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Symbolfoto: Olaf Scholz
Photothek
25.04.2024 | Wiesbaden

Rede anlässlich der Familienunternehmer-Tagen 2024 des Verbands Die Familienunternehmer

Sehr geehrte Frau Präsidentin Ostermann,

schönen Dank für die starke Rede und die vielen Fragen, die damit verbunden sind! Wir werden ja im Anschluss noch ein bisschen miteinander diskutieren. Dabei kann dann auf alles im Einzelnen eingegangen werden.

Liebe Familienunternehmerinnen und Familienunternehmer,
meine Damen und Herren,

ich komme gerade aus Darmstadt, von einer Grundsteinlegung bei der Firma Merck. In einem hochmodernen Forschungszentrum soll dort künftig unter anderem mRNA-Technologie entwickelt werden, mit der man Krebs bekämpfen und sogar heilen könnte. Hunderte Millionen investiert Merck allein in dieses Zentrum, 1,5 Milliarden Euro insgesamt in Darmstadt.

Aber es ist noch eine andere Zahl, die mir besonders im Kopf geblieben ist, die Zahl 13. Merck ist ein Familienunternehmen in 13. Generation. 13 Generationen haben es geprägt und verändert, haben investiert und geforscht, Traditionen fortgeführt, aus Fehlern gelernt und vor allem immer wieder Neues ausprobiert. So kommt es, dass das Pharmaunternehmen Spitzenprodukte in der eigenen Halbleitersparte herstellt. Ohne dieses Engagement, ohne diese Verbindung aus Stolz auf Tradition und Lust auf Zukunft wäre aus der kleinen Apotheke am Schlossgraben in Darmstadt niemals ein Weltkonzern geworden.

Es sind Erfolgsgeschichten wie diese, die den legendären Ruf deutscher Familienunternehmen prägen, ob klein, ob groß, ob bekannter Weltmarkführer oder „hidden champion“, Erfolgsgeschichten, wie auch Sie und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sie tagtäglich schreiben. Über drei Millionen Familienunternehmen schaffen und erhalten über die Hälfte der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze. Sie setzen sich für unsere soziale Marktwirtschaft ein, für gutes Unternehmertum und für den Standort. Das haben wir eben wieder gehört. Dafür sage ich Ihnen vor allem herzlichen Dank.

Seit meinem Amtsantritt habe ich eine ganze Reihe ganz unterschiedlicher Familienunternehmen besucht. Dabei habe ich natürlich auch gehört, was Sie als Familienunternehmen bewegt. Einiges davon haben Sie gerade schon erwähnt, liebe Frau Ostermann. Es wäre sicherlich noch manches dazugekommen, wenn sie noch mehr gesagt hätten. Darauf möchte ich heute auch eingehen.

Im Zentrum steht für mich dabei eine Politik, die das Angebot stärkt – Sie haben es gesagt –, so, wie Sie in einem Brief an mich auch vorgeschlagen haben. Eine solche moderne Angebotspolitik hat aus meiner Sicht vier entscheidende Elemente: erstens bezahlbare, sichere und nachhaltige Energie, zweitens Investitionen in Infrastruktur und neue Technologien, drittens weniger Bürokratie und nicht zuletzt, viertens, gut ausgebildete Fachkräfte.

Russlands Angriff auf die Ukraine und Moskaus Stopp der Gaslieferungen nach Deutschland haben die Energiepreise zwischenzeitlich explodieren lassen. Innerhalb kürzester Zeit mussten wir eine ganz neue Importinfrastruktur aufbauen. Das ist gelungen. Im laufenden Jahr sollen sich die Einfuhrkapazitäten für Flüssiggas an den deutschen Küsten gegenüber 2023 noch einmal mindestens verdoppeln. Gerade heute hat ein Gericht entschieden, dass die Eröffnung eines weiteren Terminals in Mukran zulässig gewesen ist. Das war nicht ganz einfach. Die ersten gingen noch einigermaßen, weil alle Angst vor dem kalten Winter hatten. Danach aber war die Zustimmung zu solchen Investitionen nicht mehr so stark, wie es vorher der Fall war, und man musste richtiggehend ein wenig drücken, damit das klappt. Insofern ist das heute eine gute Nachricht.

All das, was wir dafür getan haben, hat die Energiepreise stabilisiert. Inzwischen liegen die Großhandelspreise wieder auf dem Vorkrisenniveau oder sogar darunter. Das fühlt sich noch nicht für jeden so an, wahrscheinlich auch nicht für jeden in diesem Saal, abhängig davon, wo man selbst und wo der Lieferant eingekauft hat und wie lange bestehende Verpflichtungen er eingegangen ist. Aber der Indikator der Großhandelspreise ist sehr wichtig, weil er heißt: In diese Richtung geht es. Da ist wirklich etwas wieder in die richtige Richtung bewegt worden, weil wir diese Kapazitäten so schnell ausgebaut haben.

Frau Ostermann, Sie haben vor einem Jahr laut und deutlich gesagt: Wir brauchen jetzt keinen Industriestrompreis, Sie haben es eben wiederholt. Sie haben gesagt: Wir sind gegen eine dauerhafte Subvention auf Kosten der Steuerzahler, die den Wettbewerb verzerrt. Dementsprechend haben wir uns für einen anderen Weg entschieden – auch darauf haben Sie hingewiesen –, gerade auch mit dem Blick auf die vielen Mittelständler und die Familienunternehmen in unserem Land. Statt Subventionen, die wir in der Krise gebraucht haben – der Staat hat fast hundert Milliarden zusätzlicher Schulden gemacht, um Energiepreise nach dem russischen Angriffskrieg für die notwendige Zeit zu subventionieren, aber nicht als Dauerlösung –, haben wir die Stromsteuer radikal reduziert, und zwar für alle Unternehmen des produzierenden Gewerbes und auch für die Landwirtschaft.

Schon zuvor, im Jahre 2022, hatten wir die EEG-Umlage abgeschafft. Das klingt ein bisschen bürokratisch, aber das kann eine zusätzliche Belastung in Höhe von 13 Milliarden bis 20 Milliarden Euro auf den Strompreis bedeuten. Das wird jetzt nicht mehr mit der Stromrechnung bezahlt, sondern wir finanzieren das gewissermaßen über die Steuerzahlerrechnung aus dem Haushalt. Das hat aber unmittelbar den produzierenden Unternehmen geholfen, die bisher mit dieser Abgabe trotz höherem Stromverbrauch belastet gewesen sind. Damit entlasten wir die Unternehmen um diese Milliarden Euro zusätzlich.

Aktuell sprechen wir in der Bundesregierung darüber, wie wir die Entlastungen für die Unternehmen fortschreiben können. Denn diese Entscheidung ist immer zeitlich befristet, und wir würden das gern verlängern, damit wir den Markt stärken, statt ihn zu verzerren.

Wir achten dabei auch etwas, was jetzt immer wieder neu diskutiert wird, und zwar völlig zu Recht, nämlich die Systemkosten. Denn der Ausbau unseres Stromnetzes und der Ausbau der erneuerbaren Energien muss und soll uns vor zu hohen Stromkosten bewahren. Erneuerbare Energien machen wettbewerbsfähige Strompreise möglich. Das gilt auch für Speicher und Netze. Die Systemkosten dürfen den Strom allerdings nicht unnötig verteuern. Wir brauchen deshalb eine kosteneffiziente Transformation unseres Energiesystems. Genau daran arbeiten wir jeden Tag und bleiben dran. Sie können sich sicher sein: Wir behalten den Mittelstand auch künftig im Blick, und zwar nicht nur, wenn es um die diskutierte Energiepolitik geht.

Der zweite ganz wichtige Aspekt unserer Angebotspolitik betrifft die Investitionen. Dabei geht zunächst darum, unsere Infrastruktur für das 21. Jahrhundert fit zu machen, und zwar analog wie digital. Dass dabei in den vergangenen Jahren zu viel liegengeblieben ist, wissen wir alle. Das ändern wir jetzt. Wir fördern, wir investieren, und wir machen Tempo: bei den Windrädern und Solarparks, bei den Brücken und Straßen und bei sauberen Kraftwerken. Für ein modernes und fortschrittliches Land brauchen wir eben eine Infrastruktur, die zuverlässig und einwandfrei funktioniert. Das gilt für die Energiewende, für die Wärmeversorgung und auch für die Modernisierung von Schienen, Straßen und Brücken.

Aber mindestens genauso wichtig ist für mich das Tempo, das ich Deutschlandtempo genannt habe. Deshalb ist der Infrastrukturausbau, der unsere Volkswirtschaft voranbringt, seit dieser Legislaturperiode in vielen Gesetzen als von überragendem öffentlichen Interesse beschrieben worden. Das ist die juristische Formel, mit der wir durchsetzen wollen, dass es nicht ewig lange Planungsprozesse gibt und dass nicht gegen den notwendigen Ausbau der Infrastruktur entschieden werden kann, sondern es immer und so oft wie möglich eine Entscheidung für den Infrastrukturausbau, für Bauvorhaben, für Planungsvorhaben, für all das, was wir brauchen, gibt. Für mich ist das ein großer Durchbruch. Jetzt wollen wir diese neuen Möglichkeiten auch nutzen, damit das Tempo tatsächlich entsteht und nicht nur rechtlich möglich ist.

Ganz klar – darum sitzen wir hier – brauchen wir neben staatlichen vor allem private Investitionen. Autos, Maschinen und auch Hochtechnologie wie Halbleiter und Biotechnologie, all das wird inzwischen an vielen Orten der Welt hergestellt. Der Vorsprung, den Unternehmen wie Ihre auf dem Weltmarkt haben, war, ist und bleibt ein Vorsprung durch Innovation.

Deshalb ist es wichtig, dass Unternehmen und Staat in Deutschland mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung investieren und damit mehr als die anderen großen europäischen Volkswirtschaften. Ich glaube, dass uns der Blick auf diese Zahl ein bisschen verlorengegangen ist. Aber das ist der eigentliche Grund ist, warum die deutsche Volkswirtschaft so stark ist. Denn tatsächlich rühren die Exportstärke und die Wettbewerbsfähigkeit nicht daher, dass wir das, was wir vor 50 Jahren gemacht haben, unverändert so machen wie vor 50 Jahren, sondern daher, dass viele, viele neue Produkte und Dienstleistungen dazugekommen sind, die auch das Ergebnis von Weiterentwicklung, von Forschung, von Innovation sind. Es macht einen Unterschied aus, in welcher Größenordnung Volkswirtschaften in Forschung und Entwicklung investieren. Für uns ist es deshalb ein ganz zentraler Punkt, dass wir den Vorsprung, den Deutschland vor allen anderen europäischen großen Nationen hat, halten, indem wir dabei weiter an der Spitze sind. Wir wollen das ausbauen. Deshalb haben wir im Wachstumschancengesetz neben den Abschreibungsbedingungen, der Verlustverrechnung und der Wohnungsbauförderung vor allem mehr steuerliche Forschungsförderung möglich gemacht. Ich erzähle Ihnen kein Geheimnis, wenn ich sage: Ich könnte mir dabei auch noch kraftvollere Impulse vorstellen. Dafür müssten wir allerdings noch einige überzeugen, bei den Länder und bei mancher Gesetzgebung auch bei der Opposition. Aber wir wollen dranbleiben. Wir haben jetzt einen Schritt geschafft, und wir gehen gern auch noch weiter.

Das dritte Element einer Politik, die Wachstum stärkt, ist der Abbau von Bürokratie. Sie haben darüber gesprochen, und auch ich habe es jetzt schon mehrfach erwähnt. Ich habe bewusst auch öffentlich gesagt: Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten ein solches Regeldickicht geschaffen, dass es inzwischen kaum noch administrierbar ist. Ich denke, jeder hat gesehen, dass das die letzten 30, 40, 50 Jahre mit größter Liebe vorangegangen ist. Überall hat sich jemand noch etwas Neues ausgedacht. Aber mittlerweile gilt das nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für die Verwaltung: Sie wissen gar nicht, wie sie mit den Dingen umgehen sollen, die sie jetzt umsetzen müssen. Deshalb ist es unsere Aufgabe, dass wir das ändern.

Darum haben wir uns fest vorgenommen, nicht nur darüber zu reden, nicht nur eine der üblichen Politikerreden zu halten, in der steht: „Bürokratie muss abgebaut werden“, wonach alle fröhlich wieder nach Hause gehen, sondern uns tatsächlich an die Arbeit zu machen und etwas zu schaffen.

Wir haben im vergangenen Jahr in Meseberg ein Bürokratieabbaupaket geschnürt, das allein eine Entlastung in Höhe von mehr als drei Milliarden Euro bringt. Es war nicht das erste, und es wird nicht das letzte sein. Ein Beispiel daraus, weil die Forderung danach auch von Ihrem Verband kam: Der Abschluss eines Arbeitsvertrages wird einfacher, weil Arbeitgeber und Arbeitnehmer ihn nicht mehr handschriftlich unterzeichnen müssen. Mit dem Deutschland-Pakt beschleunigen und vereinfachen wir auch Planungs- und Genehmigungsverfahren. Wir schauen uns im Mai zusammen mit den Ländern an, wie weit wir schon sind. Denn ich will, dass Deutschland wirklich umsteuert und wir überall mehr Tempo machen.

Gerade gestern hatte ich mit meinen Ministern eine Sitzung. Darin sind wir die knapp 200 Einzelaufträge für den Bund durchgegangen, und ich kann Ihnen berichten: Wir sind bei ziemlich vielen dabei, die jetzt umzusetzen. Vieles ist auch schon beschlossen worden. Gerade diese Woche wird der Bundestag ein paar der Regelungen auch schon auf den Weg bringen, und die nächsten kommen jetzt alle so richtig in gutem Tempo voran. Das ist ein großer Umbau der Art und Weise, wie in Deutschland entschieden wird.

Dass das so konkret ist, war mir wichtig, weil es – Sie natürlich ausgenommen – ja Verbandsvertreter gibt, die einem wirklich Briefe schreiben, die man auf folgende Weise kurz zusammenfassen kann: Alles muss anders werden! Dann kann man ja eigentlich nur zurückschreiben: Sehr wohl! Aber ich hätte doch gerne eher konkrete Vorschläge, dass man sagt: Hinsichtlich dieser Regelung wird es immer eng, und dann dauert das so lange. Kann man da nicht etwas machen? Dann kann man sich auch daranmachen, und das haben wir gemacht, und das werden wir auch weiter tun. Das muss zu einem Prinzip werden; denn das, was ich eben geschildert habe, ist ja das reale Problem. Die Dinge sind teilweise über Jahrzehnte entstanden, aber jetzt ist die Last so groß, dass wir irgendwie einen Weg beschreiten müssen, dass wir es hinbekommen, dass die Dinge schnell vonstattengehen können. Das hilft bei den Investitionen, aber natürlich auch bei der Entwicklung dessen, was der Staat an Infrastruktur für unser Land mit finanzieren muss.

Wir arbeiten an einem einfacheren Bau- und Planungsrecht und an Entlastungen im Vergaberecht. Wir wollen die Hürden gerade für kleinere Unternehmen senken, die sich für öffentliche Aufträge interessieren, aber vor viel Papierkram zurückschrecken. Apropos Papierkram: Das Statistische Bundesamt ermittelt ja immer so eine Art Papierkramindex. Irgendwie sagen mir meine Leute immer, ich solle überall verkünden, der sei jetzt auf einem Allzeitniedrigniveau. Das mache ich aber nicht, weil es irgendwie kontraintuitiv wäre. Aber das ist jedenfalls trotzdem etwas, das ja zeigt, dass schon auch viel geändert wird, und das sollte uns dann eher ein Ansporn sein, es so lange weiterzumachen, bis Sie sagen: Ich habe es gemerkt! Ich weiß also: Wir bleiben dran, und Sie können sich darauf verlassen, dass wir das als ein großes Thema in Deutschland voranbringen.

Sie haben es gesagt: Ein Teil der Vorschriften – ein ziemlich großer Teil – kommt aus der Europäischen Union. Das merkt man ja schon an dem, was Sie gesagt haben: Corporate Sustainability Reporting Directive. Das klingt irgendwie nicht wie ein deutsches Gesetz. Davon sind schon eine ganze Reihe da. Deshalb bin ich froh, dass wir jetzt die Ankündigung der EU-Kommission haben, dass sie 25 Prozent der Berichtsvorlagepflichten auf EU-Ebene abschaffen will. Ich kann Ihnen versichern, wir haben der Präsidentin der Kommission gesagt: Wir nehmen Sie beim Wort. Und der französische Präsident und ich haben gemeinsam verabredet, dass wir da hinterher sind!

Weil wir ja nicht nur auf andere zeigen wollen, sage ich: Auch bei der nationalen Umsetzung von Vorschriften der EU wollen wir alles dafür tun, dass da keine Bürokratiemonster entstehen. Deshalb haben wir auch einige Möglichkeiten genutzt und zum Beispiel bei der Bilanzrichtlinie die Schwellenwerte für Unternehmen angehoben. Davon profitieren 52.000 Unternehmen, weil sie auf einen Schlag die Berichtspflichten nicht mehr haben, die sie bisher erfüllen mussten.

Noch etwas muss hinzukommen, um Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum in Deutschland zu sichern. Das wichtigste Element einer modernen Angebotspolitik – das sagen uns alle Studien und Wirtschaftsinstitute, und im Übrigen fühlt und sieht es auch jeder – sind genügend Arbeitskräfte, gerade angesichts unserer Demografie. Deshalb ist es eine gute Nachricht, dass heute so viele Frauen und Männer einer Arbeit nachgehen wie nie zuvor in Deutschland, nämlich 46 Millionen. Der Zuwachs auf dem Arbeitsmarkt, den wir in den vergangenen Jahren erlebt haben, geht dabei fast ausschließlich auf das Konto von Arbeitskräften aus anderen europäischen Ländern. Doch langsam stoßen wir, was diese Ressource für Arbeit und Wachstum in Deutschland betrifft, an unsere Grenzen, weil wir die Möglichkeiten der Europäischen Union ausgeschöpft haben. Deshalb haben wir mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz die Grundlage dafür geschaffen, dass sich Unternehmen die Talente und Arbeitskräfte, die sie brauchen, auch tatsächlich weltweit suchen können. Es ist wohl auch im Vergleich das modernste Gesetz, das es in dieser Welt in dieser Hinsicht gibt, und wir werden jetzt alles dafür tun, dass das auch tatsächlich in der Praxis umgesetzt wird – mit der Digitalisierung unserer Konsularabteilungen, mit der Digitalisierung der zuständigen Behörden –, sodass das einfachere und einfach handhabbare Verfahren werden. Da gibt es noch Probleme. Es liegt schon einmal nicht mehr an den Gesetzen. Jetzt muss noch der Rest klappen, aber da sind wir dran.

Zweitens brauchen wir mehr Ganztagsbetreuung; denn die Schwierigkeiten, die Familien haben, Arbeit und Kinder miteinander gut in die Zukunft zu führen, sind eine wirkliche Belastung – nicht nur für die Familien, die darunter zu leiden haben, sondern tatsächlich für unser ganzes Land und alle, die sich Gedanken machen, wie das eigentlich klappen soll. Ich finde, man sieht es in den Teilen Deutschlands, die es gibt – einen davon habe ich einmal regiert –, dass es tatsächlich geht, nämlich Ganztagsbetreuung in der Krippe, der Kita und in allen Schulen, weitgehend gebührenfrei und mit einem Angebot, das auch immer verfügbar ist. Das macht einen Unterschied! Wenn Frauen und Männer gemeinsam Kinder haben, aufziehen wollen, dann brauchen sie Bedingungen, unter denen es möglich ist, dass sie sich um die Kinder kümmern können und ihre beruflichen Träume und Aufgaben erfüllen können. Das geht nur, wenn wir diese Besonderheit Deutschlands ändern; denn tatsächlich ist die Teilzeitschule ja eine Entwicklung, die es in fast keinem anderen Land der Welt gibt, und wir müssen dazu kommen, dass wir da an das anschließen, was die Eltern, was die Familien und was die Kinder brauchen, natürlich auch die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Außerdem unterstützen wir die Aus- und Weiterbildung in Unternehmen.

Noch etwas schauen wir uns intensiv an: Wir wollen es für Ältere attraktiver machen, über den Renteneintritt hinaus freiwillig weiterzuarbeiten. Ich bin ganz sicher, dass ich da auf Sie als gute Partnerinnen und Partner stoße; denn man muss es dann natürlich auch toll finden, dass 67-Jährige und vielleicht noch Ältere, die man schon seit 30 Jahren in der Firma kennt, immer noch dabei sind. Aber es ist so, dass es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gibt, die das für sich gerne wollen, und es ist so, dass es Unternehmen gibt, die das auch gerne wollen.

Ich weiß, weil ich in dieser Hinsicht ja sogar vom Fach bin – ich bin ja Rechtsanwalt gewesen und habe mich um solche Themen gekümmert, bevor ich Politik gemacht habe –, dass manche vor den Herausforderungen zurückscheuen, die damit verbunden sind, weil sie nicht wissen, wie lang „über das Renteneintrittsalter hinaus“ denn ist. Da denken wir jetzt darüber nach, ob wir gute Lösungen finden, die das gewissermaßen für alle Seiten attraktiv machen. Vieles muss ja freiwillig gehen. Wir brauchen keine Zwangsregeln, sondern, dass die Menschen ihre Potenziale entfalten können, und dafür wollen wir gerne sorgen.

Weil Sie die sozialen Sicherungssysteme angesprochen haben, Frau Ostermann, möchte ich eines hinzufügen: Mehr Leute in Arbeit zu bringen, das ist die beste Politik, um unsere sozialen Sicherungssysteme stabil zu halten. Dass das funktionieren kann, haben uns die letzten 20 Jahre gezeigt; denn anders, als uns Ende der Neunzigerjahre gesagt wurde, liegen die Beitragssätze der Sozialversicherungen heute niedriger als vor 20 Jahren. Das hat ganz viel damit zu tun, dass eben mehr Leute arbeiten, dass uns das gelungen ist, und das hat dazu beigetragen, dass die sozialen Sicherungssysteme stabiler finanziert werden können, als es sonst der Fall wäre. Insofern liegt auch das wichtigste Geheimnis dessen, wie wir verhindern, dass die Kosten zu sehr explodieren, darin, dass wir immer ziemlich viele haben, die hierzulande arbeiten. Wenn das klappt, dann ist das eine gute Grundlage.

Eine gute Kinderbetreuung, ein kostenloses Bildungssystem, eine stabile Gesundheitsversorgung – gerade in Zeiten von Veränderungen, Transformation und Fachkräftemangel sind diese Sicherheiten wichtig für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Für Rente, Pflege, Gesundheit haben die Bürgerinnen und Bürger Beiträge gezahlt. Darauf gründen Ansprüche, die übrigens auch vom Eigentumsschutz des Grundgesetzes garantiert werden. Unser Sozialstaat darf deshalb – das ist mir wichtig zu sagen – nicht allein auf karitative Aufgaben und auf eine karitative Veranstaltung reduziert werden. Er ist für ziemlich viele der Bürgerinnen und Bürger ein wichtiger Teil der Lebensplanung und gibt Sicherheit bis weit hinein in die Mittelschicht unseres Landes.

Wie kaum ein anderes Land profitiert Deutschland von seiner Offenheit – von der Offenheit internationaler Märkte und des EU-Binnenmarkts, von der Offenheit für Talente aus dem Ausland, von offenem Handel und fairem Wettbewerb. Deshalb bin ich Ihrem Verband und auch Ihren Unternehmen sehr dankbar, dass Sie Haltung zeigen gegenüber denjenigen, die diese Offenheit aufs Spiel setzen, die einen Austritt aus der Europäischen Union und die Abschottung unseres Arbeitsmarkts fordern und die so die Axt anlegen an die Grundlagen unseres Wohlstands. Lassen wir sie damit nicht durchkommen! Deutschland ist viel besser, als die Populisten und Angstmacher es uns weismachen wollen. Deshalb gefällt mir auch der Titel dieser Familienunternehmer-Tage: „Mit Zuversicht nach vorn!“

Ja, die vergangenen zwei Jahre waren alles andere als einfach: erst Russlands Krieg in der Ukraine und der Energiepreisschock, dann die Inflation, steigende Zinsen – eine Steigerung um mehr als vier Prozent in gut einem Jahr –, dazu eine schwächelnde Weltwirtschaft und geringere Nachfrage, vor allem aus China. Das war schon sehr viel Gegenwind. Aber wir sind da durchgekommen. „Ein Hauch von Frühling“, so haben die Analysten der Kreditanstalt für Wiederaufbau ihre Konjunkturprognose gerade überschrieben. Die Inflationsrate liegt so niedrig wie seit drei Jahren nicht, nahe dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank. Damit sehen Analysten sinkende Zinsen in Reichweite. Die Geschäftserwartungen im Mittelstand und bei den Exporteuren ziehen an. Auch das Mittelstandsbarometer hat zuletzt einen deutlichen Sprung gemacht. Die Kaufkraft steigt endlich wieder, auch dank Instrumenten wie der steuerfreien Inflationsprämie. Das Wichtigste ist aus meiner Sicht aber: Die reale Bruttowertschöpfung in der Industrie ist stabil geblieben, und das trotz Inflation und trotz des vorübergehenden Produktionsrückgangs in den energieintensiven Branchen. Das bedeutet schlicht und einfach: Deutschlands Industrie wird effizienter. Ehrlich gesagt: So gelingt uns die Transformation.

Daran haben die Familienunternehmen einen ganz großen Anteil. Übrigens finde ich es deshalb auch gerechtfertigt – Sie wissen ja, welches Parteibuch ich so mit mir herumschleppe –, dass die Familienunternehmen weniger Erbschaftsteuer zahlen, wenn sie Arbeitsplätze sichern, weil Sie diese Arbeitsplätze langfristig sichern, weil Sie Werte bewahren und sich zugleich immer wieder neu erfinden. Das spüre ich übrigens bei jedem meiner Unternehmensbesuche und auch heute hier. In diesem Sinne: „Mit Zuversicht nach vorn!“ Herzlichen Glückwunsch zum 75. Jubiläum Ihres Verbandes, und ich freue mich auf die Diskussion!