Sehr geehrter Herr Kammer,
sehr geehrter Herr Professor Thorn,
sehr geehrter Herr Albrecht,
sehr geehrter Herr Kleindiek,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich heiße Sie heute hier in Hamburg herzlich willkommen.
Sie haben sich ein großes Thema vorgenommen. Die Digitalisierung ist schließlich der Kern vieler gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Umbrüche, die wir derzeit erleben. Die Frage nach den neuen Macht- und Verantwortungsstrukturen in der digitalen Welt ist daher so naheliegend, dass es oftmals schwerfällt, sie nüchtern und rational zu stellen und zu diskutieren.
Ich bin aber ganz zuversichtlich, dass Ihnen das heute und morgen hier an der Bucerius Law School gelingen wird.
Denn, dass Sie sich Hamburg als Ort für diese Debatte ausgesucht haben, hat durchaus Sinn.
Als ein zentraler Standort der Medien- und Digitalwirtschaft haben wir mit zu den ersten gehört, die die Folgen der Digitalisierung in Wirtschaft und Öffentlichkeit zu spüren bekamen.
Um nicht dauerhaft als Getriebene der Zeitläufte durch den Wandel gehetzt zu werden, fördern wir heute die digitale Transformation mit Nachdruck das gilt für die Hafenlogistik genauso wie für die Lehr-Angebote unserer Schulen und Hochschulen, für die Verkehrssteuerung ebenso wie für die staatlichen Museen.
Hamburg entwickelt sich zu einer digitalen Stadt und wenn wir es richtig angehen, dann haben wir die Möglichkeit, diese große und moderne Stadt mithilfe neuer Technologien noch lebenswerter und wirtschaftlich stärker zu machen.
Wesentlich ist dafür, dass uns das Management des Technologiebruchs gelingt. Denn hinsichtlich Relevanz und Radikalität ist das, was wir derzeit erleben, allenfalls mit der Erfindung des Buchdrucks und der frühen Industrialisierung und Elektrifizierung zu vergleichen.
Die neuen technologischen Möglichkeiten ergreifen unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft seit zwei Jahrzehnten wellenweise.
Zunächst hat die Digitalisierung die Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten erfasst und insbesondere die Medien- und Kreativwirtschaft vor neue Herausforderungen gestellt.
In einer zweiten Welle haben sich die Produktions- und Logistikprozesse tiefgreifend verändert und tun es noch. Das Schlagwort von der Industrie 4.0 ist mittlerweile in aller Munde. Hier im Hamburger Hafen, im Smart Port, lässt sich erleben, wie weitreichend der Wandel ist.
Und in einer dritten Welle ergreift die Digitalisierung die öffentliche Infrastruktur und den öffentlichen Raum. Die Schnittstellen der technischen Systeme werden zunehmend allgegenwärtig und ermöglichen uns Formen der Zusammenarbeit und Prozesssteuerung, die noch vor wenigen Jahren undenkbar waren.
Längst ist es zu einer Art Wettbewerb geworden, möglichst große Zahlen künftig vernetzter Geräte zu prognostizieren wahlweise verheißungsvoll oder verängstigend.
Schon als es mit der Digitalisierung im Westen der USA, im Silicon Valley, so richtig losging, da war viel die Rede von der so genannten California Ideology. Gemeint war damit die Überzeugung, dass die neuen digitalen Möglichkeiten in der Lage seien, unsere Gesellschaften unbegrenzt freier und partizipativer zu machen, besser und gerechter. Der frühe Leitsatz von Google Dont be evil fällt in diese Zeit und fußt auf diesen Überzeugungen.
Ich will hier nicht einer naiven Technikgläubigkeit das Wort reden, aber es könnte nicht schaden, wenn wir uns von diesem Optimismus ein wenig abgucken würden. Denn die grundsätzliche Überzeugung, dass es möglich ist, mit technischen Innovationen unser Leben zu verbessern, teile ich ausdrücklich. Der Fortschritt nicht nur der Industrie-, sondern auch der digitalen Gesellschaft ist eng verknüpft mit der technologischen Entwicklung und unserer gesellschaftlichen Fähigkeit, uns diese nutzbar zu machen.
Hier können wir durchaus lernen von einer Kultur wie der US-amerikanischen, die in neuen Möglichkeiten zunächst einmal Chancen und nicht Risiken entdeckt. Die moderne Gesellschaft, in der wir leben, ist geprägt davon, dass soziale und wirtschaftliche Veränderung möglich ist. Sie muss daher auch lernen, mit Unsicherheiten und Unübersichtlichkeiten umzugehen.
Wer den Fortschritt durch Technik will, der muss aushalten können, dass manches gut klingende Vorhaben scheitert und aus manch unscheinbarem Anfang Großes entstehen kann.
Die frühen Träger des digitalen Wandels, jene weltumspannenden Marken des Internets, von denen einige auch ihre Deutschland-Dependancen hier in Hamburg haben, sind oftmals aus kleinen und simplen Ideen entstanden. Sie haben Nischen besetzt und sind aus diesen hinausgewachsen zu globalen Plattformen und Anbietern.
Die Geschwindigkeit, in der das passiert, setzt all diejenigen unter Druck, die sich um vernünftige regulatorische Rahmenbedingungen bemühen.
Das lässt sich exemplarisch an der Innovationsdynamik im Medien- und Kommunikationssektor zeigen:
Die gedruckte Presse hat noch Jahrhunderte gebraucht, bis sie weltweit auf eine Nutzerzahl von über 50 Millionen gekommen ist, das Radio brauchte 38 Jahre, das Fernsehen noch 13. Digitale Plattformen wie Google+ schaffen eine vergleichbare Marktdurchdringung heute binnen sechs Monaten.
Das führt immer wieder dazu, dass neue Angebote oder Applikationen längst fester Bestandteil unseres Alltags geworden sind, bevor der Gesetzgeber sie überhaupt als relevant entdeckt hat.
Meine Damen und Herren,
angesichts dieser fundamentalen Veränderungen wird in den Debatten über die Digitalisierung immer wieder so getan, als gäbe es eine digitale Stunde Null, als müssten wir die normativen und ökonomischen Grundlagen unserer Gesellschaften völlig neu bestimmen.
Anders als oftmals beabsichtigt, führt diese Sichtweise dazu, dass Veränderungen unwahrscheinlicher werden. Transformationsprozesse gelingen in der Regel eben nicht mit einem großen Sprung oder einem Ruck, der durchs Land gehen muss.
Zunächst einmal gilt die Werteordnung unseres Landes und unserer Gesellschaft ganz unabhängig von der Frage der technologischen Möglichkeiten. Das ist auch ein Hinweis auf die Frage nach den künftigen Machtstrukturen: Auch künftig wird es demokratisch legitimierte Machtausübung durch entsprechend ausgestattete gesellschaftliche Institutionen geben.
Technologische Innovationen fordern demokratische Systeme heraus, aber sie verändern sie nicht automatisch und an sich.
Letztlich müssen sich Innovationen an den durch sie ermöglichten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Mehrwerten messen lassen. Den dazu nötigen politischen Diskurs müssen wir organisieren.
Daran müssen sich auch globale Anbieter gewöhnen: Wir haben das jüngst am Bespiel Uber erlebt. Allein die Tatsache, dass eine Geschäftsidee technisch umsetzbar ist, heißt noch längst nicht, dass sie damit auch auf dem Boden unseres Rechtsstaates steht.
Wer Fahrdienste wie Uber Pop zulassen möchte, der muss dazu die bundesgesetzlichen Regelungen zur Personenbeförderung ändern. Das geht aber nicht dadurch, dass ein kapitalstarkes Unternehmen viele Anwälte beschäftigt und auch nicht durch beharrliches Ignorieren von Gerichtsurteilen. Dafür bedarf es eines demokratischen Diskurses und der daran anknüpfenden entsprechend legitimierten Entscheidungen.
Das Beispiel zeigt sehr schön, dass es Grundsätze gibt, die wir bewahren wollen, ganz unabhängig davon, was vielleicht möglich wäre.
Es ist sinnvoll, dass der demokratische Souverän sich hier jeden Einzelfall ansieht und auch einzeln bewertet. Denn während wir Uber Pop darauf hinweisen mussten, dass deren Geschäftsmodell nicht okay ist, haben wir hier in Hamburg mit MyTaxi gleichzeitig ein Beispiel dafür, wie die Digitalisierung in der Verkehrbranche funktioniert.
Und wir haben mit an Anbietern anderer Sharing-Plattformen wie AirBNB und 9Flats Regelungen gefunden, auf deren Basis ihr jeweiliges Geschäftsmodell funktionieren kann. Diese Gesetzesmacht haben die demokratischen Rechtsstaaten. Wir haben keinen Anlass, uns da künstlich klein zu machen vor dem halbstarken Gebaren manches Anbieters.
Zugleich sollten wir uns davor hüten, selber wie Halbstarke aufzutreten. Gerade wenn wir in eine technologisch offene Zukunft blicken, ist es ratsam, Schritt für Schritt zu gehen.
Wir erleben das zum Beispiel seit Jahren immer wieder auf Neue in der Medienpolitik, die sich mit als erste mit den Folgen der Digitalisierung auseinandersetzen musste. Da werden große Entwürfe für neue Medienordnungen geschrieben, die angesichts der Digitalisierung öffentlicher Kommunikation möglichst alles möglichst ganz anders zu denken und zu ordnen versuchen.
In der Regel handelt es sich bei diesen Entwürfen um akademisch wertvolle Gedankenspiele ohne politische Relevanz. Meistens sind sie erledigt in dem Moment, in dem sie das Licht der Öffentlichkeit erblicken. Ein wenig ist es da wie mit dem seit den 1970er Jahren geforderten einheitlichen Arbeitsgesetzbuch. Einen derartigen Wurf kann es gar nicht geben, weil eine neuerliche Nulllinie des Interessenausgleichs nicht bestimmbar ist.
In den aktuellen Debatten über eine künftige Medien- und Kommunikationsordnung gehen wir daher anders vor. Wir diskutieren nicht die Kompetenzverteilung zwischen Ländern, Bund und Europa und propagieren auch keine völlig neue Ordnung, sondern versuchen die Schnittstellen zwischen Landes-, Bundes- und Europarecht besser zu managen.
Das kann gelingen, wenn wir uns auf gemeinsame Regulierungsziele, auf Kollisionsregeln und auf Governance-Instrumente verständigen.
Diesen Ansatz verfolgen wir aktuell in der Bund-Länder-Kommission, in der sich die Länder gemeinsam mit dem Bund vor allem über die Schnittstellenthemen wie Kartellrecht und Vielfaltssicherung oder Intermediär-Regulierung austauschen, um gemeinsam abgestimmte Regulierungsvorschläge zu entwickeln.
Diese Herangehensweise scheint mir für Fragen des Managements der Digitalisierung ganz generell sinnvoll zu sein.
Angesichts der Innovationsdynamik werden wir schließlich kaum in der Lage sein, ex ante Vorgaben zu machen. Viel wichtiger ist es, dass wir abstrakte und prinzipiengeleitete Vorstellungen entwickeln, die dann entweder auf dem Wege der Co- und Selbstregulierung oder aber im Rahmen der deutschen oder europäischen Gesetzgebung angewendet werden.
Das ist keine Aufgabe für den Gesetzgeber allein, sondern hier sind Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen in der Pflicht, gemeinsame Überlegungen zu entwickeln und zur Geltung zu bringen.
Meine Damen und Herren,
von diesen Gedanken lassen wir uns auch leiten, wenn wir darüber nachdenken, wie sich Hamburg als digitale Stadt weiterentwickeln soll.
Wir stehen vor der Aufgabe, die Schnittstellen der Verwaltung zu den Bürgerinnen und Bürgern ebenso zu digitalisieren wie unsere öffentliche Infrastruktur. Und wir haben die Chance, dadurch Innovationsräume für Unternehmen zu öffnen, in denen neue Angebote und Technologien ausprobiert und in Piloten zur Marktreife geführt werden können. Dabei geht es letztlich immer darum, durch Technologie die Qualität unserer Services zu verbessern und Ressourcen effizienter zu nutzen.
Wir haben uns in Hamburg vorgenommen, die Digitalisierung und ihre Potenziale zu verstehen und als Chancen zu begreifen. Wir wollen auf Augenhöhe sprechfähig sein. In der Stadt passiert schon unglaublich viel. Um diese Prozesse zu bündeln, aufeinander abzustimmen und Synergien zu heben, richten wir derzeit in der Senatskanzlei im Amt Medien eine Leitstelle für die Digitale Stadt ein. Sie soll dabei helfen, einen besseren Überblick über die zahlreichen Projekte und Prozesse zu erlangen.
Zugleich belassen wir die Verantwortung für die einzelnen Projekte der Digitalisierung ausdrücklich bei den fachlich zuständigen Behörden. Wir wollen nicht, dass die Transformationsthemen in irgendwelche Stäbe oder ins IT-Referat delegiert werden. Sie müssen Gegenstand des alltäglichen Verwaltungshandelns werden. Erst dann wird es uns gelingen, die Chancen der Digitalen Stadt voll zu entwickeln.
Wir müssen hier unseren eigenen Weg finden Denn wir über Macht- und Verantwortungsstrukturen reden, dann lassen sich die oft herausgehobenen Blaupausen US-amerikanischer Smart Cities nämlich nicht ohne Weiteres nach Europa und nach Deutschland übertragen. Das hat auch etwas damit zu tun, dass wir hier nicht so sehr vor der Aufgabe stehen, neue Serviceangebote digital zu entwickeln. Vielmehr müssen wir bestehende Angebote ins Digitale übersetzen.
Das heißt auch, dass wir mit den bisherigen Erwartungen an die Verwaltungsdienstleistung umgehen müssen, wenn wir neue Optionen schaffen. Es geht es auch hier darum, die digitale Disruption in einen beherrschbaren Transformationsprozess zu überführen.
Dazu gehört, dass wir mit den veränderten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Erwartungen an Staat und Verwaltung umgehen.
Ein Beispiel dafür ist das Transparenzgesetz, das wir in Hamburg in der vergangenen Legislaturperiode verabschiedet haben und das die Grundlage geschaffen hat für ein Transparenzportal, in dem alle wesentlichen Informationen über das Handeln von Senat und Verwaltung für jede Bürgerin und jeden Bürger zugänglich sind.
Mit diesem Schritt haben wir die bisherige Logik des Verwaltungshandelns umgedreht. Es ist noch gar nicht so lange her, da musste derjenige, der eine Auskunft haben wollte, begründen, warum er einen Anspruch darauf hat, sie zu bekommen. Jetzt muss der Staat begründen, warum er eine Information nicht preisgibt. Diese Umkehr der Beweislast ist eine richtige und sinnvolle Antwort auf die berechtigten Partizipationsansprüche der Bürgerinnen und Bürger.
Zugleich liefern OpenData-Portale auch privaten Unternehmen die Möglichkeit, aufsetzend auf zugänglichen öffentlichen Datenbeständen Geschäftsmodelle zu entwickeln und an den Markt zu bringen.
Neben der Transparenz öffentlicher Daten ist der Schutz individueller Daten ein weiteres wichtiges Prinzip der neuen digitalen Ordnung. Hier haben wir es mit einer zentralen Bürgerrechtsfrage zu tun vor allem, wenn es um den Schutz dieser Daten vor dem Zugriff des Staates geht. Die Debatte über die Datenschutzgrundverordnung der EU zeigt, wie viel Arbeit wir hier noch gemeinsam zu leisten haben und wie sehr dieses Politikfeld noch in Bewegung ist. Allerdings findet die Debatte an der richtigen Stelle statt. Denn nur ein europaweites Recht hat eine Chance relevant zu sein. Die Nationalstaaten sind für eine Regelung im weltweiten web oft zu klein.
Vielleicht erleben wir zurzeit ja sogar einen Paradigmenwechsel weg von der reinen Datensparsamkeit hin zur individuellen Datensouveränität, die vorrangig darauf zielt, den Einzelnen wirklich informationell selbstbestimmt sein zu lassen. Die Sensibilität dafür, dass sinnvoller Schutz nicht in übergriffigen Paternalismus ausufern darf, scheint mir jedenfalls zu wachsen.
Neben Transparenz und Datenschutz ist die Frage, wem künftig der öffentliche Raum gehört, ebenfalls ganz entscheidend. Und zwar auf zwei Ebenen.
Zum einen im physischen öffentlichen Raum unserer Städte und Kommunen. Wir stehen hier in Technologieprojekten immer wieder vor der Situation, Know How einkaufen zu müssen, das wir in der Verwaltung selbst nicht vorhalten können. Mal geschieht dies in Form klassischer Auftragsvergabe, immer häufiger aber auch in PPP-Konstruktionen, in denen Private einen Teil der Gewährleistung der Infrastruktur in eigener Verantwortung übernehmen.
Es ist wichtig, dass wir souverän in der Lage festlegen, wann wir welchen Weg gehen wollen. Die Konsequenz der Digitalisierung der Stadt darf schließlich keine unreflektierte und schleichende Privatisierung des öffentlichen Raumes sein. Wann hier welches Modell der Zusammenarbeit sinnvoll ist, müssen demokratisch legitimierte Instanzen entscheiden können.
Um diesen Prozess der Reflektion voranzubringen, schaffen wir ein Digital City Science Lab an der HafenCity Universität. Dort sollen Hochschulen, Unternehmen und staatliche Strukturen zusammen kommen und einen Plan für die Digitalisierung der Stadt entwickeln.
Zum anderen geht es um den öffentlichen Raum im Sinne der gesellschaftlichen Kommunikationssphäre, auf die unsere Demokratie unabdingbar angewiesen ist. Auch hier verändern sich die Strukturen durch das Auftreten neuer digitaler Anbieter weitgehend.
Wo früher Medienhäuser und Publikum in direktem Austausch standen, haben sich neue Intermediäre etabliert, die Inhalte kuratieren und dabei helfen, das vermeintlich richtige und relevante Angebot zu finden. Das bedeutet aber auch, dass sie zunehmend Einfluss darauf haben können, welche Vielfalt an Information gesellschaftlich zur Verfügung steht und was davon überhaupt noch bei uns ankommt.
Die politische und gesellschaftliche Debatte, die wir hier im Moment immer noch führen, dreht sich zu sehr um das an sich dieser Intermediäre und viel zu wenig um das für sich. Viel zu viele versuchen zu erläutern, warum hier vermeintlich ein strukturelles Problem entsteht, und viel zu wenige versuchen, zu klären, welche Regeln wir brauchen, um die neuen Funktionen dieser Intermediäre gesellschaftlich gewinnbringend zu nutzen.
Wir sind hier politisch gefragt, Spielregeln zu entwickeln, die einerseits eine freie und liberale Öffentlichkeit nach wie vor ermöglichen und die andererseits Diskriminierung und Einschränkungen von Vielfalt verhindern.
Meine Damen und Herren,
die neuen Macht- und Verantwortungsstrukturen der digitalen Gesellschaft werden nichts vollkommen Neues sein, sondern sich aus dem entwickeln, was wir schon kennen.
Angesichts der durch die Digitalisierung ebenfalls weiter beförderten Trends der Individualisierung und der Globalisierung werden wir aber stärker als in der Vergangenheit Modelle entwickeln müssen, die nicht von einem einzigen steuernden Zentrum ausgehen, sondern die eine Vielzahl von Verantwortlichkeiten miteinander vernetzen.
In diesem Sinne ist die Netzwerkgesellschaft auch mehr als eine bloße Metapher für eine Gesellschaft, die ihre Kommunikation über das Internet erledigt.
Der Begriff beinhaltet vielmehr auch die Erkenntnis, dass wir in modernen digitalen Gesellschaften Strukturen von Governance bauen müssen, in denen klare Rahmenbedingungen und Prinzipienvorgaben ebenso selbstverständlich sind wie weite Verantwortungsspielräume für Unternehmen und Zivilgesellschaft. Anders werden wir der Disruptionen des digitalen Zeitalters nicht Herr werden.
Regierung und Parlamente werden sich nicht aus der Führungsaufgabe für die Gesellschaft zurückziehen. Im Gegenteil: Dort, wo allgemeinverbindliche Regeln identifiziert, formuliert und durchgesetzt werden müssen, ist Politik unerlässlich. Hier übt sie demokratisch legitimierte Macht aus.
Politik konnte noch nie dezisionistisch quasi im Alleingang eine gesellschaftliche Ordnung festlegen. Das passt schon gar nicht zu den veränderten Konzepten von Transparenz, Individualität und Öffentlichkeit, die die digitale Gesellschaft prägen.
Weil aber die Frage nach der Durchsetzung der demokratisch gewollten Machtstrukturen der digitalen Gesellschaft letztlich auch technologisch beantwortet wird, müssen wir uns gemeinsam darum kümmern, dass wir auch selbst über relevante digitale Werkzeuge verfügen.
Die Plattformen der digitalen Gesellschaft stammen weit überwiegend nicht aus Deutschland und Europa. Oftmals sind wir lediglich noch Anwender anderweitig entwickelter Technologien.
Das dürfen wir auf die Dauer nicht zulassen. Wir müssen daher auch die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Innovation und Wachstum deutscher und europäischer Anbieter möglich sind und gefördert werden.
Mit Blick auf die Bedeutung der Digitalisierung unserer gesellschaftlichen Kommunikation, unserer wirtschaftlichen Prozesse und unseres öffentlichen Raumes stehen wir gemeinsam in der Pflicht, eigene Digitalkompetenz aufzubauen und damit die Grundlage für unternehmerische Innovation zu schaffen.
Wir müssen in der Lage sein, auch aus unserem Kulturkreis heraus digitale Anwendungen und Applikationen zu entwickeln, die uns eine Gestaltung der digitalen Gesellschaft nach unseren Vorstellungen zum Beispiel in den Bereichen Datenschutz, Transparenz, Öffentlichkeit ermöglichen.
Auch das ist eine Aufgabe, der sich die Politik der digitalen Gesellschaft stellen muss. Das bedeutet dann allerdings auch, dass wir die vor uns liegenden Fragen auch als wirtschaftspolitische begreifen und dass wir die Unternehmen in diesen Bereichen anhalten, in die Entwicklung neuer Angebote zu investieren, um unsere Gesellschaft weiter voranzubringen. Möglich ist das.
Ein Beispiel ist das Projekt der Hamburg Open Online University, das die hiesigen staatlichen Hochschulen gemeinsam entwickelt haben, um ihre Lehr- und Lernangebote auch in digitale Kontexte hinein weiterzuentwickeln.
Im Universitätssektor droht eine Situation, in der ebenfalls wenige globale Plattformen bestimmen, welche Hochschulangebote wo verfügbar sind. Wir haben deshalb einen strategischen Prozess in Hamburg begonnen, in dem die Hochschulen sich selber der neuen digitalen Möglichkeiten bemächtigen und Angebote für Studierende entwickeln, die besser und attraktiver sind als die bisherigen und die zugleich bestehen können in einem völlig neuartigen Wettbewerb.
Die öffentlich finanzierten Hochschulen haben hier hervorragende Möglichkeiten mit ihren Inhalten, die sich eben nicht noch einmal am Markt monetarisieren müssen, hier ganz eigenständige hochwertige Angebote zu machen.
Ich wünsche mir, dass wir in Hamburg mit solchen und weiteren Projekten ein Laboratorium der digitalen Moderne sind.
- Mit dem modernsten und digitalsten Haus Europas am Mittelweg.
- Mit einer vernetzten städtischen Infrastruktur.
- Mit innovativen technologieaffinen Unternehmen.
Und mit der gemeinsamen Leidenschaft, diese neuen Möglichkeiten anzunehmen und daraus etwas zu entwickeln.
Der Kaufmannsgeist und der Bürgerstolz der Hamburgerinnen und Hamburg sind angesichts dieser großen Aufgabe geweckt.
Wir werden etwas daraus machen.
Schönen Dank.
Es gilt das gesprochene Wort.