Rede zur Solidaritätskundgebung Vereint dem Terror entgegenstellen Freiheit und Demokratie verteidigen"
Sehr geehrte Frau Präsidentin der Bürgerschaft,
sehr geehrter Herr Generalkonsul,
sehr geehrte Frau Bischöfin,
sehr geehrter Herr Yoldas
sehr geehrter Herr Sönmez,
sehr geehrte Damen und Herren,
Wir sind alle Amerikaner hatte die französische Tageszeitung Le Monde am 13 September 2001 in Anlehnung an den berühmten Satz von Kennedy geschrieben. Diese Botschaft sendet die Welt nun nach Frankreich. Auch Hamburg sagt: Wir sind Paris.
Das sind die Bilder, die bleiben werden: Sydney, London und St. Francisco. Shanghai, Belgrad und Mexiko-Stadt. Aber auch Rio De Janeiro, Tromsø und Jerusalem. Oder Toronto, Tokio, Auckland und Warschau. In den Großstädten der Welt erstrahlen die Orte des Wissens, der Kultur und des Vergnügens aber auch Börsen, Türme und Regierungsgebäude in den Farben Blau, Weiß und Rot.
Als der Pariser Eiffelturm bedrückend dunkel blieb, die Trauer Frankreichs verkörperte, zeigen die anderen Weltstädte ihre Solidarität in den Farben von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.
Paris ist wie das Herz der westlichen Welt. Paris ist unsere alte und immer wieder neue Liebe. Sie wird als Geburtsort der Menschenrechte gefeiert und als Zentrum französischer Kultur verehrt. Endlich nach Paris fahren können, das war für die Bürgerinnen und Bürger aus dem Osten das Zeichen für Reisefreiheit.
Diese enge Verbindung zur französischen Hauptstadt ist mir gerade in meinem Amt als Bevollmächtigter für die deutsch-französischen Beziehungen immer wieder deutlich geworden. In tiefer Verbundenheit stehen wir heute fest an der Seite unsere französischen Freunde.
Paris ist nun eine Stadt in Trauer. Und wir trauern mit ihr. Die Verbindungen von Frankreich zu Deutschland sind eng und intensiv. Wir wissen deshalb sehr genau von dem Leid. Unsere französischen Kollegen berichten, wie schwer es plötzlich ist, die Kinder in den Schulbus zu setzen und zur Arbeit zu fahren. Wir wissen, wir hätten auch da sein können. Wir hören buchstäblich die Stille, die sich über die sonst so belebten Arrondissements gelegt hat.
Ein großer Förderer der deutsch-französischen Freundschaft war Helmut Schmidt. Als Kanzler musste er Deutschland gegen Terrorismus verteidigen. Wer seine Regierungserklärung vom Oktober 1977 liest, kann fast glauben, Schmidt gebe uns auch für heute eine prägnante Analyse auf den Weg. Zitat:
Die ganze Welt erfährt in diesen Jahren in vielen Ländern das Wiederaufleben zerstörerischer Gewalt, von der die Menschheit glaubte, dass sie durch geschichtliche Erfahrung und durch menschliche Moral überwunden sei. Es gibt kein politisches Prinzip, mit dem der Rückfall von der Menschlichkeit in die Barbarei sittlich gerechtfertigt werden könnte.
Zitatende. Terrorismus erklärt nichts, für Terrorismus gibt es keine Entschuldigung, keine Rechtfertigung. Deshalb geht es in der Auseinandersetzung mit den Dschihadisten auch nicht um einen Kampf der Kulturen. Nein, Massenmord ist keine Kultur. Die Terroristen richten sich gegen alle Kulturen. Die schiere Existenz der Zivilisation erregt ihren Hass. Sie zerstören selbst die Erinnerung an vergangene Kulturen, wie etwa das Weltkulturerbe in Nimrud oder Hatra. Die Terroristen des sogenannten Islamischen Staats haben jeglichen Respekt vor der Zivilisation verloren.
Die Angriffe von Paris sind furchtbar und erschreckend. In den europäischen Metropolen, und in jeder Stadt, die einen großen Bahnhof, Konzertsäle, Stadien oder andere Gebäude hat, in denen sich immer Viele aufhalten, denken die Bürgerinnen und Bürger jetzt an Paris. Und mit einem entschiedenen Bekenntnis zum Alltag halten sie der Angst stand.
Denn, die Dschihadisten wollen unsere Art zu leben zerstören. In New York, Beirut, Ankara, in tunesischen Badeorten und jetzt mitten in Europa morden die Terroristen Bürgerinnen und Bürger, die friedlich leben wollen. Sie morden mit gezielter Willkür, um uns einzuschüchtern, um uns die Freude am Leben zu nehmen. Sie erschießen Menschen, die Musik hören und versuchen mit Bomben Freundschaftsspiele zu verhindern. Sie legen perfide Zeichen, um uns gegeneinander aufzuhetzen.
Wir dürfen uns dem Terror nicht ergeben. Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen. Wir müssen verstehen, dass die Angst in unsere Städte gebracht werden soll. Wir antworten in gemeinsamer Solidarität, mit der Wehrhaftigkeit der Demokratie und der Stärke unserer Institutionen.
Wir verteidigen unsere Werte, in dem wir sie leben. Jeden Tag und mit dem ganz normalen Alltag: Mit Wahlen und öffentlichen Diskussionen. Mit Bürgern, die sich amüsieren und in aller Ernsthaftigkeit ihr Leben planen. Die einen Mann oder eine Frau lieben, die Witze über Politiker machen. Die friedlich in einer Stadt zusammen leben, auch wenn die einen ein religiöses Symbol tragen und die anderen das höchst seltsam finden.
Herfried Münkler hat die Rückkehr zum Alltag im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung als effektives Widerstandleisten und Abfangen des Angriffs gelobt, weil sich dabei herausstellt, wie schwach doch die angreifenden Akteure sind. Sie sind nur stark in dem Augenblick, in dem wir durch unsere Aufgeregtheit, unsere Nervosität, ja womöglich unsere Hysterie wie Schlagkraftverstärker wirken.
Der Kampf gegen den Terrorismus muss auch mit Klugheit und Sinn für Realismus geführt werden. Wir wissen um die Bedeutung der Sicherheitsbehörden. Die Sicherheitsbehörden kennen die terroristische Bedrohung und reagieren mit erhöhter Aufmerksamkeit. Sie nutzen alle Mittel des Rechtstaats, um die Mörder und Mitwisser zu verfolgen und ihren Banden aufzuspüren.
Wir müssen politische Radikalisierung verhindern. Dafür müssen wir auch den Kampf um das bessere Argument führen. Wir müssen den Populisten standhalten und den Humanismus verteidigen. Wer jetzt auf einzelne Gruppen zeigt und Opfer zu Tätern machen will, ist den Gegnern der offenen Gesellschaft schon auf den Leim gegangen.
Wir müssen religiöse Radikalisierung verhindern: Die Terroristen morden Menschen aller Religionen: Christen, Muslime, Juden und Jesiden und doch versuchen sie immer wieder, Religion für ihre grausamen Taten zu instrumentalisieren. Die Flüchtlinge kommen zu uns, weil sie unsere religiöse Toleranz schätzen. Aber auch die religiöse Vielfalt müssen wir verteidigen: Wir brauchen Bürgerinnen und Bürger, die daran arbeiten, dass Religion eine starke Lösung im Kampf gegen Terrorismus ist.
Deutschland setzt sich seit vielen Jahren mit dem Terrorismus auseinander. Der Rechtsstaat, das politische System und die Gesellschaft haben dabei immer wieder gelernt: Der demokratische Staat muss eine offene Gesellschaft sein. Offen kann die Gesellschaft aber nur bleiben, wenn Wehrhaftigkeit und Stärke ebenso zu ihren Tugenden gehören wie Respekt und Freiheit.
Diese beiden Seiten Freiheit und Wehrhaftigkeit finden sich auch in der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, die 1789 in der Pariser Nationalversammlung verkündet wurde.
Der Text der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte wurde 2003 von den Vereinten Nationen zum Weltdokumentenerbe ernannt.
Auch deshalb sagen wir heute: Wir sind Paris.
Vielen Dank!
Es gilt das gesprochene Wort.