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26.02.2011

Rede zum Tag der offenen Tür anlässlich des 65. Geburtstages der ZEIT

An Geburtstagen darf man kurz zurückschauen und deshalb will ich die Anfänge der Zeit ins Gedächtnis rufen. Jene Zeit, als das Papier bei den ersten Ausgaben für gerade einmal 25.000 Stück Auflage reichte. Und ungewöhnliche Konkurrenz gab es noch oben drauf.

Denn Ende der 40er Jahre als Die Zeit ins Leben gerufen wurde waren hier in Hamburg  auch die Auflagenzahlen britischer Zeitungen hoch.

 

Irgendwann kamen auch die Briten dahinter, dass das gar nicht viel mit der Berichterstattung zu tun hatte, schreibt der damalige Zeit-Redakteur Richard Tüngel in seiner Autobiographie. Es lag vielmehr daran, dass ihre Zeitungen in erster Linie als Einwickelpapier gekauft wurden. Besonders begehrt war übrigens die Luftpostausgabe der Times, weil man das feine Reispapier, auf dem sie gedruckt war,  sehr gut benutzen konnte, um mit seiner Hilfe aus Kippen Zigaretten zu drehen.

 

Diese Form der Zweckentfremdung wird auch heute noch in jeder zweiten Rede über Journalismus angesprochen. Meistens ist es der Fisch, der verbal schon morgen in die Zeitung von heute eingewickelt wird.

 

Ich kann Sie beruhigen, lieber Herr Esser, auf Die Zeit hat dieser olfaktorisch problematische Vergleich nie gepasst: Wenn der morgige Fisch schon längst streng riecht, ist die heutige Ausgabe der Zeit immer noch frisch. Und rauchen kann man Die Zeit meines Wissens auch nicht.

 

Aber man kann und sollte sie lesen. Und das seit nunmehr 65 Jahren. Meinen herzlichen Glückwunsch dazu.

 

Die Zeit ist heute weder aus Hamburg noch aus dem deutschen Journalismus insgesamt wegzudenken.

 

Politiker und Journalisten haben kein einfaches Verhältnis miteinander. Und das ist auch nicht verwunderlich in einer Beziehung, in der man tagtäglich so eng miteinander arbeiten muss. Wir tauschen Information gegen Publizität hat ein kluger Kopf mal geschrieben.

Die Verhältnisse sind schwierig und variantenreich:
Wir Politiker wissen etwas und sie wollen es schreiben.
Wir Politiker wissen nichts und sie wollen trotzdem schreiben.
Oder: Wir Politiker wollen, dass sie etwas schreiben, sie wollen das aber nicht.
Und damit haben wir die große Frage, wie geschrieben wird, noch gar nicht berührt.

 

Damit müssen Journalisten und Politiker souverän und professionell umgehen. Wir brauchen keine Kumpanei und keine Deals in Hinterzimmern, keine gemeinsamen Kampagnen und auch keine augenzwinkernde Rudelbildung. Was wir brauchen, ist ein faires Miteinander im Dienste unserer Demokratie und ihrer Öffentlichkeit.

 

Ohne journalistische Medien ohne Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen, Hörfunk oder Internet gäbe es keine Demokratie. Sie organisieren die conversation of democracy, wie es die Amerikaner nennen. Das gesellschaftliche Gespräch, in dem Verbindendes berichtet und Debatte ermöglicht wird.

 

Bernd Ulrich hat in der Zeit vor einigen Jahren geschrieben, dass drei Themen bei diesem Gespräch garantiert universell seien: Das Wetter, der Sport und die Politik. Es ist beruhigend, dass Journalisten das zumindest in diesem Hause noch so sehen.

Ohne Politik wäre Öffentlichkeit vielleicht immer noch ein nett anzusehendes Spektakel. Aber sie hätte keine wirkliche Bedeutung mehr für unsere Gesellschaft. Wir hätten Stoff zum Reden, allein das Gespräch wäre wenig wert.

 

Die Zeit so ist mein Eindruck stemmt sich gegen diese Tendenzen. Sie formuliert einen Selbstanspruch, der mir sehr sympathisch ist: Die Zeit ist unaufgeregt und hängt ihr Mäntelchen nicht nach dem Wind aktueller Trends. Sie berichtet nicht bloß das Aktuellste, sondern sie ordnet ein und erklärt, sie bewertet und diskutiert. Sie ist eine der Qualitätszeitungen, die der Philosoph Jürgen Habermas einmal als Rückgrat unserer Öffentlichkeit bezeichnet hat.

 

Die Zeit versagt sich deshalb auch weitgehend der aufgeregten Spielchen, die man aus Berlin so kennt. Sie hechelt nicht nach Agenturmeldungen. Sie liefert hanseatisch nüchterne Bewertungen der Zeitläufte.

 

Überhaupt Hamburg!

 

Die Zeit gehört zu Hamburg. Sie atmet den sozialliberalen Geist unserer Stadt. Weltoffenheit, Pluralität, ein gelassenes Vertrauen in das bessere Argument. Das zeichnet Hamburg und das zeichnet Die Zeit bis heute aus. Hier werden Autoren nicht auf Linie getrimmt. Unterschiedliche Meinungen bilden vielmehr ein Mosaik, das manches Mal irritierend und oftmals inspirierend zu lesen ist.

 

Die Zeit ist bildungsbürgerlich, keine Frage. Aber sie ist auch kaufmännisch und sie ist im besten Sinne politisch, weil sie sich um die Grundfesten des Gemeinwesens sorgt.

Für solch eine Zeitung braucht es den Geist einer wirklich globalen Metropole, wie Hamburg eine ist. Wir mögen es klug und pragmatisch und so ist Die Zeit.

Und so habe ich aus ihrer Zeitung vor zwei Wochen einen herzlichen Ratschlag mitgenommen: Ich müsse vor allem darauf achten, dass der blaue Anzug keine Falten werfe, dann würde der Rest auch schon gelingen (Die Heuchel-Hanseaten vom 17.2.2011).

 

Ich glaube nicht, dass das reichen wird. Und ich glaube auch nicht, dass die Regierungsattitüde, die in dem Text Die Heuchel-Hanseaten so treffend beschrieben wird, heute noch reicht.

 

Die Hamburgerinnen und Hamburger wollen, dass ihre Stadt wieder ordentlich regiert wird. Dazu gehört, dass Politik sich nicht selbst abschafft, sondern sich etwas zutraut: Wohnraum zu schaffen, beispielsweise. Kitas und Schulen besser auszustatten. Und die regionale Wirtschaft, insbesondere den Hafen, anständig zu fördern.

 

Das alles kann und das muss der neue Senat leisten, wenn unsere Stadt wieder nach vorne kommen will. Wir brauchen wieder etwas mehr von dem Gründergeist, aus dem heraus in unserer Stadt nicht nur die Oper wieder aufgebaut wurde, sondern der auch so große Medien wie den Spiegel, den Stern oder eben auch Die Zeit hervorgebracht hat.

 

Ich verspreche Ihnen: Wir werden in den kommenden Jahren unseren Teil dazu beitragen, dass dieser Geist in Hamburg spürbar sein wird.

 

Und wir werden Ihnen einiges zum Schreiben geben.