Sehr geehrte Damen und Herren,
Mesdames,
Messieurs,
Es war bekanntlich ein französischer Staatstheoretiker, Baron de Montesquieu, der mit dem Werk Vom Geist der Gesetze das Wesen des Föderalismus für die Demokratie lobte. Weniger bekannt ist, dass Montesquieu das Material für seine Theorie auf Reisen durch die deutschsprachigen Länder entdeckte. Die Briefe aus den Jahren 1728 29 zeigen seine Methode: Ein freundlicher, manchmal amüsierter Blick, mit Interesse für Details und großem Respekt für die Lösungen des Nachbarlandes.
Bildung, Kultur und Medien sind in Deutschland die Themen, an denen sich der Föderalismus besonders deutlich zeigt: Sie fallen in die ausschließliche Kompetenz der Länder. Weil die Politik nicht so viel Zeit zum Reisen hat, gibt es in den deutsch-französischen Beziehungen einen Bevollmächtigten, der für die 16 Länder spricht. Ich habe das Amt als Bevollmächtigter der Bundesrepublik Deutschland für kulturelle Angelegenheiten im Rahmen des Vertrages über die deutsch-französische Zusammenarbeit auf Bitte des Außenministers sehr gerne übernommen.
Meine Damen und Herren,
Wie gut, dass wir geredet haben, sagen wir, wenn wir ein Schritt weiter kommen, weil wir das Gegenüber besser verstehen. Im Wissen um die Bedeutung persönlicher Gespräche für das Verständnis von Völkern haben Frankreich und Deutschland im Elysée-Vertrag die Förderung von Sprachvermittlung, Sprachkursen und Sprachaustausch vereinbart.
Die deutsche Sprache hat den Ruf schwierig zu sein. Manche finden das gut, sie glauben, dass eine schwierige Sprache auf einen anspruchsvollen Geist verweist. Bei Philosophen ebenso wie in Gutachten gibt es Sätze, die ziehen sich über eine halbe oder ganze Seite, das verstärkt den Eindruck. Aber ehrlich, sagen nicht die meisten in solchen Fällen: Und was heißt das auf Deutsch? und das meint dann: Bitte einfach, verständlich und kurz.
Deutsch ist vor allem eine Alltagssprache, wir fragen nach dem richtigen Weg, beraten den Familienausflug und verabreden uns zum Kaffee. Und in Freundschaften kommt es manchmal eher auf den richtigen Ton als auf die richtige Grammatik an.
Als Bevollmächtigter der Bundesrepublik Deutschland für kulturelle Angelegenheiten haben mich viele Anfragen zur Reform der französischen Mittelstufe erreicht. Bei den neuen Regelungen, die zu Beginn des Schuljahres 2016 in Kraft treten sollen, gibt es ein Detail, das uns Sorgen macht: die Veränderung bei den classes bilangues.
Es ist für uns wichtig, dass die Teilnahme an den deutsch-französischen Klassen nicht davon abhängig ist, dass Deutsch als erste Fremdsprache bereits in der Grundschule belegt wurde. Ich habe mit Ministerin Vallaud-Belkacem darüber gesprochen und sie gebeten, die Reform hinsichtlich der Einschränkung der classes bilangues zu überdenken.
In Deutschland gehört Französisch bundesweit zum regulären Fremdsprachenangebot ab der Sekundärstufe I. Insgesamt 18,8 % der Schülerinnen und Schüler lernen Französisch, in grenznahen Regionen ist es fast die Hälfte. Die Bedeutung des Faches hat zugenommen. Aber das Interesse leidet unter dem Ruf, Französisch sei schwer zu lernen. Kinder und Jugendliche verlangen Texte und Methoden, die ihrem kommunikativen Alltag, dem Alltag der natifs numériques angemessen sind, gerade auch wenn es um eine moderne Kulturnation wie Frankreich geht.
Die Verbesserung der schulischen Bildung, die Vergleichbarkeit der Abschlüsse sowie Förderungs- und Unterstützungsmaßnahmen all diese Fragen sind bei der deutsch-französischen Expertenkommission Allgemeinbildung, die diesmal hier in Hamburg tagt, gut aufgehoben.
Meine Damen und Herren,
Frankreich ist Deutschlands engster und wichtigster Partner in Europa, weil über die Jahre aus dem Band der politischen Freundschaft ein dichtes Gewebe von Kooperationen entstanden ist. Wenn wir von deutsch-französischer Zusammenarbeit sprechen, können wir immer den Plural verwenden: Wir sind verbunden mit 2.500 Städtepartnerschaften, Schülerinnen und Schüler kennen sich aus 4.500 Schulpartnerschaften und überall sind echte und sehr persönliche deutsch-französische Freundschaften entstanden.
In jeder neuen Generation werden die Kooperationen erneuert, vertieft und erweitert, mit Bildungs- und Begegnungsprogrammen unterstützt vom deutsch-französischen Jugendwerk oder dem deutsch-französischen Sekretariat.
Ebenso ist es in der Wirtschaft: Das deutsch-französische Handelsvolumen steigt, Deutsche und Franzosen investieren in Unternehmen im anderen Land, wir haben mit Airbus eine sehr erfolgreiche gemeinsame Flugzeugindustrie und deutsch-französische Firmen sind höchst beliebte Arbeitgeber.
Meine Damen und Herren,
die deutsch-französischen Beziehungen sind Ausdruck gelungener Kommunikation über Jahrzehnte. Das hat vielleicht auch mit dem Geist von Montesquieu zu tun: Die deutsch-französische Zusammenarbeit wird getragen von freundlicher Hinwendung, dem manchmal amüsierten Blick, dem Interesse für Details und dem großem Respekt für die Lösungen des anderen Landes.
Ich wünsche Ihnen allen anregende Gespräche und eine erfolgreiche Tagung.
Vielen Dank!
Es gilt das gesprochene Wort.