur hier für uns wichtig ist, sondern das ja in ganz Europa gilt - ein bisschen anders als in vielen, vielen anderen Ländern. Nun sagen immer alle, die Verantwortung haben: Wir haben das Gleiche wie in Israel, in Kalifornien usw. Aber am Ende des Tages, wenn man die Tabellen ausgefüllt hat und sieht, dass das meiste auch existiert, fragt man sich: Wo ist jetzt der Punkt, an dem sich das viele Geld dann auch tatsächlich mutig irgendwie mit den Start-ups verbindet und daraus etwas macht?

Wir sind daraus zu Schlüssen gekommen, zum Beispiel, dass wir uns jetzt nicht heraushalten können. Das wollen wir auch, damit wir diese notwendigen Verbesserungen erreichen können. Ein bisschen ist das aber immer noch und immer wieder die Idee, dass wir ein Feuer der Hoffnung anzünden, dass jetzt andere noch ein paar Scheite dazulegen und das jetzt weiter funktioniert. Aber solange das in der Fläche und der Breite, in der wir uns das wünschen, aus dem sowieso vorhandenen Kapital heraus nicht funktioniert, werden wir unseren Beitrag leisten und das auch weitermachen.

Wir bleiben nicht stehen. Mit dem Zukunftsfonds stellt die Bundesregierung deshalb bis 2030  10 Milliarden Euro zur Verfügung. Unser neuer DeepTech & Climate Fonds hat im Februar und April seine ersten Investments in Hochtechnologie-Unternehmen getätigt. Die European Tech Champions Initiative fördert gezielt Tech-Unternehmen in der späten Wachstumsphase, und auch das bewährte Förder- und Finanzierungsinstrumentarium entwickeln wir stetig weiter. Zum Beispiel hat der neu aufgelegte High-Tech-Gründerfonds IV mit fast 500 Millionen Euro privatem und öffentlichem Kapital und 45 beteiligten Investoren unsere Erwartungen übertroffen.

Und - ich weiß, darauf warten einige hier im Saal schon, seit ich die Bühne betreten habe  , ja, das Zukunftsfinanzierungsgesetz kommt, wenn wir auch noch nicht genau wissen, wie. Gerade läuft der letzte Feinschliff am Gesetzentwurf, aber das ist, glaube ich, dann tatsächlich die letzte Hand, die daran angelegt wird. Wir wollen versuchen, das noch bis zum Sommer ins Bundeskabinett zu bringen, damit die Gesetzgebung dann auch entsprechend vorangehen kann. Es geht um deutlich besseren Zugang für Start-ups und Wachstumsunternehmen zum Kapitalmarkt. Dazu werden wir unter anderem die Mindestmarktkapitalisierung für Börsengange absenken und Mehrstimmrechtsaktien einführen. Als ehemaliger Finanzminister muss ich solche präzisen Details ab und zu auch einmal in die Rede einfließen lassen.

Es geht aber auch um eine deutliche Verbesserung der Standortbedingungen in dem in Ihrer Branche besonders intensiven internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe. Denn die brauchen wir ja für die unoffensichtlichen Ideen. Wir werden Mitarbeiterkapitalbeteiligungen noch attraktiver gestalten, der steuerfreie Höchstbetrag soll weiter deutlich steigen, und wir knüpfen uns auch die Dry-income-Problematik noch einmal vor, indem wir dort die steuerlichen Rahmenbedingungen weiterentwickeln.

Last, but not least: Damit die besten Talente nicht nur hierbleiben, sondern auch hierherkommen, haben wir die größte Reform des Einwanderungsrechts für Fachkräfte in der Geschichte unseres Landes auf den Weg gebracht. Ich habe gesehen, Düzen Tekkal ist hier. Sie hat ja sehr eindrucksvoll über ihren „GermanDream“ und über ein weltoffenes Deutschland geschrieben, in dem auch wirklich willkommen ist, wer hier mit anpackt und sich einbringt. Darum geht es, wenn wir uns ein neues Einwanderungsrecht schaffen, das es mit den fortschrittlichsten der Welt aufnehmen kann und vielleicht sogar am Ende tatsächlich das fortschrittlichste sein wird.

Ich will das für mich auch noch einmal beschreiben: Wir leben ja in einer Welt, in der es in vielen anderen Ländern eigentlich in die andere Richtung geht, wo bestimmte Bedingungen für eine Fachkräftezuwanderung erschwert werden. Wir sind als Land schon jetzt mit den Regelungen, die wir heute haben, eigentlich eines der offensten für die Fachkräftezuwanderung. Allerdings sind die Regelungen teilweise so kompliziert und so unbekannt, dass sich das noch nicht voll entfalten konnte. Wenn wir das jetzt noch weiterentwickeln und das, was anderswo gut funktioniert, noch hinzunehmen, dann ist das die Rahmenbedingung dafür, dass wir das Wachstum ermöglichen, das in unserem Land stattfinden kann, weil wir nicht nur das Recht haben werden, das für eine erfolgreiche Fachkräftezuwanderung nötig ist, sondern letztendlich auch das gesellschaftliche Klima, das das dann auch unterstützt und fördert, dass das tatsächlich passiert.

Dass Deutschland ein Land ist, dass längst ein Land der Hoffnung geworden ist, ist etwas, das ganz viele noch nicht richtig realisiert haben. Aber manchmal empfiehlt sich ja der Blick in die Statistik. In der Statistik zählt Deutschland sehr, sehr konservativ. Als Bürger mit Zuwanderungshintergrund gilt derjenige, der nach 1950 selbst nach Deutschland gekommen ist oder einen Elternteil hat, der in dieser Zeit gekommen ist. Selbst wenn man so konservativ zählt, ist Deutschland ein Land mit 25 Prozent Bevölkerung mit einem Migrationshintergrund. Das ist der Rahmen, in dem wir das, was wir für unser eigenes geschäftliches Wachstum, unseren Erfolg und unsere Offenheit brauchen, auch voranbringen können, und zwar mit dem neuen Einwanderungsrecht, das wir jetzt machen.

Wie dringend notwendig das ist, habe ich in Bangalore erlebt. Viele der IT-Spezialisten, die ich dort im Februar getroffen habe, haben durchaus Interesse, auch hier in Deutschland zu arbeiten. Aber wenn sie von den USA, Kanada oder Australien in wenigen Tagen ein Talentvisum erhalten und in Deutschland erst zig Unterlagen zum Konsulat tragen müssen, deutsche Sprachkenntnisse nachweisen müssen und dann nach Ankunft hier noch wochenlang durch Ämter tingeln müssen, dann ist das nicht attraktiv genug und nicht wettbewerbsfähig. Deshalb ändern wir das jetzt.

Hier wie auch ansonsten wollen wir, dass die Power in die Produkte, in die Erfindungen geht, nicht in die Bürokratie. „Made in Germany“ ist weltberühmt. Jetzt gilt es „Make it in Germany“ genauso weltberühmt zu machen, übrigens bewusst mit den beiden Bedeutungen: Mach deinen Weg hier in Deutschland und entwickle dein Produkt hier in Deutschland.

Deswegen: Alle sollen hier weiter nach dem Geheimnis suchen, nach der unoffensichtlichen Idee! Deutschland kann dabei noch viel lernen. Deshalb danke ich allen, die hier sind, den Finalistinnen und Finalisten, denen ich alles Gute wünsche, sowieso, und ich bedanke mich für die Einladung! Irgendwann komme ich auch mit einem Smoking.