Sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender Hoffmann, lieber Rainer,
sehr geehrte Frau stellvertretende Vorsitzende Röstel, liebe Gunda,
sehr geehrte Ratsmitglieder,
sehr geehrte meine Damen und Herren,
ich freue mich, dass auch dieses Jahr wieder bei Ihrer Jahreskonferenz für mich die Möglichkeit besteht, dabei zu sein. Ganz herzlichen Dank für die Einladung!
Sie haben gerade schon viel darüber diskutiert, wie wir als Gesellschaft einer Polarisierung entgegentreten, wie wir zusammenstehen und eine nachhaltige Zukunft schaffen können. Ich freue mich auch auf die Gelegenheit, dass wir das im direkten Austausch weiter fortsetzen können.
Hier möchte ich mich darauf beschränken, zunächst einmal ein paar knappe Bemerkungen zu machen. Zunächst: Ich finde es gut und wichtig, dass Sie sich bei dieser Jahreskonferenz vordringlich damit beschäftigen, welches Verhältnis besteht zwischen gesellschaftlichem Zusammenhalt einerseits und nachhaltiger Entwicklung andererseits. Es ist die Aufgabe, vor der wir heute stehen. Dabei ist ganz klar: Das Gebot der Stunde heißt mehr Zusammenarbeit und mehr Dialog. Denn die Wechselbeziehung zwischen dem Zusammenhalt und dem nachhaltigen Erfolg einer Gesellschaft liegt ja ziemlich eindeutig auf der Hand: Ein Land, das in seinem Inneren nicht zusammenhält, wird auch keine nachhaltige Entwicklung hinbekommen. Und zugleich gilt umgekehrt: Ein Land, das im 21. Jahrhundert keine nachhaltige Entwicklung hinbekommt, wird sich auf Dauer immer schwerer mit seinem inneren Zusammenhalt tun.
Was da oftmals beschrieben oder heraufbeschworen wird, ist eine Negativspirale, in der sich ausbleibende Erfolge und schwindender Zusammenhalt gegenseitig bedingen. Ich will überhaupt nicht im Grundsatz bestreiten, dass es diesen negativen Zusammenhang gibt. Natürlich gibt es den. Und manche Akteure haben ausdrücklich ein Interesse an dem Teufelskreis. Ich werde da nichts kleinreden. Dass es in Deutschland, in Europa und auch in den Vereinigten Staaten politische Polarisierung gibt, dafür haben zuletzt etliche Wahlen Anschauungsmaterial geliefert, bei uns etwa die jüngsten Landtagswahlen und die Europawahlen im Sommer. Wo radikal-völkische, autoritäre und populistische Bewegungen Zulauf erhalten, da müssen sich alle demokratischen Parteien und alle anderen Verantwortlichen fragen, was sie besser machen können.
Dass in jüngster Zeit große Krisen viele Bürgerinnen und Bürger verunsichert haben, das ist so. Pandemie, Kriege, Klimawandel, irreguläre Migration, Inflation, das alles hat Spuren hinterlassen. Bei wem denn wohl nicht? Auch gezielte Desinformationskampagnen von außen zur Destabilisierung und zur Zersetzung unserer freiheitlichen Demokratie tun hier zweifellos ihre eigene Wirkung. Dass sich Bürgerinnen und Bürger angesichts vielfältiger Veränderungen in der Welt und bei uns im Land überfordert oder abgehängt fühlen, das gibt es als Tendenz. Und dass manchen zwischendurch, einigen sogar dauerhaft die Zuversicht abhandenkommt, auch das stimmt leider.
Das alles gibt es also. Aber die entscheidende Frage ist doch: Wenn man den Erfolg unseres Landes will, wenn man den Aufbruch will, wenn man positive Ergebnisse will, wenn man will, dass uns nachhaltige Entwicklung gelingt, was sollte dann im Zentrum von Kommunikation, Debatten und Diskursen stehen? Es ist völlig klar, was jedenfalls nicht hilft. Vor wenigen Tagen erst hat der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert gesagt, es gebe in Deutschland eine „gewisse Tendenz zur Übellaunigkeit“. Er hat hingewiesen auf den „Unterschied zwischen gefühlter und tatsächlicher Lage“. Er hat sogar seiner eigenen Partei ausdrücklich eine Warnung hinterlassen: „Die Opposition muss aufpassen, dass sie nicht unfreiwillig zur Festigung der negativen Stimmung im Land beiträgt.“ Ich weiß, Norbert Lammert ist ein nachdenklicher Mann. Und deshalb stimme ich ihm hier einmal ausdrücklich zu.
Niemandem, der eine gute und nachhaltige Zukunft für unser Land will, kann an kollektiver Übellaunigkeit gelegen sein. Ich meine: Nicht Polarisierung, nicht das ständige Beschwören von gesellschaftlichen Trennlinien und Katastrophenszenarien führt zu nachhaltig guter Entwicklung. Mein Eindruck ist: Alle Diskurse zu Zerrissenheit, Polarisierung und angeblich fehlendem Zusammenhalt in Deutschland beschreiben allenfalls eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite dieser Medaille aber steht: So weit liegen wir in Deutschland in zentralen Fragen gar nicht auseinander.
Die ganz große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ist pro Klima- und Naturschutz – und will zugleich keine Überforderung. Eine ganz große Mehrheit ist pro Arbeitskräfte aus dem Ausland – und zugleich für die Kontrolle der irregulären Migration. Die ganz große Mehrheit ist pro Unterstützung der angegriffenen Ukraine bei ihrer Verteidigung – und will zugleich Diplomatie. Die ganz große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger packt einfach an, statt zu meckern, und zwar überall – im Beruf, in Vereinen und Initiativen, ehrenamtlich und durchaus tief aus dem Innern, intrinsisch motiviert.
Das alles reicht aber nicht, wenn es uns nicht auch auf der internationalen Ebene gelingt, Vertrauen, Dialog und Zusammenhalt zu organisieren. Mit dem Zukunftspakt der Vereinten Nationen (UN) haben wir gezeigt, dass Zusammenarbeit rund um den Globus mit 193 Staaten auch heute möglich ist. Ich war in New York dabei und habe aufs Neue erlebt: Die übergroße Mehrheit der Mitgliedstaaten will zusammenarbeiten, ob aus dem globalen Norden oder aus dem globalen Süden. Der UN-Zukunftsgipfel und der UN-Zukunftspakt waren dabei nicht das Ende unserer Zusammenarbeit, sondern die große Chance für einen neuen Anfang. Jetzt kommt es darauf an, von der Zeit- und Zielbeschreibung zum praktischen Handeln zu kommen.
Seit gestern wird mit der Hamburg Sustainability Conference – die ist schon erwähnt worden – die Brücke geschlagen von der Zielformulierung hin zur praktischen Umsetzung. Und nun kommt Ihre Jahreskonferenz noch dazu. Deshalb war ich gestern in Hamburg dabei, deshalb bin ich heute hier bei Ihnen. Die Hamburg Sustainability Conference soll neue Allianzen zwischen Staaten, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft ermöglichen. Und vor allem soll sie ganz konkrete Lösungsansätze für strukturelle Veränderungen voranbringen – Beispiel „green shipping“, dazu ist etwas Konkretes vereinbart worden, Beispiel Global Battery Alliance, auch dazu ist etwas sehr Konkretes vereinbart worden.
Wenn wir moderne Mobilität wollen – und das wollen wir –, dann müssen wir die dazu notwendigen Rohstoffe so fördern und verarbeiten, dass sie uns tatsächlich den Weg zu CO2-neutraler Mobilität ermöglichen. Andererseits müssen wir sicherstellen, dass das nicht zur Zerstörung von Umwelt und Natur beiträgt, sondern dass das mit den besten Bedingungen geschieht, die man sich vorstellen kann.
Und das will ich ganz klar sagen: Wenn wir das so sehen, wenn wir viele Elektrofahrzeuge in Deutschland und Europa sehen wollen, dann werden wir den Bergbau nicht auf die übrige Welt beschränken können. Dann hat das auch Konsequenzen für Europa und für uns. Auch das muss gesagt werden. Und wenn wir uns freuen, dass in Serbien Lithium abgebaut wird, dann müssen wir uns auch freuen, dass das in Freiberg und gleich hinter der Grenze in Tschechien auch passiert. Das ist, glaube ich, dann ein Teil der Wirklichkeit, bei der wir klar sein müssen. Aber wir haben die Fähigkeiten und die Technologien, das so zu machen, dass die Beeinträchtigungen der Umwelt ganz gering bis gar nicht vorhanden sind – auch dies, wie ich finde, ein Beitrag unserer technologischen Kompetenzen. Und wir haben natürlich auch die Anforderung zu bewältigen, dass diejenigen, die den Bergbau bei sich vor Ort erleben, davon tatsächlich profitieren. Ich jedenfalls bin überzeugt, dass das geht.
Vielleicht noch eine Bemerkung: Wir müssen auch ein bisschen auf den technischen Fortschritt setzen, der uns ermöglicht, weniger von schwer erreichbaren Rohstoffen für die Batterien der Zukunft verbrauchen zu müssen. Aus meiner Sicht gehört dazu unbedingt, dass wir das in eine Kreislaufwirtschaft einbinden, in der die mühselig geförderten Rohstoffe immer wieder verwendet werden. Das hat dann oft Entscheidungen bei der Produktion von Batterien und anderen Gütern zur Folge, wenn man sie so produziert, dass tatsächlich möglichst viel wiederverwertet werden kann – also ein zentrales Thema von Nachhaltigkeit, aber auch von Klarheit in der Sache.
Nun bin ich einmal bewusst ins Detail gegangen. Manchen klingt das vielleicht zu kleinteilig. Aber meine Überzeugung ist: Mut zur Zukunft, Zuversicht und Zusammenhalt wachsen immer da, wo uns ganz konkrete, ganz praktische Aufgaben begegnen, die wir uns vornehmen und wo wir Lösungen erzielen. Und dann macht man weiter. Das gilt für uns hier im Land, das gilt für die Welt insgesamt.
Deshalb schönen Dank fürs Zuhören, für die Einladung. Ich freue mich auf die Fragen.