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03.05.2012

Tagung des erweiterten Exekutivbüros der Europa-Lateinamerikanischen Parlamentarierversammlung

 

Exzellenzen,

sehr geehrte Frau Oquelí Solóranzo,

sehr geehrter Herr Salafranca Sánchez-Neyra,

sehr geehrte Frau Ferrero-Waldner,

sehr geehrte Mitglieder des Europäischen Parlamentes,

sehr geehrte Mitglieder der lateinamerikanischen Regionalparlamente,

sehr geehrte Mitglieder des Deutschen Bundestages,

sehr geehrte Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft,

sehr geehrte Mitglieder des Konsularischen Korps,

sehr geehrte Damen und Herren,

 

es ist mir eine große Ehre und Freude, Sie heute hier im Kaisersaal des Hamburger Rathauses begrüßen zu dürfen. Dieser prächtige Saal zeigt, dass es lohnt, sich Zeit zu nehmen, um Dinge zum Erfolg zu führen. 171 Entwürfe hat man damals für den Bau des Rathauses eingeholt. Der Diskussionsprozess und die Bauarbeiten dauerten Jahrzehnte. Aber das Hamburger Rathaus steht. Es hat zwei Kriege überstanden. Es ist seit 115 Jahren ein Wahrzeichen dieser Stadt.

 

Heute geht alles schneller. Dennoch gilt: Beziehungen müssen gepflegt werden, damit sie wachsen und gedeihen können. Dieses zweitägige Treffen von europäischen und iberoamerikanischen Abgeordneten wird dazu beitragen, dass Europa und Lateinamerika noch enger zusammenarbeiten und zusammenwachsen werden. Herausragendes Zeichen dieser Kooperation ist die EU-Lateinamerika-Karibik-Stiftung. Wir haben sie vor fünf Monaten hier in der Freien und Hansestadt Hamburg eröffnet, im November 2011.

 

Bereits im Monat davor fand der Lateinamerika-Tag, die alljährliche wichtigste Wirtschaftsveranstaltung mit Lateinamerika-Bezug in Deutschland, wie in jedem ungeraden Jahr in Hamburg statt. Im Zusammenhang damit kam der Präsident der Republik Östlich des Uruguay, José Mujica, zum Staatsbesuch nach Hamburg und ich konnte unmittelbar wertvolle Einsichten gewinnen. 

 

Gut Ding will Weile haben, sagt ein deutsches Sprichwort langfristige Projekte bedürfen der Hartnäckigkeit und Ausdauer. Ich habe das anfangs auch deshalb gesagt, weil die Welt in diesen Wochen und Monaten mit Spannung und manchmal mit angehaltenem Atem auf Europa blickt. Zum einen weil wichtige Wahlen in Frankreich und Griechenland bevorstehen. Zum anderen, weil wir uns in einer Finanz- und Wirtschaftskrise befinden, die noch lange nicht ausgestanden ist. 

 

Sie führt dazu, dass insbesondere die Länder im Süden Europas schwierige Zeiten durchmachen müssen. Diese Krise und ihre Folgen zu bewältigen, wird Zeit brauchen, Jahre, vielleicht Jahrzehnte. Die Staaten Europas schaffen das nur gemeinsam. Wir brauchen alle und dürfen niemanden zurücklassen. Ich versichere ihnen: Was in Brüssel, Madrid, Lissabon, Rom oder Athen geschieht, interessiert uns in Deutschland ebenso sehr wie aktuelle Ereignisse in unserem eigenen Land. 

 

Gleichzeitig blicken wir mit Bewunderung auf die Wachstumsraten und die boomende Wirtschaft in etlichen Ländern Lateinamerikas. Und mit Hoffnung, denn der Kontinent ist nicht nur vergleichsweise gut durch die Krise gekommen. Viele Ihrer Länder konnten sich in den vergangenen Jahren einer stetigen wirtschaftlichen Entwicklung erfreuen, die auch Ergebnis kluger und pragmatischer politischer Entscheidungen war.

Mut und Optimismus, das sind Eigenschaften, für die Lateinamerika mit Recht immer wieder bewundert wurde. Daraus können wir lernen, können wir den Mut und die Zuversicht gewinnen, dass auf seine Weise auch Europa sich bald erholen wird. 

 

Meine Damen und Herren,

Wirtschaft ist wichtig. Wachstum ist wichtig. Wohlstand ohne Wachstum ist bislang graue Theorie. Aber bei der Zusammenarbeit in Europa geht es um viel mehr als Wirtschaft, Währung und Wachstum. Uns Europäer verbindet eine Idee, die uns über alle sprachlichen und kulturellen Unterschiede hinweg vereint: Demokratie, Menschen- und Bürgerrechte und ein Modell internationaler Kooperation, das auch wenn es derzeit etwas holpert beispielgebend für andere Regionen der Welt sein kann. 

 

Für Europa gilt: Hätten wir uns nicht zusammengeschlossen, stünde jedes einzelne Land heute vermutlich schlechter da. Auch in Lateinamerika und der Karibik nimmt das Bewusstsein dafür zu, dass regionale Integration und Kooperation politisch und wirtschaftlich sinnvoll sind. Der Mercosur ist ja, wenn man es so sagen darf, das Gegenstück zur Europäischen Union.

Aber Zusammenarbeit muss über solche regionalen Kooperationen hinausgehen. Seit vielen Jahren schmiedet die EU deshalb eine bi-regionale Partnerschaft mit Lateinamerika und der Karibikregion. Die EU-Lateinamerika-Karibik-Stiftung wird zur Vertiefung der Beziehungen von Hamburg aus hervorragend beitragen können.

Wir freuen uns außerordentlich, dass die EU-Lateinamerika-Karibik-Stiftung ihren Sitz in Hamburg hat. Zum einen ist es die erste EU-Stiftung mit Sitz in Europa. Die beiden anderen EU-Stiftungen der Europäischen Union befinden sich in Singapur und Alexandria. Hamburg konnte überzeugen - mit seiner langen Tradition in den Beziehungen zu Ibero-Amerika:

1827 machte sich der Hamburger Gesandte und Kaufmannssohn Karl Sieveking zusammen mit den Gesandten der Hansestädte Lübeck und Bremen auf den Weg nach Brasilien. Gemeinsam, weil man sich nicht gegenseitig ich zitiere den Markt verderben wollte. Schon damals wusste man: Zusammen kann man mehr erreichen.

Die Gesandten legten sogar einen Stopp in London ein, um bei einem der wichtigsten Konkurrenten im Lateinamerikahandel das Terrain zu sondieren. Ein Stopp, der mehrere Wochen dauerte, auch weil man auf den richtigen Wind für die nicht gerade kurze Seereise nach Brasilien warten musste. 

 

Das Ergebnis dieser mehrmonatigen Expedition konnte sich sehen lassen. Hamburg schloss zusammen mit den Hansestädten Lübeck und Bremen als erste Gebietskörperschaft 1827 Handels- und Wirtschaftsverträge mit den gerade unabhängig gewordenen Staaten Lateinamerikas, zum Beispiel mit Brasilien. Auch die Beziehung zwischen Hamburg und Mexiko geht auf dasselbe Jahr zurück. In der Folgezeit wickelte Mexiko etwa zwei Drittel seines Außenhandels mit den Hansestädten ab.

Die Büste von Simón Bolívar hier im Rathaus die Zweite Bürgermeisterin, Frau Dr. Dorothee Stapelfeldt hat heute morgen darauf hingewiesen ist ein Zeichen dieser langjährigen freundschaftlichen Verbindungen.

 

Sie sehen, die Verbindung zwischen Hamburg und Ibero-Amerika hat eine fast zweihundertjährige Tradition. Ich will auf die Geschichte nicht allzu ausführlich eingehen, Aber auf zwei Dinge noch hinweisen, weil sie die engen Beziehungen zwischen unseren Ländern bis heute begründen: Hamburg war im 19. Jahrhundert ein wichtiger Auswanderungshafen nach Lateinamerika. 1871 wurde außerdem Hamburgs Südamerikanische Dampfschifffahrts-Gesellschaft gegründet, als Nachfolgerin der Hamburg-Brasilianischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft. Die Schiffe der Gesellschaft verkehrten im monatlichen Liniendienst zwischen Hamburg und Brasilien sowie Argentinien und ab 1878 auch nach Chile. 

 

Heute ist Hamburg als Handels- und Hafenstadt eines der wichtigsten Drehkreuze Europas für den Güter- und Warenverkehr. Von hier werden jährlich circa 100 Millionen Tonnen Seegüter umgeschlagen. Hamburg als Tor zur Welt ist mit über 900 Häfen in 174 Ländern durch Schifffahrtslinien verbunden. 

 

Hamburg ist außerdem das Zentrum des internationalen Handels zwischen Deutschland und Lateinamerika. Die Stadt ist beispielsweise der führende Platz für den Handel mit Rohkaffee. Der Kaffeehandel geht sogar bis ins 17. Jahrhundert zurück und war nicht zuletzt ausschlaggebend für den Bau der Speicherstadt Ende des 19. Jahrhunderts. Dort nebenan entsteht zur Zeit das modernste Wohn- und Geschäftsviertel Hamburgs, die Hafencity. 

 

Wir wollen diese wirtschaftlichen Verbindungen weiter ausbauen: Hamburg möchte sich um die Ausrichtung der Deutsch-Brasilianischen Wirtschaftstage 2014 bewerben. Brasilien ist der wichtigste Wirtschaftspartner Deutschlands in Lateinamerika. Über 500 Hamburger Unternehmen sind am Handel mit Brasilien beteiligt und die Handelsströme nach Brasilien laufen ganz wesentlich über den Hamburger Hafen. 

 

Hamburg ist nicht nur eine Hafenstadt. Hamburg ist auch eine Industriestadt mit bedeutenden Zukunftsbranchen, und zum Beispiel einer der drei größten Produktionsstandorte der Luftfahrtindustrie.

 

Eine weitere Branche will ich besonders hervorheben: die erneuerbaren Energien. Mehrere hundert Unternehmen aus dieser Branche haben sich hier bereits angesiedelt, besonders aus den Bereichen Sonne, Biomasse und vor allem: Wind. Auch die Länder Iberoamerikas investieren zunehmend in erneuerbare Energien, einerseits um unabhängiger von den steigenden Preisen für konventionelle Energien zu werden. Aber auch weil sie erkannt haben, dass die Erneuerbaren ein Wirtschaftsfaktor sind. Hamburg ist Schwerpunkt und Entwicklungszentrum für Windkraftunternehmen.

 

Das bietet Chancen für den partnerschaftlichen Austausch von Know-How und den Transfer von neuer Technik, die bezahlbar ist. Die solide fundierten, langjährigen Beziehungen Deutschlands zu vielen südamerikanischen und karibischen Ländern auch in der industriellen Zusammenarbeit liefern hier eine hervorragende Basis.

 

Meine Damen und Herren, 

wir befinden uns, ich habe es anfangs schon gesagt, im Kaisersaal. Er heißt so, weil hier 1895 in Anwesenheit des Kaisers die Festlichkeiten zur Eröffnung des Kaiser-Wilhelm-Kanals begannen, des heutigen Nord-Ostsee-Kanals. Er verbindet die Elbe und die Ostsee, und hatte zunächst wohl eher strategisch-militärische Ziele. 

 

Die Hamburger haben bei Ausgestaltung des Kaisersaals andere Prioritäten gesetzt. Sie sind bei ihrer Tradition geblieben, und haben wie Sie an den Gemälden um sie herum erkennen den Saal der Seefahrt und dem Handel gewidmet. Das war klug und vorausschauend. 

 

Lassen Sie uns in diesem Geiste zusammen arbeiten: mit der notwendigen Bedachtsamkeit, aber auch mit Optimismus und dem Mut, das wir die Zukunft gestalten können egal ob wir gerade Rückenwind haben oder Gegenwind. Ich wünsche Ihnen und uns viel Erfolg und gute Gespräche. 

 

Es gilt das gesprochene Wort.