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Foto: Olaf Scholz
Photothek
07.10.2024 | Hamburg

Rede anlässlich der der Hamburg Sustainability Conference

Sehr geehrte Herren Staatspräsidenten,
sehr geehrte Premierministerinnen und Premierminister,
Ministerinnen und Minister,
Exzellenzen,
sehr geehrte hochrangige Vertreterinnen und Vertreter von Regierungen und internationalen Organisationen, von Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen,
sehr geehrter Herr Bürgermeister, lieber Peter,
lieber Michael Otto,
meine Damen und Herren,

herzlich willkommen hier in meiner Heimatstadt! Herzlich willkommen zur Hamburg Sustainability Conference! Diese Konferenz macht in den nächsten zwei Tagen da weiter, wo der Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen (UN) in New York aufgehört hat. Dort hat sich die Staatengemeinschaft vor zwei Wochen darauf verständigt, wie wir gemeinsam drängende globale Herausforderungen angehen werden, wie wir zum Beispiel die internationale Finanzarchitektur so gestalten können, dass sie effektiver dazu beiträgt, die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Wie Sie vielleicht wissen, waren es Deutschland und Namibia, die gemeinsam als sogenannte Ko-Faszilitatoren den Zukunftspakt verhandelt haben. Diesen Zukunftspakt haben wir nun am Sonntag vor zwei Wochen in New York beschlossen. Ich will ausdrücklich sagen: Mich hat dieser Summit of the Future sehr ermutigt. Er hat mich in meiner Überzeugung bestärkt, dass wir Lösungen für gemeinsame globale Herausforderungen im Austausch miteinander entwickeln müssen und dass es vor allem darauf ankommt, ins konkrete Handeln zu kommen. Darum geht es. Dafür sind Sie und ich heute in Hamburg. Mit dieser Konferenz wollen wir nun die Brücke von den politischen Nachhaltigkeitszielen auf UN-Ebene hin zur praktischen Umsetzung schlagen.

Zu den großen Herausforderungen unserer Zeit gehören die globale Ungleichheit und der menschengemachte Klimawandel. Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Ländern, in denen die Ungleichheit zunimmt. Die fünf reichsten Männer der Welt haben ihr Vermögen seit 2020 von 405 Milliarden US-Dollar auf 869 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppelt. Zugleich gehören der gesamten ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung nur zwei Prozent des globalen Vermögens. Weltweit lebt fast jeder zehnte Mensch in extremer Armut. Zugleich erleben wir überall die Auswirkungen des Klimawandels: verheerende Überschwemmungen in West- und Zentralafrika, massive Waldbrände in Kanada, Sturmfluten in den Vereinigten Staaten, Überschwemmungen bei uns in Europa.

Das alles sind globale Probleme. Sie hängen eng miteinander zusammen. Sie betreffen uns alle. Und sie lassen sich nur lösen, wenn die globale Gemeinschaft an einem Strang zieht, wenn wir den Willen zeigen, die Probleme zusammen zu lösen. Wir brauchen den Dialog, wir brauchen neue Allianzen, neue Partnerschaften, und, ja, wir brauchen auch den Mut, Misstrauen zu überwinden. Plattformen wie diese Konferenz schaffen den Raum, abseits von Verhandlungen innovative Ideen für konkrete Lösungen zu entwickeln und auf den Weg zu bringen.

Wir alle stehen vor der Aufgabe, unsere Weltgesellschaft, unsere Wirtschaft und unsere Infrastruktur in eine ressourcenschonende klimaneutrale Zukunft zu führen. Dabei tragen die industrialisierten Gesellschaften eine besondere Verantwortung. Jeder einzelne Mensch muss die Chance erhalten, nicht in Armut zu leben und ein besseres Leben zu führen. Wohlstand für alle ist ein globales Ziel.

Aber das wird unser Planet nicht überstehen, wenn wir weiterhin auf Technologien und Produktionsweisen aus dem 19. und 20. Jahrhundert setzen. Für die Weltgemeinschaft bedeutet das konkret: Wir müssen unsere fossilen Energiequellen durch erneuerbare ersetzen oder erst gar nicht in sie einsteigen. Es führt kein Weg daran vorbei, das notwendige wirtschaftliche Wachstum der Welt vom CO2-Ausstoß zu entkoppeln. In vielen Ländern gelingt das bereits. Die Lösungsansätze und Technologien dafür haben wir. Klimaschutz oder Entwicklung – das ist die falsche Frage, im globalen Norden und im globalen Süden.

Gemeinsam muss die Weltgemeinschaft in den nächsten Jahren die Transformation schaffen – sozial, ökonomisch und ökologisch. Sozial heißt, das zentrale Prinzip der Agenda 2030 nie aus den Augen zu verlieren: „Leave no one behind!“ Ökonomisch brauchen wir die Entwicklung hin zu echter Kreislaufwirtschaft und die gemeinsame Überzeugung, dass wir Wachstum und Nachhaltigkeit zusammendenken müssen. Ökologische Transformation, das bedeutet, dass wir unsere Lebensgrundlagen schonen, schützen und wiederaufbauen, wo wir sie zerstört haben. Es heißt für alle Staaten, in Klimaneutralität und nachhaltiges Wirtschaften zu investieren, um den Wohlstand zu erhalten und auszubauen.

Verabschiedet wurden die Nachhaltigkeitsziele 2015; wir haben es schon gehört. Vorangekommen sind wir. Aber warum haben wir es seitdem alle zusammen nicht geschafft, bei diesen Themen gut genug voranzukommen? Die Ursache sehe ich in den vielfachen Krisen, denen wir gegenüberstehen. Der fortschreitende Klimawandel, die Nachwirkungen der Covidpandemie und die vielen internationalen Krisen und Konflikte, das alles setzt viele Länder unter großen Druck. Einen besonderen Rückschlag bedeutet der brutale russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die Welt darf sich nicht wieder in längst überwundene Blöcke aufteilen lassen. Im Gegenteil, die Welt sollte wieder mehr zusammenfinden.

Heute vor einem Jahr sind Terroristen der Hamas in Israel eingefallen, haben israelische Bürgerinnen und Bürger entführt, vergewaltigt und ermordet. Weit über 1.000 Menschen kamen bei diesem bestialischen Angriff ums Leben. Fast 240 wurden entführt. Viele sind noch immer als Geiseln in der Gewalt der Terroristen. Liebe Freunde in Israel, wir fühlen mit euch das Entsetzen, den Schmerz, die Ungewissheit und die Trauer. Wir stehen an eurer Seite. Die Terroristen der Hamas müssen bekämpft werden.

Offensichtlich ist auch: Ein Jahr Krieg hat unvorstellbares Leid über die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen gebracht. Die tägliche Erfahrung von Gewalt und Hunger ist keine Grundlage, aus der Gutes erwachsen kann. Menschen brauchen Hoffnung und Perspektiven, wenn sie dem Terror abschwören sollen. Deshalb setzt sich die Bundesregierung für einen Waffenstillstand ein, für eine Befreiung der Geiseln und für einen politischen Prozess, auch wenn er heute ferner scheint denn je. Und dennoch: Die Palästinenserinnen und Palästinenser sollen ihre Angelegenheiten in Eigenverantwortung regeln können. Die Sicherheitsbedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger Israels müssen berücksichtigt werden. Deshalb kann das Ziel dieses Prozesses nur sein: zwei Staaten, in denen Israelis und Palästinenser dauerhaft in Frieden miteinander leben können.

Das wird nur möglich sein, wenn es uns gelingt, einen Flächenbrand in der Region zu verhindern. Die iranischen Raketenangriffe auf Israel sind eine weitere Eskalation in einer ohnehin angespannten Lage. Wir haben diese Angriffe im Kreis der G7-Staats- und Regierungschefs auf das Schärfste verurteilt. Die Hisbollah und der Iran müssen ihre Attacken auf Israel einstellen. Gemeinsam mit unseren Partnern werden wir uns weiterhin dafür einsetzen, eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah zu vermitteln. So kann der Einstieg in die volle Umsetzung der UN-Sicherheitsresolution 1701 gelingen, die klar vorschreibt, dass sich die Hisbollah aus dem Grenzgebiet zu Israel zurückziehen muss. Hieran werden wir weiterhin mit Hochdruck arbeiten.

Nun zurück zum Thema unserer Konferenz: Die Bedingungen der notwendigen Transformation bleiben schwierig. Wie können wir die Lage dennoch verbessern? Zwei entscheidende Punkte will ich nennen:

Erstens: Wir müssen die Last der Krisenbewältigung und die Verantwortung für die sozial gerechte ökologische Transformation auf mehr starke Schultern verteilen. Alle Regierungen müssen ihre Verantwortung wahrnehmen. Auf Deutschland und die Europäische Union (EU) ist dabei Verlass. Zugleich müssen wir den Kreis derjenigen ausweiten, die öffentliche Mittel bereitstellen. Das gilt zum Beispiel im Rahmen der zukünftigen Ausrichtung der Klimafinanzierung auf der anstehenden COP29.

Zusätzlich müssen wir verstärkt private Akteure und Investoren ins Boot holen und deshalb die Rahmenbedingungen für private Investitionen verbessern, denn Regierungen allein können das Ruder nicht herumreißen. Ich will es ganz deutlich sagen: Ohne das Know-how und die Investitionen der Privatwirtschaft sind die Sustainable Development Goals nicht zu erreichen. Deshalb müssen wir es schaffen, gemeinsame Finanzierungsinstrumente zu entwickeln, um öffentliche und private Mittel leichter zusammenzuführen. So geben wir unserer Aufholjagd den notwendigen Impuls, um die Agenda 2030 noch zu erreichen.

Deshalb rufen wir auf dieser Konferenz die Hamburg Sustainability Platform ins Leben, eine internationale, öffentlich-private Initiative, die große private Investitionen mobilisiert, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Dazu werden Finanzvehikel vereinheitlicht. Dazu werden öffentliche und private Investitionen einfacher zusammengeführt. Perspektivisch kann auf diese Weise ein enormes Investitionsvolumen freigesetzt werden.

Es geht bei dieser Konferenz aber nicht nur darum, Mittel zu mobilisieren. Es geht hier in Hamburg auch um die Frage, auf welchen Feldern wir noch besser werden müssen. Dazu gehört die Kooperation zwischen multilateralen Entwicklungsbanken, damit mit den vorhandenen Mitteln größere Wirkungen erzielt werden. Dazu gehört der Austausch darüber, wie Risiken in Ratings präziser und transparenter dargestellt werden können, um Investitionen im globalen Süden zu erleichtern. Dazu gehören Lösungen dafür, wie wir angesichts wachsender Klimarisiken mit Verschuldung umgehen.

Zweitens: Um nachhaltig voranzukommen, müssen wir neue Formate nutzen, neue Formate, um die Ideen und Expertisen aller Beteiligten an einen Tisch zu bringen, Formate, bei denen Politik und Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft gemeinsam über wirksame Instrumente beraten – wohlgemerkt: Stimmen aus dem globalen Süden und aus dem globalen Norden!

Nennen will ich an dieser Stelle ausdrücklich auch die Arbeit des Klimaclubs. Hier arbeiten wir inzwischen mit 42 Mitgliedern an kooperativen Lösungen im Übergang zu einer klimafreundlichen Industrie, und zwar über Kontinente und Ländergrenzen hinweg, und der Möglichkeit, die Länder des globalen Südens zu unterstützen.

Ich will Ihnen dafür ein konkretes Beispiel nennen, das zugleich gut zur Hafenstadt Hamburg passt. Zwei Drittel der Güter, die weltweit gehandelt werden, transportiert die Seeschifffahrt. Deshalb spielen Häfen für eine exportorientierte Wirtschaft und die Versorgung mit erneuerbaren Energien eine so zentrale Rolle. Zugleich gibt es aber noch zu wenig Alternativen zu fossilen Antriebsstoffen, vor allem Schweröl. Damit die Schifffahrt nachhaltig wird, sind also neue Allianzen nötig, Allianzen zwischen Regierungen, Kraftstoffproduzenten, Häfen, Werften und Reedereien.

Deshalb fordert die Bundesregierung gemeinsam mit den anderen EU-Mitgliedstaaten international verbindliche Maßnahmen, erstens die Einführung eines Kraftstoffstandards und zweitens die Bepreisung von Treibhausgasemissionen mittels einer globalen Treibhausgasabgabe. Aktuell laufen hierzu die Verhandlungen im Rahmen der Internationalen Maritimen Organisation.

Nötig sind auch Vorreiterallianzen. Deshalb wird Deutschland mit der Green Shipping Initiative grüne Schifffahrtskorridore vorantreiben. Konkret unterstützen wir dabei eine Vereinbarung von weltweit agierenden Unternehmen zur engeren Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Zugleich wird eine Vereinbarung auf den Weg gebracht mit dem Ziel, die Zusammenarbeit bei der technologischen Entwicklung, bei der Ausbildung von Fachkräften und beim Wissenstransfer zu verbessern. Nach diesem Muster sind weitere Allianzen nötig, um weltweit erneuerbare Energien voranzutreiben – Allianzen, um klimaresiliente Ernährungssysteme zu ermöglichen, Allianzen, um lokale Wertschöpfung zu stärken und bessere Jobs mit gerechter Bezahlung zu schaffen, Allianzen, um nachhaltige Mobilität zu fördern.

Auch hierzu ein ganz konkretes Beispiel: Batterien werden für die Mobilität der Zukunft und eine funktionierende Energiewende eine entscheidende Rolle spielen. Beim Abbau der Batterierohstoffe, Lithium und Kobalt etwa, kommt es darauf an, dass Umweltstandards eingehalten werden. Wir müssen gemeinsam sicherstellen, dass die beteiligten oder betroffenen Bürgerinnen und Bürger vor Ort davon profitieren. Die Global Battery Alliance ist hierfür die wichtigste globale Partnerschaft. Sie setzt sich für nachhaltigere Batterielieferketten und dafür ein, den ökologischen Fußabdruck von Batterien zu verbessern. Bislang besteht die Allianz aus etwa 170 Mitgliedern, vor allem Unternehmen aus dem globalen Norden. Hier, auf der Hamburg Sustainability Conference, wird das deutsche Entwicklungsministerium dieser Allianz beitreten – im Schulterschluss mit Sambia und Serbien, die ebenfalls ihren Beitritt vorbereiten.

Das Beispiel zeigt: Bei all den Allianzen, die wir schmieden, muss es immer darum gehen, dass mehr Menschen weltweit an Fortschritt und Wohlstand beteiligt werden. Genau dafür wurde die Hamburg Sustainability Conference ins Leben gerufen. Sie leistet einen wichtigen Beitrag dafür, die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, weil sie Allianzen zwischen Staaten und Allianzen mit Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft ermöglicht und weil sie konkrete Lösungen entwickelt.

Und auch nach Hamburg geht es weiter: Die Vorbereitungen zur 4. Entwicklungsfinanzierungskonferenz in Spanien 2025 laufen auf Hochtouren. Klar ist: Die Aufholjagd um die Entwicklungsziele ist damit nicht erledigt. Deshalb ist es gut, dass sich die Hamburg Sustainability Conference als mehrjähriger Prozess versteht. Was auf der Konferenz beschlossen wird, das werden die Teilnehmenden auch in den Folgejahren konkretisieren und in die Tat umsetzen. Das wird aber nur gelingen, wenn wir Vertrauen zueinander aufbauen, wenn wir uns als Team verstehen und nicht als Gegenspieler. Deshalb meine Bitte: Nutzen Sie die vertraulichen Gesprächsräume, die auf dieser Konferenz geschaffen werden! Kompromisse und gemeinsame Entscheidungen gelingen immer dann am besten, wenn Zielkonflikte offen angesprochen werden. Hier in Hamburg haben Sie die Gelegenheit dazu!

Das gegenseitige Vertrauen der Weltgemeinschaft wieder zu stärken und zugleich zu zeigen, dass mit starken internationalen Partnerschaften globale Herausforderungen gemeistert werden können, das ist das Ziel dieser Konferenz. Nur mit mehr Zusammenarbeit werden wir unsere Aufholjagd erfolgreich schaffen können, die Nachhaltigkeitsziele doch noch erreichen. Nur so werden wir Hunger, Armut und Ungleichheit dauerhaft reduzieren. Nur so können wir eine sozial gerechte ökologische Transformation vorantreiben. Denn das ist die Gemeinschaftsaufgabe unserer Generation. Ich lade Sie ein: Lassen Sie uns gemeinsam weiter daran arbeiten!

Schönen Dank!