arrow-left arrow-right nav-arrow Login close contrast download easy-language Facebook Instagram Telegram logo-spe-klein Mail Menue Minus Plus print Search Sound target-blank X YouTube
Inhaltsbereich

Detail

Foto: Olaf Scholz
Photothek
26.04.2024 | Berlin

Rede anlässlich des 15. Petersberger Klimadialogs

Sehr geehrter Herr Staatspräsident Alijew,

es freut mich, dass Sie als Ausrichter der kommenden Klimakonferenz heute hier zu Gast sind.

Sehr geehrte Damen und Herren Ministerinnen und Minister,
liebe Annalena Baerbock,
meine Damen und Herren,

es ist gut, Sie alle in Berlin begrüßen zu können. Von hier aus blicken wir auf die erfolgreiche Klimakonferenz von Dubai zurück. Wir alle gemeinsam bemühen uns, dass die Konferenzen in Baku im November und in Belém im kommenden Jahr an diesen Erfolg anknüpfen werden. Dazu wollen wir mit dem Petersberger Klimadialog beitragen.

Lassen Sie mich den Blick gleich zu Beginn auf das große Ganze richten. Unsere gemeinsamen Bemühungen zur Begrenzung des Klimawandels zeigen Erfolge. Wir müssen schneller werden, und wir müssen besser werden, aber die Richtung stimmt. Alle Staaten haben nationale Klimaschutzpläne für dieses Jahrzehnt erarbeitet. 78 Länder haben Langfriststrategien mit dem Ziel der Treibhausgasneutralität bis zur Mitte des Jahrhunderts vorgelegt. Der Mechanismus des Pariser Abkommens zeigt Wirkung. Die Transformation in Richtung Klimaneutralität ist unumkehrbar, nicht zuletzt deshalb, weil sie auch ökonomisch Sinn ergibt.

Wir alle wissen: Ein Zurück in die fossile Ära kann und wird es nicht geben. Stattdessen müssen wir die Chancen der Zukunft ergreifen. Genau das tun wir, und zwar weltweit. Das belegt der Konsens von Dubai zur Verdreifachung der erneuerbaren Energien, zur Verdoppelung der Energieeffizienzrate und zur Abkehr von fossilen Energieträgern.

Die Vereinigten Arabischen Emirate, Aserbaidschan und Brasilien haben es sich jetzt als Troika zur Aufgabe gemacht, die nächsten Schritte in Richtung Weltklimakonferenz 29 und Weltklimakonferenz 30 bis zur Vorlage der neuen nationalen Klimabeiträge gemeinsam zu gehen. Diese neue Form der Zusammenarbeit über Kontinente hinweg begrüße ich sehr. Die Bundesregierung wird sie nach Kräften unterstützen.

Deutschland ist auf Kurs. Im vorigen Jahr waren die Emissionen gegenüber 1990 fast halbiert, und dies gerade in dem Jahr, in dem wir zeitgleich aus der Atomenergie ausgestiegen sind. Aktuelle Zahlen zeigen: Wir können auch unser Ziel für das Jahr 2030 erreichen, die Emissionen um 65 Prozent zu reduzieren.

Den Ausbau der erneuerbaren Energien haben wir stark beschleunigt. Der Ausbau für Windenergie an Land hat sich fast verdoppelt. Wir haben 2023 fast 15 Gigawatt neuer Photovoltaikanlagen ans Netz gebracht. Die Kohleverstromung ist um 20 Prozent zurückgegangen und lag 2023 auf dem niedrigsten Niveau seit 1990. Zugleich liegen die Großhandelspreise für Strom wieder auf dem Niveau vor der Energiekrise oder sogar darunter.

Auch bei der industriellen Transformation kommen wir voran. Wir haben Klimaschutzverträge für die emissionsintensive Industrie auf den Weg gebracht. Wir bauen das erste Wasserstoffnetz Europas, übrigens weitgehend privat finanziert, und unterstützen die Umstellung unserer Stahlindustrie. Klimatechnologie wird in Deutschland immer mehr zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig. Mit dem European Green Deal haben wir in Europa gemeinsam ein riesiges Klimaschutz- und Wachstumspaket auf den Weg gebracht. Diesen Weg werden wir nach den Europawahlen weitergehen, damit die Europäische Union ihr Ziel der Klimaneutralität 2050 erreicht.

So wie Deutschland wird jedes Ihrer Länder seinen eigenen Pfad in Richtung Klimaneutralität gehen. Wichtig ist, dass wir uns dabei gegenseitig unterstützen. Ein handfester Beitrag, den Deutschland leistet, ist der Klimaclub, den wir gemeinsam mit unseren chilenischen Freunden und allen bislang 38 Mitgliedsstaaten weiter voranbringen werden. Der Klimaclub soll dazu beitragen, dass wir bei der Dekarbonisierung unserer Industriesektoren mehr Kooperation, mehr Transparenz und mehr Konvergenz erreichen. Als erstes konkretes Ziel haben wir uns vorgenommen, bis zur Weltklimakonferenz einen gemeinsamen Standard für grünen Stahl zu entwickeln.

Mein Ziel ist, dass wir den Klimaclub zu einem Format entwickeln, in dem wir uns bei der Dekarbonisierung der Industrie enger abstimmen und die „Spillover“-Effekte nationaler Entscheidungen offen diskutieren. Das umfasst etwa die internationale Wirkung von Subventionen, die Entwicklung grüner Märkte oder die Vermeidung neuer Handelsbarrieren. Wir wollen außerdem die Unterstützung für Entwicklungs- und Schwellenländer verbessern, damit auch sie schneller auf klimafreundliche Industrieprozesse umsteigen können.

Eine Daueraufgabe für uns alle besteht darin, weltweit Investitionen für die Transformation zu mobilisieren. Dieses Jahr wird in Baku ein neues Klimafinanzierungsziel für die Zeit nach 2025 verhandelt. Anders als vor 15 Jahren geht es nicht mehr nur darum, Zukunftstechnologien anzuschieben, sondern es geht ganz wesentlich darum, die Verbreitung der Technologien weltweit zu finanzieren, die heute schon verfügbar und kostengünstig sind. 2,4 Billionen US-Dollar jährlich werden laut der Independent High-Level Expert Group on Climate Finance bis 2030 für die Transformation in den Entwicklungs- und Schwellenländern benötigt. Das ist eine gewaltige Summe. Weil wir hier unter uns sind, unter Freunden und Gleichgesinnten, will ich den Elefanten im Raum auch ansprechen: Öffentliche Gelder allein, dazu von einer überschaubaren Gruppe von Ländern, werden für Investitionen in dieser Größenordnung bei bestem Willen nicht ausreichen. Eine Diskussion, die nur auf öffentliche Finanzierungszusagen fixiert ist, greift viel zu kurz. Wir brauchen eine neue Herangehensweise an die Finanzierung des Klimaschutzes weltweit.

Drei Punkte sind mir dabei wichtig.

Erster Punkt: Investitionen in den Klimaschutz sind eine gemeinsame globale Aufgabe. Dabei ist klar: Arme und besonders vom Klimawandel bedrohte Länder werden wir weiterhin besonders unterstützen. Die Industrieländer stehen zu ihrer Verantwortung, Gelder für die Minderung des CO2-Ausstoßes und die Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels bereitzustellen.

Auch auf Deutschland ist dabei Verlass. Im Jahr 2022 haben wir sechs Milliarden Euro zur Klimafinanzierung aus Haushaltsmitteln bereitgestellt. Wir setzen uns dafür ein, die internationale Finanzarchitektur weiterzuentwickeln, etwa mit der Reform der Weltbank und anderer multilateraler Entwicklungsbanken. Meiner Ankündigung, erstmals sogenanntes Hybridkapital für die Weltbank zur Verfügung zu stellen, haben sich bei der Frühjahrstagung letzte Woche weitere Länder angeschlossen, so dass elf Milliarden Dollar an Hybridkapital und Garantien zustande gekommen sind. Insgesamt kann die Weltbank somit über die nächsten zehn Jahre bis zu 70 Milliarden Dollar an zusätzlichen Krediten vergeben. In Dubai hat Entwicklungsministerin Schulze zudem gemeinsam mit Ihnen, Herr Al-Jaber, eine Anschubfinanzierung von jeweils 100 Millionen Dollar für den Loss-and-Damage-Fonds angekündigt. Erstmals hat ein Industrieland gemeinsam mit einem neuen Geber öffentliche Mittel zugesagt.

Solche gemeinsamen Zusagen für Klimafonds auf breiterer Geberbasis sind der richtige Weg. Die Welt von 2024 ist nicht mehr die Welt von Rio 1992, als wenige Industrieländer sehr vielen Schwellen- und Entwicklungsländern gegenüberstanden. Seitdem sind viele Schwellenländer selbst zu großen Emittenten mit steigender Wirtschaftskraft geworden, während der Anteil der Industrieländer an den weltweiten Emissionen stark zurückgegangen ist. Länder, die in den vergangenen dreißig Jahren signifikant zu Emissionen beigetragen haben, müssen auch zur öffentlichen Klimafinanzierung beitragen, wenn sie dazu ökonomisch in der Lage sind.

Zweiter Punkt: Die Klimafinanzierung muss viel stärker darauf ausgerichtet werden, private Investitionen in nachhaltiges Wachstum zu ermöglichen. Das gelingt zum Beispiel, indem Entwicklungsbanken Investitionen in lokalen Währungen absichern, oder durch Kooperationen wie die Just Energy Transition Partnerships, bei denen wir mit Entwicklungsbanken und privaten Investoren große Vorhaben gemeinsam vorantreiben. Auch im G20 Compact with Africa arbeiten wir mit unseren Partnern daran, das Umfeld für private Investitionen zu verbessern, mit klarem Schwerpunkt auf den Energiebereich.

Dabei haben wir auch das Problem der Verschuldung im Blick. Wir planen, unser umfassendes bilaterales Schuldenumwandlungsprogramm zu modernisieren. Das ist zwar kein Allheilmittel, aber dann könnten zukünftig auch reformbereite vulnerable Länder mittleren Einkommens für eine Klimaschuldenumwandlung infrage kommen.

Dritter Punkt: Es geht auch um gute Rahmenbedingungen für Investitionen in den einzelnen Ländern selbst zum Beispiel durch klare Fahrpläne für die Dekarbonisierung. Das Update der nationalen Klimabeiträge ist deshalb für alle Länder auch eine Chance, Investitionen in grüne Technologien abzusichern. Privaten Investoren geht es um einen verlässlichen regulatorischen Rahmen und um Good Governance. Wir sollten die nationalen Klimabeiträge außerdem breiter denken und Aspekte wie wirtschaftliche Entwicklung und soziale Gerechtigkeit stärker berücksichtigen.

Ich habe heute bewusst sehr offen über die Herausforderungen für die Klimafinanzierung gesprochen, wohl wissend, dass vielleicht nicht alle von Ihnen mir in jedem Punkt zustimmen. Aber genau darin liegt aus meiner Sicht der große Mehrwert eines Formats wie des unseren hier. Es geht darum, informell und abseits der großen Konferenzen nach Lösungen zu suchen, konstruktiv, offen und kreativ, mit dem Ziel vor Augen, das uns alle hier zusammenbringt: Wohlstand und Wachstum in einer klimaneutralen Welt.

Jetzt freue ich mich sehr auf unser Gespräch.

Schönen Dank.