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28.06.2025 | Berlin

Rede auf dem Bundesparteitag der SPD

Liebe Genossinnen und Genossen!

Ich danke euch. Es soll heute auch um meine Kanzlerschaft gehen, und ich bin dankbar, dass ich dazu ein paar Worte sagen kann. Aber ich will hier ausdrücklich sagen: Es geht um unsere Kanzlerschaft, denn ich wäre niemals ohne die Sozialdemokratische Partei der neunte Kanzler der Bundesrepublik Deutschland geworden, der vierte Sozialdemokrat der Nachkriegsgeschichte, der sechste, wenn man die Weimarer Republik dazurechnet.

Das ist schon etwas ganz, ganz Besonderes, was ich immer empfunden habe. Deshalb will ich ganz bewusst und ganz ausdrücklich an den Anfang stellen: Es ist etwas Besonderes für mich, dass dieses Gespräch, dass das, was wir heute miteinander veranstalten, in dem Jahr stattfindet, in dem ich 50 Jahre Mitglied der Sozialdemokratischen Partei sein werde.

Ich habe viele Aufgaben und Ämter wahrgenommen – Stephan Weil hat darüber gesprochen. Viele haben mir Spaß gemacht. Manche waren sehr anstrengend. Aber es war immer ein Dienst am Land und natürlich auch an der sozialdemokratischen Idee.

Was mir in all den Jahren wichtig war, in denen ich prominent Politik machen konnte, ist etwas, was für den einen oder anderen vielleicht nicht so selbstverständlich ist, aber worauf ich, wenn ich zurückblicke, doch sehr stolz bin. Ich habe alles, was ich an politischen Aufgaben erworben habe und wahrnehmen durfte, niemals in einer Profilierung gegen die Sozialdemokratische Partei machen können, und das soll so bleiben.

Dass das möglich war, hat zu tun mit ganz vielem. Wir wissen um die großen Herausforderungen, vor denen die SPD immer wieder gestanden hat in ihrer langen Geschichte, die Aufs und Abs. Aber es ist eben auch eine schwierige Zeit gewesen, in der die SPD sich entschieden hat, mit mir anzutreten. Deshalb will ich an dieser Stelle ganz klar und sehr deutlich sagen: Ich bin dankbar für das, was nach einem komplizierten politischen Wettbewerb innerhalb der SPD dann möglich war, um aus einer schwierigen Situation gemeinsam herauszukommen. Darum: Herzlichen Dank Saskia Esken, Norbert Walter-Borjans, Rolf Mützenich und Lars Klingbeil, die das mit mir gemeinsam auf den Weg gebracht haben, als niemand geglaubt hat, dass die SPD eine Bundestagswahl gewinnen kann.

Ich erinnere nach der innerparteilichen Abstimmung noch ein gemeinsames Treffen, das wir hatten, nicht weit vom Willy-Brandt-Haus entfernt in einem netten Restaurant, wo wir uns besprochen haben. Und es ist etwas passiert, was ich gerne zur Nachahmung empfehle für Führungsaufgaben und was auch seither schon öfter mal wieder gelungen ist, nämlich, dass man Sachen für sich behält. Ja, tatsächlich! Wir hatten miteinander verabredet, dass wir das machen werden, und es ist sehr, sehr lange niemandem bekannt geworden – bis zu dem Tag, wo wir das gemeinsam bekannt gemacht haben. Ich glaube, Zusammenhalt und Solidarität als Prinzipien unserer Partei werden dafür Sorge tragen, dass die älteste Partei Europas, dass die Sozialdemokratische Partei, auch noch eine lange, erfolgreiche Geschichte in diesem Land hat. Sie wird gebraucht – hierzulande, in Europa und in der Welt.

Und vergessen wir nicht, wie kompliziert das alles vorher war. Schon als ich das Amt des Bürgermeisters, das ich gerne wahrgenommen habe, aufgab und Finanzminister und Vizekanzler wurde, Lars, da war das eine schwierige Situation, und es war schwierig, das hinzukriegen. Ich bin sehr dankbar, das gemeinsam gemacht haben zu können mit Parteivorsitzenden, die damals Verantwortung hatten, erst Martin Schulz, der nach seinem eigenen Wahlkampf diesen Weg eröffnet hat – danke dafür – und dann Andrea Nahles, die in unglaublich harter Zeit diese Partei und auch die sozialdemokratische Fraktion geführt hat. Danke für diesen Einsatz.

Ich habe mit vielen zusammengearbeitet, um diesen Wahlsieg möglich zu machen, und viele haben geholfen. Es wäre eine lange Liste, die man hier aufzählen könnte. Das will ich nicht. Aber drei will ich noch erwähnen, weil sie, als es ganz schlimm war, ganz besondere Verantwortung hatten für die SPD und mitgeholfen haben, dass wir den Pfad dann einschlagen konnten, den wir am Ende erfolgreich zu Ende gegangen sind. Ich denke an Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel, die für den Zusammenhalt der Partei gesorgt haben, als keiner mehr daran geglaubt hat.

Ja, und dann haben wir 2021 die Wahl gewonnen. Wie schwer das war, kann man sich eigentlich fast vorstellen, wenn man noch einmal einen Pressespiegel über all das liest, was uns über das Wahlergebnis vorhergesagt worden ist – Jahre vorher, Monate vorher, Wochen vorher. Noch im Sommer 2021 waren wir bei uns leider zu bekannten 16 Prozent. Und dann ist es doch etwas geworden. Noch einmal und an dieser Stelle mit ganz großer Unterstreichung: Das war eine gemeinsame Leistung der gesamten SPD, ihrer Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, ihrer Abgeordneten und aller Mitglieder überall in Deutschland. Danke für diesen Zusammenhalt.

Wir haben eine Regierung geformt – kompliziert – ohne die CDU/CSU. Das bleibt in Deutschland eine Botschaft, und man merkt es unverändert an der Art und Weise, wie einige finden, dass sie dahin gehören und was alles erlaubt ist, wenn sie nicht an der Regierung beteiligt sind. Aber es hat ewig gedauert, bis die SPD 1967 die Große Koalition gemeinsam mit der CDU haben konnte und 1969 dann für viele Jahre gemeinsam mit der FDP regiert hatte. Es hat dann wieder viele Jahre gedauert, bis das von 1998 bis 2005 möglich war. Und in all den Jahren dazwischen ist es immer so gewesen, dass eine gewisse Selbstverständlichkeit existiert hat: Wer regiert hier eigentlich? Und wenn es dann einmal anders kommt, dann ist das in der Geschichte unseres Landes unverändert eine besondere Situation. Ich bin deshalb dankbar – trotz all dem, was wir heute im Nachblick wissen, wie die Regierungszeit mit unseren Koalitionspartnern verlaufen ist –, dass wir einmal die Chance genutzt haben, Modernisierung in diesem Land möglich zu machen, die ohne diese Regierungskonstellation nicht möglich geworden wäre.

Eben im Film ist schon ein wenig über das Ende geredet worden und wie es zustande gekommen ist. Da kam Beifall an einer speziellen Stelle auf. Aber trotzdem, finde ich, gilt das, was ich eben gesagt habe: Es war richtig und gut, dass wir mit den beiden anderen Parteien diesen Aufbruch für Deutschland gewagt haben.

Was natürlich die ganze Zeit überlagert hat, ist dann das, was uns heute noch umtreibt und was so schlimm ist, dass man es immer nur schwer in die richtigen Worte fassen kann. Ich sage ganz ausdrücklich: Der russische Überfall auf die Ukraine war eine Zeitenwende – eine Zeitenwende, weil eine jahrzehntelange Verständigung des Nachkriegseuropas aufgekündigt wurde, dass nämlich Grenzen nicht mit Gewalt verschoben werden. Putin will genau das, und damit darf er keinen Erfolg haben.

Das ist so ein langer Satz, aber es ist eine große Politik, die sich hinter ihm verbindet. Und es waren Sozialdemokraten, die dafür gesorgt haben, dass es diese Verständigung gegeben hat. Die KSZE – Willy Brandt und Helmut Schmidt, ohne sie wäre dieser Prozess gar nicht vorstellbar gewesen, und aus ihr heraus erwachsen ist die Verständigung, dass die Grenzen nun einmal gelten sollen.

Nach dem russischen Überfall hat der kenianische Botschafter bei den Vereinten Nationen gesagt, man stelle sich Afrika vor. Da haben besoffene Kolonialherren Grenzen gezogen, und jetzt, wenn wir sagen, da wollen wir die „richtigen“ Grenzen schaffen, wäre es eine Zeit unendlicher Kriege. Deshalb sage ich das auch gerade vor dem Hintergrund der sozialdemokratischen Nachkriegspolitik, vor dem Hintergrund der Ostverträge, vor dem Hintergrund der Leistung von Willy Brandt und Helmut Schmidt, dafür gesorgt zu haben, dass wir die deutschen Grenzen, wie sie heute sind, für immer anerkennen, was mit dem Vertrag über die deutsche Einheit geschehen ist. Denn der war nur möglich, weil es vorher die Ostverträge gegeben hat.

Vor diesem Hintergrund sage ich, dass es die schlimmste Verletzung der Friedensverständigung Europas ist, die Grenzen nicht unangetastet zu lassen und sie mit Gewalt zu verschieben.

Ich sage an dieser Stelle auch: Es war deshalb richtig, daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, auch wenn das alles im Wahlkampf 2021 keine Rolle gespielt hat, also die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, und die lauteten: Deutschland ist und wurde unter unserer Führung der größte Unterstützer der Ukraine in Europa mit weitem Abstand, der zweitgrößte in der Welt, Und wir werden genau das bleiben – auch dank der Sozialdemokratischen Partei. Ja, wir müssen immer alles dafür tun, dass dieser Krieg nicht eskaliert zu einem Krieg zwischen NATO und Russland. Vom ersten Augenblick an hat das für meine Politik gegolten, und das gilt weiter für die Politik unseres Landes. Auch das ist eine gute Botschaft.

Zum Gleichen geht es darum, dass man alles auslotet und versucht, um Frieden möglich zu machen. Stephan Weil hat es schon gesagt – ich will noch einmal daran erinnern: Wir sind ja froh, dass es jetzt Gespräche gibt zwischen Regierungen und auch Putin – vor allem, wenn man sich keine Illusionen über das macht, was man von Putin zu erwarten hat, der nämlich wirklich an seiner Eroberung festhalten will und sie gerne noch größer hätte. Aber was ist alles kritisiert worden, als wir gesagt haben, man muss neben all dieser heftigen und starken Unterstützung der Ukraine auch gucken, wie wir eine Perspektive für Frieden und Sicherheit in Europa gewinnen können. Ich sage, das war richtig, und das bleibt richtig, liebe Genossinnen und Genossen.

Ja, wir haben aus der Zeitenwende noch eine weitere Konsequenz gezogen: Die Bundeswehr wird stärker werden, und die Zusammenarbeit in der NATO hat neue Dimensionen erreicht. Das ist auch richtig. Es ist schwer, und es ist wichtig, dass wir uns klarmachen, dass das eine große Aufgabe bleibt. Denn es ist schon merkwürdig, dass manchmal einige zwar sagen, das muss man machen. Aber wenn sie über die Frage nachdenken, was ihr Beitrag zum Beispiel als sehr gut Verdienende in diesem Land zur Finanzierung einer starken Verteidigungsfähigkeit unseres Landes sein könnte, kommen sie merkwürdigerweise meistens auf Steuersenkungen. Das ist eine interessante mathematische Rechnung.

Ich jedenfalls glaube, dass wir hier zu neuer Solidarität in unserem Land aufgefordert sind und dass wir das erreichen müssen. Aber bevor ich über all die Dinge spreche, die mir auch wichtig sind und die wir miteinander bewegt haben, will ich eines noch sagen. Auch diese Regierungszeit wäre nicht möglich gewesen ohne die Unterstützung von Fraktion und Regierung. Hier sitzen die Ministerinnen und Minister, mit denen ich die Ehre hatte, zusammenzuarbeiten. Ich will ausdrücklich sagen: Danke für diese gemeinsame Zeit, danke für diesen Einsatz für unser Land.

Es ist wirklich wichtig gewesen, was da passiert ist. Vieles ist etwas, über das wir hier miteinander reden müssen. Ich sage ausdrücklich: Ich bin sehr dankbar für das, was wir miteinander bewegen konnten. Es sitzen hier ganz viele: Nancy Faeser, Wolfgang Schmidt – einige können sich mich gar nicht ohne ihn denken –, Svenja Schulze, Hubertus Heil, Boris Pistorius – der wird irgendwo da hinten sitzen – und Klara Geywitz. Ich sehe noch viele hier, die dabei waren, auch Karl Lauterbach, Christine Lambrecht und Jörg Kukies gehören dazu. Ich danke für die Zusammenarbeit. Es war eine große Zeit, und wir haben für unser Land etwas bewegt.

Ja, und dann hat es doch viele Dinge gegeben, die wir miteinander bewegt haben. Was mich am allermeisten beeindruckt, ist, dass das Thema, das zum Ende der Regierung geführt hat, das ich herbeigeführt habe, als es nicht mehr ging, weil es um 15 Milliarden Euro ging, die man noch zusätzlich brauchte, um nicht das eine gegen das andere auszuspielen, sich am Ende doch ausgezahlt hat mit dem Wahlergebnis und den Dingen, die damit herausgekommen sind. Ja, ich will es gar nicht verhehlen: Wir hätten gerne weiterregiert – und ich auch. Aber ich bin froh, dass die Sozialdemokratische Partei in dieser Regierung jetzt dabei ist und dass sie Dinge durchsetzen konnte, die von großer Bedeutung für die Zukunft sind. Dazu zählt das, was wir erreicht haben an Grundgesetzänderungen für die Finanzierung der Verteidigung und für die Investitionen in diesem Land noch in der letzten Legislaturperiode. Und ich verrate kein Geheimnis: Ich war so froh darüber, dass es gelungen ist, dass ich dafür Sorge getragen habe, dass Frank Steinmeier, Jörg Kukies und ich dieses Gesetz noch unterschreiben, bevor die Legislaturperiode zu Ende ging.

Damit haben wir jetzt Luft, nicht für alles, aber für viele Investitionen, die notwendig sind und um die wir so gerungen haben, und das ist viel wert. Ich sage das ausdrücklich. Aber wir sollten nicht eine eigene Debatte vergessen, dass irgendwann der Tag kommt, wo es doch darum geht, dass es ohne Gerechtigkeit eben schwer ist, einen großen Staat zu finanzieren – ein Thema, für das die Sozialdemokratie steht und für das sie zukünftig auch weiter gebraucht wird.

Das führt mich zu dem nächsten großen Punkt, zu etwas, das unseren Wahlkampf 2021 geprägt hat und das keine Eintagsfliege bleiben darf. Das ist die Frage des Respekts. Wir müssen darüber diskutieren, was unsere Gesellschaft zusammenhält. Da ist Solidarität ein großes Thema für die Sozialdemokratische Partei. Aber wir brauchen Respekt im Miteinander unserer Gesellschaft, die so völlig anders geworden ist.

Liebe Genossinnen und Genossen, was ist der Grund, warum in den reichsten Ländern der Welt so viel Unrast ist, warum so viel rechter Populismus neue Unterstützung findet? Warum in Finnland, warum in Schweden, warum in Dänemark, warum in Norwegen, in den Niederlanden, in Belgien, in Deutschland, in Österreich? Man könnte das weiter fortsetzen. Warum der Brexit in Großbritannien? Warum Trump und MAGA in den USA? Warum das? Es gibt einen Grund, der etwas damit zu tun hat, dass gerade in unseren reichen Gesellschaften die Zukunftshoffnung abgenommen hat, dass viele nicht sicher sind, ob die Zukunft mit ihnen sein wird – etwas, das gerade für fortschrittliche Parteien von allergrößter Bedeutung ist. Wir Menschen können ohne Zukunft und Hoffnung nicht leben. Wir können ohne Hoffnung nicht leben, und fortschrittliche Parteien, sozialdemokratische Parteien können ohne die Vorstellung, dass die Welt besser wird, auch nicht erfolgreich sein.

Deshalb bleibt das ein Thema, ein Thema für die Durchlässigkeit unserer Gesellschaft. Über den Aufstieg durch Bildung haben gestern einige zu Recht gesprochen, weil es für viele hier im Raum und viele in unserem Land etwas ist, das auch durch sozialdemokratische Politik möglich wurde und was viele individuelle Biografien prägt, gerade in diesem Saal. Gleichzeitig muss für uns klar sein, dass die Gesellschaft nicht nur so zugeschnitten sein kann, dass es für die funktioniert, die Chefärztin und Unternehmenslenker oder Ministerin werden, sondern dass das etwas ist, das auch richtig ist für einen, der bei Amazon anfängt und in Rente geht, und das richtig ist für diejenigen, die im Krankenhaus als Pflegekräfte oder an der Kasse oder als Handwerker oder Arbeiter in der Fabrik arbeiten. Es ist eine absurde Vorstellung, dass die Gesellschaft die Probleme der Einzelnen nur dadurch löst, dass sie Karriere machen, sondern wir haben eine Verantwortung dafür, dass man aus jeder Lebensperspektive vernünftig, anständig und anerkannt leben kann.

Bärbel Bas hat es gestern gesagt: 20 Prozent haben einen akademischen Abschluss. Ich auch. Ich bin dafür, dass man einen haben kann. Aber ich sage ausdrücklich: Wenn die Welt so betrachtet wird, dass jeder, der den nicht hat, denkt, ich habe etwas falsch gemacht, dann hält sie nicht zusammen.

Wer sich einmal anschaut, was in den USA los ist, der wird es ganz genau sehen. Das ist das, was den MAGA-Leuten gelungen ist: Dass sie die Lebensperspektive derjenigen, die keinen College-Abschluss haben, für sich erobert haben, dass die denken, das sind unsere Leute, obwohl das Gegenteil wahr ist. Und deshalb ist es unsere Aufgabe, dass wir als Sozialdemokratische Partei für Respekt, Würde und Anerkennung jeder Lebenssituation stehen.

Der Mindestlohn, über den hier gesprochen worden ist, ist eine kleine Sache dafür, aber er ist eine wichtige, und das ist unser Verdienst. Wir haben den durchgesetzt gegen alle Widerstände. Das darf man niemals vergessen. Manchmal kriegen dann ja auf internationalen Bühnen andere Preise für die Durchsetzung des Mindestlohns. Das waren aber wir.

Nun werden ja Preise nicht an Parteien verliehen. Insofern ist das okay. Aber ich sage ausdrücklich: Es bleibt unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass man – ich will dieses Beispiel hier wiederholen – als Kassiererin mit 67 auch in 30 Jahren in Rente gehen kann, auf sein Leben zurückblickt und sagt, es ist gut gelungen. Dafür steht die Sozialdemokratische Partei.

Ich könnte mich jetzt verführen lassen, zu allem Möglichen etwas zu sagen. Das will ich nicht. Wir werden ja noch viel miteinander reden. Denn ich habe vor, ein ehemaliger Kanzler zu sein, über den sich die SPD immer freut.

Aber ich freue mich darüber, dass wir in der Regierung sind und dass darüber etwas gelungen ist – das wird für die Ministerinnen und Minister, die hier sitzen, für die Abgeordneten und für viele andere gleichermaßen gelten –, dass man da hinschaut und sagt, es wird nicht Rückschritt organisiert. Das, was wir vorangebracht haben, wird nicht wieder rückabgewickelt. Und das war eine ernsthafte Gefahr. Ich habe das so gesehen, denn in Deutschland hat sich auch bei den Konservativen etwas verändert. Für mich waren das früher immer die sogenannten Bis-hierhin-und-nicht-weiter-Konservativen. Das heißt, so richtige, wichtige Reformen für Deutschland haben sie nicht selbst erkämpft, aber hingenommen, mitgemacht, nicht wieder rückgängig gemacht. Das gilt zum Beispiel auch für die erwähnten Ostverträge. Beinahe sollte Willy Brandt darüber gestürzt werden. Man ist vor das Bundesverfassungsgericht gegangen. Aber als sie dann dran waren, haben sie sie gelassen, und 1990 haben wir, wie gesagt, unsere Verträge in diesen Jahren zur Einheit gemacht.

Aber ich will ausdrücklich sagen, das war diesmal etwas, über das diskutiert worden ist. Darum bin ich sehr froh, dass das in keinem Politikfeld relevant passiert, sondern dass wir das Erreichte sichern. So kleine Dinge wie das Selbstbestimmungsrecht, das nicht viele Menschen betrifft, aber das ihnen wichtig ist.

So große Dinge wie das Staatsangehörigkeitsrecht.

Ich sage das deshalb, weil es auch mir lebenslang – fast ein ganzes Leben lang – eine wichtige Sache war. In den achtziger Jahren habe ich, als es noch provokant war, bei den Jusos einen Einwanderungskongress organisiert. Da waren alle irritiert, dass man das Wort für Deutschland verwendet. Heute sagen das alle und klingen so, als hätten sie es schon immer getan. Das war nicht so, ist aber trotzdem gut.

Aber wir haben versucht, daraus die Konsequenzen zu ziehen, und das haben wir schon 1998/1999 im ersten Anlauf versucht. Ich sehe Nancy Faeser. Das war schwierig für die hessische Politik. Es hat viele Konsequenzen gehabt und ist immer wieder schwierig geworden. In der letzten Legislaturperiode haben wir endlich ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht bekommen.

Da geht es gar nicht um jede einzelne Formulierung, um all die einzelnen Regelungen, die damit verbunden sind, sondern um die Kernbotschaft: Wenn du hier lebst – erst recht, wenn du hier geboren bist –, wenn du die deutsche Sprache sprichst, wenn du hier arbeitest und dich anstrengst, dann wollen wir, dass du deutscher Staatsbürger wirst und mitbestimmst. Das haben wir durchgesetzt, und das wird nicht rückabgewickelt.

Um die Offenheit unserer Gesellschaft für eine solche Haltung zu erhalten, haben wir immer auch Verantwortung dafür tragen müssen und wollen, dass irreguläre Migration zurückgeht. Und die Zahlen gehen zurück wegen der Entscheidungen, die wir getroffen haben. Aber wir waren auch immer klar, und auch das steht außer Frage: Das größte Land Europas wird nicht europäische Verträge brechen. Das größte Land Europas hält sich an das deutsche und internationale Recht, das wir unterzeichnet haben, und wir arbeiten gut zusammen mit unseren Nachbarn. So wird es auch in Zukunft sein. Da bin ich sicher.

Einen Punkt will ich noch sagen, und der hat etwas mit der Modernisierung unserer Volkswirtschaft in ökologischer und in technologischer Hinsicht zu tun. Ein großes Thema, ein Thema für viele Infights, für Sich-wirklich-Auskennen und wahrscheinlich ein Thema, an dem ein qualitativer Sprung in der deutschen Politik erforderlich ist. Denn man kann schon als Politiker erfolgreich eine Karriere machen und immer das Richtige fordern, aber für die Details sind andere da. Also, alles muss schneller gehen, und schon sind die anderen dran. Das ist sehr beliebt. Aber es muss alles schneller gehen. Es kann nicht so sein, wie es jetzt ist. Wie schlimm es ist, das merkt man, wenn man sich einmal ein bisschen in anderen Ländern umschaut. Ich gucke mir gerade viele amerikanische Bücher darüber an, warum alles steckenbleibt, warum nichts vorangeht, warum wir kein Wachstum haben, warum die Juristen jede Genehmigung 20 Jahre aufhalten. Das klingt, als wäre das ein Zeitbericht aus Deutschland. Deshalb sage ich: Da haben wir viel erreicht, aber da müssen wir weitermachen, denn wir müssen sicherstellen, dass wir ein erfolgreiches Industrieland bleiben und dass wir das schaffen, ohne dass die Umwelt so leidet, dass wir in ihr nicht mehr leben können.

Liebe Genossinnen und Genossen, wir werden noch viel über die Frage diskutieren, wie wir bessere Ergebnisse erzielen können. Das muss bei dem Wahlergebnis so sein. Ich will mich hilfreich an der Debatte beteiligen in meiner neuen Rolle. Aber ich sage ausdrücklich: Im Mittelpunkt wird die große Frage von Respekt als Thema des Zusammenhalts unserer Gesellschaften stehen. Ich sage aber auch ausdrücklich, es ist etwas wert, was hier in einer so langen Parteigeschichte und Demokratiegeschichte in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert gewachsen ist. Wer sich umschaut in der Welt oder auch nur in Europa, der wird sehen, dass es gar nicht so oft vorkommt, dass eine sozialpolitisch progressive Partei zugleich für wirtschaftliche Vernunft und Wachstum, für das Funktionieren der Gemeinschaft des Staates und auch für Außen- und Sicherheitspolitik offen ist, das machen kann und eine Partei ist ohne Ressentiments. Denn das ist etwas Besonderes in Zeiten, die schwer werden, in Zeiten, in denen es unendlich viele Widerstände gibt, in Zeiten, in denen Probleme größer werden in der Welt und hierzulande: Sicherzustellen, dass wir an die Zukunft denken, dass wir daran denken, dass es ein Miteinander unterschiedlicher Menschen geben muss, die gemeinsam glücklich sein können, und dass das nicht geht, wenn wir nicht zusammenhalten.

Deshalb ist es die wichtigste Aufgabe, die wir haben, den rechten Populismus wieder zurückzudrängen. Das geschieht nicht, weil man das morgens beschlossen hat, und abends ist es erledigt. Das geschieht, weil wir die Gründe verstehen. Ich habe über einige davon gesprochen, und ich unterstreiche das. Aber der wichtigste Faktor in unsicheren Zeiten in den reichen Ländern – und wir sind eines der reichsten der Welt – ist die Unsicherheit über die Zukunft und die rechte populistische Lösung, dass man Feinde haben soll, Feinde im Äußeren und Feinde im Inneren. Deshalb ist der Unterschied zwischen uns als der Partei des Volkes und anderen, die behaupten, für das Volk zu sprechen, dass wir es wirklich tun und dass wir nicht die einen gegen die anderen ausspielen – nicht in diesem Lande und nicht mit äußeren Feinden, die man sich sucht, um das alles hinzukriegen.

Es gibt Gründe für die Nähe, für die emotionale Nähe zwischen AfD und Putin; denn in Wahrheit sind es beides Leute, die Feinde suchen, um ihre Macht zu sichern oder sie zu erobern. Wir sind gegen die Verfeindung der Gesellschaft. Wir sind für Zusammenhalt und Solidarität, und wir werden dabei erfolgreich sein. Da bin ich sicher.

Liebe Genossinnen und Genossen, ein paar Worte durfte und wollte ich sprechen. Aber es soll dabei jetzt auch sein Bewenden für heute haben. Was ich gerne sagen will, ist jedoch am Ende wie am Anfang: Es ist mir eine große Ehre, es ist etwas Besonderes, es macht mein Leben aus, es prägt das, was mich bewegt und worüber ich nachdenke. Die Sozialdemokratische Partei und ihre Rolle in diesem Land, das ist etwas, worum es geht. Und selbst wer uns nicht mag, sollte uns irgendeine Art von Erfolg wünschen.

Ich danke euch für die gemeinsame Zeit.