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19.01.2010

Unter den Plänen der Regierung werden Millionen Mieterinnen und Mieter leiden

 

 

Rede in der Haushaltsdebatte des Deutschen Bundestages zum Etat des Justizministeriums 

 

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, am Ende einer Debatte lohnt es sich nicht, alle Dinge, die angesprochen worden sind, noch einmal aufzuwärmen und noch etwas dazu zu sagen. Ich will deshalb nur ein paar Punkte herausgreifen, die mir wichtig sind.

Eines jedenfalls ist bisher nicht gut gelaufen, das ist die Debatte über die vorgesehene Reform des Mietrechts. Aus all den Äußerungen der Koalition zu diesem Thema nicht nur denen von heute hört man vor allem ein furchtbar schlechtes Gewissen heraus. Sie reden nie über die Dinge, die Ihnen vorgehalten werden, sondern Sie weichen immer aus.

Wenn wir fragen, warum Sie das Kündigungsrecht für die Mieter verschlechtern wollen, dann reden Sie über Mietnomaden. Gegen Mietnomaden haben alle etwas. Dagegen muss man auch etwas tun. Dazu muss einem etwas Kluges einfallen; das ist nicht so einfach. Aber warum sollen Millionen von Mieterinnen und Mietern in der Bundesrepublik Deutschland darunter leiden, dass Sie gegen die Mietnomaden vorgehen wollen?

Das ist nicht einsehbar, zumal die Vorschläge, die Sie in Bezug auf die vielen Millionen übrigen Mieter haben, mit denen gar nichts zu tun haben. Sie haben auch noch nie wirklich begründet, warum Sie eine Verschlechterung der Mieterrechte durchsetzen wollen. Sie haben immer wieder abstrakt geredet. Zum Beispiel mussten wir jetzt eben hören, gleiche Fristen für Vermieter und Mieter seien doch eine schöne Sache. Darüber müsste man nachdenken. Ich sage: Darüber muss man gar nicht nachdenken, und wenn man darüber nachdenkt, dann muss man zu dem Ergebnis kommen, dass die Fristen so bleiben müssen, wie sie sind. Es ist für einen Mieter nicht zumutbar, sehr lange an eine Wohnung gebunden zu sein. Wenn man zum Beispiel den Wohnort wechseln muss oder es zu sonstigen Veränderungen kommt, wäre das für die meisten Menschen wirtschaftlich nicht darstellbar. Darum ist unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Schutzinteressen von Gesetzes wegen zu Recht eine unterschiedliche Kündigungsfrist für Mieter und Vermieter vorgesehen. Wenn Sie das ändern, dann nehmen Sie Millionen Menschen ihre Rechte. Dafür gibt es keinen Grund. Das schlechte Gewissen, mit dem Sie über andere Themen reden, zeigt: Es gibt ihn wirklich nicht.

Wir werden im Deutschen Bundestag viel über das Internet diskutieren. Ich hoffe, dass das kluge, sachkundige Diskussionen werden, sowohl im Plenum als auch in der geplanten Enquete-Kommission. In manch einer Debatte hat man das Gefühl an dieser Stelle will ich niemanden einschließen oder ausschließen; das gilt, wie ich glaube, quer durch die Bank bzw. die Bänke , dass der eine oder andere schon gehört hat, dass es so etwas wie ein Internet geben soll. Das ist natürlich nicht das Niveau, auf dem wir unsere Debatten zu führen haben. Wir müssen uns bis zu den aktuellen Diskussionen vorarbeiten. Das bedeutet aus meiner Sicht, sich dazu zu bekennen, dass man in diese Themen hineinwächst, dass man in der politischen Diskussion über diese Fragen auch Fehler gemacht hat oder vielleicht noch machen wird. Auf jeden Fall muss eine lebendige, offene Diskussion über die damit verbundenen Probleme stattfinden. Insofern finde ich es sehr problematisch, dass wir in der bisherigen Debatte nichts dazu gehört haben, dass die Bundesregierung eine etwas verdruckste Haltung zu dem Internetsperrengesetz, das im Deutschen Bundestag beschlossen worden ist, hat. Ich jedenfalls finde, es ist ein für die Verfassungsordnung unseres Landes unerträglicher Zustand, dass in einer Koalitionsvereinbarung steht, man wolle ein Gesetz nicht anwenden. Im Übrigen finde ich, dass es für die Verfassungsordnung unseres Landes auch ein unerträglicher Zustand ist, wenn vorgeschlagen wird, der Bundespräsident möge ein Gesetz, für das man nicht mehr so große Begeisterung verspürt, nicht unterzeichnen.

Das sind die beiden Haltungen, die diese Regierung zum Ausdruck bringt, und die sind nicht in Ordnung. Ich will ausdrücklich sagen: Wir glauben, dass es nicht richtig war, dieses Gesetz hier im Bundestag zu beschließen. Wir fordern deshalb seine Aufhebung. Von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion wird ein Gesetzentwurf zur Aufhebung dieses Gesetzes eingebracht. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass es sinnvoll wäre, die heutige Hängepartie fortzusetzen. Das ist sehr konsequent in der Tat und ein bisschen ehrlicher als das, was in der Koalition passiert: dass man sich erstens nicht einigen kann, dass man das zweitens nicht sagen will und dass man drittens den Bundespräsidenten in eine Rolle drängt, die in unserer Verfassungsordnung nicht vorgesehen ist, nämlich eine politische Meinungsänderung der Koalition irgendwie herauszubekommen und daraus einen Schluss zu ziehen.

Ich will darum bitten, dass wir uns in der Diskussion über das Internet und seine Konsequenzen für unsere Gesellschaft offen dazu bekennen, dass es auch Entwicklungen gibt, die wir noch nicht abschätzen oder vorhersehen können. Daher sollten wir keine großen Bekenntnisse abgeben. Weil sehr viel über die Sicherheit im Internet und Missbrauchsmöglichkeiten diskutiert wird, will ich ausdrücklich das Urheberrecht erwähnen. Hier ist, wie ich finde, noch nicht alles zu Ende gedacht. Dass wir mit der guten und begründeten Tradition des Urheberrechts in der Bundesrepublik Deutschland gerade in unserem Land hat das Urheberrecht auch eine Tradition philosophischer Art wirklich alle Fragen, die sich heute neu stellen, beantworten können, wage ich zu bezweifeln. Wir sollten uns zutrauen, eine neue Debatte über urheberrechtliche Fragen zu führen, die möglicherweise etwas mehr Nutzungsmöglichkeiten ohne Leistungsrechtsverletzungen zur Folge hat, als es heute der Fall ist. Das wäre, jedenfalls aus meiner Sicht, eine vernünftige Debatte, auf die man sich einlassen kann. Ich bitte darum, dass wir dies gemeinsam tun und uns nicht davor drücken.

Lassen Sie mich zum Schluss ein Thema ansprechen, das bisher nur selten erörtert worden ist ich finde aber, dass das Parlament und die Regierung, das Parlament begleitend, hier vorankommen sollten : die Frage der Abgeordnetenbestechung. Deutschland hat internationale Verträge und internationale Vereinbarungen hierzulande nicht wirksam werden lassen, weil wir an dieser Stelle bei der Gesetzgebung keinen Fortschritt zustande bekommen haben. Ich finde, es ist notwendig, dass wir uns einen Ruck geben, eine Gesetzgebung zur Abgeordnetenbestechung in der Bundesrepublik Deutschland auf den Weg bringen und das schlechte Gewissen bei diesem Thema ablegen. Vor dem Hintergrund dieser ungelösten Frage ist das, was wir gegenwärtig in Bezug auf Gesetzgebung und die Finanzierung von Parteien aus Klientelinteressen mitbekommen, sehr problematisch. Natürlich hilft es nicht, darauf zu verweisen, dass es Spenden von Personen und Unternehmen an Parteien schon immer gab. Wenn es einen Zusammenhang gibt zwischen einer Gesetzgebung, die niemand in diesem Lande versteht und die ganz offensichtlich Klientelismus ist, und hohen Parteispenden, muss das auffallen und dazu führen, dass man sagt: Wir brauchen gesetzgeberischen Fortschritt bei der Ahndung der Bestechung von Abgeordneten, aber auch in der Frage der Parteienfinanzierung.

Ich will zwei konkrete Punkte nennen. Erstens: Sollte man nicht über eine Höchstgrenze für die Spenden von Unternehmen an Parteien diskutieren? Das halte ich für eine richtige Position; denn so wie bisher kann es nicht weitergehen. Zweitens: Berichtspflichten ziehen Bürokratiekosten nach sich. Aber sollten wir nicht noch eine zusätzliche Berichtspflicht vorsehen, nämlich dass in den Vorblättern der Gesetzentwürfe aufgeführt wird, welche der Regierungsparteien im Zusammenhang mitdem Gesetzentwurf Spenden bekommen hat? Auch das wäre hilfreich.