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06.05.2013

Übersee-Tag

 
Sehr geehrter Herr Bundesminister,
sehr geehrter Herr Behrendt,
sehr geehrter Herr Doyen,
sehr geehrter Herr Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft,
meine Damen und Herren,
 
im Namen des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg heiße ich den diesjährigen Überseetag herzlich im Rathaus willkommen.
 
Die erste Woche des Mai 2013 ist für unsere Stadt, für die Hamburgerinnen und Hamburger eine sehr besondere, hatten wir doch gerade die Ehre, den 34. Deutschen Evangelischen Kirchentag auszurichten. Dem folgt jetzt der Hafengeburtstag auf dem Fuße, mit dem ja der Überseetag eng verbunden ist und der ebenfalls Gäste aus aller Welt nach Hamburg führt. Nicht anders als die Internationale Gartenschau, die wir in der Woche davor eröffnet haben und die inhaltlich wie räumlich mit der Internationalen Bauausstellung korrespondiert. 
 
Wir haben in diesen Tagen einmal mehr erfahren, dass es schlicht unsere Aufgabe als Stadt des Überseehandels sein muss, und als Stadt der über hundert Sprachen, die hier nicht nur beim Hafengeburtstag gesprochen werden, dass wir uns über die Zukunft Europas und der Finanzmärkte Gedanken machen.
 
Das ist Ihr heutiges Thema, Herr Minister Schäuble. Und dass Sie in Ihrer Rede von der Bedeutung des Vertrauens sprechen wollen, versteht hier jeder. Seit Jahrhunderten beruht nicht nur der Handel darauf.
  
Die Entscheidung für eine gemeinsame Währung war seinerzeit richtig und es ist richtig, zu ihr zu stehen. Darüber gibt es einen breiten Konsens in Deutschland, der über Parteigrenzen, auch über Bund- und Ländergrenzen hinweg besteht: Nicht der Euro steckt in der Krise, wohl aber das Vertrauen der Anleger und Finanzmärkte in die Schuldentragfähigkeit einzelner Staaten, übrigens auch das Vertrauen von immer mehr Anlegern in die Finanzmärkte. In dieses geheimnisvolle plurale tantum, hinter dem sich für immer mehr Europäer ein riesiges Wettbüro verbirgt.
 
Aber geschwächt ist auch das Vertrauen von Anlegern, Sparern, Arbeitnehmern und Rentnern verschiedener Länder in die Politik wer wollte es leugnen? Die wütenden Proteste in Athen, Madrid und anderswo sind auch für uns in Deutschland bedrückend.
 
Die Arbeitslosigkeit in der Europäischen Union erreicht neue Rekordzahlen und erfasst besonders die jungen Erwachsenen unter 25, schon zu fast einem Viertel.
 
Meine Damen und Herren,
es müssen dringend Wege gefunden werden, diese Entwicklung zu stoppen und umzukehren. Was wird aus einer Jugend, fragte neulich der Tagesspiegel in einem Kommentar, die gleich zu Beginn ihres Berufslebens signalisiert bekommt, überflüssig zu sein?
 
Vertrauen wieder herzustellen, ist fundamental für die weitere Entwicklung der Eurozone und der Wirtschafts- und Währungsunion. Die anhaltende europäische Krise wird sich überwinden lassen, wenn die überschuldeten Länder sowohl ihre Haushalte sanieren als auch neue Wachstumsimpulse bekommen.
 
Wenn die Krisenstaaten an ihrer Konsolidierung arbeiten, werden auch die solidarischen Maßnahmen der EU und ihrer wettbewerbsfähigeren Mitgliedsstaaten auf fruchtbaren Boden fallen.
 
Ohne Reformen wird es aber nirgendwo gehen: Deutschland hat mit einem weit reichenden Reformpaket, der so genannten Agenda 2010, in einem nicht einfachen Prozess die Sozialsysteme saniert und die Lohnnebenkosten gesenkt, den Arbeitsmarkt flexibilisiert, die Staatsfinanzen konsolidiert, seine Wettbewerbsfähigkeit gestärkt. 
 
Und natürlich braucht Europa, und auch Deutschland, eine Steuerpolitik, die Schlupflöcher wirksam verstopft und Steuerhinterziehung effektiv bekämpft. Auch weil das die erforderliche Konsolidierung der öffentlichen Haushalte erleichtert.
 
Neben der Lösung der Staatsschuldenkrise brauchen wir auch bessere, europäische und möglichst internationale Regeln für die Banken.
 
Es kann nicht dabei bleiben, dass jedes Mal die Steuerzahler einspringen, wenn Banken sich überheben. Auch wir in Hamburg wissen, wovon die Rede ist. Nicht nur wegen unserer Bank, die wir gemeinsam mit Schleswig-Holstein betreiben, sondern auch, weil Hamburg eng mit den Entwicklungen auf den Finanzmärkten verbunden ist: unmittelbar als Standort von Banken und Versicherungen, mittelbar durch seine Verflechtung mit auswärtigem Handel.
 
Nicht alle Schuldenprobleme dieser Länder, aber manche lassen sich auch auf die Kosten der Bankenrettung zurückführen.
 
Lassen Sie mich noch einmal auf die Staatsverschuldung zu sprechen kommen. Der europäische Fiskalpakt zur Begrenzung der Neuverschuldung war und ist ein großer Fortschritt. Politik muss so gemacht werden, dass sie nicht auf Schulden setzt.
 
Genau so richtig ist es, dass Deutschland zuvor eine Schuldenbegrenzung in das Grundgesetz aufgenommen hat. Und natürlich auch, dass wir in die Hamburger  Verfassung geschrieben haben, dass ab 2020, möglichst schon 2019 keine neuen Schulden mehr den alten hinzugefügt werden dürfen.
 
Wir haben uns darauf eingestellt. Kein Haushaltsplan, den der Senat in den nächsten Jahren der Bürgerschaft vorlegt, wird eine Steigerung um mehr als ein Prozent vorsehen. Wenn die Steuereinnahmen besser ausfallen, nutzen wir das nicht für neue Ausgaben, sondern um die Schuldenaufnahme schneller zu begrenzen.
 
Weder  Deutschland noch Hamburg dürfen jeweils so in die Abhängigkeit von den Stimmungen und Meinungen der schon erwähnten Finanzmärkte geraten, wie das für einige unserer europäischen Partnerstaatenheute der Fall ist.
 
Professor Wolfgang Streeck, Direktor am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln, wertet das Resultat der Krisenbewältigungs-strategien der letzten Jahrzehnte als Gekaufte Zeit. Sein nicht sehr optimistisches, aber lesenswertes Buch spricht von einer vertagten Krise. Deshalb müssen wir heute handeln, um Wachstumschancen, Wohlstand und Sozialstaat auch in Zukunft sichern zu können.
 
Ich wünsche dem Überseetag 2013 einen erkenntnisreichen Verlauf. 
 
 
Es gilt das gesprochene Wort.