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06.03.2011

Gespräch mit der Welt am Sonntag

 

Welt am Sonntag: Herr Scholz, was bedeutet Ihnen persönlich der Moment, wenn Sie am Montag als Bürgermeister vereidigt werden?

 

Olaf Scholz: Das ist für jemanden, der in dieser Stadt aufgewachsen ist, ein ganz emotionaler Augenblick, auch weil in der Vergangenheit schon viele großartige Bürgermeister dieses Amt ausgefüllt haben - all das schwingt mit.

 

 

Welt am Sonntag: Viel Emotionalität haben Sie am Wahlabend nicht gezeigt. Ist die persönliche Freude eine Kategorie, die für Sie bei Ihrer Vereidigung überhaupt eine Rolle spielt?

 

Olaf Scholz: Klar. Aber ich kann mich auch nicht freimachen vom Respekt vor der großen Aufgabe. Ich finde, dass man einen Wahlerfolg auch nicht feiern soll wie den Sieg der eigenen Mannschaft beim Fußball. Es geht um eine Regierung für alle.

 

 

Welt am Sonntag: Aber der Wahlkampf verlangt doch von vielen, besonders von Ihnen, großes Engagement. Da kann man den Erfolg auch feiern, oder?

 

Olaf Scholz: Das habe ich getan. Das Wahlergebnis hat ja für mich eine Überraschung mit sich gebracht. Es war zwar fühlbar für jemanden, der dicht dran ist an den Bürgern der Stadt, dass mehr Stimmen drin waren als in den Umfragen. Aber das Ausmaß hat auch mich tief beeindruckt.

 

 

Welt am Sonntag: Sie haben vom Wähler einen großen Vertrauensvorschuss erhalten, treten aber als neuer Bürgermeister erstmals in der Geschichte zunächst ohne Senatsmannschaft an. Haben die Hamburger nicht Anspruch auf gutes Regieren von Anfang an?

 

Olaf Scholz: Klar, das bekommen sie auch. Das Regierungsgeschäft wird wahrgenommen. Im Übrigen ist es auf diese Weise möglich, dass ich zugleich mit der Bestätigung des Gesamtsenats am 23. März eine Regierungserklärung abgeben kann. Es ist wichtig, dass die neuen Behörden-zuschnitte ordentlich vorbereitet werden. Ich habe viele Ämter gehabt und in der Verantwortung festgestellt, wie wichtig es ist, dass man nicht ohne das große Wissen in den Spitzen der Behörden eine Regierung plant. Die Hamburgische Verfassung ist insofern ein Glücksfall für die sorgfältige Vorbereitung einer Regierungsarbeit, die dann über Jahre erfolgreich ist. Diese Möglichkeit will ich nutzen.

 

 

Welt am Sonntag: Bleiben da nicht wichtige Entscheidungen liegen?

 

Olaf Scholz: Langfristige Entscheidungen muss der neu gewählte Senat treffen, der spätestens am 23. März im Amt sein wird. Für das Parlament ist dies der nächstmögliche Termin.

 

 

Welt am Sonntag: Sie versprechen ein Konzept aus einem Guss. Was sind die Eckpfeiler?

 

Olaf Scholz: Handwerklich gutes Regieren, die Konsolidierung des Haushalts. Wir werden uns um die Wirtschaft kümmern, den Hafen, und wollen jedes Jahr 6000 neue Wohnungen bauen. Die Umwelthauptstadt darf nicht nur eine Marketing-Veranstaltung sein, sondern muss einen politischen Anspruch für die nächsten Jahre und Jahrzehnte mit sich bringen. Wir werden die durch den Volksentscheid zustande gekommene Schulstruktur konsolidieren und dafür sorgen, dass der Unterricht jeden Tag besser wird. Und wir wollen die Wissenschaft und die Hochschulen stärken.

 

 

Welt am Sonntag: Gibt es da auch einen Leitgedanken wie den der Wachsenden Stadt?

 

Olaf Scholz: Ob ein Motto der richtige Weg ist, um eine politische Konzeption zu beschreiben, weiß ich noch nicht. Eines ist jedenfalls klar: Das Konzept der Wachsenden Stadt war vernünftig, das haben wir nie anders formuliert. Dem Leitbild der Wachsenden Stadt fühlen wir uns auf jeden Fall verpflichtet. Ob wir es offiziell zum Motto machen, werden wir sehen. Wenn ich mich am Montag in der Bürgerschaft zur Wahl stelle, werde ich mit dem neuen Chef der Senatskanzlei, Christoph Krupp, die Regierungsbildung und auch die Struktur der Regierungserklärung vorbereiten.

 

 

Welt am Sonntag: Wann können Hamburgs Eltern damit rechnen, dass sie weniger Kita-Gebühren zahlen müssen?

 

Olaf Scholz: Wir werden in diesem Jahr eine Entscheidung über die Rücknahme der Kita-Gebühren fällen. Die Eltern werden die Entlastung auch in diesem Jahr finanziell spüren. Die Änderung muss aber auch administrativ umgesetzt werden können. Wir halten uns exakt an die Vereinbarung mit dem Landeselternausschuss und werden gleichzeitig den Weg erarbeiten, wie wir dazu kommen, dass am Ende der Legislatur die fünfstündige Betreuung insgesamt kostenlos ist.

 

 

Welt am Sonntag: Werden alle Planungen für die Stadtbahn gestoppt?

 

Olaf Scholz: Ich habe gesagt, dass ich die Stadtbahn für nicht finanzierbar halte - und das gilt. Natürlich werden die Hochbahn und die Stadt neue Pläne zum Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs entwickeln müssen. Dass dies erforderlich ist und dafür auch Investitionen nötig sind, um Stadtteile anzubinden und die Busse zu entlasten, ist klar.

 

 

Welt am Sonntag: Die Auseinandersetzungen, die es über den Kurs üblicherweise innerhalb einer Koalition gibt, dürften Sie künftig in Ihrer eigenen Partei führen. Müssen Sie nicht mit erheblicher Opposition aus den eigenen Reihen rechnen, sobald die ersten Forderungen nicht erfüllt werden?

 

Olaf Scholz: Nein. Was wir insgesamt brauchen, ist ein ganz neuer Dialog in unserer Stadtgesellschaft. Wir dürfen nicht heimlich vernünftig sein, sondern öffentlich. Das ist eine Anforderung an den Senat, aber auch an die Bürgerschaft und an die Öffentlichkeit insgesamt. Wenn wir weiter darüber Debatten führen, was alles sinnvoll wäre, und uns nicht davon leiten lassen, was auch bezahlbar ist, wenn wir nicht die Vernunft entwickeln, uns zwischen Alternativen zu entscheiden, werden wir nicht erfolgreich sein.

 

 

Welt am Sonntag: Es geht nicht nur um Finanzierbarkeit: Auch die Vorstellungen von Richtig und Falsch gehen auseinander.

 

Olaf Scholz: Es ist schon ein sehr konsensualer Prozess, der auch die Grundlage des guten Wahlergebnisses war. Hinter dem, was konkret im Wahlprogramm festgelegt ist, steht die Partei geschlossen.

 

 

Welt am Sonntag: Ganz konkret: Können die Beamten ihr Weihnachtsgeld behalten?

 

Olaf Scholz: Es bleibt dabei: Wir werden uns den Kürzungsbeschluss des schwarz-grünen Senats genau ansehen. Wenn es einen anderen Weg gibt, werden wir diesen sicherlich auch beschreiten.

 

 

Welt am Sonntag: Aber je mehr Personalentscheidungen Sie fällen und bekannt geben, desto mehr Enttäuschte bleiben zurück. Wie wollen Sie die Partei zusammenhalten?

 

Olaf Scholz: Es gibt großes Einvernehmen in der SPD darüber, das nicht Posten verteilt werden, sondern eine Regierung für die ganze Stadt gebildet wird.

 

 

Welt am Sonntag: Ein Blick auf die Landesliste zeigt etwa, dass Mathias Petersen der zweitbeliebteste Kandidat der SPD nach Ihnen ist. Gedenken Sie, seine Popularität im Senat oder an einer anderen herausragenden Stelle zu nutzen?

 

Olaf Scholz: Über sein Stimmenergebnis habe ich mich sehr gefreut, und es hat mich auch bestätigt, dass es richtig war, ihn auf einen sicheren Listenplatz zu setzen. Ich schätze die Leistungen von Mathias Petersen sehr, und das hat auch Bedeutung bei meinen Überlegungen.

 

 

Welt am Sonntag: Was haben die Hamburger in den ersten 100 Tagen Ihrer Regierung zu erwarten?

 

Olaf Scholz: Ich wäre sehr froh, wenn für alle klar wäre, dass wir das wichtigste Versprechen handwerklich guten Regierens mit einem überzeugenden Senat eingehalten haben. Wenn mit dem Gefühl aus den 100 Tagen in die vier Jahre gegangen würde, dass die vor der Wahl gemachten Versprechen auch wirklich gut umgesetzt werden, wäre das schon mehr, als die meisten Regierungen geschafft haben.

 

 

Welt am Sonntag: Das ist solide, wenn auch nicht besonders glanzvoll.

 

Olaf Scholz: Ich will eine glanzvolle Regierung. Das bedeutet für mich, dass der Staat Hamburg sich gut entwickelt und die Potenziale seiner Bürger gut nutzt.

 

 

Welt am Sonntag: Werden Sie die Behörden komplett umbauen?

 

Olaf Scholz: Für mich ist klar, dass man manche Behörde neu zuschneiden muss. Das ist keine leichte Aufgabe. Die kann man nicht an einer Papierwand darstellen, auf der man kleine Pakete verschiebt. Eines scheint klar: Einige Behörden sind zu groß und nicht handhabbar. Eine Behörde muss von der politischen Spitze führbar sein, leitende Mitarbeiter dürfen nicht aus der Zeitung erfahren, was geplant ist. Wichtig ist die Effizienz. Es wäre dogmatisch, allein das Ziel zu verfolgen, die Zahl der Behörden abzusenken. Höhere Kosten verursachen eher die immer größer gewordenen Stäbe. Diesen Prozess müssen wir umkehren.

 

 

Welt am Sonntag: Woran werden die Hamburger merken, dass ihre Stadt in Deutschland eine größere Rolle spielt, wie Sie es angekündigt haben?

 

Olaf Scholz: Ihr Bürgermeister wird sich an den großen bundesweiten Debatten beteiligen und, wenn es bei wichtigen Entscheidungen für Hamburg darauf ankommt, rechtzeitig an den entsprechenden Stellen Einfluss nehmen.

 

 

Welt am Sonntag: Sie hatten schon viele Ämter. Haben Sie als Hamburger Bürgermeister Ihr persönliches Ziel erreicht oder weitere Ambitionen?

 

Olaf Scholz: Für einen Hamburger ist Bürgermeister zu sein eine große Aufgabe. Ich gehöre aber nicht zu denjenigen, die ein festgelegtes persönliches Ziel haben. Die Aufgabe in Hamburg wird mich in den kommenden Jahren voll ausfüllen. Allen, die wissen wollten, ob ich 2013 in ein Bundeskabinett eintreten würde, habe ich eine Absage erteilt.

 

 

Welt am Sonntag: Haben Sie Ihre Frau zumindest im Spaß schon einmal "Fila" genannt?

 

Olaf Scholz: Nein.

 

 

Welt am Sonntag: Fühlt sie sich mit ihrer neuen Rolle wohl? Ihre Frau hatte immer eine große politische Eigenständigkeit, die auch ein wichtiges Amt verdient erscheinen lassen hätte.

 

Olaf Scholz: Britta Ernst ist eine eigenständige Politikerin - und eine sehr gute.

 

 

Das Gespräch führten Insa Gall und Per Hinrichs. Sie finden das Interview auch auf der Homepage der Welt am Sonntag.