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13.09.2012

Rede zur Eröffnung der historischen Seefahrtschule

 

Sehr geehrter Herr Prof. von Gerkan,

sehr geehrter Herr Prof. Marg,

sehr geehrter Herr Goetze,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

herzlich willkommen in Hamburg auf dem Rainville Campus in der ehemaligen Seefahrtschule, die wir heute als neues Zuhause der academy for architectural culture (aac) einweihen.

 

Haus und Adresse der historischen Seefahrtschule an der Rainvilleterrasse verweisen auf Traditionen, die das neue Nutzungskonzept geschickt aufgreift und transformiert. Ich glaube, das war nicht einfach, denn es wollten ja unterschiedliche Traditionen und Ziele unter ein Dach gebracht sein. Umso mehr freut mich das Ergebnis.

 

Das Rainville war ein Ausflugslokal. Der aus Frankreich stammende Cesar Claude Rainville hatte es hier am Altonaer Elbhang 1799 eröffnet. Es brachte die Pariser Küche und französisches Denken in die Hansestadt. Der Ort wurde berühmt, auf den Rainvilleterrassen trafen sich Hamburger Bürger und europäische Freigeister. Das alte Rainville, ein klassizistisches Gebäude, wurde 1867 abgerissen, es hinterließ uns die Adresse Rainvilleterrasse.

 

Die Seefahrtschule wiederum steht für 250 Jahre Tradition in nautischer Ausbildung. Diese Geschichte begann schon 1749. In dem Jahr startete der Mathematiker und Landvermesser Gerloff Híddinga am St. Katharinenkirchhof in Hamburg-Mitte die erste staatliche Navigationsschule. Seine private Ausbildungsoffensive war bemerkenswert. Zu der Zeit hatten Schiffer und Lotsen gravierende Kenntnismängel. Hiddinga begann seinen ersten Kurs mit zwölf Schülern, 1897 gab es bereits vier Klassen.


Als die Ausbildung der Nautiker an die Rainvilleterrassen zog, war es schon eine Fachschule. 1979 wurde sie zur Fachhochschule, bis 2005 sind hier Kapitäne ausgebildet worden.

 

Präzise Messungen, den Ort kennen und ein Ziel haben: Navigation und Architektur haben durchaus Gemeinsamkeiten. DieArchitektur jedoch kennzeichnet über die Kunst der Orientierung im Raum hinaus die Fähigkeit zur Komposition.

 

Und auch eine andere Parallele ist auffällig: Hier ein Architekt, dort ein Mathematiker sehen ein Desiderat, haben eine Idee und verwirklichen sie mit privaten Mitteln.

 

 

Meine Damen und Herren,

 

der besondere Charme dieses Ortes ist sicherlich der Ausblick.

 

Das Panorama zeigt sich den Studierenden wie der Ausblick eines Kapitäns von seiner Brücke: Die Einfahrt über die schiffsbelebte Elbe in den Hamburger Hafen.

 

Der Hafen ist Hamburgs Mitte: Zentrum der Wirtschaft und des Arbeitens. Er ist der größte deutsche Seehafen und der zweitgrößte europäische Containerhafen. Von hier aus können 950 Seehäfen in 178 Ländern regelmäßig in Liniendiensten erreicht werden und hier in Hamburg liegt auch einer der weltweit modernsten Containerterminals.

 

Schiffe kommen durch die Elbe, landen an, werden abgefertigt, neu beladen, schippern weiter. Dieses Szenario zieht jährlich Tausende von Touristen an, die unzählige Postkarten mit Hafenmotiven verschicken, und auch wir, die hier leben und arbeiten, schauen immer wieder gerne hin.

 

Erstaunlich: Der Hamburger Hafen, Anker des deutschen Welthandels, Arbeitgeber von über 150.000 Menschen in der Metropolregion hat auch eine ästhetische Faszination. Warum eigentlich?

 

Der Blick auf den Hafen - das ist die Begeisterung für das Nautische und die Tradition der Seefahrt. Faszinierend ist der Hafen aber auch, weil er Funktionen und Konstruktionen zur Schau stellt: Die Arbeit der Kräne, den Organismus der Automation, das Kommen und Gehen der Container.

 

Die Enthüllung der Konstruktion, die Losung, dass die Form der Funktion folgen müsse, hat in Deutschland die Tradition des Neuen Bauens angeregt. Der aus Gießen stammende Hans Meyer, ein Architekt, den man heute kaum noch kennt, entwarf 1930 das Haus für die Altonaer Seefahrtschule im Stil dieses damals neuen und avantgardistischen Prinzips.

 

Verwirklicht wurde das Projekt zwischen 1930 und 1935 durch den Altonaer Bausenator und Architekten Gustav Oelsner. Das heute als Denkmal geschützte Schulgebäude steht für die Eleganz und das Potenzial dieses Baustils.

 

In Altona, damals noch eine eigenständige Nachbarstadt von Hamburg, waren 1924 Gustav Oelsner und Max Brauer in die Regierung gewählt worden. Sie nutzen die Prinzipien des neuen Baustils, um bezahlbare und lichtdurchflutete Wohnungen für Arbeiterfamilien zu schaffen. Viele denkmalgeschützte Gebäude, häufig aus Backstein, sind Zeugnisse ihrer Arbeit.

 

Heute nehmen wir die politische und architektonische Frage des guten Wohnraums neu auf.

 

Urban Exchange: Hamburg Shanghai / Architecture for the Demands of today’s Urban Populations”. Der diesjährige aac-Workshop beschäftigt sich mit einem Thema, das für Hamburg und unsere Partnerstadt Schanghai hochaktuell ist. Metropolen sind Zentren der Zuwanderung: junge Studierende, Frauen und Männer aus anderen Ländern oder dem Umland suchen guten und bezahlbaren Wohnraum in der Stadt.

 

Dabei sind die Kriterien des affordable housing sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Natur: Die Stadt, ihre Bürger und zukünftige Generationen müssen mit bedacht werden.

 

Der Hamburger Senat hat im vergangenen Jahr eine beispiellose Wohnungsbau-Offensive gestartet. Unser Ziel sind 6.000 neue Wohnungen pro Jahr; vielleicht das größte Wohnungsbauprogramm in Deutschland.

 

Wir haben mit den Bezirken den Vertrag für Hamburg geschlossen, mit festen Zielzahlen, klaren Zuständigkeiten und vereinfachter Verwaltung. Zu der Offensive gehört auch ein Bündnis mit der Immobilienwirtschaft zum Sozialwohnungsbau, zum Klimaschutz und für die Erhaltung der Backsteinstadt Hamburg.

 

Sie sehen, die Hamburger Politik hat ihren dwelling turn, über den Professor Paolo Fusi hier im Rahmen der aac-Vorträge sprechen wird, bereits begonnen.

 

Ich freue mich, dass sich dank der gmp-Stiftung führende Architekten gemeinsam mit begabten Absolventen aus Europa und Asien diesen Herausforderungen widmen.

 

Urban Exchange: Hamburg Shanghai, das ist auch ein Verweis auf die Tradition des wirtschaftlichen und kulturellen Austausches zwischen Hamburg und China, speziell mit unser Partnerstadt. Auch diese Geschichte beginnt mit dem Hafen:

 

Bereits 1731 kam das erste deutsche Schiff von seiner langen Reise aus China zurück und machte im Hamburger Hafen fest.

 

Für China ist Hamburg das Tor zu Europa und der Hamburger Hafen der bedeutendste europäische Hafen überhaupt. Umgekehrt ist China der größte Kunde des Hamburger Hafens und einer der wichtigsten Partner. Jeder dritte Container kommt aus China oder wird dorthin verschifft.

 

Bereits seit 1972 ist die Volksrepublik China mit einem Generalkonsulat in Hamburg vertreten. Es hat seinen Sitz an der Elbchaussee 268.

 

Unter dem Titel CHINA TIME treffen wir uns seit 1988 alle zwei Jahre, um die Verbindungen zwischen der Hansestadt und dem Reich der Mitte, wie es früher genannt wurde, zu tradieren.

 

Mit China tauschen wir Waren und Erfahrungen, Wissen und Lösungswege aus.

Nicht zuletzt: Rund 10.000 chinesisch-stämmige Bürger leben in Hamburg. Viele von ihnen engagieren sich in kulturell oder wissenschaftlich orientierten Institutionen.

 

Einen von ihnen möchte ich besonders erwähnen: Prof. Dr. Shan Fan, Präsident der Brand Academy und Gründer der Design Factory.

 

Dass sich Herr Prof. Meinhard von Gerkan und die gmp-Stiftung für die historische Seefahrtschule entschieden haben, zeigt den Blick des Kenners. Und es ist zugleich Ausdruck der hanseatischen Tradition eines gewissen Understatements: das Gebäude, ein Gesellenstück der Architekturgeschichte, entworfen von einem Architekten, den man heute kaum noch kennt

 

Doch schon jetzt spürt man in dieser Verbindung das Potenzial. Die aac macht die Seefahrtschule zu einem Hafen für architektonische Gedanken und einem guten Ort für Kapitäne und Navigatoren der dienenden Baukunst.

 

Mit der Gründung der gemeinnützigen gmp-Stiftung haben die Architekten um Prof. von Gerkan dafür Sorge getragen, dass die Früchte ihres Erfolges in die Gesellschaft zurück fließen. Eine private Initiative, die ganz im Sinne des amerikanischen Philosophen John Rawls ist. Er meint, gerecht und fair sei eine Gesellschaft, wenn es gelingt, dass Begabungen und finanzielle Ressourcen zur Verbesserung derjenigen beitragen, die weniger begünstigt sind.

 

Welche Rolle der Blick auf den Hafen für die Architektur Akademie haben wird, können wir nur mutmaßen. Der Hafen ist ein passagérer Ort, ähnlich wie Flughäfen und Bahnhöfe. Ein Zentrum der urbanen Tradition, ein riesiger Organismus, ein Markenzeichen. Ein Ort, der Architekten herausfordern und anziehen kann.

 

Auffällig ist ja, dass schon die Skizze von herrn Prof. von Gerkan zum Grand Theater in Chongquing an einen hanseatischen Dampfer erinnert.

 

Ich wünsche Ihnen allen einen inspirierenden Workshop und eine konstruktive Zeit in der neuen Seefahrtschule.

 

Danke sehr.

 

Es gilt das gesprochene Wort.