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Foto: Olaf Scholz am Rednerpult im Plenarsaal
Photothek
23.11.2022 | Berlin

Rede zur Abschlussdebatte für den Bundeshaushalt 2023

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Meine Damen und Herren!

Verehrter Herr Merz, als ich Ihnen gerade zugehört habe, musste ich an „Alice im Wunderland“ denken. Was in Wahrheit groß ist, das reden Sie klein, und umgekehrt. Was eigentlich passiert ist und wer dafür verantwortlich war, das alles verschwimmt. Und was zunächst logisch klingt, ist in Wahrheit blanker Unsinn.

Vor einem Jahr waren unsere Energiespeicher leer wie selten zuvor. Heute sind sie gefüllt bis zum Anschlag, weil diese Bundesregierung nicht nur redet, sondern handelt und weil wir im Frühjahr zum Glück nicht Ihrem Vorschlag gefolgt sind, die russischen Gaslieferungen praktisch über Nacht abzustellen. Stattdessen haben wir Deutschlands Abhängigkeit von Gas, Öl und Kohle schrittweise beendet, eine Abhängigkeit, die vor einem Jahr beim Gas noch bei 50 Prozent lag.

Zugleich hat diese Regierung mit einer in unserem Land gar nicht mehr gekannten Schnelligkeit dafür gesorgt, dass Alternativen da sind. In wenigen Wochen gehen in Norddeutschland die ersten Flüssiggasterminals in Betrieb. Wir haben Kohlekraftwerke aus der Reserve geholt. Wir lassen die drei verbliebenen Kernkraftwerke bis ins nächste Frühjahr weiterlaufen. Und wir haben die bedeutendste Reform des Energiesektors seit Jahrzehnten auf den Weg gebracht.

Diese Bundesregierung sorgt dafür, dass die erneuerbaren Energien und die nötigen Übertragungsnetze viel schneller ausgebaut werden als bisher, übrigens auch in Bundesländern im Süden unserer Republik, wo dieser Ausbau bisher stockte.

Diese Bundesregierung bringt unser Land sicherheitspolitisch auf die Höhe der Zeit als verlässlichen Verbündeten mit leistungsfähigen Streitkräften, nachdem Verteidigungsminister der CDU und der CSU unsere Bundeswehr viele Jahre vernachlässigt haben.

Das Sondervermögen für die Bundeswehr, das wir geschaffen haben, wird uns in die Lage versetzen, einen geordneten, einen vernünftigen Pfadwechsel zu organisieren. Wir werden und wollen zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Bundeswehr ausgeben. Aber wir wollen erst mal dafür sorgen, dass die Fabriken und die Maschinen angeschafft werden für die Dinge, die neu geschaffen werden, dass wir die richtigen Dinge bestellen und dass wir dafür sorgen, dass die Bundeswehr so ausgestattet wird, dass das über Jahrzehnte funktioniert. Das ist mit dem Sondervermögen verbunden: ein langfristiger Plan, nicht schnelle hektische PR-Erklärungen, Herr Merz.

Die Bundeswehr hat es verdient, dass wir Sorgfalt walten lassen und dass wir dafür sorgen, dass all die Probleme, von denen wir jetzt auch neu lernen, gelöst werden. Denn wir stellen ja fest: Es geht plötzlich nicht mehr, zu sagen: „Wir brauchen noch mal Nachschub an Munition“, weil die entsprechenden Anlagen gar nicht mehr in Betrieb sind. Es geht nicht mehr, zu sagen: „Wir wollen von diesem konkreten Gerät etwas haben“, weil es schon seit Längerem nicht mehr produziert wird. Wir müssen mit dem, was wir entscheiden, auch dafür sorgen, dass wir jeder Belastungssituation gerecht werden können. Und auch das ist das, was wir mit dem Sondervermögen jetzt machen.

Es ist diese Bundesregierung, die entgegen einer jahrzehntelangen Staatspraxis die Entscheidung getroffen hat, die Ukraine mit den Waffen zu unterstützen, die sie in ihrem tapferen Verteidigungskampf Tag für Tag braucht. Und dabei bleiben wir im Schulterschluss mit unseren engsten Verbündeten – so lange, wie dieser sinnlose, brutale, verbrecherische Krieg andauert.

Russland muss endlich aufhören mit diesem Krieg. Dafür war es wichtig, dass der G20-Gipfel auf Bali ein entsprechend deutliches Signal in Richtung Moskau gesandt hat. Und noch etwas wurde auf Bali von allen G20-Mitgliedern festgehalten: Jede Drohung mit Atomwaffen ist für uns alle völlig inakzeptabel. Ihr Einsatz wird nicht hingenommen! Dafür habe ich mich auch als G7-Vorsitzender schon auf dem Gipfel in Elmau eingesetzt. Ich bin froh, dass diese rote Linie auf Bali noch einmal deutlich nachgezogen wurde.

Auch Chinas Führung hat diese Haltung öffentlich bekräftigt, zum ersten Mal bei meinem Besuch in Peking vor drei Wochen. Allein schon deshalb hat sich der offene Austausch mit Präsident Xi gelohnt; allein schon deswegen hat sich auch diese Reise gelohnt, gegen die Sie, Herr Merz, im Vorfeld so unbedacht polemisiert haben.

Diese Bundesregierung handelt auch im Rahmen der Europäischen Union. Wir haben der Ukraine, Moldau und perspektivisch auch Georgien die Aussicht auf eine europäische Zukunft eröffnet. Seit Jahren dümpelte der Beitrittsprozess mit den Westbalkanstaaten vor sich hin; jetzt haben wir innerhalb weniger Monate neuen Schwung da reingebracht.

Apropos Europa: Es ist diese Bundesregierung, die klare Vorstellungen von der Zukunft Europas formuliert hat – etwas, worauf der französische Präsident und andere jahrelang warten mussten. Mit Präsident Emmanuel Macron eint mich das Ziel eines geopolitisch deutlich handlungsfähigeren Europas. In Prag habe ich dazu konkrete Vorschläge gemacht, die wir nun mit unseren Partnern vorantreiben, zum Beispiel den von Deutschland ins Spiel gebrachten Raketenabwehrschirm.

Mit Frankreich und Spanien haben wir erst in der vergangenen Woche einen großen Knoten bei einem wichtigen, strategisch ganz zentralen Projekt für die Sicherheit und Souveränität Europas durchschlagen. Wir werden noch dieses Jahr die nächste Phase des europäischen Luftkampfsystems FCAS einleiten, nachdem das Projekt hier in Berlin lange Zeit eben nicht die nötige politische Aufmerksamkeit bekommen hat. Zugleich haben wir einen substanziellen deutschen Anteil an der Technologieentwicklung und Wertschöpfung gesichert. So sieht die Europapolitik dieser Bundesregierung aus. Sie führt Europa zusammen, und das ist gut für unser Land.

Und zugleich investiert diese Bundesregierung mit voller Kraft in moderne Infrastruktur und Digitalisierung, damit Deutschland nicht länger das Land der Funklöcher und der Schlaglöcher bleibt, das Land der kaputten Brücken und der verspäteten Züge.

Diese Bundesregierung war es auch, die im Sommer mit dem 9-Euro-Ticket endlich frischen Wind in den öffentlichen Nahverkehr gebracht hat.

Und jetzt sorgen wir mit dem digitalen Deutschlandticket und mit einer Milliarde Euro mehr an Regionalisierungsmitteln für einen langfristig attraktiven ÖPNV in Deutschland.

Diese Bundesregierung reformiert das Einwanderungsrecht und sorgt für bessere Ausbildungsangebote und Weiterbildungsmöglichkeiten für diejenigen, die hierzulande leben, um so Schritt für Schritt die Lücke Millionen fehlender Fachkräfte zu schließen, die wir geerbt haben.

Diese Bundesregierung räumt auf mit all diesen Versäumnissen, und das trotz Ukrainekrieg, trotz Pandemie, trotz Energiekrise, trotz gestörter Lieferketten und weltweiter Inflation. Fast 100 Gesetze haben wir in unseren ersten elf Monaten gemeinsam auf den Weg gebracht. Dazu gehören einige der größten Entlastungspakete für die Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen in der Geschichte unseres Landes. Dazu gehört ein Inflationsausgleichsgesetz, durch das 48 Millionen Bürgerinnen und Bürger erheblich weniger Steuern zahlen. Sie reden von Entlastungen, aber stimmen dagegen. Wir setzen Entlastungen um!

Und dann höre ich, dass Sie, Herr Merz, sich beim CDU-Parteitag hinstellen und allen Ernstes behaupten, nicht die letzten 16 Jahre CDU-geführter Bundesregierungen seien das Problem unseres Landes, sondern die letzten 16 Wochen unter Führung der Ampelkoalition. Da kann ich nur sagen: Wer das glaubt, der glaubt auch an sprechende weiße Kaninchen! Willkommen in Alices Wunderland! Willkommen im Wunderland der CDU/CSU, wo die Realität auf dem Kopf steht!

Die Realität ist doch: Diese Bundesregierung hat in zwölf Monaten mehr in Gang gebracht, umgesetzt und aufgeräumt, als in den Regierungen der vergangenen zwölf Jahre möglich war, weil wir eine Regierung der Tat sind, angetreten, um unser Land voranzubringen.

Was uns aber vor allem unterscheidet, sehr geehrter Herr Merz, ist ganz offenbar das Bild, das wir von den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes haben. Wir haben in den vergangenen Tagen intensiv über das Bürgergeld diskutiert, und ich bin froh, dass wir hierzu eine einvernehmliche Lösung gefunden haben, eine gute, übrigens.

Eines will ich aber doch festhalten: Was wir nun zur gesetzlichen Regel machen, ist nichts anderes als das, was wir damals auch mit der Unterstützung der Union während der Coronapandemie richtigerweise eingeführt haben. Damals waren viele Arbeitnehmer, aber auch Selbstständige plötzlich von staatlichen Leistungen abhängig, die sich das vorher nie hätten träumen lassen. Ihnen nicht gleich alles Ersparte oder die Wohnung zu nehmen – das hat uns damals allen eingeleuchtet. Dieselbe Gerechtigkeitsvorstellung leitet auch die Reform, die wir nun beschließen werden.

Als vor 20 Jahren die damaligen Arbeitsmarktreformen umgesetzt wurden, fehlte es an Arbeitsplätzen in unserem Land. Heute hingegen fehlen uns qualifizierte Arbeitskräfte. Deshalb sind bessere Beratung, Aus- und Weiterbildung sowie weniger Bürokratie ganz entscheidende Bestandteile unserer Reform. Es geht um Wege raus aus der Langzeitarbeitslosigkeit, raus aus Hilfsjobs und hinein in den Arbeitsmarkt.

Wenn ich mit Bürgerinnen und Bürgern spreche, zum Beispiel bei meinen Bürgerdialogen in Magdeburg, Essen, Lübeck oder Gifhorn, dann höre ich, dass sich viele nicht nur um die hohen Preise für Energie und Lebensmittel sorgen, sondern um ihren Arbeitsplatz oder die Zukunft des eigenen Betriebs. Das zeigt doch eines ganz klar: Die Bürgerinnen und Bürger wollen arbeiten, und sie wollen von ihrer Arbeit anständig leben können. Darum stehen diejenigen, die anpacken, die den Laden am Laufen halten, die morgens aufstehen und zur Arbeit gehen, von Beginn an im Mittelpunkt unserer Politik.

Deshalb war es uns so wichtig, den Mindestlohn auf zwölf Euro anzuheben. Sechs Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bekommen dadurch mehr Lohn und ein Stück Anerkennung für ihre harte Arbeit. Auch höhere Mindestlöhne in der Pflegebranche und die Bezahlung von Beschäftigten in der Altenpflege nach regionalen Tarifverträgen sorgen für bessere Arbeitsbedingungen, und das für eine der wohl wichtigsten und am stärksten belasteten Berufsgruppen unseres Landes.

Alle, die weniger als 2.000 Euro im Monat verdienen, zahlen ab Januar geringere Sozialabgaben. Für jemanden, der bislang 1.100 Euro verdient hat, macht das im Monat über 50 Euro mehr im Portemonnaie. Das betrifft Beschäftigte in Teilzeit, alleinerziehende Mütter und Väter, aber auch manchen Kassierer im Supermarkt oder die Dame in der Reinigung. Es ist richtig, dass wir das jetzt machen.

Allein die Anhebung des Kindergeldes einheitlich auf 250 Euro pro Kind sorgt bei einer Familie mit zwei Kindern kommendes Jahr für rund 750 Euro mehr im Portemonnaie. Der Kinderzuschlag für Familien mit kleineren Arbeitseinkommen wird pro Kind dann jährlich bei bis zu 3.000 Euro liegen. So lösen wir das Versprechen ein, dass in unserem wohlhabenden Land kein Kind in Armut aufwachsen muss.

Vor zwei Wochen haben wir die größte Wohngeldreform in der Geschichte unseres Landes beschlossen. Damit steigt die Zahl der Berechtigten ab Januar von 600.000 auf rund zwei Millionen. Das sorgt für ein Plus von mehreren Hundert Euro im Monat in der Haushaltskasse, und zwar genau bei denen, die hart arbeiten und dennoch nicht viel mehr als den Mindestlohn bekommen oder die eine kleine Rente beziehen. Genau so holen wir Leute aus der Grundsicherung, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben.

Wir sorgen dafür, dass Arbeit sich mehr lohnt als zu jedem Zeitpunkt einer CDU-geführten Bundesregierung, indem wir diejenigen besserstellen, die auch für kleinere Gehälter hart arbeiten. Das ist im Sinne derjenigen, die arbeiten wollen. Das ist im Sinne der Unternehmen, die händeringend Arbeitskräfte suchen. Und das ist im Sinne unseres Landes, das gerade in dieser schwierigen Zeit mehr Zusammenhalt braucht und weniger Zwietracht.

Um Zusammenhalt geht es auch, wenn wir diejenigen entlasten, die zwar ein ordentliches Auskommen haben, die aber angesichts der Preissteigerung nun ebenfalls spitzer rechnen müssen. Rentenbeiträge sind ab Januar voll steuerlich absetzbar. Das macht fünf Milliarden Euro Entlastung in den kommenden beiden Jahren.

Und noch etwas haben wir erreicht. Im Rahmen der von uns ins Leben gerufenen Konzertierten Aktion haben Arbeitgeber und Gewerkschaften den Weg frei gemacht für steuerfreie Einmalzahlungen von bis zu 3.000 Euro jährlich – zusätzlich zu den linearen Tariferhöhungen. Das zeigt einmal mehr, wie verantwortlich sich die Sozialpartner in Deutschland verhalten.

Und dieses Instrument wird genutzt. Erst Ende letzter Woche haben sich die Tarifpartner in der Metall- und Elektroindustrie auf eine solche steuerfreie Einmalzahlung von 3.000 Euro geeinigt. Und auch andere Branchen und Arbeitgeber gehen den Weg über einen solchen Energie- oder Inflationsbonus: Banken, Autobauer und Einzelhändler, die chemische Industrie, die Papier- und Zellstoffindustrie oder die Eisen- und Stahlindustrie. Das ist ein großer Fortschritt für viele Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, die jeden Tag zur Arbeit gehen.

Vorletzte Woche haben wir hier zudem das Inflationsausgleichsgesetz beschlossen, das ab Januar 48 Millionen Steuerpflichtige entlastet. 2023 reden wir über 19 Milliarden Euro Steuerersparnis, im Jahr darauf sogar über 32 Milliarden Euro weniger Steuern. Darin enthalten sind der vollständige Ausgleich der kalten Progression, aber auch deutlich spürbare Erhöhungen des Grundfreibetrags, des Arbeitnehmer- und des Sparerpauschbetrages, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags. Alles das haben wir hier auf den Weg gebracht. Das ist eine klare Absage an schleichende Steuererhöhungen und die größte Anpassung der Steuertarife aufgrund der kalten Progression, die es in Deutschland jemals gab.

Die Botschaft an die Bürgerinnen und Bürger lautet: Unser Staat sorgt dafür, dass Leistung sich lohnt und dass Millionen Bürgerinnen und Bürger in Deutschland aus eigener Kraft durch diese Krise kommen können, eine Krise, von der wir heute sagen können: Unser Land hat sie im Griff.

Ich habe die vollen Gasspeicher erwähnt, die Flüssiggasterminals, die neuen Lieferverträge, das Wiederanlaufen der Kohlekraftwerke, den Weiterbetrieb der Kernkraftwerke. All das bedeutet: Für diesen Winter ist Deutschlands Energiesicherheit wohl gewährleistet. Sie ist gesichert, weil die Bundesregierung beherzt umgesteuert hat und weil die Haushalte und die Unternehmen im ganzen Land sparsam mit Energie umgehen. Das bleibt sehr wichtig, gerade auch mit Blick auf das kommende Jahr und den Winter 2023. Den Bürgerinnen und Bürgern danke ich schon jetzt von Herzen: Danke für so viel Voraussicht und Gemeinsinn!

Wir können den Anstieg der Energiepreise nicht vollständig wegsubventionieren, aber wir reduzieren ihn auf ein verträgliches Maß. Die Absenkung der Umsatzsteuer auf Gas und Fernwärme von 19 auf 7 Prozent ist beschlossene Sache. Die Übernahme der Dezemberabschlagszahlung für Gas- und Wärmekunden kommt. Nach intensiven Abstimmungen, auch mit der Europäischen Union und den Versorgern, stehen die Rahmenbedingungen für die Gas-, Wärme- und Strompreisbremsen für Haushalte sowie für Unternehmen. Da braucht man auch nicht zu fragen, wie das wohl aussieht; man kann es heute in allen Zeitungen lesen. Zum 1. März treten sie in Kraft. Ausgezahlt wird dann nicht nur eine Entlastung für den Monat März, sondern rückwirkend auch für die Monate Januar und Februar.

Viele Gasverbraucher haben in den vergangenen Wochen Schreiben von ihren Versorgern oder Vermietern mit Preiserhöhungen auf 20, 30, teils sogar 40 Cent pro Kilowattstunde erhalten. Vorher lagen sie oft bei nur 7 oder 8 Cent. Für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs werden wir daher den Preis bei 12 Cent pro Kilowattstunde deckeln. Das bedeutet für viele immer noch Mehrkosten, aber diese liegen erheblich unter den neu aufgerufenen Preisen der Versorger. Ich weiß: Auch vermeintlich überschaubare Erhöhungen sind gerade für die kaum zu stemmen, die ohnehin schon mit jedem Euro rechnen müssen. Deshalb stellen wir für Härtefälle zwölf Milliarden Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds zur Verfügung.

Was die Kosten für Strom, Gas und Wärme angeht, so landen wir mit den Preisdeckeln ungefähr auf dem Niveau, auf dem Expertinnen und Experten die Preise im Jahr 2024 sehen. Dann werden wir mehr Flüssiggasterminals am Netz haben; dann wird sich auch der beschleunigte Ausbau erneuerbarer Energien noch stärker bemerkbar machen. Deshalb ist es richtig, dass wir jetzt einmalig die große Summe von 200 Milliarden Euro aufbringen, um die Zeit bis dahin ohne Strukturbrüche, ohne energiepreisbedingte Firmenpleiten und ohne den Verlust Hunderttausender Arbeitsplätze zu überstehen.

Unser Land hat die Kraft, diese Krise zu meistern und gestärkt aus ihr hervorzugehen. Diese Kraft mobilisieren wir mit dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds und den Entlastungspaketen, die wir bereits in den letzten Monaten Stück für Stück geschnürt haben. Ich danke dem Wirtschaftsminister, dem Finanzminister und der gesamten Koalition für ihre Unterstützung auf diesem Weg, der Deutschland sicher durch diese schwierige Zeit führt.

„Die nächsten Jahre sind entscheidend, um Deutschland und Europa zu stärken – für die großen Herausforderungen wie den Klimawandel, die Digitalisierung, die Sicherung unseres Wohlstandes, den sozialen Zusammenhalt und den demografischen Wandel. ... Wir fühlen uns gemeinsam dem Fortschritt verpflichtet. Uns eint, dass wir die Chancen in der Veränderung sehen.“ Das war ein Zitat. Die Sätze stehen im ersten Sondierungspapier, in dem sich die Partner dieser Regierungskoalition vor gut einem Jahr über ihre gemeinsamen Ziele verständigt haben. Am Anfang dieser Bundesregierung stand das gemeinsame Bekenntnis von SPD, Grünen und FDP zum Fortschritt, zum Aufbruch, zur zupackenden Erneuerung unseres Landes. Das ist der Geist, mit dem die Bundesregierung ihre Arbeit aufgenommen hat. Das ist der Geist, der die Bundesregierung weiterhin trägt.

Denn wenn die Zeitenwende – und ich bin Ihnen dankbar, Herr Merz, dass Sie meine Rede noch einmal aufgegriffen haben – und die globalen Krisen um uns herum uns eines gelehrt haben, dann doch dieses: Unser Land braucht Veränderung! Ein bloßes Weiter-so ist keine Option! Ich habe Sie absichtlich angeguckt. Die Partei des Weiter-so sitzt jetzt in der Opposition, und da gehört sie auch hin.

Darum ist es gut, dass unser Land in dieser Zeitenwende eine Regierung hat, die mehr will, als am Bestehenden festzuhalten. Wir haben von Beginn an klargemacht: Die Zukunft unserer Energieversorgung gehört Windkraft, Solarenergie und Grünem Wasserstoff. Damit machen wir uns nicht nur unabhängig von unzuverlässigen Lieferanten wie Russland und schützen das Klima. Damit bringen wir auch die Energiekosten dauerhaft unter Kontrolle. Deshalb haben wir dieses Jahr genutzt, um wichtige Gesetze zu verabschieden, die wir brauchen, um den Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromübertragungsnetze deutlich zu beschleunigen.

Bislang lief es doch meist so: Vor einer großen internationalen Klimakonferenz oder zum Beginn einer Legislaturperiode wurde für den Ausbau erneuerbarer Energien oder für die Einsparung von Treibhausgasen ein ehrgeiziges Ziel ausgegeben, meist schön weit weg in der Zukunft. Die Schritte dorthin aber wurden nie wirklich konkret ausbuchstabiert. Auch das haben wir geändert. Unser Ziel, bis 2030 80 Prozent unseres Stroms aus Erneuerbaren zu erzeugen, geht einher mit einer klaren Anpassung der Ausbauziele und Ausschreibungen. Im kommenden Jahr verdreifachen wir zum Beispiel die Ausschreibungsvolumina für Windparks an Land. Bei Photovoltaikanlagen werden sie nahezu verdoppelt. Der Ausbau erneuerbarer Energien genießt jetzt gesetzlich festgeschrieben Vorrang bei Entscheidungen der Verwaltung. Das beschleunigt Planungsverfahren.

Zwei Prozent der Landesfläche stehen künftig für Windkraftanlagen zur Verfügung. Um die Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern zu erhöhen, haben wir neue Beteiligungsmöglichkeiten geschaffen, die Strom vor Ort dann auch spürbar günstiger machen. Und allein mit der Abschaffung der EEG-Umlage haben wir nicht nur die Stromkosten reduziert, die ansonsten aufgerufen worden wären, sondern auch für eine dringend notwendige Entbürokratisierung des Energierechts gesorgt.

Nicht jede dieser Maßnahmen wirkt über Nacht, zumal viele Unternehmen in der Solar- und Windkraftbranche in den vergangenen Jahren unter der Coronakrise, aber eben auch unter Bürokratie und unklaren Perspektiven gelitten haben. Aber es geht deutlich voran. Im ersten Halbjahr 2022 ist die Stromerzeugung aus Windkraft um etwa 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Beim Zubau von Offshorewindenergie hatte sich seit Mitte 2020 überhaupt nichts mehr getan, bis wir im Sommer erstmals wieder neue Anlagen in Betrieb genommen haben. Weitere werden folgen. Im Verkehr ist der Anteil von Biokraftstoffen um elf Prozent und der von Strom aus erneuerbaren Energien sogar um 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr angewachsen. Alles in allem hat erneuerbare Energie im ersten Halbjahr dieses Jahres erstmals die Hälfte des Stromverbrauchs in Deutschland gedeckt. Im Vorjahreszeitraum lagen wir noch bei 43 Prozent. Das zeigt: Die Richtung stimmt.

Aber natürlich brauchen wir für diese enorme Transformation in der Industrie, im Verkehr, beim Bauen und beim Wohnen nicht nur die richtigen politischen Rahmenbedingungen. Wir brauchen das Handwerk, die Bauunternehmen, die Informationstechnik. Wir brauchen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Windräder aufbauen, Häuser dämmen und Wärmepumpen installieren. Deshalb fördern wir auch die berufliche Aus- und Weiterbildung. Deshalb bringen wir in der „Allianz für Transformation“ regelmäßig Politik, Unternehmen, Gewerkschaften, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammen. Konkret wird es beim nächsten Treffen der Allianz im Februar um die Frage gehen, wie wir dank der herausragenden Forschung in Deutschland die Technologien, die für die Transformation nötig sind, entwickeln und in die Breite tragen, zum Beispiel beim Wasserstoff.

Diese Fragen sind entscheidend, und zwar aus zwei Gründen. Zum einen werden die aufstrebenden Staaten Asiens, Afrikas, Lateinamerikas und der Karibik nur dann beim internationalen Klimaschutz mitziehen, wenn das nicht zulasten des Wohlstands ihrer Bevölkerung geht. Das ist bei meinen Gesprächen auf der Klimakonferenz in Scharm al-Scheich noch einmal sehr deutlich geworden. Dafür aber brauchen wir Technologien, die klimaneutrales Wachstum möglich machen.

Zum anderen liegt genau darin eine riesige Chance für die deutsche Industrie, für unsere Maschinenbauer, für den Mittelstand mit seinen Weltmarktführern, für unsere Autohersteller. Sie sind es, die mit ihrer Innovationskraft und ihren Investitionen in Forschung und Entwicklung in der Lage sind, die nötigen Technologien herzustellen und zu liefern. Die weltweite Nachfrage danach ist schon jetzt gewaltig. Deshalb eröffnet es uns neue Marktchancen, wenn Deutschland bis 2045 eines der ersten klimaneutralen Industrieländer wird. Genau das streben wir an, und das werden wir auch schaffen.

Der Preis des Nichtstuns wäre unvergleichlich hoch. Deshalb räumen wir mit den Versäumnissen einer Energie- und Handelspolitik auf, die uns in einseitige Abhängigkeiten vor allem von Russland und China geführt hat. Deshalb sorgen wir nach Jahren der Vernachlässigung für eine moderne, starke Bundeswehr, die unser Land und unsere Alliierten verteidigen kann. Deshalb beheben wir die jahrelangen Versäumnisse einer rückwärtsgewandten Verkehrspolitik und die Defizite bei der Digitalisierung unseres Landes. Deshalb gehen wir gegen den Fachkräftemangel vor und schaffen nach Jahren der Blockaden ein modernes Einwanderungsrecht. Deshalb erkennen wir an, dass der Wohnungsbau eine zentrale soziale Frage ist, die nicht mehr von einem Innen- und Heimatminister nebenbei mitverwaltet werden darf. Und deshalb lösen wir all die Blockaden, die die Energie- und Klimawende jahrelang ausgebremst haben.

Bei all dem halten wir unser Land zusammen und lassen niemanden zurück. Es geht jetzt nicht darum, sich in einem Wunderland zu verirren. Die Bürgerinnen und Bürger wissen das ganz genau. Gefragt ist harte Arbeit. Gefragt sind Aufbruch und Fortschritt, Zusammenhalt und die Konzentration auf das Wesentliche. Dafür steht diese Bundesregierung.

Ich lade Sie, Herr Merz, und Ihre Kolleginnen und Kollegen herzlich ein: Arbeiten Sie mit uns zusammen an der großen Aufgabe, unser Land zukunftsfest zu machen in einer Welt tiefgreifender Umbrüche! Krisenfest und winterfest ist Deutschland schon, dank der Veränderungsbereitschaft und Tatkraft seiner Bürgerinnen und Bürger und, ja, dank der Arbeit dieser Bundesregierung.