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28.06.2011

Rede beim 4. Hamburger Industrietag

 

Sehr geehrter Herr Elste,

sehr geehrter Herr Kutsch,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

das Motto dieses 4. Hamburger Industrietages ist so formuliert, dass man aus ihm und einem weiteren Satz auch die denkbar kürzeste Fassung einer Rede machen könnte. Sie würde lauten: Industrie in Hamburg: Unverzichtbar für Wachstum und Wohlstand... Ja, stimmt.

 

Keine Bange, ich weiß, dass ich ganz so lakonisch nicht davon komme. Dazu ist das Thema zu wichtig. Ihren Vorschlag, Herr Kutsch, dass Hamburg auf die Industrie setzen sollte, greife ich gerne auf. Wir setzen auf Sie.

 

Nach der ursprünglichen Idee wollten wir ja den zwischen Wirtschaft und Behörden abgestimmten Masterplan Industrie heute schon in der Hand halten, aber, wenn ich das berühmt gewordene Zitat noch einmal zweckentfremden darf: Wir arbeiten noch dran. Wir nehmen uns genug Zeit, um vernünftige gemeinsame Vorstellungen zu entwickeln.

 

Es gilt das Arbeitsprogramm des Hamburger Senats vom 10. Mai dieses Jahres, worin die Fortentwicklung des Masterplans Industrie vorgesehen ist. Er stellt eine bewährte Form der Zusammenarbeit, der gemeinsamen Entwicklung und Abstimmung von Strategien zwischen Industrie, Kammer und Verwaltung dar.

 

Insofern muss auch vor dem Wort Plan niemand zurückschrecken. Es handelt sich hier um eine Planwirtschaft eigenen, hanseatischen Typs, und je mehr Sorgfalt wir auf den Masterplan Industrie verwenden, desto geringer ist die Gefahr, dass er das Schicksal so mancher nur schön klingender Pläne aus vergangenen Zeiten erleidet.

 

 

Meine Damen und Herren,

 

Hamburg ist eine der größten Industriestädte in Europa. Dies betonen wir manchmal nicht genug, wenn wir vom Handel, vom Hafen und von den Dienstleistungen in Hamburg reden. Die Grundlage all dessen ist unsere starke Industrie. Sie ist für die wirtschaftliche Entwicklung unserer Stadt von grundsätzlicher Bedeutung.

 

Diese Bedeutung der Industrie ist während der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise deutlicher geworden denn je. Jahrelang haben uns vermeintliche Experten gepredigt, dass die Zukunft und das wirtschaftliche Heil ausschließlich im dritten und vierten Sektor lägen, dass wir die industriellen Kerne vernachlässigen sollten. Die moderne Wirtschaft, die New Economy werde für Wohlstand für alle sorgen. Gut, dass wir diesen Predigten nicht geglaubt haben.

 

Wir sind einen besseren Weg gegangen. Wir haben nicht zugelassen, dass immaterielle Bereiche, allen voran der Finanzsektor, für die Volkswirtschaft bestimmend wurden, sondern haben uns unsere Industrien bewahrt. Handel, Dienstleistungen und Hafen haben deshalb einen Stabilitätsanker realer Wertschöpfung, der uns vergleichsweise sicher durch die Krise gebracht hat. Dienstleistungen und Handel brauchen die Industrie. Aus ihrem Wechselspiel entsteht die wirtschaftliche Kraft. Gut durch die Krise gekommen sind wir genau damit. Natürlich auch mit klugen Konjunkturpaketen, und mit der Kurzarbeit, auf die viele in der Welt immer noch staunend schauen.

Das, was wir in Deutschland damals gemacht haben, war wirklich bemerkenswert und zeigt, was die Stärke unseres Standortes ausmacht: Starke industrielle Kerne, leistungsfähige soziale Systeme und eine belastbare Sozialpartnerschaft.

 


Meine Damen und Herren,

 

beim Stichwort Krise denken die meisten in diesen Tagen an den Euro, an Griechenland, an den Europäischen Rettungsschirm und an die Folgen, die diese Entscheidungen für die gesamte Eurozone, auch für Deutschland haben können.

 

Ich will auch dazu etwas sagen und ich will es auch hier betonen: Wir haben keine Krise des Euro. Es gibt eine Krise in einem Land, dessen Währung der Euro ist. Der Euro ist stabil und er hat unserer Volkswirtschaft viel Gutes getan.

 

Europa ist mehr als die Summe seiner Teile und auch der Euro ist mehr als irgendein Zahlungsmittel. Europa ist für mich weiterhin eine große friedenspolitische Vision und auch der Euro hat schon jetzt zur europäischen Integration wesentlich beigetragen.   

 

Das gilt aus der Sicht Hamburgs genauso wie aus der Sicht Deutschlands. Wir exportieren in großem Umfang  in Euro-Länder, nämlich Deutschland mehr als 40 Prozent. Aus Hamburg gehen fast zwei Drittel der Exporte in die europäischen Nachbarländer.

 

Aber wir haben Probleme damit, dass wir der einheitlichen Währung in Europa nicht mutig genug auch eine funktionierende Marktordnung an die Seite gestellt haben.

 

Das Ziel der europäischen Integration wird durch Schuldenmachen und durch schlechtes Wirtschaften gefährdet, aber ebenso durch nationale Egoismen und viel zu große ökonomische und soziale Unterschiede. Europa muss voran kommen auf dem Weg zu einer gemeinsamen Wirtschafts- und Finanzpolitik.

Europa und der Euro brauchen neue Regularien und bessere Rahmenbedingungen. Das ist richtig und dazu liegen gute Vorschläge übrigens schon seit 2009 auf dem Tisch. Spätestens damals ist der Irrglaube entlarvt worden, dass man die Finanzmärkte nur ungehindert machen lassen müsse, damit sich das Geld schon wundersam vermehren werde. Dass das nicht geklappt hat, ist keine Schuld des Euro.

 

Deshalb taugen auch Parolen wie Ein Ende mit Schrecken ist besser als ein Schrecken ohne Ende nichts. Wenn manche jetzt die Rückkehr Griechenlands zur Drachme fordern, dann legen sie Lunte an ein Pulverfass für ganz Europa.

 

Wir brauchen gesamteuropäische Solidarität schon aus unserem eigenen Interesse heraus.
Dazu gehört auch, dass wir trotz unterschiedlicher Bewertungen einzelner Punkte den europäischen Stabilitätsmechanismus ESM grundsätzlich unterstützen.


Aber finanzpolitische Kontrolle alleine reicht nicht, wenn wir wollen, dass Griechenland wieder auf die Beine kommt. Dazu braucht es auch Raum  für wichtige Investitionen, die für den langfristige Wachstum und Beschäftigung notwendig sind. Schließlich sind es nicht die griechischen Arbeitnehmer und Rentner, die das europäische Finanzsystem in Gefahr gebracht haben.

 

Das  haben andere in Gefahr gebracht. Die müssen jetzt auch an den Kosten der Krise beteiligt werden. Deshalb brauchen wir eine Finanztransaktionssteuer, um kurzfristige Spekulationen einzudämmen und gleichzeitig Spekulanten an den Folgekosten der Krise zu beteiligen. Ich finde es gut, dass EU-Kommissionspräsident Barroso die Einführung einer solchen europaweiten Steuer jetzt vorschlagen will.

 

 

Meine Damen und Herren,

 

Schulden hat nicht nur Griechenland. Schulden hat auch Deutschland und Schulden hat auch Hamburg geerbt. In unserem Regierungsprogramm ist die Haushaltssanierung ein zentraler Punkt.

 

Neuerdings sind auf Bundesebene wieder Vorschläge laut geworden, wegen der guten Einnahmesituation Steuern zu senken. Dafür sehe ich überhaupt keinen Spielraum und ich warne die Bundesregierung davor, die Sparanstrengungen aufzugeben oder abzuschwächen.

 

Auch in Hamburg sind die Steuereinnahmen des Jahres 2010, wie man inzwischen weiß, höher gewesen als erwartet und die aktuelle Steuerschätzung lässt uns auch für 2011 und 2012 hoffen. Aber wir dürfen uns gerade nicht an den konjunkturell bedingt schwankenden Einnahmen orientieren und  wir werden das in dieser Stadt nicht tun, denn wir brauchen langfristige Maßstäbe. Das Ziel, einen Haushalt 2020 ohne Neuverschuldung zu erreichen, ist gesteckt und wir wollen es erreichen.

 


Meine Damen und Herren,

 

in der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise waren sich alle einig, dass es klüger ist, unsere hochqualifizierten Beschäftigten in den Betrieben zu halten. Das war nicht selbstverständlich.

 

Jetzt, wo es wirtschaftlich wieder aufwärts geht, zeigt sich, wie richtig es war, denn die Betriebe stehen glänzend da und können mit eingespielten Teams durchstarten, statt viel Zeit mit der Rekrutierung neuer Fachkräfte zu vertändeln.

 

Um den großen Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften in Deutschland und Hamburg auch in Zukunft zu sichern, müssen wir uns heute anstrengen.

Das wird nur gelingen, wenn wir uns intensiv um das Thema Qualifizierung kümmern.

Das hilft den Betrieben und das hilft den Einzelnen, die so Perspektive bekommen. Sich anzustrengen, muss sich lohnen und wer sich Mühe gibt, muss sein Leben verbessern können. Die Wirtschaft, gerade auch die Industrie wird den Nutzen davon haben.
 

Ich habe in der Regierungserklärung gesagt:


 

Wir dürfen nicht nur darauf setzen, dass die Besten auch zu uns kommen. Viele Gute leben bereits in dieser Stadt. Ihnen müssen wir mit gezielter Arbeitsförderung und Qualifizierung helfen, sich weiter zu entwickeln.

 

Entscheidend ist, dass diejenigen, die die Schule verlassen, auch einen Ausbildungsplatz bekommen.

Mir ist wichtig, dass die Unternehmen auch die Potenziale derer sehen, die vielleicht nicht so gut waren, als sie von der Schule kamen. Auch hier im Saal werden einige sitzen, denen die Lehrer nicht vorhergesagt haben, dass sie mal ein Unternehmen leiten werden. Manche starten später, dafür aber umso kraftvoller.

Die meisten Initiativen von Betrieben, junge Leute für eine Ausbildung vorzubereiten oder auszubilden, weisen große Ausbildungserfolge auf.

Deshalb finde ich, dass jeder von diesen jungen Leuten eine Chance auf Qualifizierung bekommen muss. Denn nur mit einer ordentlichen Ausbildung hat man die besten Voraussetzungen für ein erfolgreiches Berufsleben!

Außerdem dürfen die Angebote, die das Bildungssystem hinsichtlich Ausbildung und Weiterqualifizierung macht, nicht an Altersgrenzen halt machen.

Mit der Bundesagentur für Arbeit und ihren Förderprogrammen und den Unternehmen wollen wir deshalb eine große Qualifizierungsoffensive beginnen. Im Blick haben wir dabei vor allem Unternehmen, die Beschäftigten auch im fortgeschrittenen Alter noch einen Berufsabschluss ermöglichen.

Und es ist wichtig, dass unser Bildungssystem insgesamt durchlässiger wird.

Jemand, der Meister ist oder eine entsprechende Berufserfahrung hat, sollte ein Studium in seinem Fachbereich aufnehmen können, ohne vorher zusätzliche Abschlüsse erwerben zu müssen so wie das in anderen europäischen Ländern längst üblich ist.

Deshalb werden wir in Hamburg dafür sorgen, dass die Studienmöglichkeiten ohne Abitur und mit qualifizierter Berufserfahrung deutlich erweitert werden.

 

Meine Damen und Herren,

 

der Senat will gute Wirtschaftspolitik machen. Gute Wirtschaftspolitik muss immer beweisen, dass sie die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erhalten und stärken kann. Und dass die Arbeitsplätze sicher bleiben und die Arbeitnehmer ordentlich bezahlt werden. Das heißt konkret, dass der Hamburger Bürgermeister den Ausbau des Hafens nicht allein privatem Engagement überlässt, sondern ihn als öffentliche Aufgabe begreift und entsprechend fördert. Oder dass die Energiewende so organisiert wird, dass große Unternehmen mit hohem Energieverbrauch weiter am Standort Deutschland arbeiten können.

 

Zu dem letzteren Punkt habe ich am vergangenen Donnerstag bei der Mitgliederversammlung des Industrieverbandes einige Ausführungen gemacht. Gleichzeitig habe ich bekräftigt, dass der beschlossene Atomausstieg überfällig war und dass es zur Energiewende das heißt: dem entschlossenen Ausbau der regenerativen Energienutzung keine Alternative gibt.

 

Was im Einzelnen vernünftig und was weniger vernünftig ist, darüber ist noch viel Diskussionsbedarf.  Das ist ja ganz klar angesichts der doppelten Wende der Bundesregierung in den vergangenen Monaten, derentwegen jetzt alles doppelt so schnell gehen muss.

 

Es sind auch alle Vorschläge und Warnungen willkommen, aber wenn ich lese, dass ein renommiertes Wirtschaftsforschungsinstitut sagt, es sei nicht ratsam, mit dem Ausbau regenerativer Stromerzeugungskapazitäten fortzufahren, wundere ich mich schon sehr.

 

Wir werden in Hamburg auch in diesem Punkt auf Kurs bleiben und unsere zum Teil ja auch sehr erfolgreich gemeinsam mit der Industrie betriebenen Energie-Einsparprogramme fortsetzen, ebenso wie wir einen weiteren Masterplan fortentwickeln, nämlich den Masterplan Klimaschutz.  Die Energiewende kommt nicht von selbst, der Ausstieg aus der Atomenergie muss eingebettet sein in die weitere Verbesserung der Energieeffizienz und den zügigen Ausbau der regenerativen Energien. Also das, was auch eine Stärke der Industrie ist.

 

 

Meine Damen und Herren,

 

unsere Exportstärke Ihre Exportstärke kommt weniger aus einfachen Preisvorteilen, als vielmehr aus der Qualität unserer Produkte und Dienstleistungen. Wir streben die Technologieführerschaft an. Wir gehören auf vielen Gebieten der Zukunftstechnologien zu den führenden Ländern. Beispiele sind die Biotechnologie, die Nano- und die Informationstechnologie, und nicht zuletzt auch der Sektor der Umwelttechnologien. Die sind jetzt gefragter denn je.

 

Welche Bedeutung die technologische Kompetenz Hamburgs und Deutschlands für einzelne Branchen hat, konnten wir gerade angesichts der Luftfahrtmesse in Le Bourget feststellen. In der Metropolregion beschäftigt allein die Luftfahrtindustrie fast 40.000 Arbeitnehmer. Solchen Clustern gehört die Zukunft.

 

Die Export- und überhaupt Stärke hat zweitens mit der Besonderheit zu tun, dass es in Deutschland eine mittelständische Industrie gibt wie nirgendwo anders in Europa. Ich meine  die vielen kleinen und mittelgroßen Unternehmen, die weltweit operieren, die zum Teil hoch spezialisiert sind auf wenige, aber erstklassige Produkte.

 

Das ist die Industrie, auf die Hamburg setzen sollte, kann und weiterhin wird.

Damit in unserer schönen Stadt auch das Herz der Industrie weiterhin kraftvoll schlägt.

 

Vielen Dank.