14.4.2000 - SPD LandesparteitagEntwurf der Rede Olaf Scholz auf dem Landesparteitag der SPD Hamburg am 14. April 2000
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Liebe Genossinnen und Genossen,
die Parteien in der Bundesrepublik waren in den letzten Jahren bei Wahlen in wachsendem Maße Wechselbädern ausgesetzt. Großen Wahlerfolgen folgte die eiskalte Dusche einer Wahlniederlage. Uns geht es da nicht anders als unseren Konkurrenten. Dem großartigen Wahlerfolg bei der Bundestagswahl 1998 folgten enttäuschende Ergebnisse bei der Europawahl und schlimme Ergebnisse bei den Landtagswahlen des letzten Jahres. Jetzt ist wieder alles anders: in Schleswig-Holstein hat die SPD deutlich an Stimmen zugelegt und sogar noch so viel Kraft gehabt, die schwächelnden Grünen über die 5%-Hürde zu befördern.
Manches Wahlergebnis lässt sich sehr konkret auch mit politischen Fehlern erklären. Sicher sind die Wahlniederlagen des Jahres 1999 nur im Zusammenhang mit den offensichtlichen Startschwierigkeiten der neuen sozialdemokratischen Bundesregierung zu erklären. Sicher hilft jetzt, dass die SPD zum Ende des Jahres 1999 auf dem Bundesparteitag zu neuer Geschlossenheit gefunden hat, dass sie in Bundesrat und Bundestag eine Mehrheit für das Zukunftsprogramm der Bundesregierung erringen konnte, dass die Regierung auch in der Art und Weise ihres Vorgehens Tritt gefasst hat und natürlich auch die Diskussion um die Spendenpraxis von Dr. Kohl, die zu Recht von den Wäherinnen und Wählern mit schlechten Wahlergebnissen für die CDU beantwortet wird.
Trotzdem, es wäre eine großer Fehler, die großen Stimmenschwankungen der letzten Jahre alleine und ausschließlich mit tagespolitischen Ereignissen erklären zu wollen.
Die Parteien, auch unsere Partei, finden gänzlich veränderte Bedingungen vor, als sie noch vor 10, 20 oder gar 50 Jahren gegolten haben.
Alle Parteien, vor allem aber die großen Volksparteien müssen feststellen, dass traditionelle Bindungen, milieubezogene Loyalitäten immer weniger selbstverständlich sind und dass die Zahl der Wählerinnen und Wähler, die einen ohne weiteres unterstützen - egal was man anstellt - immer geringer wird, die Zahl der Wählerinnen und Wähler aber, die man jedes mal neu für sich und die eigene Politik gewinnen muss, größer wird. Das ist aus meiner Sicht übrigens keineswegs ein beklagenswerter Zustand, sondern hat auch was mit wachsender Informiertheit und mit Demokratisierung in unserer Gesellschaft zu tun.
Auch die bei allen Parteien festzustellende Zahl sinkender Parteimitgliedschaften gehört in den großen Trend. Selbstverständlich wird es unsere Aufgabe sein, ständig neue Mitglieder zu werben. Aber auch dieser Trend muss uns nicht wirklich ängstigen. Nach wie vor ist die deutsche Sozialdemokratie mit ihrer bald 137jährigen Geschichte eine große mitgliederstarke Partei. Der Blick auch nur ins nähere Ausland zeigt einem, dass es kaum auf der Welt in demokratischen Staaten eine so große Partei gibt wie die unsere mit ihren 750.000 Mitgliedern.
Wir müssen die veränderte Situation als Herausforderung begreifen.
Das bedeutet zum einen, dass wir eine politischen Perspektive entwickeln, die uns die Chance, eine große, erfolgreiche Volks- und Regierungspartei zu sein, sichert. Dafür taugen keine Konzepte, die nur auf Parteitagen und wenn man ganz unter sich ist, erfolgreich erklärt und verstanden werden können.
Damit das gelingt, muss die Partei sich auch organisatorisch öffnen und die Debatte mit den Menschen auch außerhalb der SPD führen, ja ihnen die Möglichkeit an der innerparteilichen Diskussion teilzunehmen, eröffnen. Dazu will ich später noch etwas sagen.
Es gehört auch dazu, dass wir eine politische Perspektive entwickeln, die sich weder in reinem Pragmatismus erschöpft noch Visionen entwickelt, die mit irgendeiner möglichen politischen Praxis der Sozialdemokratie als Regierungspartei nichts zu tun haben kann. Vielmehr kommt es gerade darauf an, beides miteinander in Einklang zu bringen. Ich habe im Laufe meiner Mitgliedschaft in der SPD immer weniger verstanden, dass bei manchen, die uns kommentieren, aber auch bei manchen Parteimitgliedern, ganz unwidersprochen, ganz selbstverständlich davon ausgegangen wird, dass Regierungspraxis und politische Vision notwendigerweise nichts miteinander zu tun haben können. Ich habe auch nie verstanden, dass dafür dann arbeitsteilige Vorstellungen entwickelt wurden, nach dem Motto Für die Visionen, die folgenlosen, ist die Partei zuständig und für die Praxis, die folgenreiche sind es die regierenden Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten. Zukunftsfähig kann eine Partei nur sein, die es schafft beides so miteinander in Einklang zu bringen, dass sowohl den Mitgliedern als auch den Wählerinnen und Wählern der Zusammenhang zwischen den langfristigen politischen Vorstellungen und Zielsetzungen einer Partei und dem, was sie in einer Regierung tut, verstehbar bleibt.
Selbstverständlich kann eine moderne sozialdemokratische Partei nur dann erfolgreich sein, wenn sie die Perspektive der Regierungspartei vorbehaltlos annimmt. Nur dann ist es übrigens auch möglich, sich mit den Aspekten, die einem an der Regierungspolitik nicht gefallen, auch kritisch auseinander zu setzen. Die deutsche Sozialdemokratie hat nicht oft in unserem Lande regiert. In der Bundesrepublik Deutschland stellen wir mit Gerhard Schröder erst das dritte Mal den Regierungschef und mit Johannes Rau erst das zweite Mal den Staatschef unseres Landes. Auch in der Weimarer Republik haben Sozialdemokraten nur kurz die Regierungsgeschäfte bestimmt. Auch in den demokratischen Zeiten Deutschlands haben meistens nur Konservative die Regierung bestimmt. Aber: Nachdem wir nun das dritte Mal im Nachkriegsdeutschland regieren, können wir nicht mehr so tun, als wären wir eine oppositionelle Bewegung, sondern wir sind eine der beiden großen Regierungsalternativen, die in diesem Lande miteinander streiten. Das muss unser Handeln, aber auch unsere Programmatik bestimmen.
Gerade das Jahr 1999 hat uns dabei gelehrt, dass der Kurs der sozialdemokratischen Partei hauptsächlich auf der Zusammenführung zweier Zielsetzungen beruht: wirtschaftlicher Modernisierung und Innovation auf der einen Seite und sozialer Gerechtigkeit auf der anderen. Ganz so, wie wir das in unserem Wahlkampf auch vertreten haben. Glaubwürdig und langfristig erfolgreich wird uns das aber nur gelingen, wenn auch innerparteilich diese beiden Ziele nicht als Gegensatz begriffen, sondern als Teil eines einheitlichen politischen Konzeptes vertreten werden. Ich glaube sogar, dass das das Erfolgsmodell einer sozialdemokratischen Partei sein kann, weil das auch den Vorstellungen der Menschen entspricht. Keiner würde uns glauben, versprächen wir ihnen, die Globalisierung könnte in unserem Lande außen vor bleiben. Keiner würde uns glauben, versprächen wir ihnen, dass wirtschaftlicher Wandel mit all seinen auch komplizierten Folgen für die Menschen vermieden werden kann. Nein, die Menschen erwarten sogar, dass wir das, was an wirtschaftlicher Modernisierung, an Investitionen in Bildung und Infrastruktur geschehen muss, vorantreibt Historisch sind wir es auch, die das meistens besonders intensiv getan haben. In der ersten sozialdemokratischen Regierungszeit von 1969 bis 1982 ist uns geradezu ein Durchbruch in Wissenschaftsförderung und Bildungspolitik gelungen, der jahrelang an der verkrusteten Politik der Vorgängerregierung gescheitert war. Und auch jetzt ist es eben die neue sozialdemokratische Wissenschaftsministerin Bulmahn, die mit aller Kraft die Innovation unseres Wissenschaftsbetriebes vorantreibt und war es nicht der ehemalige sogenannte Zukunftsminister Rüttgers, der als Spitzenkandidat der nordrhein-westfälischen CDU sich mit peinlichen Parolen nach dem Motto Kinder statt Inder hervortut. Auch jetzt sind wir diejenigen, die die innovativen Potentiale unserer Gesellschaft hervorlocken. Zugleich müssen wir aber den Menschen tatsächlich und auch glaubwürdig versichern, dass zwar der wirtschaftliche Wandel nicht nur nicht aufgehalten, sondern vorangetrieben wird, aber das sie dabei nicht unter die Räder kommen. Deshalb ist die Verteidigung und Sicherung des Sozialstaates ein notwendiges zweites Standbein unserer sozialdemokratischen Politik. Das im übrigen ist dasjenige, was sich historisch mit der Sozialdemokratie verbindet und weshalb wir entstanden sind. Umfragen über die Identität der Deutschen kommen relativ übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die soziale Sicherheit dasjenige ist, was den Deutschen an ihrem Lande am meisten gefällt. Gelingt es uns, wirtschaftliche Modernisierung und soziale Sicherheit miteinander stets in einem vernünftigen Einklang zu halten, brauchen wir uns als sozialdemokratische Partei um unsere Rolle im politischen System dieses Landes und auch um unsere Zukunftsfähigkeit keine Sorgen zu machen.
Die CDU ist da in einer ganz anderen Lage. Die Anfangsschwierigkeiten der sozialdemokratischen Bundesregierung haben das wohl ein wenig verdeckt. Tatsächlich ist der künftige Kurs der Christdemokraten überhaupt noch nicht vorhersehbar. Traditionelle Themen, mit denen die CDU früher ihre Wählerinnen und Wähler zusammengehalten hat, taugen so wie das bisher bei denen diskutiert wurde, immer weniger. Ob das die Familienpolitik betrifft, den Ost-West-Konflikt oder andere traditionelle konservative Themen. Die alten Antworten stimmen nicht mehr. Vor allem im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik muss sich die deutsche konservative Partei genauso wie ihre europäische Schwestern entscheiden, ob sie weiterhin Volkspartei sein will. Die Wahl des neuen Fraktionsvorsitzenden der CDU, Merz, ist, das kann man ohne Übertreibung sagen, eine Entscheidung gegen das Konzept einer erfolgreichen Volkspartei. Bisher war Herr Merz nur ein eloquenter Steuerfachmann. Auch heute ist er eigentlich noch nichts anderes. Und er rüttelt die Republik auf mit lauter Vorschlägen, die bei einem Fraktionsvorsitzenden der FDP noch durchgehen könnten, aber nicht bei einem Fraktionsvorsitzenden einer Partei, die sich darum bemüht, 40% der Stimmen der Wahlbevölkerung für sich zu gewinnen. Er hat sich gesundheitspolitisch hervorgetan und vorgeschlagen, dass Patienten für die Behandlung von Alltagskrankheiten und Sportunfällen selbst aufkommen sollen. Er meint, wer Geld für den Skiurlaub hat, muss auch den Gips selbst bezahlen. Er hat sich als Rentenpolitiker profiliert und vorgeschlagen, dass die Menschen in Zukunft erst mit 70 in Rente gehen sollen und dass die Renten am besten alle besteuert werden. In der Steuerpolitik kennt er nur ein Thema: Die Senkung des Spitzensteuersatzes. Er ist ein richtiger Spitzensteuersatzfeteschist. Dabei zahlen selbst die meisten CDU Wähler gar nicht den Spitzensteuersatz. Auch für die Wirtschaft ist das nicht der wichtigste Punkt; obwohl sie natürlich jede Steuersenkung begrüßt. Fast weinend hat er sich darüberbeschwert, dass die Wirtschaft die jüngsten steuerpolitischen Vorschläge der Bundesregierung unterstützt und verlangt, dass sie seinen folgen sollen. Dabei wissen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten seit weit über 100 Jahren, dass das nicht die Eigenart unserer Wirtschaft ist, sich den Vorstellungen einer Partei unterzuordnen. Da geht es um andere Gesichtspunkte. Die CDU ist keine Volkspartei, dafür steht Herr Merz, ob Frau Merkel ihn darin aufhalten kann oder will, werden wir sehen. Ich will offen sagen, dass ich mich über die Wahl von Frau Merkel als Bundesvorsitzende der CDU freue. Aus den gleichen Gründen übrigens wie viele andere. Sie scheint nichts zu tun zu haben mit den Machtkartellen älterer Herren, die in der CDU wohl doch das Sagen haben. Jetzt wird es aber darauf ankommen, was sie daraus macht und ich bin ziemlich sicher, dass die alten Machtstrukturen der CDU stärker sind als Frau Merkel und ich bin völlig unsicher, ob Frau Merkel überhaupt ein anderes politisches Konzept hat als dasjenige, für das der neugewählte Fraktionsvorsitzende so heftig wirbt. Politik jedenfalls, die Herr Merz propagiert, hat in Europa schon andere konservative Parteien kleiner gemacht. Die englischen Tories sind so ein Beispiel. Eine Volkspartei erträgt keinen doktrinär wirtschaftsliberalen Kurs. Die CDU scheint aber auf dem besten Wege dazu.
Die CDU verlässt nicht nur das Konzept der Volkspartei. Herr Merz steuert zusammen mit Stoiber die CDU weg von dem Europa-politischen Kurs des Kanzlers Kohl. Aus vielen Bundestagsreden, aus vielen Äußerungen dieser Partei wird immer deutlicher eine wachsende Distanz zu Europa erkennbar. Als die Außenminister aller europäischen Mitgliedsstaaten beschlossen haben, bilaterale Kontakte auf Regierungsebene zu Österreich einzustellen, um zu demonstrieren, dass Europa auch eine Wertegemeinschaft ist, bei der Demokratie und Menschenrechte und die Entwicklungsmöglichkeiten von Minderheiten zum Kern der europäischen Verfassung gehören, hat sich die CDU und hat sich Stoiber deutlich dagegen gewandt. Gerade Stoiber hatte nichts eiligeres zu tun, als den Österreichern zu versichern, dass er eine komplett andere Politik für richtig hält. Wenn man seine Äußerungen zur Innenpolitik hört, ist das auch nicht ganz ohne Logik. Dann treten sie auf und kritisieren die Gleichbehandlung der Türkei mit anderen Beitrittsaspiranten zur Europäischen Union, eine Gleichbehandlung, die ja nicht bedeutet, dass das, was an Rechtsverletzung und Demokratiedefiziten in der Türkei festgestellt werden kann, nicht geändert werden muss, wenn die Türkei die Beitrittsperspektive erfolgreich realisieren will. Aber sie bedeutet, dass ein Staat, auf dessen Territorium weite Teile der Wurzeln der europäischen Geschichte sich ereignet haben, und dass einen großen Teil der Migranten in die westeuropäischen Gesellschaften stellt, naturgemäß auch zu den möglichen Mitgliedsstaaten der europäischen Union gehört. Diese Art der Politik, die Abwendung von Europa, erinnern fatal an die Art und Weise, wie die CDU dereinst die Ostpolitik des Kanzlers Brandt bekämpft hat.
Die veränderten Bedingungen, unter denen Parteien heute arbeiten, ergeben sich auch aus den Auswirkungen, die unsere moderne Mediengesellschaft auf das Gefüge der Parteien hat. Immer mehr wird das Handeln der Parteien von den Anforderungen der Mediendemokratie bestimmt. Das hat Folgen für Geschlossenheit, das hat Folgen für die mediengerechte überraschende Präsentation von Entscheidungen. Die SPD ist dieser Hinsicht noch nicht einmal unerfolgreich. Schon Willy Brandt hat moderne mediengerechte Wahlkämpfe geführt, die damals auch schon Gesprächsstoff gewesen sind. Der Wahlkampf der SPD bei der letzten Bundestagswahl ist auch ein solches Beispiel gewesen.
Trotzdem: die Partei darf in der Mediendemokratie ihre innerparteiliche Demokratie und die Mitwirkungsmöglichkeiten der Mitglieder nicht vernachlässigen. Ein Bundesparteitag, wie der, auf dem wir Gerhard Schröder als Kanzlerkandidaten nominiert haben, wo der von dem Kandidaten zurückzulegende Weg sowie das Klatschen minutenweise im Detail eines Regiebuches geregelt worden sind, darf nicht allzu oft eine Wiederholung finden. Vor allem aber darf eine Partei mit 750.000 Mitgliedern im Bundesgebiet und fast 15.000 in Hamburg nicht nach den Kriterien einer Werbeagentur geführt werden. Mitglieder haben zu Recht das Bedürfnis, zu entscheiden und mit zu machen. Und das werden sie nicht tun, wenn sie im Prinzip aus Presse, Funk und Fernsehen bzw. per Brief von Seiten der Vorsitzenden erfahren, was sie als nächstes zu tun haben. Wir müssen uns daher Gedanken machen über Beteiligungsmöglichkeiten der Mitglieder in unserer Organisation.
Die klassischen Formen, der Ortsverein, die Parteitage der Kreise und der Landesparteitag, der Bundesparteitag können die intensiven Beteiligungsbedürfnisse sicher nur unbefriedigend abdecken. Ganz oft stehen sie auch viel zu sehr im Blickpunkt von Öffentlichkeit, um eine faire und ausführliche Debatte zu ermöglichen.
Ich bin daher dafür, dass wir neben unseren traditionellen Delegiertenversammlungen, die nach wie vor ihre große Bedeutung haben werden, auch andere Formen der Diskussion organisieren und ermöglichen. Diese sollen eine Öffnung gegenüber der Partei sein und die Delegierten einbeziehen. Aber nicht nur diese. Sie sollen auch dazu dienen, die Partei nach außen zu öffnen. Es spricht nichts dagegen auch Interessierte und Nichtmitglieder an inhaltlichen Debatten der SPD zu beteiligen. Das kann nur gute Wirkungen haben. Es verschafft unseren Debatten einen größeren Alltagsbezug. Es interessiert vielleicht auch Menschen dauerhaft für die Mitarbeit in unserer Partei.
Ich bin sogar davon überzeugt, dass erfolgreich organisierte Diskussions- und Beteiligungsmöglichkeiten die Attraktivität unserer Partei steigern können. In den 50er und 60er Jahren und in den 70er Jahren war es doch so, dass auch viele Informationen auf den Parteiveranstaltungen vermittelt wurden. Das ist auch heute noch so. Aber die Menschen, die sich aus den Zeitungen und aus dem Fernsehen informieren, sind über die Grundzüge dessen, was politisch gedacht und bewegt wird, natürlich auch ohne Distriktsversammlungen informiert. Als Konkurrenz zu Fernsehen, Radio und Printmedien sind die Parteien nur begrenzt geeignet. Viele haben das schon einmal erlebt, wenn sie als Referenten auf eine Veranstaltung gehen und nicht vorher noch einmal kurz Nachrichten gehört haben. Die Zuhörer wissen dann mehr als der Referent, weil sie es eben vor der Veranstaltung getan haben.
Unsere Chance ist: Meinungsbildung ist etwas, das nur in Gruppen gut stattfinden kann. Mit Ausnahme der Chats im Internet bieten die Medien keine Möglichkeit zu einem richtigen Gespräch. Deshalb muss die Partei neue und für jedermann zugängliche Foren für Diskussion und Meinungsbildung bieten.
Die Distrikte, können aus meiner Sicht durchaus eine große Zukunft haben. Wo sonst, als an dieser Stelle in unserer Gesellschaft, kommen Menschen aus ganz unterschiedlichen beruflichen und wirtschaftlichen und bildungsmäßigen Hintergründen an einem Ort zusammen. Ich stelle jedenfalls fest, dass immer mehr Menschen unter sich bleiben und sich nur unter Freunden bewegen, die den gleichen beruflichen und bildungsmäßigen Hintergrund haben. Der sozialdemokratische Distrikt ist da ein richtiges Gegenmittel.
Übrigens ist das auch sehr wichtig, weil gerade die political community sich in wachsendem Maße durch einen einheitlichen Lebenshintergrund auszeichnet. Die Abgeordneten in unseren Parlamenten, die Journalisten, die Vertreter der Verbände, bis hin zu den Gewerkschaften, werden immer mehr dominiert von Personen mit einem akademischen Ausbildungshintergrund. Es kann schon passieren, dass es Themen gibt, über die sich dort alle mehr oder weniger einig sind, die aber einen großen Teil der Gesellschaft nicht miteinbeziehen.
Selbstverständlich muss sich mancher Distrikt in der Zukunft noch in seinem Vorgehen etwas ändern. Fast jeder von uns kennt die folgende Geschichte, mancher aus eigenem Erleben: Das neue Mitglied kommt auf eine Distriktsversammlung, niemand fragt es, wie es heißt, wer es ist. Die Versammlung verläuft ungerührt ohne jede Ansprache des neuen Mitgliedes. Sie endet. Kein Wort wird an das neue Mitglied gerichtet und es wird ihm auch nicht mitgeteilt, dass die Aktiven zum Beispiel hinterher noch ein Bier trinken gehen und wo. So geht das natürlich nicht.
Noch in einer anderen Hinsicht werden die Distrikte wichtig für die Zukunft unserer Partei bleiben. Nur die SPD ist in allen Stadtteilen wirklich vorhanden; nur bei uns gibt es auch in den weniger einkommensstarken Stadteilen Nachbarn die aktive Mitglieder der SPD sind. Wir sind nicht nur die Hamburg Partei, wir sind auch die Partei aller Hamburger.
Eine gewaltige Veränderung kann, muss und wird auch durch das Internet eintreten. Viele Menschen werden sich über Parteien, über das, was sie denken, in Zukunft über das Internet informieren. Viele werden im Internet der SPD beitreten, und vielleicht lange bevor sie Mitglied sind, an Diskussionsforen teilnehmen. Ich begrüße es daher, dass der Generalsekretär Müntefering sich den massiven Ausbau des SPD-Intranet und Internet zum Ziel gesetzt hat. Alle Ortsvereine sollen miteinander vernetzt werden. Es gilt, dass wir bei diesem wachsenden Medium von Anfang an dabei sind.
Neben der Reform der Partei und der Öffnung ihrer Diskussionsstrukturen für Interessierte von Außen werden wir die Zukunft der Demokratie und die Rolle der Partei auch stets selber diskutieren müssen. Das ist keine Sache, die uns von Außen aufgezwungen werden muss.
In unserem Wahlprogramm, in unserem Grundsatzprogramm und auch in der Koalitionsvereinbarung mit den Grünen haben wir festgelegt, auf Bundesebene Volksentscheide zu ermöglichen. Wir sollten noch in dieser Legislaturperiode auch einen Versuch machen, dafür die erforderliche Verfassungsändernde Mehrheit zustande zu bringen und einen richtig gestalteten Volksentscheid bundesweit ermöglichen.
Selbstverständlich kommt es dabei darauf an, aus den Erfahrungen aus anderer Stelle zu lernen. Bisher sind die Erfahrungen, die wir mit den neueingeführten Elementen der Bürgerbeteiligung in Hamburg haben, ja nicht so berauschend. Das hat auch etwas zu tun mit schlichtweg dilletantischen Strukturen des Gesetzes für Bürgerentscheide auf bezirklicher Ebene. Aber es hat auch etwas damit zu tun, dass sich zunächst einmal alle diejenigen gemeldet haben, die konkrete Vorhaben vor Ort verhindern wollten. Das soll aber für uns kein Argument gegen weitere Formen der Bürgerbeteiligung sein. Vielmehr kommt es darauf an, auf lange Sicht dafür zu sorgen, dass wir einen funktionsfähigen Rahmen erhalten. Leider ist es ja bisher so, dass es manchem populistisch argumentierenden Aktivisten gelingt, Formen direkter Demokratie als Wehrmittel des Volkes gegen die Machenschaften in Parlamenten, Verwaltungen, Regierungen zu beschreiben. Dementsprechend ist die Diskussion über dieses Thema auch durchaus nicht glücklich verlaufen und eine vernünftige Debatte über einen vernünftigen Gesetzesinhalt zum Beispiel im Rahmen der Diskussion über die Veränderung des Volksentscheids in Hamburg sehr beeinträchtigt worden. Wir dürfen aber nicht zulassen, dass Formen von größerer Beteiligung der Bevölkerung an Einzelentscheidungen Bestandteil eines letztlich antidemokratischen Diskurses werden. Die demokratischen Parteien müssen das Thema für sich entdecken und dementsprechend auch zu einer vernünftigen Debatte beitragen. Selbstverständlich ist das auch ein gemeinsamer Auftrag an die Parteien und an die über Bürgerentscheide und Volksentscheide berichtenden Journalistinnen und Journalisten. Wenn sie nur darüber berichten, wer dafür und wer dagegen ist, aber nicht über die Inhalte, die alternativ zur Abstimmung stehen, dann entsteht keine Öffentlichkeit, wie sie erforderlich ist für eine Kultur solcher direkter Einzelentscheidungsbefugnisse der Bevölkerung.
Franz Müntefering hat eine Diskussion angestoßen, indem er auch vorgeschlagen hat, dass die Bürgerinnen und Bürger, wenn sie sich zum Beispiel als Wähler einer Partei bei ihr registrieren lassen, an der Auswahl von Kandidatinnen und Kandidaten mitwirken können sollen. Er hat konkret vorgeschlagen, dieses für das Jahr 2006 für die Bundestagswahl möglich zu machen. Sicher gilt es vieles Für und Wider abzuwägen. Keinesfalls dürfen solche Formen der größeren BürgerInnenmitwirkung dazu führen, dass Geld oder Medienmacht über die Chancen einzelner KandidatInnen entscheiden. Aber ich glaube, dass am Ende die Vorteile einer solchen größeren Beteiligungsmöglichkeit überwiegen. Warum sollen nicht diejenigen, die sich schon als Wähler haben registrieren lassen und an einer Auswahlentscheidung teilgenommen haben, nicht später auch Interesse daran finden, aktive Mitglieder einer Partei zu werden. Wir, die Hamburger Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sollten uns an der jetzt erforderlichen Debatte jedenfalls aktiv beteiligen.
Wir müssen die Mitglieder unserer Partei und die Öffentlichkeit an den Diskussionen beteiligen. Das kommt nicht von ungefähr. Es ist daher erforderlich, Diskussionsprozesse zu organisieren. Ich stelle mir vor, dass das dadurch am einfachsten und sinnvollsten gelingen kann, dass wir uns Schwerpunkte für die Debatte setzen, die natürlich nicht die vielen anderen Arbeitsbereiche unserer Organisation überflüssig machen, die es aber ermöglichen, integriert und über einen längeren Zeitraum hinweg zu debattieren. Solche Debatten sollen und können dann Einfluß auf unsere Regierungstätigkeit haben. Ich schlage für unsere Diskussion folgende drei Schwerpunkte vor:
Erster Schwerpunkt der Arbeit in den nächsten Jahren und unserer Diskussion soll die Situation von Kindern und Familien sein. Die Bundesrepublik Deutschland ist, ein Blick in unsere Nachbarländer zeigt es deutlich, eine der kinderunfreundlichsten Gesellschaften Europas. Auch solche Staaten, die keinesfalls ein solches Sozialprodukt erwirtschaften wie die Bundesrepublik Deutschland, weisen oft viel mehr Betreuungsmöglichkeiten für Kinder aus, als wir das hierzulande vorfinden. Das ist schon eigentümlich. Schließlich hat in den meisten Jahren der Bundesrepublik eine konservative Partei, die sich das Thema der Familienpolitik auf die Fahne geschrieben hat, regiert. Aber es ist nicht verwunderlich. Die Familienpolitik der konservativen Partei bestand letztendlich darin, einer Vorstellung von Familie nachzuhängen, die streng ideologisch gewesen ist und den vielschichtigen und immer komplizierter werdenden Lebenswirklichkeiten vieler Menschen nicht gerecht wird. Gerade in Großstädten wissen wir: viele Familien bestehen nur aus einem Elternteil und den Kindern. Bei anderen unterscheiden sich z.B. der soziale Vater, mit dem man zusammenlebt und derjenige, von dem man abstammt. Es gibt noch viele andere Dinge, die betrachtet werden müssen. Die endlich wachsende Erwerbsbeteiligung von Frauen führt natürlich auch dazu, dass das Vorhandensein von Betreuungseinrichtungen für die Kinder der berufstätigen Eltern unabdingbar sind. Wie sehr die Politik der alten CDU-Regierungen an der Lebenswirklichkeit vorbeigegangen sind, konnte man vor der letzten Bundestagswahl an Wahlumfragen und Meinungsforschungsergebnissen feststellen. Als familienpolitisch aktive und erfolgreiche Partei wurde die CDU immer weniger bei den Wählerinnen und Wählern angesehen. Auch deshalb wurde die CDU-Regierung abgewählt. Nach dem Regierungswechsel haben wir manches für die Verbesserung der Situation von Familien und Kindern getan. Steuerliche Entlastung von Familien mit Kindern ist ein sichtbares Beispiel dafür. Die Erhöhung des Kindergeldes ist ein weiteres. Die jetzt beschlossene Anhebung des BAFöGs oder die Modernisierung des Erziehungsurlaubes, mit einem Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit für beide Elternteile, zeigen, dass wir uns voran bewegen. Die Frage, wie gut die Versorgung mit Kinderbetreuungseinrichtungen ist, spielt eine Rolle. Hamburg ist hier im Vergleich mit anderen Bundesländern ganz weit vorne. Ein Thema für unsere Debatte muss die Situation der Kinder und der Familien aber sein. Ich will folgendes Leitbild für die SPD formulieren. Nicht als einziges, aber eines, an dem getestet werden kann, ob unsere Politik erfolgreich ist. Wie wäre es, wenn wir den Erfolg unserer Politik daran messen, ob sie der Situation der berufstätigen Mutter gerecht wird.
Der zweite Schwerpunkt für unsere Debatte sollten die Arbeitswelten sein. Ich stelle mir konkret eine Diskussionsreihe zu den Arbeitswelten vor. Dabei spreche ich bewusst im Plural. Es kann doch die Arbeitswelt heute nicht mehr einheitlich betrachtet werden. Nach wie vor gibt es bedeutsame Sektoren der Industriearbeit, die sich zwar auch geändert haben, aber bei denen nach wie vor Arbeitsverhältnisse in sehr traditioneller Weise vorkommen. Auch für viele Dienstleistungstätigkeiten in den Verwaltungen gilt nach wie vor ähnliches wie auch schon vor vielen Jahren. Manchem, der nur modern diskutiert, gerät dabei dieser große und bedeutende Sektor unserer Erwerbstätigkeit aus dem Blick. Darum müssen wir uns kümmern. Daneben gibt es die neuen Berufe, ganz besonders in den Medien und im Multimediabereich, die hier in Hamburg boomen. Dort gibt es ganz neue Übergänge zwischen in rechtlich richtiger Weise selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit. Auch wer angestellt ist, muss viel mehr für die Frage der Organisation seiner Arbeit Verantwortung tragen., als das vor vielen Jahren noch der Fall gewesen ist. Neue, bisher unbekannte Flexibilitäten treten auf. Diese Arbeitssituation zu diskutieren ist eine Aufgabe für Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten. Nicht zuletzt muss es um diejenigen gehen, die mit geringer Qualifikation nach Beschäftigung suchen. Auch das ist etwas, was uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten berührt. Schließlich wollen wir nicht einen Wirtschaftsboom, der einen Fachkräftemangel im High-Tech-Bereich produziert, aber die Beschäftigungssituation der gering Qualifizierten nicht verbessert. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind seit unserem Bestehen die Partei, die sich um die Arbeit in unserer Gesellschaft kümmert, gleich, ob es nun eine selbstständige oder eine nichtselbstständige Tätigkeit ist. Das muss sich auch in den Themenstellungen unserer Politik ausdrücken.
Der dritte Schwerpunkt für unsere Diskussion muss nach wie vor die Chancengleichheit sein. Wir leben in Mitteleuropa, ganz besonders in der Bundesrepublik nach wie vor in einer wenig gespaltenen Gesellschaft. In anderen Ländern ist das ganz anders. Wer sich die USA betrachtet, stellt unglaubliche Differenzen zwischen Reich und Arm und unglaubliche Chancendifferenzen fest. Ich bin sicher, dass die amerikanische Polizei nicht viel schlechter ist als diejenige in Deutschland oder Hamburg. Aber sie hat gar keine Chance gegen die Kriminalität, die aus der Spaltung amerikanischer Städte etwa entsteht. Hierzulande kann man, trotz aller notwendigen Diskussionen über Kriminalität und ihre Bekämpfung letztlich überall sicher spazieren gehen. In den USA ist das auch tagsüber nicht überall gewährleistet. Das ist der Unterschied und der kommt aus der unterschiedlichen sozialen Struktur. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass solche Verhältnisse bei uns niemals entstehen. Ich finde daher richtig, mit Anthony Giddens darüber zu diskutieren, wie wir verhindern können, dass es Ausgeschlossene in unserer Gesellschaft gibt. Das kann die Reichen, etwa an der Elbchaussee genauso betreffen, wenn sie sich nur noch unter sich bewegen wie diejenigen, die in einem Stadtteil leben, in dem viele Menschen auch über Generationen hinweg Sozialhilfe beziehen. Daher wird es darauf ankommen, dass wir die Integrationschancen, die sich über Erwerbstätigkeit ergeben, nutzen, fördern und ausbauen.
Ich glaube auch, dass es richtig ist, in diesem Zusammenhang über Chancengleichheit im Bildungsbereich zu diskutieren. Viele von uns haben unmittelbar von der Mobilität profitiert, die durch die Bildungsoffensive auch der ersten sozialdemokratischen Bundesregierung entstanden ist. Ich selbst gehöre zu denjenigen, die aus einem Elternhaus stammen, in dem die vorherige Generation nicht Abitur gemacht hat, der aber das einfach und bruchlos konnte und anschließend studiert hat. Ich erkenne so etwas wie eine neue Verselbstständigung der jetzt viel größer gewordenen gebildeten Milieus, deren Kinder nun wieder an die Erfahrung der Eltern anknüpfen, die guten Bildungsangebote unserer Gesellschaft nutzen, ohne dass andere die gleichen Mobilitätschancen wahrnehmen. Wie das aufgebrochen werden kann, muss ein Thema für Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sein, wenn es uns um die Zukunft einer integrierten und nicht gespaltenen Gesellschaft geht.
Liebe Genossinnen und Genossen. Am Ende des nächsten Jahres wird erneut eine Bürgerschaftswahl anstehen. Erneut müssen wir alle Anstrengungen darauf richten, die sozialdemokratische Regierungsmehrheit erneut herzustellen.
Es läuft gut und die Chancen stehen nicht schlecht. Vor allem die Opposition ist wie seit vielen Jahrzehnten nicht wirklich so, dass sich viele Hamburgerinnen und Hamburger vorstellen können, dass daraus nun die neue Regierung dieser Stadt entspringen soll. Der Oppositionsführer wird noch einmal der Spitzenkandidat der CDU sein. Herr von Beust bereitet sich einerseits also schon auf den nächsten Wahlkampf vor, andererseits aber auch, wie wir den Zeitungen entnehmen konnten, darauf, was er machen soll, wenn er die nächste Bürgerschaftswahl verloren hat. Zwar verfügen wir nicht über wirkliche Insiderkenntnisse über die CDU. Aber wenn man den Medienberichten glauben darf, dann sucht Herr von Beust schon ein geeignetes Bundestagsmandat, vielleicht in Wandsbek, wo er wohnt oder anderswo. Es ist auch spekuliert worden, ob er Europaabgeordneter werden soll. Kein guter Ansatzpunkt für die Wahlkampagne der CDU. Überhaupt scheint von Beust nicht wirklich kraftvoll auf Sieg zu setzen. Einen innerparteilichen Wahlkampf hat er ja schon verloren. Vollmundig hatte er angekündigt, CDU-Vorsitzender in Hamburg werden zu wollen und den CDU-Vorsitzenden Fischer abzulösen. Nachdem dies nicht gleich und im Fluge gelang, weil Herr Fischer schlichtweg erst einmal sein fehlendes Einverständnis mit dieser Entwicklung mitgeteilt hat, war dann eine Zeitlang nichts zu hören und dann traten die Herren Fischer und von Beust vor die Presse, um mitzuteilen, dass alles nur irgendwie auch ein Missverständnis gewesen sei und man sich im Übrigen auch geeinigt hätte über eine Aufgabenverteilung. Zu diesen Einigungen gehöre, dass Herr von Beust federführend für den Wahlkampf sei. Das ist bei einem Spitzenkandidaten bei der CDU auch nichts besonders Neues. Wenn wir die Medienberichte richtig gelesen haben, war schon im letzten Wahlkampf in der engeren Wahlkampfkommission der Parteivorsitzende der CDU nicht vertreten, anders als es bei uns in Hamburg immer der Fall ist, wo Parteivorsitzender und Spitzenkandidat den Wahlkampf gemeinsam führen. Was denn jetzt nun eigentlich der Inhalt der neuen Vereinbarung sein soll, bleibt unerfindlich.
Liebe Genossinnen und Genossen, von dem bedauerlichen Zustand unserer Opposition in Hamburg dürfen wir uns aber nicht verführen lassen und uns in Sicherheit wiegen. Im Übrigen ist, nachdem angesichts der Erfolge die Kritik an der Tätigkeit des Hamburger Senats kleinlauter geworden ist, auch schon klar, welches Thema im Mittelpunkt der CDU-Debatte stehen wird, wenn die nächste Bürgerschaftswahl ansteht.
Sie werden uns vorhalten, dass wir hier seit 1946 mit einer kurzen Unterbrechung von drei Jahren in Hamburg die Regierung stellen. Und sie werden den Wählerinnen und Wählern sagen wollen, schon deshalb sei ein Wechsel doch sinnvoll. Liebe Genossinnen und Genossen, selbstverständlich ist das eine komplizierte Sache, aber ich bin sicher, dass wir uns davon nicht beeindrucken lassen sollten. Umgekehrt wird nämlich ein Schuh daraus. Ich behaupte, gerade weil in Hamburg Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten so lange regieren, ist es bis heute gelungen, gleichzeitig eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung zustande zu bringen und eine ausreichende soziale Stabilität einer auf Vielfalt gegründeten Stadt zu erhalten. Das ist nicht leicht, das ist nicht selbstverständlich und das ist anderswo auch nicht überall so gelungen.
Manche werden sich noch erinnern, wie sehr Hamburg auch von Industrie geprägt gewesen ist, noch vor gar nicht so langer Zeit. Das hat sich dramatisch geändert. Selbst in jüngster Zeit noch. Anfang der 70er Jahre waren noch über 200.000 Beschäftigte im verarbeitenden Gewerbe der Hansestadt tätig, heute sind es wohl unter 100.000. Das Bild Hamburgs ist heute weniger von rauchenden Schloten und großen Schiffshelgen bestimmt als das in den 50er und 60er Jahren etwa der Fall war.
Dafür ist der Dienstleistungsbereich in dieser Stadt gewaltig gewachsen. 500.000 Menschen sind in diesem Bereich beschäftigt.
Allerdings ist auch der gewerbliche Sektor, der in Hamburg geblieben ist, gar nicht ohne. Es gibt Unternehmen hochmoderne expandierende Industrien: z.B. die Luftfahrtindustrie mit Airbus oder der Lufthansa Technik oder die Norddeutsche Affinerie oder die Aluminiumwerke. Der Hafen bietet eine hochmoderne Verkehrsinfrastruktur.
Aktuell verzeichnet die Stadt einen richtigen Boom z.B. in der Multimedia-Branche. Hamburg gilt als Multimedia-Hauptstadt Deutschlands. Ich behaupte, dieser Erfolg ist kein Zufall, sondern er ist sehr wohl das Ergebnis sozialdemokratischer Politik. Gerade der jüngste Wirtschaftsboom weist das besonders aus. Wir können ja nicht subventionieren, so wie andere Bundesländer, wo die Steuerkraft von vielen Millionen Einwohnern herhalten muss, um in einer Hauptstadt Betriebsansiedlungen zu subventionieren. Wir haben auch anders als andere Städte unsere Haushalte nicht ruiniert, indem wir das Geld zur Stützung nicht mehr tragfähiger wirtschaftlicher Strukturen ausgegeben haben. Sondern wir müssen auf die Attraktivität der Stadt setzen, das wirtschaftliche Umfeld, die Unternehmen, die bereits erfolgreich tätig sind und die Menschen. Hamburg hat ein breit gefächertes Ausbildungsangebot an den allgemeinbildenden Schulen und an den Universitäten. Jüngst erschütterten Schlagzeilen die Stadt, dass 42% der Eltern ihre Kinder auf das Gymnasium angemeldet haben. Alles das ist der äußere Rahmen einer Wirtschaftsentwicklung, die auf Menschen basiert, die zusammenarbeiten können, die neue Ideen entwickeln können, die neue Unternehmen gründen können, die sich in völlig neue wirtschaftliche Sektoren einarbeiten können. So wie hier findet das kaum jemand vor. Mir haben Unternehmer berichtet, dass Unternehmensgründungen hier stattfinden, weil die Menschen hier leben wollen, die ihr Unternehmen gründen und weil sie hier Mitarbeiter und Mitstreiter finden. Deshalb also ist der wirtschaftliche Erfolg, der erneute Rückgang der Arbeitslosigkeit in Hamburg nicht ein Zufall, von dem unsere Regierung profitiert, sondern er ist das Ergebnis einer konstanten Politik. Ich bin sicher, dass die Menschen das auch wissen und das wir gute Chancen haben, sie erneut zur Unterstützung der sozialdemokratischen Partei in Hamburg zu bewegen.
Hamburg hat alle Chancen, zu jenen Global Cities zu gehören, die im Rahmen der globalen Ökonomie wachsen und an Kraft gewinnen können. Dazu müssen viele Faktoren zusammen kommen. Der Hafen, die Zukunftsindustrien, produktive Menschen, eine attraktive lebenswerte Stadt und ein liberales politisches Klima, Hamburg bietet das alles. Wir wollen weiter daran bauen.
Liebe Genossinnen und Genossen, mit der Wahl des neuen Landesvorstandes, mit meiner Wahl und der Wahl der beiden Stellvertreterinnen, gelingt uns hoffentlich, was schon immer ein Markenzeichen Hamburgischer sozialdemokratischer Politik gewesen ist, Kontinuität und Veränderung in der richtigen Balance zu halten und auch immer letztlich rechtzeitig zu Stande zu bringen. Der neue Landesvorstand wird wesentlich jünger sein als der vorherige, aber er wird sich nicht auf eine Altersgruppe beschränken. Ein Blick auf die CDU sei in dieser Hinsicht noch erlaubt. Der Vorsitzende der CDU und seine Stellvertreter sind mit Ausnahme von Herrn Beust wohl alle über 50. Keine junge dynamische Alternative zur viel jüngeren Hamburger SPD!
Schönen Dank!