Olaf Scholz (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gute Politik sollte den Menschen die Möglichkeit verschaffen, so zu leben, wie sie gerne leben möchten. Gute Politik muss immer wieder die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Menschen ihre eigenen Pläne verfolgen können. Wir wissen, dass Hunderttausende schwule bzw. lesbische Paare in unserem Land leben, und sind deshalb als Gesetzgeber dazu aufgerufen, den rechtlichen Rahmen für das Zusammenleben dieser Menschen zur Verfügung zu stellen. Sie sollen in unserem Land gut leben können. Das haben wir mit dem Lebenspartnerschaftsrecht der letzten Legislaturperiode getan und das tun wir mit der jetzigen Überarbeitung.
Zusammenleben bedeutet auch, füreinander einzustehen. Füreinander einstehen ist etwas, was zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft im Kleinen wie im Großen beiträgt. Deshalb ist es richtig, dass wir rechtliche Regelungen für diesen Vorgang des Füreinandereinstehens haben.
Das Bundesverfassungsgericht hat bei der Bewertung der ersten rechtlichen Maßnahmen, die wir ergriffen haben, gesagt, wir hätten den Abstand zwischen Ehe- und Lebenspartnerschaftsrecht nicht so groß und so künstlich machen müssen, wie wir ihn gemacht haben. Daraus ziehen wir jetzt die richtige, notwendige Konsequenz, nämlich dass wir den rechtlichen Abstand zwischen den rechtlichen Regeln der Ehe und dem Lebenspartnerschaftsrecht wieder verringern. Ich glaube, das ist eine richtige Entscheidung.
Im Übrigen wissen wir, dass die eherechtlichen Regelungen, die wir auch in diesem Bereich mehr oder weniger wirksam werden lassen wollen, eine gute Tradition haben und deshalb auch denjenigen Menschen helfen, die als Schwule bzw. Lesben zusammenleben wollen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Sie haben ja Recht: Das Bundesverfassungsgericht sagt wie Sie und auch die Verfassung : Ehe und Familie sind geschützt. Aber ich finde, das Bundesverfassungsgericht das sollte meinungsbildend sein, auch in diesem Hause hat auch gesagt: Der Schutz von Ehe und Familie schreibt nicht vor, dass wir das Zusammenleben von Menschen gleichen Geschlechts nicht auch rechtlich regeln dürfen, und es schreibt auch nicht vor, dass wir es nicht genauso regeln dürfen wie die Ehe.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das ist eine der Entscheidungen, die das Bundesverfassungsgericht getroffen hat. Es ist deshalb nur noch Ideologie, wenn Sie dieses Institut unserer Verfassung gewissermaßen in einer vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht gedeckten Weise zitieren, um Ihre Ablehnung dieses Gesetzentwurfs zu begründen.
(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Entscheidend ist die Kinderadoption!)
Das Bundesverfassungsgericht unterstützt die Auffassung, die hinter unserem Gesetzgebungsverfahren steht,
(Daniela Raab [CDU/CSU]: Dazu hat es nichts entschieden! Das ist nicht richtig! Das war nicht Gegenstand der Entscheidung!)
und deshalb, glaube ich, ist es richtig und sinnvoll, dass Sie Ihre Meinung in dieser Frage ein bisschen weiterentwickeln.
Was für Sie eine große Rolle spielt, ist die Frage der verbesserten Adoptionsmöglichkeiten, die wir jetzt im Gesetz vorsehen wollen. Ich glaube, dass wir klug sind denn ein Gesetzgeber sollte nicht nur gut und gerecht, sondern auch klug sein , wenn wir hier schrittweise vorgehen und jetzt den nächsten Schritt von den bisherigen Regeln aus machen. Wir wollen dort, wo in einer Lebenspartnerschaft leibliche Kinder vorhanden sind, eine zusätzliche Adoptionsmöglichkeit einräumen. Ich bin fest davon überzeugt, dass das mit den Überzeugungen und Vorstellungen der meisten Menschen in unserem Lande übereinstimmt. Ich bin fest davon überzeugt, dass fast jeder und jede einsieht, dass es gut ist, wenn die Kinder, die in dieser Familie, in dieser Lebenspartnerschaft, schon sind, auch rechtlich enger an beide Lebenspartner gebunden sein können. Deshalb irren Sie, wenn Sie meinen, dass die Menschen mit dem Gesetz, das wir hier vorschlagen, nicht einverstanden sein werden. Ich bin überzeugt, dass es auf einen großen Konsens stößt, und es wird deshalb dazu beitragen, dass Sie, ähnlich wie an anderer Stelle, wieder sagen werden: Wir akzeptieren das nun. Aber Sie werden sich den nächsten Schritten wahrscheinlich wieder verweigern.
Aber es ist richtig gerade wenn man hört, wie Sie darauf reagieren , dass wir solche Regelungen treffen. Sie sind im Interesse der Menschen. Ich glaube, es handelt sich um gute Politik, und es wäre gut, wenn Sie sich da vorwärts bewegen würden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
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02.07.2004