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07.10.2010

Rede zur Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland

 

 

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal hilft reden. Insofern war es gut, dass der Bundespräsident wiederholt hat, was der damalige Innenminister Schäuble in diesem Deutschen Bundestag vor einiger Zeit sagte: Der Islam ist Teil Deutschlands. - Es ist richtig, dass er das gesagt hat. Das wird deutlich, wenn man sieht, wie darauf reagiert wird, wie viele sich jetzt äußern und wie viele gerade auch der politischen Anhänger von Wolfgang Schäuble nicht seiner Ansicht sind. Manchmal muss man solche Reden so lange halten, bis sich alle einig sind.
Reden alleine hilft aber nicht. Gerade was Integrationspolitik betrifft, gibt es eine große Kluft zwischen Reden und Handeln, zwischen dem, was gesagt wird, und dem, was getan wird. Ja, am Anfang ist es manchmal so, dass man noch ganz verzaubert zuhört, wenn ein konservativer Politiker oder eine konservative Politikerin mit mehrjährigem Zeitverzug das richtig findet, was gegen ihn bzw. sie durchgesetzt wurde.

Ich finde, man muss es als großen gesellschaftlichen Fortschritt begreifen, wenn das jemand jetzt erkennt und das als neue Wahrheit verkündet, was bitter, anstrengend und mühselig erreicht werden musste. Aber es ist schlecht, wenn man dabei verharrt, wenn es diese "Bis hier und nicht weiter"-Strategie gibt, die einen nie in die Lage versetzt, den nächsten Schritt zu tun. Vor allem kommt es darauf an - das gilt gerade im Hinblick auf die Integrationspolitik -, dass man das Notwendige tut und nicht nur darüber redet.

Es gibt viele Theorien darüber, wie Politikverdrossenheit in Deutschland entsteht. Meine These lautet: Eine der wichtigsten Ursachen dafür ist, dass viele Politiker oft das Richtige zu sagen wissen, aber nicht alle es richtig finden, ihren Reden auch Taten folgen zu lassen.

Gerade in der Integrationspolitik müssen wir die Bundesregierung und ihr Handeln deswegen kritisieren.

Zu den Integrationskursen. Wie wichtig es ist, dass man Deutsch kann, dass man Deutsch lernt und dass Integrationskurse angeboten werden, haben wir in den sehr aufgeregten Debatten der letzten Wochen und Monate gelernt. Es war eine rot-grüne Bundesregierung, die gegen den Willen konservativer Gegner durchgesetzt hat, dass es Integrationskurse gibt.

Es war eine von Sozialdemokraten und Grünen getragene Bundesregierung, die dafür gesorgt hat, dass das eine Bundesaufgabe ist, weil sich andere vorher gar nicht darum gekümmert hatten.

Nun ist diese Sache aber ein so großer Erfolg geworden, dass die Mittel, die bisher dafür eingeplant waren, nicht mehr reichen. Es ist ganz furchtbar - ich sage ausdrücklich: furchtbar -, dass wir eine Debatte über die Frage führen, ob denn genügend an diesen Kursen teilnehmen, obwohl wir wissen, dass aufgrund der Tatsache, dass nicht ausreichend Geld zur Verfügung gestellt wird, nicht jeder, der es möchte, an einem solchen Kurs teilnehmen kann. Es werden einfach nicht ausreichend Gelder zur Verfügung gestellt.

Das ist das Gegenteil dessen, was notwendig ist. Wir brauchen an dieser Stelle Taten und keine Reden.

Herr Grindel, Sie haben gesagt, die Mittel seien sogar erhöht worden. Das stimmt, aber die Mittel müssten noch viel mehr erhöht werden, wenn man das ernst nimmt. Denn es darf eigentlich nicht sein, dass viele Zigtausende wie in diesem Jahr die Kurse nicht wahrnehmen können, weil Sie eine Prioritätenliste aufgestellt haben, aufgrund derer viele, die das freiwillig wollen, das nicht tun können.

Es ist nicht in Ordnung, wenn Sie sagen, es gebe eine dreimonatige Wartezeit. Diese ist in der Realität nämlich noch viel länger. Das alles ist ein Fehler.

Das Gleiche gilt für die aktive Arbeitsmarktpolitik. Sie streichen hier Milliarden, und zwar all die Maßnahmen, die Sie an anderer Stelle in Ihren Reden so richtig finden, wenn es um Integration geht. Ich sage Ihnen: Ihre Entscheidungen die Arbeitsmarktpolitik betreffend - das zeigt der Bundeshaushalt - sind nichts anderes als ein aktiver Kampf gegen erfolgreiche Integration in den nächsten Jahren. Es ist falsch, was Sie dort machen. Es müssen mehr Mittel für Qualifizierung und Arbeitsmarktintegration zur Verfügung gestellt werden, gerade für die Gruppen, um die es hier geht.

Wie sehr Sie distanziert sind, sieht man an Ihrem anhaltenden und wieder aufflammenden Widerstand gegen die Regelung, dass jeder, der arbeitslos ist, einen Schulabschluss nachholen kann. Es war übrigens ein sozialdemokratischer Arbeitsminister, der durchgesetzt hat, dass in jedem Fall derjenige, der nicht über ausreichende Sprachkenntnisse verfügt und arbeitslos ist, zuerst die Sprache erlernen muss und dass es ein entsprechendes Angebot gibt. Wenn das alles so ist, dann darf man nicht nur darüber reden. Dann muss man auch entsprechend handeln. Bei Ihnen fehlen die Taten. Sie reden nur. Das ist zu wenig.

Es ist notwendig, dass die Betreffenden etwas tun, um sich zu integrieren, dass sie sich anstrengen und bemühen. Was wäre ein größeres Zeichen als die Aussage: "Wer in Deutschland einen Schulabschluss macht, der kann seinen Aufenthaltsstatus damit verbessern und muss als Kind nicht in einem Duldungsstatus verbleiben"? Wo bleibt Ihre entsprechende Regelung? Wir, die sozialdemokratische Fraktion, haben längst einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Sie reden nur und lassen nicht die notwendigen Taten folgen. Das ist das Problem.

Das Gleiche gilt für die Thematik des Anerkennungsgesetzes. In der letzten Legislaturperiode waren Sie erst gar nicht dafür; dann waren Sie dafür, eine Regelung ohne Gesetz zu machen, bei der sich alle ein bisschen abstimmen. Dann haben Sie in Ihren Koalitionsvertrag die vorher abgelehnte Regelung hineingeschrieben, und nun ist das Gesetz immer noch nicht da. Jetzt wird es uns für Dezember angekündigt. Dabei ist die Materie so einfach; das Gesetz hätte längst beschlossen werden können, wenn es nicht an irgendwelchen Widerständen scheiterte, die Sie bisher offenbar nicht überwinden konnten. Wir brauchen ein Anerkennungsgesetz, wir brauchen Taten und nicht weitere Reden zu diesem Thema.

Natürlich ist auch ein Bestandteil dessen, was notwendig ist, dass wir uns darum kümmern, dass diejenigen, die hier als Deutsche aufgewachsen sind, dies auch bruchlos fortsetzen können. Die Optionspflicht, die in unserem Staatsangehörigkeitsrecht enthalten ist, gehört abgeschafft. Sie ist ein falsches Mal gegen die Integration; es ist die falsche Botschaft, die an dieser Stelle ausgesandt wird. Auch hier reden Sie nur darüber, dass man das einmal prüfen solle. Es wäre eine Tat notwendig, und das Gesetz ist schnell und einfach gemacht. Wir hätten es längst beschließen können.

Das ist es, was wir meines Erachtens hinbekommen müssen. Wir müssen endlich den vielen Reden, die man ständig hört, Taten folgen lassen, damit es stimmt, was wir sagen. Jeder, der jetzt Deutsch lernen und die entsprechende Arbeitsmarktintegration erlangen will, der will, dass sich sein Kind auf der Schule anstrengt, soll wissen, dass es nach unseren Ankündigungen auch Folgen geben wird. Wir sind dafür verantwortlich, dass dies für jedes Detail zutrifft. Deshalb fordere ich Sie auf: Beschränken Sie sich nicht allein auf die Rede, sondern wenden Sie sich der Tat zu! Das ist es, was jetzt in Deutschland notwendig ist, und das wäre ein wirklicher Fortschritt.