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06.10.2011

Rede auf der Windenergie Konferenz der Europäischen Investitionsbank

 

Sehr geehrter Herr Dr. Kollatz-Ahnen,

meine Damen und Herren,

 

 

Switch off the mind and let the heart decide” As you might know, that was a line from an early eighties´ Thomas Dolby song called Windpower”.

 

 

Meine Damen und Herren,

 

 

ich werde gleich auf Deutsch fortfahren, da simultan übersetzt wird. Aber lassen Sie mich diesen Gedanken noch in der Muttersprache des Sängers fortsetzen:

 

The song came to my mind because in the North of Germany where plenty of wind farms are generating electricity just now people actually had to let their minds decide twenty or thirty years ago when change came to their rural areas. The first wind farms did cause some strife within villages and even families. In our time, more and more people´s hearts are in this new technology as well.

 

Meine Damen und Herren,

 

 

ich begrüße Sie sehr herzlich in Hamburg zu dieser bedeutenden internationalen Konferenz, die sich mit jetzigen und zukünftigen Herausforderungen beschäftigt. Es sind Herausforderungen, die der Klimawandel und die Energieversorgung in der Europäischen Union an uns stellen.


Und natürlich: Herausforderungen, die mögliche Lösungen an uns stellen werden, vor allem mit Blick auf ihre Finanzierung. Financing Wind Energy in 2011 heißt das dritte Panel heute nachmittag, eines, in dem es mit Sicherheit auf die minds und die hearts ankommt.


Der eben zitierte Songtext mag für den enormen Wandel stehen, in dem wir uns längst befinden.  Damit meine ich nicht nur den Wandel in Schleswig-Holstein und unseren anderen norddeutschen Nachbarländern, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen, in denen die Windenergie längst für viele Landwirte eine wirtschaftlich sehr ernsthafte Erwerbsquelle geworden ist. Und einen signifikanten Anteil des Strombedarfs deckt.


Ebenso meine ich nicht nur die jüngsten politischen Neupositionierungen. Bekanntlich war die Energiepolitik der Bundesregierung in den vergangenen Monaten einigen Wendemanövern unterworfen. Windsurfer, die sich damit ja auch gut auskennen, sprechen von Powerhalsen. Damit bezeichnen sie ein mehr oder weniger elegantes Manöver, mit der man die Fahrtrichtung umkehrt, ohne die Fahrtgeschwindigkeit zu reduzieren.

Ich will darüber nicht ausführlicher spotten, denn wenn man nur weit genug zurückblickt, sieht man eine Menge Richtungswechsel in der Energiepolitik. Ärgerlich war es, denn es ist kostbare Zeit vertan worden. Jetzt immerhin kehrt Deutschland zum geordneten Ausstieg aus der Atomenergie zurück, den Bundeskanzler Schröder schon einmal auf den Weg gebracht hatte. Das ist vernünftig und das hätten wir schon längst haben können.

 

Was also meine ich, wenn ich von Wandel spreche? Ich meine die große Zustimmung, die inzwischen besteht, wenn man sagt: Das Ja zum Atomausstieg ist gerade auch in Hamburg verbunden mit der Hoffnung auf einen erheblichen Innovationsschub, namentlich bei den erneuerbaren Energien. Und es ist ja nicht bei der Hoffnung geblieben.

 

Hamburg kann sich die Hauptstadt der Windenergie in Deutschland nennen, vor allem seit die Siemens AG entschieden hat, ihr neues Headquarter Windenergie hier bei uns einzurichten. Mit dieser Entscheidung wird die Chance, gemeinsam mit den norddeutschen Ländern zu einem der führenden Standorte dieser Branche weltweit zu werden, noch größer. Übrigens, 1000 weitere Windräder für den Norden, diese auf Niedersachsens Energieprogramm gemünzte Schlagzeile vom Dienstag passt hier auch hinein.

 

Als norddeutsche Metropole bieten wir für viele weitere Unternehmen den passenden Standort für die Steuerung ihres Windgeschäfts, namentlich im Offshore-Bereich. Daher haben sich in den vergangenen Monaten weitere Unternehmen mit klangvollem Namen in Hamburg niedergelassen: Broadwind Energy, Areva Wind, Gamesa und Nordex um nur einige zu nennen.

 

Die Chancen der Windkraft werden also in Hamburg bereits genutzt, auch wenn wir als Stadtstaat nicht viele geeignete Flächen selber beisteuern können. Die Wirtschaft ist hart am Wind und hat Potenziale in der Solarenergie und im Biomasse-Sektor. Eine besondere Hamburger Spezialität sind Dienstleistungen. Dabei geht es von Finanzierung und Versicherung über Projektierung und Logistik bis hin zu Service, Wartung oder Marketing.

 

Mit dem Maritimen Cluster Norddeutschland haben wir in diesem Jahr eine Brancheninitiative in Schleswig-Holstein, Niedersachen und Hamburg gestartet. Das Cluster beschäftigt sich natürlich auch mit der maritimen Technik für die Offshore-Windkraft.

 

All das  ist gut für den Wirtschaftsstandort Hamburg und gut für die europäische Umwelthauptstadt Hamburg. Wir müssen im Umweltschutz noch mehr als bisher auf technische Innovationen setzen. Mein Verständnis von moderner Umweltpolitik hat vor allem etwas mit der Fähigkeit zu tun, technische Innovationen zu fördern und durchzusetzen. Ich bin und weiß mich mit vielen hier im Saal einig Anhänger und Bewunderer des ingenieurgetriebenen Umweltschutzes, der sich in Hamburg mehr als zwanzig Jahre lang sehr bewährt und eine Menge Fortschritt gebracht hat at the end of the pipe und überhaupt. Die Windenergie ist ein Teil davon.


Die Energiewende, wenn es eine ernsthafte und zu Ende gedachte ist, bringt uns auch wirtschaftlich voran. Der Aufbau des Clusters Erneuerbare Energien Hamburg ist ein zentraler Bestandteil des Arbeitsprogramms des Senats und er hat genau das genannte Ziel, nämlich Hamburg gemeinsam mit den norddeutschen Ländern zu einem der führenden Standorte auszubauen. Wir haben alles Potenzial, die Energiewende zu unserem Nutzen zu gestalten.


Nun weiß ich natürlich so gut wie Sie alle hier, dass im europäischen Maßstab noch sehr viel dickere Bretter zu bohren sind als es unsere zugegeben nicht riesengroße Region tun kann. Aber was für Europa gilt, das gilt für Deutschland und seinen Norden: dass die Windkraft eine Zukuntstechnologie ist und dass sich der Schwerpunkt, was die Standorte betrifft, Richtung Offshore verlagern wird. Was wiederum den Küstenregionen einen Aufschwung bringt.

 

Hamburg agiert natürlich nicht isoliert, sondern zusammen mit seinen Partnern in einer vernetzten Welt. In der Energiepolitik spielt insbesondere die EU-Ebene eine immer wichtigere Rolle:

 

In seiner diesjährigen Neujahrsrede hat Kommissionspräsident Barroso die Energiepolitik als das nächste große europäische Integrationsprojekt bezeichnet.

 

Energiekommissar Oettinger unterstützt diese Sicht. Ich zitiere: Das Schiff Europa muss Kurs auf eine Europäisierung der Energiepolitik nehmen. Nur mit einem gemeinsamen Ansatz können wir sichere, bezahlbare und nachhaltige Energie gewährleisten und den Umbau zu einer effizienten, kohlenstoffarmen und wettbewerbsfähigen Wirtschaft bewerkstelligen. (Berlin, 14. Februar)

 

Vor dem Hintergrund des Klimawandels und der zunehmenden Abhängigkeit von Energieimporten hat die EU schon seit einigen Jahren die Entwicklung einer modernen Energiepolitik vorangetrieben. Während der deutschen Präsidentschaft beschloss der Europäische Rat im März 2007 das 20-20-20 Ziel. Neben weniger CO2 und mehr Energieeffizienz sieht es auch einen 20-prozentigen Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtenergiemix bis 2020 EU-weit vor. Für Deutschland beträgt die verbindliche Zielmarke 18 Prozent vom Brutto-Endenergieverbrauch. Seit April 2009 ist dieses Ziel rechtsverbindlich. Beim Strom werden schon jetzt 20 Prozent erreicht, bis 2020 gelten 35 Prozent als realistisch.

 

Die erneuerbarenEnergien erfüllen die wichtigen EU-Kriterien der Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit. Erneuerbare Energien aus einheimischen Quellen machen uns unabhängiger von Energie-Importen aus Drittstaaten.

 

In den vergangenen Monaten hat die Europäische  Kommission nach ihrer Energiestrategie 2020 erstmals auch mit einer Roadmap 2050 ihre Vision für eine langfristige Klima- und Energiepolitik formuliert. Sie zeigt, wie bis 2050 insgesamt 80 Prozent CO2 eingespart werden sollen verglichen mit 1990. Das bedeutet, dass auch der Anteil der erneuerbaren Energien bis dahin weit über 20 Prozent hinausgehen muss.

 

Meine Damen und Herren,

 

 

das sind ehrgeizige Pläne und wir wissen alle, dass sich noch nie und nirgends ein Plan von selbst erfüllt hat. Aber zur Zeit kann man sagen, dass es voran geht.


Heute repräsentiert noch die Wasserkraft den wichtigsten Sektor der erneuerbaren Energien in der EU. Sehen wir uns aber den Zuwachs an Kapazitäten an, so liegt die Windkraft EU-weit an erster Stelle. 2009 entfielen von der gesamten neu installierten Stromkapazität 62 Prozent auf die erneuerbaren Energien, überwiegend aus Wind und Solar. Sie hören gleich von Herrn Kjaer interessante Details aus dem aktuellen Jahresbericht der Europäischen Windenergie Vereinigung (EWEA).

 

Lange Zeit wurden Windgeneratoren nur an Land aufgestellt. Norddeutschland und Dänemark waren die europäischen Pionierregionen, inzwischen haben sich auch andere Regionen sehr gut entwickelt. Diese Entwicklung an Land ist nicht abgeschlossen, aber parallel dazu geht es nun auch offshore weiter.

 

Der Rat der europäischen Energieminister hat sich am 29. Februar dafür ausgesprochen, die Netzkorridore für das Offshore-Netz in den nördlichen Meeren prioritär einzustufen, einschließlich ihrer Verbindungen zu den Netzen und Speichern an Land. Die ersten Windparks in Nord- und Ostsee liefern bereits Strom. Hamburg hat eine geradezu ideale Lage an der Schnittstelle. Es gibt große Pläne für ein Nordsee-Offshore-Netz  Sie können gespannt sein auf den Vortrag von Mr O´Connor.

 

Das Nordsee-Grid seinerseits soll eine Keimzelle für ein transeuropäisches Super-Netz werden, in das Wind- und Sonnenstrom aus ganz Europa und vielleicht aus Nordafrika eingespeist und das zusätzlich durch Wasserspeicher in Norwegen und in der Alpenregion stabilisiert werden soll. Ein Super-Netz, das die dezentralen Produktionsstandorte mit den Verbrauchszentren, wie zum Beispiel Hamburg, verbindet.

 

Auch das sind ehrgeizige Pläne. Wir brauchen aber ein verbessertes Netz dringend. Allein in Schleswig-Holstein, unserem nördlichen Nachbarland, werden schon heute 44 Prozent des Nettostrombedarfs nur aus Wind erzeugt. Bis 2020 sollen es 100 Prozent werden. Aber leider müssen auch schon heute, wenn der Wind ordentlich weht, einige Windgeneratoren mit verminderter Leistung gefahren oder ganz abgeschaltet werden, weil das Netz zu schwach ist. Und das kann künftig viele Regionen betreffen.

 

Der Netzausbau wird jedoch nicht einfach:

 

  • weil er erstens sehr teuer ist die Kommission schätzt allein die Kosten für den Ausbau der Stromnetze in der EU bis 2020 auf circa 140 Milliarden Euro und

 

  • weil es zweitens manche nicht so begeisterte Bürger und einigen Widerstand geben wird.



Meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

 

ganz aktuell hat die Europäische Kommission die Initiative für Intelligente Städte und Kommunen (Smart Cities) mit Fördermitteln in Höhe von 40 Millionen Euro gestartet. Neue Niedrig-Kohlenstoff-Technologien sollen entwickelt werden. Die Initiative schließt Energieeffizienz, Energienetze, aber auch erneuerbare Energien mit den sektoralen Bereichen Strom, Heizung und Kühlung sowie Verkehr, Abfall und Wassermanagement ein. In den Städten, insbesondere in den europäischen Ballungsräumen wie Hamburg, wird ein Großteil der Energie verbraucht. Daraus schließt die Kommission, dass hier auch die größten Einsparpotentiale zu erwarten sind.

 

Ich begrüße diese Initiative sehr. Auch vor dem Hintergrund Hamburgs als europäische Umwelthauptstadt werden wir prüfen, ob wir uns in der einen oder anderen Weise an dieser Initiative zusammen mit anderen Partnern beteiligen. Allerdings möchte ich folgendes hinzufügen: wenn die europäische Ebene der Überzeugung ist, dass die großen Städte einen zentralen Pfeiler für die substantielle Erhöhung der Energieeffizienz darstellen, muss sich dies auch in einer anderen Größenordnung der Finanzierung wiederspiegeln. 40 Millionen Euro können da erst den Beginn einer Entwicklung markieren.

 

Meine Damen und Herren,

 

 

Wichtig ist fürs erste besonders in Deutschland der Ausbau der Übertragungsnetze. Schnelle Genehmigungsverfahren sind deshalb unverzichtbar.


Ich stimme außerdem dem Präses der Handelskammer Hamburg, Herrn Melsheimer, voll und ganz zu, wenn er sagt, Zitat: Wir brauchen vor allem Innovationen. Eines der zentralen Probleme ist die Energiespeicherung. Aber wer sollte diese Innovationen vorantreiben, wenn nicht dieses Land?

Ein wesentliches Problem bei der Nutzung von Windenergie besteht bekanntlich darin, dass sie dann zur Verfügung  stehen muss, wenn sie gebraucht wird, und dort, wo sie gebraucht wird. Speicherung überschüssiger Windenergie ist also das Gebot und gleichzeitig könnte das eine große technische Möglichkeit auch für Hamburg sein.


Aber davon abgesehen, übernimmt dieses Land mit seinen ehrgeizigen Klimazielen bei gleichzeitigem Atomausstieg in der Tat eine hohe Verantwortung, nicht nur für die eigene Bevölkerung und Wirtschaft, sondern auch als Rollenmodell für andere. Die vielzitierten Lichter werden in Deutschland nicht ausgehen, die Gefahr hat nie bestanden. Wir müssen uns aber darüber klar sein, dass der Umstieg auf eine andere Energiebasis nicht darin bestehen darf, dass wir verstärkt Atom- oder fossil erzeugten Strom aus den Nachbarländern importieren.

 

Den erneuerbaren Energien gehört die Zukunft. Das wissen wir nicht erst seit dem Unglück in Fukushima und der dadurch ausgelösten politischen Neuausrichtung in Deutschland. Wir wissen auch, dass darin große Chancen für die Beschäftigung und etliche Branchen der Wirtschaft liegen. Drittens wissen wir, dass die Finanzierung des Umstiegs auf eine andere Energiebasis teuer wird abgesehen von so manchem technischen und infrastrukturellen Problem und dass das Ganze kein Selbstgänger ist.


Doch zur Energiewende gibt es keine Alternative. Lassen Sie uns gemeinsam an ihr arbeiten.

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.