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13.02.2015

Rede zur Einbürgerungsfeier im Hamburger Rathaus

 

Sehr geehrter Herr Erster Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

willkommen hier im großen Festsaal des Hamburger Rathauses und willkommen als Staatsbürgerinnen und -bürger in unserem Land, unserer Stadt.

Diese Begrüßung haben Sie vielleicht nicht genau so erwartet, denn Mitbürger sind Sie ja schon bisher, Sie alle leben schon länger hier, manche sehr lange, oder sind sogar hier geboren. Viele von Ihnen haben vor Jahren aus unterschiedlichsten Gründen Ihre Heimat verlassen und sind dann vielleicht über Umwege in Hamburg gelandet. Manche sind dabei ihren Eltern gefolgt. Aber jetzt, mit der Annahme der Staatsbürgerschaft, sind Sie, mit allen Rechten, Pflichten und Chancen, Teil unseres Staatsvolkes.

Und das wollen wir heute zusammen feiern.

Ich freue mich sehr, dass Sie unserer Einladung gefolgt sind. Diese Einbürgerungsfeiern, zu denen der Hamburger Senat nun schon seit vielen Jahren einlädt, gehören für mich persönlich immer zu den schönsten Terminen, die ich als Bürgermeister wahrnehmen darf. Denn immer wieder erfahre ich hier berührende Lebensgeschichten, lerne Frauen, Männer und Kinder kennen, die sich mutig auf den Weg in eine oft ungewisse Zukunft gemacht haben und die sich nun für uns, für Hamburg, für Deutschland und damit in vielen Fällen auch für Europa entschieden haben.  Und die europäische Idee ist ja mehr als das, was derzeit die Schlagzeilen beherrscht. Es geht nicht nur um Geld oder wirtschaftliche Stabilität, es geht um gemeinsame Werte wie Demokratie, Meinungsfreiheit und religiöse Toleranz. Deutschland bezieht einen wesentlichen Teil seiner Identität aus der Einbettung in die Europäische Union.

Und auch für jeden einzelnen ist die EU von Bedeutung. Denn sie sichert Freizügigkeit, zum Beispiel beim  Wohnungswechsel, Erwerb von Eigentum, beim Handeln und Arbeiten. Diejenigen unter Ihnen, die vorher schon Bürger eines EU-Landes waren, wissen das. Aber für viele sind das neue Chancen und Sie werden sehen: Es sind große.

Die Entscheidung für die deutsche Staatsbürgerschaft wird dem einen oder der anderen nicht leicht gefallen sein, es ist ja auch eine große, schwerwiegende Entscheidung. Aber ich bin sicher: Es war eine gute Entscheidung, Und eine, die für beide von Vorteil ist für Sie und für unsere wachsende, weltoffene Stadt.

Für Sie öffnen sich nun neue Türen, neue Möglichkeiten: Sie können jetzt, um nur einige Beispiele zu nennen, mit dem deutschen Pass die Welt bereisen und stehen dabei, im Notfall, unter unserem Schutz; Sie können in jeder Hinsicht am öffentlichen Leben teilhaben, dürfen nun auch Berufe wählen, die deutschen Staatsbürgern vorbehalten sind, zum Beispiel können Sie nun auch Beamter in der Verwaltung oder Polizistin werden Hamburg braucht Mitarbeiter mit Ihren Erfahrungen, Ihren Kenntnissen in vielen Positionen, deshalb werben wir mit der Kampagne Wir sind Hamburg bist Du dabei? besonders um Sie. Und viele Hamburger Unternehmen brauchen ganz dringend Fachkräfte, die sich in anderen Kulturkreisen auskennen, die mehrere Sprachen sprechen.

Und darauf möchte ich heute besonders eingehen, auch wenn diese Feier natürlich keine Wahlveranstaltung ist: Sie haben nun auch das volle Wahlrecht. Das heißt, wenn in zwei Tagen die neue Hamburger Bürgerschaft gewählt wird, dürfen Sie das erste Mal mitwählen sofern Sie das entsprechende Alter erreicht haben.

Meine Bitte an Sie, und zwar nicht als Vertreter einer Partei, sondern als Bürgermeister der Stadt, als Repräsentant des Bundeslandes und des Staates, dessen Bürger Sie jetzt sind: Gehen Sie wählen, machen Sie Gebrauch von diesem Wahlrecht! Wir legen Wert auf Ihre Stimme! Wir brauchen Ihr Votum, ihre Stimme, Ihre Positionierung. Wahlen sind die Grundpfeiler unserer Demokratie. Denn je höher die Wahlbeteiligung, desto breiter ist die Basis des Vertrauens in die Politik. Und je größer dieses Vertrauen, desto kraftvoller können wir, die Abgeordneten und die Politiker, uns für die Zukunft unserer Stadt, unserer Gesellschaft einsetzen.

Deshalb: Wählen Sie, stimmen Sie mit ab und in diesem Zusammenhang habe ich gleich noch eine zweite Bitte: Mischen Sie sich ruhig ein.

Wir legen nämlich nicht nur Wert auf Ihre Stimme bei der Wahl, sondern auch auf Ihre Meinung, Ihre Vorstellungen, Wünsche, Ideen und Talente. Denn Hamburg, und überhaupt jede Gesellschaft, kann sich nur nach vorn entwickeln und up-to-date bleiben, wenn sich möglichst viele engagieren und an dem beteiligen, was sich tut. Viele von Ihnen bringen Erfahrungen mit, Stärken, von denen wir lernen können. Ihre Vorstellungen, auch und gerade, wenn Sie aus Kulturkreisen kommen, die uns noch wenig vertraut sind, können uns helfen, gemeinsam unsere Stadt noch besser zu machen.

Bringen Sie ein, was Sie mitbringen! Mischen Sie sich ein, es gibt viele Möglichkeiten, nicht nur in politischen Parteien, auch in Initiativen vor Ort, in Kindergärten und Schulen, am Arbeitsplatz, in Vereinen und Verbänden. Lassen Sie uns zusammen dafür sorgen, dass Hamburg eine lebendige, liebenswerte und tolerante Metropole bleibt. Und wer weiß, vielleicht kandidiert ja auch schon jemand von Ihnen bei der nächsten Wahl Ihrer Bezirksversammlung 2018 oder in fünf Jahren für einen Sitz in der Hamburger Bürgerschaft.  

Meine Damen und Herren,
Hamburg ist eine Ankunftsstadt und steht für eine moderne Einwanderungspolitik. Wir wissen, dass unsere Stadt nur deshalb so bunt, kreativ und erfolgreich sein kann, weil Menschen aus aller Welt zu uns kommen und sich hier entfalten können. Dass sie sich hier auch beruflich eine Existenz aufbauen können, finde ich ganz besonders wichtig, und darum haben wir zum Beispiel als erstes Bundesland Berufsabschlüsse aus anderen Ländern anerkannt. Und wir gestalten auch die religiöse Vielfalt, haben nach Verträgen mit evangelischen, katholischen und jüdischen Gemeinden auch Verträge mit muslimischen und alevitischen Glaubensgemeinschaften geschlossen. An Hamburger Schulen gibt es gemeinsamen Religionsunterricht weitere Schulen sollen folgen.

Unsere Willkommenskultur trägt Früchte: Ich bin stolz darauf, dass Hamburg nach wie vor gemessen an der Einwohnerzahl bundesweit die meisten Einbürgerungen vorweisen kann. Im Jahr 2014 waren es insgesamt 6.492. Seit meinem ersten Brief 2011 an alle Hamburgerinnen und Hamburger, die die Voraussetzungen für einen Antrag auf den deutschen Pass erfüllen, stieg die Zahl der Einbürgerungen um rund 30 Prozent. Gleichzeitig konnte die Bearbeitungsdauer eines Antrages mit jetzt gut fünf Monaten mehr als halbiert werden. Bei allen, die dazu beitragen, möchte ich mich heute, auch von dieser Stelle aus, herzlich bedanken.

Und wir können uns über noch eine entscheidende Verbesserung heute freuen: Seit Ende letzten Jahres, seit dem 20. Dezember, entfällt die sogenannte Optionspflicht. Dafür hat sich Hamburg schon lange im Bundesrat und dann auch in den Koalitionsverhandlungen stark gemacht. Jetzt müssen sich Kinder ausländischer Eltern, die hier geboren und aufgewachsen sind, nicht mehr für eine Staatsangehörigkeit entscheiden, wenn sie volljährig sind. Das war eine längst überfällige, wichtige Reform, die der Lebenswirklichkeit endlich Rechnung trägt jedes 2. Schulkind in Hamburg gehört zu einer Familie mit Wurzeln in einem anderen Land.

Sie sehen: Wir kommen Stück für Stück voran. Gleichzeitig stehen wir vor neuen Herausforderungen. Wie Sie wissen, sind heute weltweit so viele Menschen auf der Flucht wie seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr. Sie fliehen vor Krieg, Terror und Vertreibung und suchen Schutz, auch in Deutschland, auch in Hamburg. Einige von Ihnen, die heute hier mit uns feiern können, haben ähnliches durchgemacht und können sich bestimmt daran erinnern, wie Sie sich damals gefühlt haben, wie sehr sie auf Hilfe angewiesen waren.

Die Stadt Hamburg unternimmt große Anstrengungen, um die schwierige Situation der Betroffenen erträglich zu gestalten. Neben unserem ohnehin ehrgeizigen Wohnungsbauprogramm müssen wir kurzfristig Unterbringungsmöglichkeiten finden. Das ist nicht einfach, aber wir schaffen das, auch, weil wir Erfahrungen damit haben und wissen, dass wir uns auf das Verständnis oder sogar die aktive Unterstützung der meisten Hamburgerinnen und Hamburger verlassen können.  Und wir werden, um das noch einmal deutlich zu sagen, auch rechtlich darauf dringen, dass Unterkünfte in allen Stadtteilen möglich sind!
Außerdem prüfen wir die Anträge der neu Angekommenen schnell und sorgfältig, und sorgen dafür, dass sie Deutsch lernen können. Ihnen hier im Saal muss ich nicht erklären, wie wichtig und manchmal schwierig das für alle ist, die die Sprache nicht von klein auf erwerben. Auch deshalb werden schon jetzt 1.800 Kinder in 158 internationalen Vorbereitungsklassen unterrichtet, 2015 sollen noch mal 42 Klassen dazu kommen.

Aber der Staat allein kann nicht für die Atmosphäre sorgen, die die Flüchtlinge brauchen, die ihr Leben bei uns neu sortieren müssen. Schon jetzt helfen viele ehrenamtlich, kümmern sich, unterstützen, öffnen Herzen und Arme das finde ich großartig. Und vielleicht kann der eine oder die andere unter Ihnen dazu beitragen, die willkommen zu heißen, die es jetzt am Nötigsten haben.

Auch dieses ernste Thema, finde ich, gehört zu diesem freudigen Tag.

Aber nun lassen Sie uns feiern. Noch einmal: Danke, dass Sie sich für die deutsche Staatsbürgerschaft entschieden haben! Danke, dass Sie heute hier sind.

 

Es gilt das gesprochene Wort.