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02.06.2012

Rede auf dem Rathausmarkt Hamburg bekennt Farbe

Rede auf dem Rathausmarkt Hamburg bekennt Farbe

 

Meine Damen und Herren,

ich begrüße sie alle hier auf dem Hamburger Rathausmarkt. Das ist einer der großen Plätze in großen Städten, die wir in Europa haben. Und es ist ein Platz, der viel mit Demokratie zu tun hat. Die Demokratie ist unmittelbar mit diesen Plätzen verbunden. Ganz besonders gilt das an dieser Stelle, an der wir stehen, neben dem Rathaus, wo Bürgerschaft und Senat ihren Sitz haben. Und ich sage ausdrücklich: es ist der richtige Platz für unsere heutige Versammlung. Denn es ist eine Versammlung für Demokratie und Rechtsstaat. Wir bekennen Farbe dafür, dass wir uns diese Demokratie und diese Freiheit nicht von Einigen madig machen lassen. Wir stehen zusammen! 

 

Und es ist heute auch eine Veranstaltung, zu der sehr viele, sehr unterschiedliche Gruppen aufgerufen haben. Die Bürgerschaft und ihre Parteien, der Senat, die Gewerkschaften, die Sportverbände, die Handelskammer, die Handwerkskammer, die Rechtsanwaltskammer, viele, viele andere mehr. Die Kirchen, andere Religionsgemeinschaften, Migranten-Organisationen. Das ist etwas ganz Besonderes und doch ist es für Hamburg kennzeichnend, denn wir sind alle unterschiedlich, wir sind individuell, wir sind verschieden, aber wir sind eine Stadt, die vom Elan und von der Kraft der vielen Unterschiedlichen lebt. Das ist die Offenheit unserer Stadt und wir sind stolz darauf, eine weltoffene Stadt zu sein. Hamburg, das ist das Tor zur Welt, für Deutschland. Aber es ist nach beiden Seiten offen. Natürlich kommen durch dieses Tor auch viele zu uns, das ist gewollt und so war es immer. Die Stadt ist aufgebaut worden von Vielen aus unserem Land, aus Mecklenburg, aus Pommern, aus Bayern, aus Sachsen. Aber sie ist auch aufgebaut worden - über viele Jahrhunderte - von Anderen aus Europa und, auch von viel weiter her. Das ist es, was uns stark gemacht hat und das wird auch in Zukunft so bleiben: Wir kommen hier zusammen und sind gemeinsam Hamburg. 

 

Gerade jetzt und gerade heute, wo in der Stadt merkwürdige Vorstellungen von einem so genannten Tag der Deutschen auf die Straße getragen werden, sage ich: Wir bleiben dabei, dass diejenigen, die hierhergekommen sind, die hier leben, auch deutsche Staatsbürger werden sollen! Wir bekräftigen gerade an diesem Tag, dass wir an der Kampagne festhalten und alle auffordern, mit dazu zu gehören, zu dieser Gesellschaft, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erwerben und sich da von anderen nicht dreinreden zu lassen.

Hamburg bekennt Farbe: als Stadt der Vielfalt, der Sprachen, der Klangfarben, aber auch der Farben in den Gesichtern. Und wer sich hier umschaut und anderswo auf den Plätzen und Orten unserer Stadt, sieht, dass wir alle etwas davon haben und dass wir stolz sind auf die vielen Farben, die gemeinsam unser Hamburg ausmachen.

 

Wir halten zusammen und wir werden nicht dulden, dass einige von uns herabgesetzt werden. Dieser Satz duldet keine Einschränkung, weder nach Herkunft, Sprache, Hautfarbe, Religion, politischer oder sonstiger Meinung, nicht nach dem Alter, dem Geschlecht  oder sexueller Orientierung oder was sonst noch diejenigen an Einfällen haben, die die Gesellschaft spalten und Menschen gegeneinander aufbringen wollen. Wir werden uns das nicht gefallen lassen.

Denn genau das führt uns hier heute zusammen: eine Demonstration von Rechtsradikalen, von neuen Braunen, von neuen Nazis hier in unserer Stadt. Klar, das Demonstrationsrecht gilt, auch für diejenigen, von denen wir wissen, dass sie es, sobald sie dazu die Macht hätten, sofort abschaffen würden. Wir achten das Demonstrationsrecht, aber ich sage auch, wir verachten die Rechtsradikalen, die heute in unserer Stadt aufmarschieren. Und wir vergessen nicht, was die braunen Horden, was die Nazis angerichtet haben: die Verfolgung, die Ermordeten, die Konzentrationslager, den fürchterlichen Krieg, den die Nazis und das Nazideutschland der Welt eingebracht haben und natürlich auch nicht die Zerstörung und das Leid unserer Stadt, das die Folge der Naziherrschaft war. Alles das vergessen wir nicht.

 

Und noch etwas führt uns heute zusammen: Wir vergessen auch nicht, dass viele mitgemacht haben. Dass in diesem Rathaus ein Nazi gesessen und regiert hat. Wir schämen uns auch heute noch dafür. Und wir sind bedrückt, wir sind empört über das, was eine rechtsradikale Nazi-Mörder-Bande in diesem Lande in den letzten Jahren getan hat. Und dass es nicht rechtzeitig aufgedeckt und aufgeklärt wurde. Wir sind bedrückt und wollen, dass so etwas in diesem Land nicht geschehen kann. Den neuen Nazis die sich nun in Wandsbek versammeln, rufen wir zu: Wir werden Demokratie und Freiheit gegen sie verteidigen. Sie werden eine verschwindende Minderheit in unserem schönen Land bleiben. Wir sind stolze Bürger, wir sind stolze Bürgerinnen, die ihre Stadt und ihre Demokratie verteidigen und wir sind froh, dass wir heute eine stabile Demokratie haben. Trotzdem ist es nicht nur wichtig, dass wir heute zusammenkommen, sondern ebenso, dass wir immer wieder auf die Gefahren von rechtsaußen hinweisen. Dass die Eltern ihre Kinder aufklären, die Großeltern ihre Enkel, dass die Lehrinnen und Lehrer mit den Schülerinnen und Schülern sprechen. Aber es ist auch ein Tag, an dem wir Danke sagen. Danken wir Frauen wie Esther Bejarano und Männern wie Ralph Giordano, die immer ihren Beitrag geleistet haben, dass wir die Schrecken der Naziherrschaft und die Ursachen nicht vergessen. 

 

Heinrich Heine, der auf diesem Platz steht und uns ich bin sicher aufmerksam zuhört, der jüdische Deutsche, der sich taufen ließ, der freieste Geist und modernste Dichter seiner Zeit, der hatte seine Not mit uns Hamburgern, das wissen wir. Aber heute, glaube ich, sagt er mit uns gemeinsam : Wir bekennen Farbe, wir stehen zusammen!

 

Es gilt das gesprochene Wort.