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24.11.2014

Rede zum achten Logistikdinner im Hamburger Rathaus

 

Sehr geehrter Herr Bundesminister,
sehr geehrte Bundestagsabgeordnete,
sehr geehrter Herr Erster Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft,
sehr geehrte Mitglieder des Konsularischen Korps,
sehr geehrte Damen und Herren,

haben Sie in der Bahn oder im Flugzeug Kaffee getrunken? Oder Tee? Haben Sie mit dem Handy telefoniert oder war jemand heute schon joggen? Vermutlich haben Sie weder dabei noch während der Anreise an den Hamburger Hafen gedacht. Hätten Sie aber können. Denn die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass der Kaffee, der Tee, Ihr Handy oder Ihre Turnschuhe aus Hamburg kommen, genauer aus dem Hafen in dem übrigens jährlich mehr als neun Millionen Container umgeschlagen werden. Das zeigt: Ohne Hamburg geht nichts. Seinen Sie also herzlich willkommen in Deutschlands Logistik-Hauptstadt!

Ganz besonders herzlich begrüße ich den Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Er hat uns kürzlich die Steilvorlage für den heutigen Abend geliefert. Ich zitiere: Wir (in Deutschland) sollen den Rest Europas ziehen mit der Industriegesellschaft. Da muss man schon ein bisschen aufpassen, dass man uns auch die Möglichkeit dafür gibt. Das hat er auf einer Matinee der Wochenzeitung Die Zeit gesagt, natürlich in Hamburg, und es fiel noch ein weiterer Satz, den ich wiedergeben möchte. Es sei, Zitat: einigermaßen skandalös, wie schwierig es ist heutzutage, mit Europa eine Elbvertiefung durchzusetzen.
Lieber Sigmar, vielen Dank für diese deutlichen Worte. Sie führen mitten hinein ins Thema, wobei ich gleich sage: Mit skandalös meinen wir beide nicht die Aussetzungsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, auf die ich gleich komme. Die Fahrrinnenanpassung ist in der Tat das wichtigste strategische Ausbauprojekt für den Hamburger Hafen. In der Schifffahrtsterminologie heißt das Problem übrigens außergewöhnlich große Fahrzeuge oder You El See Vee. Was eindeutig ein Understatement ist. Ein Schiff mit 16.000 Containern ist knapp 400 Meter lang, also mehr als drei Fußballfelder. 2013 gab es auf der Unterelbe schon 1.788 Schiffsbewegungen solcher XXL-Schiffe, und es werden noch mehr werden.

Solche Riesen können den Hafen derzeit nur tidenabhängig anlaufen. Das heißt, bei Ebbe müssen sie warten, was zusätzliche Kosten verursacht. Deshalb ist die Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenelbe nötig. Sie stellt sicher, dass der Hafen zu wirtschaftlich tragbaren Bedingungen angelaufen werden kann und wettbewerbsfähig bleibt.

Da war unser Geduldsfaden jetzt vorübergehend etwas gespannt, nachdem am 2. Oktober das Bundesverwaltungsgericht beschlossen hatte, erst einmal abzuwarten, was der Europäische Gerichtshof zur Weservertiefung sagt. Das betrifft übrigens nicht nur Weser und Elbe, sondern wird die Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Aktivitäten entlang der Binnengewässer und Küsten in ganz Europa prägen.

Da ich inzwischen den Aussetzungsbeschluss und die Stellungnahme des Generalanwalts zum Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof gelesen habe, bin ich zuversichtlich. Nicht nur, weil ich davon ausgehe, dass die Richter zwischen den ökologischen und wirtschaftlichen Interessen klug abwägen werden.

Aus mehreren Gründen teile ich den Pessimismus nicht, der nach der Aussetzungsentscheidung teilweise in den Medien verbreitet wurde:

  • Erstens dürfen wir nicht übersehen, dass das Gericht über sehr weite Strecken die Planfeststellung bestätigt hat.
  • Zweitens hat es keinen Zweifel an der wirtschaftlichen Notwendigkeit einer abermaligen Anpassung der Fahrrinne gelassen.
  • Drittens hat es die hydrologischen Grundlagengutachten bestätigt.
  • Und viertens vermochte es auch keine Fehler bei der Durchführung dieses sehr komplexen Planfeststellungsverfahrens zu erkennen.

Lediglich im Bereich der Bewertung möglicher Umweltauswirkungen hat das Gericht im Hinblick auf vereinzelte Schutzgüter und Tier- oder Pflanzenarten Bedenken an einer zutreffenden Ermittlung der Ausbaufolgen betont. Diese Bedenken können aber nach Aussage des Gerichts ausgeräumt werden und haben weder einzeln noch in der Summe eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gerechtfertigt. Damit ist heute klarer denn je, dass die benötigte Fahrrinnenpassung zulässig ist und auch kommt.

Diese an sich gute Botschaft kann zwar einen sofortigen Baubeginn nicht ersetzen, stimmt aber dennoch optimistisch. Die beiden Projektpartner, Hamburg und der Bund, haben sich bereits daran gemacht, die verbliebenen Bedenken des Gerichts sorgfältig und schnellstmöglich auszuräumen.

Meine Damen und Herren,
Hamburg ist, dank des Hafens, das vielzitierte Tor zur Welt, und damit das so bleibt, hat die Freie und Hansestadt trotz knapper öffentlicher Kassen die Hafeninfrastruktur vom Schienen- über das Straßennetz bis zu den Hafenterminals in weiten Bereichen modernisiert und ausgebaut. Mit einer Vielzahl weiterer Investitionen auch in die überörtliche Infrastruktur machen wir den Hamburger Hafen heute und in den kommenden Jahren fit für die kontinuierlich steigenden Anforderungen qualitativ wie quantitativ wachsender Güterverkehrsströme.

Dazu ein Beispiel: Mit rund 300 Millionen Euro seit 2007 wurden die Steuerungstechnik und die Gleisanlagen des gesamten Hafenbahnnetzes auf den modernsten Stand gebracht. Das Containerterminal Altenwerder konnte deshalb 2013 einen neuen Allzeitrekord aufstellen und ist der mit Abstand aufkommensstärkste deutsche Containerbahnhof und größte Gütereisenbahnhof Europas.

Das bringt mich zu einem weiteren Thema, der Verkehrsinfrastruktur generell. Schienen und Straßen sind, zusammen mit den Wasserläufen sowie Start- und Landebahnen, die Nervenbahnen unseres Wirtschaftsstandortes. Aber die Verkehrsinfrastruktur ist nicht in einem rundum guten und gut ausgebauten Zustand und die vorhandenen Kapazitäten auf Straße, Schiene und Wasser reichen kaum noch aus, um die steigenden Gütermengen zu bewältigen. Hier sind Investitionen dringend nötig, auch seitens der Bahn und des Bundes. Deshalb begrüßen wir die zehn Milliarden Euro ausdrücklich, die der Bund zusätzlich investieren will, zu einem hoffentlich guten Teil in die Infrastruktur.

Logistikdrehscheibe für Deutschland und Europa kann der Hamburger Hafen dauerhaft nur mit funktionierenden Hinterland-Anbindungen sein, funktionierenden Verbindungen in den Süden Deutschlands, in die skandinavischen Länder und mit Anschluss an die Korridore nach Osten und Westen.

Die kommende feste Fehmarnbelt-Querung, die den Güterverkehr auf der Schiene von und nach Skandinavien vitalisieren wird, will ich heute nur am Rande erwähnen. Intensiv beschäftigt mich schon jetzt der Aus- oder Neubau der Strecken zwischen der Metropolregion Hamburg sowie Bremen und Hannover, für die es ja kluge Grundlagen für die weiteren Planungen gibt. In der Tat darf es gedankliche und planerische Pausen auch nicht geben, wenn es um Ausbau und Erneuerung der Schieneninfrastruktur geht, vor allem um das Auflösen von Engpässen. Im Süden Hamburgs muss als nächste Masche das zweite Gleis der Ostumfahrung von Maschen gestrickt werden, so heißt der vor kurzem musterhaft modernisierte Verschiebebahnhof. Die Planfeststellung für dieses östliche Umfahrungs-gleis ist gerade abgeschlossen.

Die bundesweite Anbindung muss auch durch den Ausbau des Ostkorridors verbessert werden. Über die Verbindung von Uelzen via Magdeburg und Leipzig bis nach Bayern und Österreich soll eine zusätzliche Strecke zur Versorgung Südost-deutschlands und -europas entstehen. Auf der Strecke Uelzen-Stendal rumpelt es, vielleicht nicht wörtlich zu nehmen, aber zwei insgesamt 21 Kilometer lange Abschnitte müssen jedenfalls ausgebaut werden. Hamburg hat auch das zum Bundesverkehrswegeplan 2015 angemeldet.

Ausdrücklich begrüßt habe ich die Ankündigung des Bundesverkehrsministers, dass es ein Seehafenhinterlandprogramm römisch II geben wird. Darin erwarten wir, dass einige Maßnahmen im Knoten Hamburg realisiert werden, um den Verkehrsfluss auf der Schiene weiter zu verbessern. Ich denke hier beispielsweise an das Kreuzungsbauwerk Wilhelmsburg, das dazu dienen soll, Züge aus dem Hafenbereich weichenfrei auf die östlichen Gleise zu bringen, und die Entflechtung in Harburg.

So weit, so mehrgleisig, meine Damen und Herren, und angemessen hochgeschottert! Denn leistungsfähige Straßen und Schienen sind Voraussetzung für Wachstum, den Erhalt und den Ausbau von Arbeitsplätzen. Das gilt auch für Hamburg. Deshalb sind wir dabei, unsere Straßen und unsere Verkehrskonzepte den Bedürfnissen einer wachsenden Stadt anzupassen. Die dazu nötigen Baumaßnahmen führen, wie der achtspurige Ausbau der A7, leider zeitweilig zu Beeinträchtigungen.

Die Stadt versucht, mit guter Baustellenkoordination die Auswirkungen so gut es geht zu minimieren. Beispielsweise haben wir die Straßenbeläge im Elbtunnel vorsorglich erneuern lassen, damit das während der Bauzeit nicht zusätzlich geschehen muss. Wir sorgen für frühzeitige Verkehrs- und Baustelleninformation und haben einen Baustellen-Koordinator für die A7 eingestellt, der Probleme rechtzeitig erkennen und helfen soll, sie zu entschärfen.

Ich gebe zu: In perfekter Reibungslosigkeit gelingt das nicht überall. Aber wenn die A7 fertig ausgebaut ist, wird das den Verkehrsknoten Hamburg deutlich entlasten. Und der Verkehr wird schneller fließen, auch dank unserer jetzigen Maßnahmen in der Stadt.

Wasserwege, Straße, Schiene das alles sind Investitionen in die Hardware. Um sie optimal zu nutzen, brauchen auch wir die entsprechende Software. Das Stichwort hier heißt Smart City, denn zukunftsentscheidend wird es sein, die Chancen der Digitalisierung und Vernetzung konsequent für die Entwicklung des Logistikstandorts zu nutzen.

Die Digitalisierung verändert die Logistikprozesse von Grund auf, und das betrifft gerade die Städte und ihre Infrastruktur, die sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten grundlegend erneuern und verändern werden. Unternehmen und Logistikstandorte müssen die neuen technischen Möglichkeiten frühzeitig nutzen, um den Wandel zu gestalten und im globalen Wettbewerb auf der Gewinnerseite zu stehen.

Ob das in Zukunft heißen wird, dass Drohnen durch die Stadt sausen und Pakete zustellen, darüber müssen wir noch diskutieren, aber davon abgesehen ist der Senat davon überzeugt, dass die Digitalisierung insbesondere im Bereich der Logistik zu weiterem Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung in der Stadt führt.

Aus diesem Grund hat der Senat am 30. April dieses Jahres die Smart-City-Initiative ins Leben gerufen. Es geht darum, intelligente, innovative Infrastrukturen zu etablieren, die helfen, Mobilität effizienter zu machen, Ressourcen zu schonen und negative Umweltflüsse zu reduzieren. Schwerpunkte sind Verkehr und Hafen, denn Straßen, Schienen und Wasserwege können nicht unbegrenzt ausgebaut werden. Daher ist es unerlässlich, die Nutzungseffizienz der Infrastruktur durch Digitalisierung und Vernetzung zu verbessern und den Verkehrsfluss zu optimieren.

Der Hamburger Hafen ist hier Pilotprojekt und Vorreiter: Ziel ist ein feinmaschiges digitales Nervensystem, das alle Logistikprozesse im Hafen erfasst und dirigiert. Dazu gehört beispielsweise eine App, mit der Trucker sich über Verkehrsstörungen informieren und ihre Routen entsprechend planen können. Dazu gehört das Port River Information System Elbe kurz PRISE , das die Ankunft und die Abfahrt von Containerschiffen steuert, von den Schiffspositionen auf der Elbe ab Deutscher Bucht bis Leinen fest. Und dazu gehört die Feeder-Logistikzentrale, die die Zubringer- und Verteilerschiffe im Hafen steuert und inzwischen mehr als 5000 Terminalanläufe pro Jahr koordiniert.
Das alles funktioniert nicht ohne qualifizierte Arbeitskräfte. Die 2006 auf Initiative des Senats gegründete Logistik-Initiative Hamburg ist auf diesem Feld sehr aktiv. Sie initiiert eine Vielzahl von Projekten, um insbesondere Schülerinnen und Schüler für Logistikberufe zu begeistern. Das ist wichtig, denn die Attraktivität der Logistik-Branche ist den meisten noch zu wenig bekannt.

Die Logistik-Initiative heute auch Thema von Prof. Witten hat sich übrigens zum größten deutschen Logistik-Branchennetzwerk mit inzwischen mehr als 500 Mitgliedsunternehmen entwickelt. Das zeigt, wie hoch die Akzeptanz in der Wirtschaft ist. Wir haben damit ein gut funktionierendes Forum etabliert, in dem Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Wissenschaft in einem ständigen Austausch stehen und gemeinsam Probleme und Herausforderungen frühzeitig erkennen und Lösungen entwickeln.
Im Fokus des Netzwerks steht die Metropolregion Hamburg, aber sie strahlt europaweit, wie wir seit Anfang des Jahres wissen. Da wurde sie nämlich von der Europäischen Union mit dem Gold-Label ausgezeichnet. Das freut uns und erfüllt uns mit Stolz. Allen Unternehmen und Persönlichkeiten, die sich aktiv im Netzwerk einbringen und damit ihren Beitrag leisten, um den Logistikstandort Hamburg voranzubringen, mein herzlicher Dank.

Eng verknüpft mit diesen Themen sind Wissenschaft und Forschung in der Metropolregion. Sie stellt eine hervorragende Infrastruktur für die Ausbildung von Logistik-Fachkräften bereit. 17 Hochschulen verfügen über insgesamt 37 Studiengänge und auch die Wirtschaft trägt mit der Hamburg School of Business Administration P  und der Kühne Logistics University wesentlich zu Hamburgs Ruf als Ausbildungshochburg für Logistikfachkräfte bei.
Die Freie und Hansestadt bietet den Unternehmen gute Rahmenbedingungen, indem sie die anwendungsorientierte Forschungs- und Entwicklungsinfrastruktur gezielt ausbaut. Dabei haben wir gerade im Bereich der Logistik hervorragende Ergebnisse erzielen können: Das Fraunhofer-Center für maritime Logistik und Dienstleistungen, kurz CML, ist diesen Sommer positiv evaluiert worden und wird jetzt zu einer dauerhaften Fraunhofer-Einrichtung. Ich gratuliere dem Leiter des CML, Professor Jahn, ganz herzlich zu diesem Erfolg. Zugleich möchte ich mich bei Professor Clausen, dem Geschäftsführer des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik in Dortmund, für die geleistete Unterstützung bedanken.

Diese positive Evaluation ist Hamburgs Eintrittskarte in die Fraunhofer-Welt. Zum 1.1.2015 wird Hamburg als letztes Bundesland in die Fraunhofer-Gesellschaft aufgenommen. Das ist ein riesiger Erfolg und wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einer Innovationshauptstadt in Europa. Fraunhofer ist hierfür der beste Partner, denn die Forschungsorganisation fördert und betreibt international vernetzt anwendungsorien-tierte Forschung zum unmittelbaren Nutzen für die Wirtschaft und zum Vorteil für die Gesellschaft. Die Stadt hat sich daher in besonderem Maße beim Aufbau des CML engagiert: Bis 2015 erhält es eine Anschubfinanzierung aus Mitteln der Stadt in Höhe von sechs Millionen Euro.

Ebenfalls mit finanzieller Unterstützung der Stadt erforscht etwa das Hamburger Logistik Institut den Einsatz von elektromagnetischen RFID-Systemen zum Beispiel in der Humanitären Logistik, wie sie beim Transport von Hilfsgütern in Katastrophenfällen zum Tragen kommt.

Meine Damen und Herren,
das ist jetzt auch eine Lobeshymne auf Hamburg geworden, die sich selbstverständlich noch in vielen Punkten ergänzen ließe. Zum Beispiel dass die Metropolregion 2014 im Ranking des Beratungsunternehmens SCI-Verkehr Platz 1 der dynamischsten Logistikregionen Deutschlands einnimmt.

Über das Lob hat der englische Satiriker Samuel Butler übrigens folgendes gesagt: Der Vorteil, wenn man sich selbst lobt, liegt darin, dass man so dick und genau an der richtigen Stelle auftragen kann. Ich hoffe, das ist mir in Bezug auf Hamburg und die Metropolregion gelungen. Und jetzt wünsche ich uns allen einen anregenden Abend.

Vielen Dank.