Olaf Scholz (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gegenwärtig geht es um mehrere Gesetzesvorhaben, die für die Kapitalausstattung der deutschen Wirtschaft sehr wichtig sind. Wer erreichen will, dass Menschen Geld in Unternehmen investieren, der muss sicherstellen, dass sie Vertrauen in ihre Entscheidungen haben. Deshalb ist es wichtig, dass wir als Gesetzgeber die Voraussetzung dafür schaffen, dass die Menschen Investitionen in Unternehmen mit Vertrauen tätigen.
Aus meiner Sicht ist da etwas zu tun. Wir müssen nämlich feststellen, dass die Kapitalausstattung der deutschen Wirtschaft zu wünschen übrig lässt. Der Kapitalstock und die existierende Börsenkapitalisierung sind zu gering. Für uns ist es deshalb notwendig, Bedingungen und Voraussetzungen zu schaffen, die es möglich machen, dass da mehr zustande kommt, dass die Menschen also mehr investieren. Es ist daher richtig, dass wir mit verschiedenen Gesetzen, insbesondere mit dem Bilanzrechtsreformgesetz und dem Bilanzkontrollgesetz über diese Gesetze will ich sprechen , die Voraussetzung dafür schaffen, dass das besser geschehen kann.
Zu guten Investitionsbedingungen für die Unternehmen gehört aber auch, dass wir begreifen, dass die Finanzmärkte international geworden sind. Es ist angesichts dieser Tatsache richtig und notwendig, dass wir uns in internationale Entwicklungen einbeziehen, die es in diesem Bereich gibt. Die internationalen Finanzmärkte gehen immer mehr dazu über, für bestimmte Formen der Rechnungslegung gemeinsame Standards wir kennen sie als International Accounting Standards zu entwickeln, was für die europäische und für die deutsche Gesetzgebung jetzt in wachsendem Maße eine Rolle spielt.
Dass wir dem hier Rechnung tragen, ist nicht nur Formalismus oder der Glaube daran, es sei eine gute Idee, sich nach anderen zu richten. Es geht vielmehr unmittelbar um die Investitionsbedingungen für deutsche Unternehmen; es geht um die Möglichkeiten, sich zu refinanzieren. Deshalb ist es wichtig, dass der deutsche Kapitalmarkt so organisiert ist, dass er auch für interna-tionale Anleger interessant ist, nachvollziehbar bleibt und dass er den Standards, die sich dort entwickeln, entspricht.
(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Eine ganz neue Erkenntnis!)
Ich glaube, es ist richtig, dass wir hier die Entscheidung treffen, dieser Entwicklung zu folgen, obwohl es sowohl bei diesem als auch bei späteren Gesetzgebungsvorhaben ein Problem bleiben wird, dass die Rechnungslegungsstandards, die vor allem für Konzerne gelten, nicht diejenigen sind, die wir sonst etwa nach handelsrechtlichen Kriterien oder steuerrechtlichen Kriterien vorschreiben.
Wir werden die Differenz, die sich da auftut, beobachten müssen. Wir können es uns natürlich nicht so einfach machen, indem wir sagen: Wir haben dann eben unterschiedliche Standards, die nebeneinander und zugleich gelten. Vielmehr wird durch das, was als internationaler Rahmen gesetzt wird, Druck auf die verschiedenen nationalen Gesetzgebungen ausgeübt.
Sich dem gegenwärtig nicht anzupassen ist eine richtige Entscheidung. Aber es ist eben auch richtig, dafür zu sorgen, dass unsere Konzerne international akzeptierte Rechnungslegungen vorweisen können, weil das aus den von mir geschilderten Gründen für ihre Finanzbedingungen, für ihre Investitionsbedingungen und für ihre Kapitalausstattung von zentraler Bedeutung ist.
Parallel zu dieser Entwicklung findet etwas statt, was man als Angleichung im EU-Raum beschreiben kann. Auch das dürfen wir nicht nur als einen legalistischen Vorgang betrachten, also als etwas, das wir mitmachen, weil man es uns vorschreibt. Vielmehr geht es eben auch darum, wie gewährleistet werden kann, dass die sich internationalisierenden Finanzmärkte Vertrauen aufgrund angeglichener Bedingungen haben.
Deshalb ist es richtig, sowohl diese EU-Vereinheitlichung durchzuführen, als auch sich in dem Rahmen, den ich eben beschrieben habe, an internationale Standards zu halten.
Meine Ansicht ist daher, dass wir hiermit für das Vertrauen, für die Unternehmen und für ihre Investitionsbedingungen etwas Gutes tun. Das gilt auch für die weiteren Angelegenheiten, die im Rahmen der Wirtschaftsprüfung besprochen werden, zum Beispiel das Enforcement-Verfahren, das beschrieben wird. Es kennt eine freiwillige Prüfungsmöglichkeit als erste Stufe. Letztlich gibt es auch Zwangsmaßnahmen der BaFin, wenn es darauf ankommt, die freiwillig nicht akzeptierte Lösung doch noch durchzusetzen. Auch das ist für die Kapitalmärkte wichtig. Wir alle sollten dafür werben, dass das nicht als Zwang betrachtet wird, sondern als etwas, das wichtig ist, um mehr Aktienkapital zu generieren, um die Ausstattung der Unternehmen in unserem Land zu verbessern und dazu beizutragen, dass sie nicht mehr in einer solchen Weise, wie das heute festgestellt werden muss, Nachteile gegenüber anderen Unternehmen haben.
Der letzte Punkt, der zu diesem Gesetzgebungsvorhaben gehört, ist folgender: Wir tragen etwas dazu bei, dass die Abschlussprüfer unabhängig sind, dass alle Zweifel ausgeräumt werden, die in dieser Hinsicht entwickelt werden könnten, etwa Zweifel daran, ob denn die Wirtschaftsprüfer nicht doch in irgendeiner Weise von den Unternehmen, die sie zu prüfen haben, abhängig sind oder ob ihre Urteile wirklich sorgfältig abgewogen sind.
Alles das wirkt ein bisschen trocken, ist aber möglicherweise für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes von großer Bedeutung. Deshalb hoffe ich, dass bei dem, was wir hier in erster Lesung zu beraten haben, das Gleiche gelingen wird, was uns beim Anlegerschutz gelungen ist,
(Zuruf von der CDU/CSU: Sie müssen nur ordentliche Vorschläge machen!)
nämlich dass die Gesetzgebung auf gemeinsamer Basis geschieht und letztlich die Finanzmärkte davon profitieren können.
Schönen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
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01.07.2004