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15.06.2011

Rede beim Antrittsbesuch von Bundespräsident Christian Wulff

 

 

 

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
sehr geehrte Frau Wulff,
sehr geehrte Frau Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft,
sehr geehrter Herr Doyen,
sehr geehrte Damen und Herren,

herzlich willkommen in Hamburg. Es ist mir eine Ehre, Sie, hochverehrter Herr Bundespräsident, im Namen des Hamburger Senats im Rathaus der Freien und Hansestadt Hamburg zu Ihrem offiziellen Antrittsbesuch zu begrüßen.
Knapp ein Jahr im Amt, betreten Sie als Bundes-präsident mit Ihrem heutigen Besuch aber keineswegs Neuland, waren Sie doch auch als Bundespräsident bereits mehrfach zu Gast in Hamburg:
Als Ehrengast des traditionellen 91. Ostasiatischen Liebesmahl des Ostasiatischen Vereins in diesem Jahr, kurz nach der schrecklichen Erdbeben-Katastrophe in Japan.

Oder auch als Sie unserem Hamburger Ehrenbürger Siegfried Lenz mit Ihrem Besuch anlässlich seines 85. Geburtstages vor wenigen Wochen in besonderer Weise Ihre Wertschätzung entgegenbrachten.

Ich glaube, ich muss Ihnen Hamburg nicht vorstellen, nicht bei Ihnen für Hamburg werben.

Siegfried Lenz ist der klassisch-realistische Erzähler. Sein Leben und sein Werk stehen für Toleranz und Humanität der Stadt.

Das alljährliche Liebesmahl steht für die Internationalität unserer Stadt und für ihre vielfältigen Handelsbeziehungen.

Und als Sie vor wenigen Tagen die 15-jährige Hamburger Schülerin Laura Schwieren beim Wettbewerb "Jugend debattiert" in Berlin auszeichneten, konnten Sie sich einen Eindruck vom Geist unserer Jugend machen.

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

schon als niedersächsischer Ministerpräsident waren Sie ein verlässlicher Partner Hamburgs im Kreise der norddeutschen Küstenländer, wenn es darum ging, die Stärken der Gesamtregion zu bündeln und die internationale Sichtbarkeit Norddeutschlands im Schulterschluss zu stärken.


Ich freue mich auf eine weiterhin enge Verbundenheit zwischen dem Bundespräsidialamt und unserer Stadt, die auch künftig ihre Kompetenzen als Industrie- und Handelsmetropole mit einem Welthafen und sehr engen Verbindungen in alle Welt im nationalen Interesse einbringt.

Hamburg versteht sich nicht als ein Tor zur Welt, dass nur die Hamburger Kaufleute durchschreiten.

Hamburg versteht sich als zentraler Transportknoten für ganz Deutschland.

  • Wir haben den größten Eisenbahnknoten in Nordeuropa,
  • in Altenwerder das weltweit modernste Containerterminal,
  • überhaupt starten zwei von drei Containern, die durch Deutschland rollen, in Hamburg,
  • wir haben sehr eng getaktete Verkehre nach China, Osteuropa und in den Ostseeraum und
  • einen der modernsten Verkehrsflughäfen in Europa mit rund 13 Mio. Passagieren und hocheffizienter Cargo-Logistik.



Hamburg leistet als Drehschreibe zwischen Asien und Europa und seinem engen Geflecht an inten-siven Kontakten und Kooperationen in den Berei-chen Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur einen wertvollen Beitrag
 

  • zu dynamischen Wirtschaftsbeziehungen,
  • zukunftsweisenden Investitionen,
  • zu einem lebendigen kultur- und wissen-schaftspolitischen Austausch und Hamburg ist nicht ohne Grund in diesem Jahr Europäi-sche Umwelthauptstadt
  • in der Umweltzusammenarbeit.


Und zwar für ganz Deutschland.


Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

der Hamburger Hafen hat 2010 nach schwierigen Jahren während der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise mit 7,9 Millionen TEU wieder respektable Umschlagszahlen erreicht.

Und nach den jüngsten Prognosen des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) wächst Deutschlands Volkswirtschaft in diesem Jahr noch einmal um 3,6%.

Von diesem stärksten Wirtschaftswachstum seit der deutschen Einigung wird dann auch der Ham-burger Hafen profitieren und diesen weiteren Aufwärtstrend wollen wir in Hamburg natürlich auch.

Wir dürfen diese positive Entwicklung als Senat aber nicht nur geschehen lassen, wir müssen sie stützen. Und ich hoffe dabei auch auf die Unter-stützung des Bundes und der anderen Länder.

Wir brauchen ein gut ausgebautes Verkehrsnetz, die Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenelbe ebenso wie den Bau der Hafenquerspange und der Y-Trasse. Die Ertüchtigung des Eisenbahnknotens Hamburg ist entscheidend, die logistische Leistungsfähigkeit im Hafen und im Hinterland ebenfalls.

Ist unser Hafen eine tragende Säule des modernen Hamburgs, ist eine zweite starke Säule ein dauerhaft seriöser Haushalt.

Der Hamburger Senat hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, von 2020 an keine neuen Schulden mehr zu machen. Und dieses Ziel ist für mich nicht verhandelbar.

In Hamburg ist unser Ansatz, über einen langen Zeitraum den Durchschnitt der jährlichen Ausgabenzuwächse auf unter ein Prozent (0,88%) zu begrenzen. Kurzfristige, konjunkturell bedingte Einnahmeschwankungen werden diesen Kurs in Hamburg jedenfalls nicht beeinflussen.

Allzu oft sind die entscheidenden finanzpolitischen Fehler nicht im Abschwung oder in der Krise, sondern in Boom-Zeiten gemacht worden.


Diese Binsenweisheit wird der Hamburger Senat beherzigen. Aber auch der Bund muss aus finanzpolitischen Fehlern der Vergangenheit lernen, darf Versuchungen mit kurzfristiger Halbwertzeit nicht erliegen.

Die Länder sind nämlich immer auch abhängig von Entscheidungen zur Steuerpolitik und von Entscheidungen über gesetzliche Leistungen, die auf Bundesebene getroffen werden und für die Stadtstaaten ist diese Abhängigkeit auf der Aus-gabenseite besonders stark ausgeprägt.

Daher bedarf die Schuldenbremse, wenn sie Erfolg haben soll, einer notwendige Ergänzung: Die finanziellen Rahmensetzungen auf Bundesebene müssen zu Gunsten der Länder verbessert werden. Auf keinen Fall dürfen sie aber zu Ungunsten der Länder und ihrer Kommunen verändert werden.

Dabei denke ich insbesondere an die Gewerbesteuer, die nicht in Frage zu stellen, sondern in ihrer Basis zu stärken ist.

Ich denke auch an eine Reihe steuerlicher Entlas-tungen, die in 2008 und 2009 oder mit dem sog. Wachstumsbeschleunigungsgesetz explizit als konjunkturstützende Maßnahmen auf den Weg gebracht wurden.

Sie haben erheblich zu den dramatischen Einnahmeausfällen in den Länder-Haushalten beigetragen.

In Zeiten eines stabilen konjunkturellen Aufschwungs ist es angezeigt, solche Maßnahmen wieder auf den Prüfstand zu stellen.

 

Meine Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Bundespräsident,

die Förderung eines neuen Zusammengehörigkeitsgefühls in unserer Gesellschaft und die Integration der vielen Migrantinnen und Migranten sind die großen Zukunftsaufgaben in Deutschland insbesondere in einer Metropole wie Hamburg.

Ich freue mich, dass Sie, sehr geehrter Herr Bundespräsident, in erfrischender Deutlichkeit einen Handlungsschwerpunkt Ihrer Amtszeit im Zusammenhalt unseres Landes sehen im Zusammenhalt zwischen Einheimischen und Zugewanderten, Menschen in Ost und West, Alten und Jungen, Kinderreichen und Kinderlosen und all denen, die in Gefahr sind, auseinanderzudriften.

Ich möchte Sie heute bei Ihrem Besuch in Hamburg ermutigen, dieses Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Die Unterstützung Hamburgs haben Sie auf Ihrem Weg.

Wir wollen auch in Hamburg eine attraktive Stadt für alle: Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, für Familien und ältere Menschen, für Zugewanderte und für diejenigen, die schon länger hier leben.

Wir wollen Hamburg zur kinderfreundlichsten Stadt in Deutschland entwickeln.

Wir wollen deutlich mehr Wohnungen bauen, damit möglichst viele Hamburgerinnen und Hamburger den bezahlbaren Wohnraum finden, der zu ihnen passt und den sie sich wünschen.

Wir wollen den Öffentlichen Nahverkehr noch weiter ausbauen und wir wollen, dass jeder junge Mann und jede junge Frau eine absolvierte Be-rufsausbildung oder die Möglichkeit eines Studiums bekommen.

Das setzt alle Chancen der jungen Generation in Hamburg auf einen Schulabschluss voraus. Der Hauptschulabschluss muss das kulturelle Minimum sein und auch tatsächlich zur Berufsausbildung qualifizieren.


Ein wichtiges Ziel für uns ist, dass jede und jeder ein Leben auf eigenen Füßen führen kann.
 
Das ist eine große Aufgabe und natürlich wird es immer Einzelne geben, die auf Hilfe angewiesen sind.

Wenn wir aber wollen, das niemand zurück bleibt, dann müssen wir Hürden beseitigen und allen die Chance geben, sich in unserer Gesellschaft zu entfalten manchmal mit etwas Druck, immer aber auch mit einem Angebot.

Wichtig ist mir dabei auch, ausländischen Schülern, die hier einen Schulabschluss schaffen, einen Aufenthaltstitel zu geben.

Und ich will, dass wir die Bildungsabschlüsse von Zuwanderern aus ihren Heimatländern bei uns schneller und verbindlicher anerkennen.

Zuwanderer, die in Deutschland in dem Bereich arbeiten, in dem sie ausgebildet wurden, sind besser integriert.

Sie sind fester Teil unserer Gesellschaft und statistisch betrachtet auch eher bereit, sich für den Zusammenhalt über die Grenzen gesellschaftlicher Gruppen hinweg zu engagieren.

Das müssen wir gemeinsam erreichen.


Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

im Namen des Hamburger Senats wünsche ich Ihnen einen informativen und lebendigen Aufenthalt in Hamburg.

Sie werden die HafenCity besuchen und sich einen Eindruck von der Elbphilharmonie machen.

Hier entsteht ein Teil des modernen Hamburgs das derzeit größte innerstädtische Stadtentwicklungsprojekt Europas bietet ein Modell für die Ent-wicklung der europäischen Innenstadt am Wasser.

Gerade in der HafenCity mischt sich großstädtisches Leben mit einer hohen Lebensqualität, nachbarschaftlichem Engagement sowie mit einem dichten sozialen Netzwerk.

Sie wird ein neuer Teil der Innenstadt werden, mit einer hohen Lebensqualität, als Wohn- und Arbeitsort ebenso wie als Kultur- und Wissensort und als touristischer Anziehungspunkt.

Elbphilharmonie und HafenCity werden das Bild von Hamburg als Stadt am Wasser prägen: mo-dern in ihrer Gestaltung, traditionswahrend in ihrer Funktion.


Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

Thomas Mann schrieb im Zauberberg über Hans Castorps Hamburg:
 
"Die Atmosphäre der großen Meerstadt, diese feuchte Atmosphäre aus Weltkrämertum und Wohlleben, die seiner Väter Lebensluft gewesen war, er atmete sie mit tiefem Einverständnis, mit Selbstverständlichkeit und gutem Behagen."

In diesem Sinne: Genießen Sie Hamburg.

Schönen Dank.