Sehr geehrter Herr Braun,
sehr geehrter Herr Tichy,
meine Damen und Herren,
- wenn sich ein Unternehmen darum bemüht, die Arbeitszeiten so zu gestalten, dass Eltern ihre Kinder von der Kita abholen können,
- wenn sich ein Unternehmen darum kümmert, dass junge Menschen eine Chance auf einen Ausbildungsplatz haben,
- wenn ein Unternehmen mit seinen ausländischen Zulieferern Verträge schließt, in denen es auf menschenwürdige Arbeitsumstände achtet,
- wenn ein Unternehmen die Umwelt im Blick behält bei seinen Produkten und seiner Produktion,
dann ist das sozial verantwortliches Unternehmertum. Neudeutsch: Corporate Social Responsibility, abgekürzt: CSR.
Klar: Für viele, viele Betriebe ist das schon seit Jahren und Jahrzehnten eine Selbstverständlichkeit, ohne Symposien und neue Begriffe.
Dass jetzt Symposien über Corporate Social Responsibility stattfinden, hat aber schließlich auch damit zu tun, dass sich nicht alle Unternehmen so vorbildlich verhalten, wie diejenigen, die hier heute im Saal sind und die sich in der Initiative Freiheit und Verantwortung zusammengeschlossen haben.
Deswegen haben politische Initiativen für Corporate Social Responsibility ihren Sinn. Wir werden Unternehmer unterstützen, die soziale Verantwortung übernehmen. Und wir wollen dafür werben, dass mehr Unternehmen mitmachen.
Die Initiative Freiheit und Verantwortung ist ein gutes Beispiel für unternehmerische Bemühungen, für Corporate Social Responsibility. Sie beruft sich auf Ludwig Erhard und das Erbe der sozialen Marktwirtschaft.
Es lohnt sich, bei Erhard nachzulesen, was er über das Handeln von Unternehmern gesagt hat. Zum Beispiel im Jahr 1948: Ich verlange, heißt es da, in letzter Konsequenz gerade von den verantwortlichen Unternehmern, die über den Produktions- und Verteilungsapparat der Volkswirtschaft verfügen, die größten Opfer, die höchste Einsicht und Verantwortung.
Richtig: Höchste Verantwortung ist gefragt.
Gutes Unternehmertum ist mehr als das bloße Erfüllen der Pflicht. Es geht um gesellschaftliche Verantwortung über den gesetzlich festgelegten Rahmen hinaus. Um Engagement beispielsweise für die Umwelt, für die Heimatregion des Betriebes, für die Mitarbeiter und deren Familien. Und für junge Menschen. Das können multinationale Konzerne genauso wie kleine und mittelständische Unternehmen.
Es geht um die Einsicht, dass eine sozial verantwortliche Unternehmensführung dem wirtschaftlichen Erfolg des Betriebes dient.
Bestes Beispiel ist die Nachfrage nach Fachkräften. Unsere Wirtschaft ist auf gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewiesen. Deshalb muss die Wirtschaft aber auch dafür sorgen, dass es die Fachkräfte morgen und übermorgen noch gibt.
In den Berufen, für die wir in Deutschland ausbilden können, müssen wir keinen Mangel haben. Für das duale Ausbildungssystem, betriebliche Ausbildung plus Berufsschule, tragen Unternehmen die Verantwortung. Das bekommt der Qualität der Ausbildung gut.
Das bedeutet aber auch: Die Unternehmen können diese Aufgabe nicht an den Staat delegieren nach dem Muster: Lieber Arbeitsminister, besorg Du uns mal die qualifizierten Arbeitskräfte, die wir brauchen. Und wenn Du sie nicht im Land findest, dann mach die Tore auf und lass uns in der ganzen Welt suchen.
Da, wo akuter Mangel an akademisch qualifizierten Fachkräften besteht, haben wir gehandelt und die Möglichkeit eröffnet, Maschinen- und Fahrzeugbau- sowie Elektroingenieure aus den neuen EU-Mitgliedstaaten in Deutschland zu beschäftigen.
Aber um die betriebliche Berufsausbildung müssen sich die Unternehmen kümmern. Indem sie jungen Menschen Chancen schaffen, verbessern die Unternehmen die Chancen deutscher Unternehmen im globalen Wettbewerb.
Dieser Weg der betrieblichen Ausbildung hat eine Reihe klarer Voraussetzungen:
- Unternehmen dürfen nicht fragen, ob sich Ausbildung rechnet. Betriebswirtschaftlich tut sie das nicht immer, volkswirtschaftlich aber ist das anders. Nur wenn die Unternehmen bei der Ausbildung nicht nach dem individuellen Nutzen fragen, klappt es auch mit dem Fachkräftenachwuchs unserer Wirtschaft.
- Die Zahl der Ausbildungsplätze darf sich nicht nach der Konjunktur richten.
- Die Unternehmen dürfen nicht nur die Besten oder Schlauesten nehmen. Erinnern Sie sich noch? Es ist noch gar nicht so lange her, da waren die meisten Lehrlinge 15 oder 16 Jahre alt und hatten meistens einen Hauptschul- oder Realschulabschluss. Diese Jugendlichen haben heute die geringsten Chancen auf einen Ausbildungsplatz. Das kann nicht so bleiben.
Die drei Voraussetzungen zeigen eines: Corporate Social Responsibility gab es schon als noch keiner je dieses Wort genutzt hatte. Die Ausbildung junger Leute ist die wichtigste Dimension verantwortlicher Unternehmensführung. Es geht um die Verantwortung für das Ganze.
Aber wir lernen auch: Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren der deutschen Volkswirtschaft beruht auf unternehmerischer Moral und nicht auf dem Taschenrechner.
Ein Unternehmen verantwortungsvoll zu führen, ist eine Sache des Vorstands, der Geschäftsführung, des Aufsichtsrates und natürlich auch des Betriebsrates.
Das sozialpartnerschaftliche Miteinander im Betrieb ist eine zentrale Voraussetzung für den Erfolg der Unternehmen. So kann man am besten organisieren, dass alle an einem Strang ziehen.
Franz Müntefering hat immer gesagt: Wirtschaft ist für die Menschen da und nicht umgekehrt. Und das stimmt. Wenn die Menschen nicht mehr das Gefühl haben, dass sie von den Gewinnen der Unternehmen profitieren, dann schlägt das auch durch auf die Akzeptanz unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung und damit letztlich auf den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.
Natürlich: Die Finanzmärkte verführen dazu, sich der Kurzatmigkeit der Quartalsberichte zu unterwerfen. Aber vor Ort, im Betrieb, da ist anderes gefragt.
Gute Gründe also für Politik, Corporate Social Responsibility zu unterstützen. Wir sind stolz darauf, dass so viele Unternehmen in Deutschland bereit sind, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen oder dies schon lange tun.
Aufgabe der Politik ist es, das in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen. Wir wollen zeigen, dass Unternehmen, Verbraucher und die Gesellschaft als Ganzes gleichermaßen davon profitieren können.
Das Arbeits- und Sozialministerium hat dafür innerhalb der Bundesregierung die Federführung.
Wir haben viele Ressorts in der Bundesregierung an einen Tisch geholt: das Auswärtige Amt, die Bundesministerien für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Umwelt, Wirtschaft, Familie und die Integrationsbeauftragte. Gemeinsam bündeln wir unsere Maßnahmen.
Wir haben eine Forschungsstudie zum Thema CSR zwischen Markt und Politik in Auftrag gegeben. Sie soll uns eine Orientierung geben. Sie soll zeigen, wie Politik handeln kann. Und sie soll unsere ersten Ideen kritisch hinterfragen. Ich werde Sie über die Ergebnisse auf dem Laufenden halten.
Wir wollen im nächsten Jahr ein Corporate Social Responsibility-Forum ins Leben rufen. Das Forum soll die Bundesregierung dabei unterstützen, eine nationale Strategie zu entwickeln. Wir wollen dazu einen überschaubaren Kreis von Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft, der Sozialpartner, der Nichtregierungsorganisationen und der Wissenschaft zusammenholen.
Wir werden ein klares Arbeitsprogramm aufstellen und feste Ziele vereinbaren, damit die Arbeit des Forums auch ein Erfolg wird.
Wir veranstalten im Frühjahr 2008 eine so genannte Multi-Stakeholder-Konferenz. Wir wollen wissen, was von uns erwartet wird. Wir wollen ein Forum, in dem gezeigt werden kann, was getan wird und was gut läuft.
Die Verbraucher müssen wissen, hinter welchen Produkten Unternehmen stehen, die ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen und natürlich auch welche nicht.
Zum Beispiel: Wer ausbildet, der ist ein guter Betrieb. Wer eine Kaufentscheidung auch davon abhängig machen will, ob ein Unternehmen den jungen Menschen Zukunftschancen bietet, der soll die Möglichkeit dazu bekommen.
Das heutige Thema die Ausbildungs- und Berufschancen junger Menschen ist ganz entscheidend für die Akzeptanz unserer Marktwirtschaft.
Politisch hat die Bundesregierung den Kurs klar beschrieben. Aber: Die Länder müssen mit in das Boot als die für Bildungspolitik Zuständigen:
Wir bauen die Angebote für Betreuung und frühkindliche Bildung massiv aus.
Wir wollen die Quote der Schulabbrecher bis 2010 halbieren und 40 Prozent eines Jahrgangs an die Hochschulen bringen.
Wir wollen die Beteiligung an Weiterbildung von derzeit 41 Prozent auf 50 Prozent steigern.
Und wir tun alles dafür, dass kein junger Mensch von der Schulbank in die Arbeitslosigkeit gerät. Jede und jeder muss die Perspektive auf eine betriebliche Ausbildung bekommen.
Wir machen Fortschritte bei der Reduzierung der Jugendarbeitslosigkeit.
Die Zahl der jüngeren Arbeitslosen im Alter von 15 bis 24 Jahren lag im November mit 345.000 um 82.000 (-19,1 %) niedriger als vor einem Jahr.
Seit der Wiedervereinigung waren noch nie so wenig Jugendliche arbeitslos.
Die Arbeitslosenquote Jüngerer liegt mit 7,2 Prozent 1,8 Prozentpunkte unterhalb der Quote aller Arbeitslosen.
Aber wir dürfen mit unseren Anstrengungen nicht nachlassen: Es darf kein gefährlicher Leerlauf zu Beginn des Berufslebens entstehen. Junge Menschen müssen wissen und erfahren, dass sie gebraucht und gefördert werden, aber eben auch gefordert.
Zu diesem Zweck haben Wirtschaft und Bundesregierung 2004 den Ausbildungspakt ins Leben gerufen. Wir haben ihn kürzlich um drei Jahre verlängert. Wirtschaft, Bundesregierung und Bundesagentur für Arbeit haben dabei ihre Zusagen noch einmal verbessert.
Die Wirtschaft wird im Durchschnitt pro Jahr 60.000 neue Ausbildungsplätze und 30.000 neue Ausbildungsbetriebe einwerben und 40.000 Plätze für betrieblich durchgeführte Einstiegsqualifizierungen bereitstellen. Das ist eine gute Investition in Deutschlands Zukunft. Und das nenne ich verantwortliches Handeln.
Auch die Bundesregierung hat vieles auf den Weg gebracht.
Wir haben entschieden, die Berufsorientierung auszubauen. Wir werden auch den Einsatz von Paten prüfen, die Schülerinnen und Schüler bei der Berufswahl, bei der Ausbildungsplatzsuche und bei den ersten Schritten in die Ausbildung begleiten sollen.
Und wir diskutieren derzeit noch, wie wir die Betriebe besonders unterstützen können, die zusätzliche Ausbildungsplätze für benachteiligte Altbewerber schaffen einen Ausbildungsbonus.
Die Bundesagentur für Arbeit hilft jungen Menschen ebenfalls. Berufsberatung und Ausbildungsvermittlung werden flächendeckend und umfassend angeboten. Rund 600.000 Jugendliche sind allein 2006 mit insgesamt vier Milliarden Euro unterstützt worden.
Der Bund fördert die von der Wirtschaft zugesagten 40.000 Plätze für betrieblich durchgeführte Einstiegsqualifizierungen. Seit Oktober 2007 haben wir diese Förderung dauerhaft in das Arbeitsförderungsrecht aufgenommen.
Die sechs- bis zwölfmonatigen Praktika bereiten auf die Ausbildung vor und bieten Unternehmen die Möglichkeit, einen Bewerber mit erschwerten Vermittlungsperspektiven besser kennen zu lernen. Für über 60 Prozent dieser jungen Menschen sind die Praktika ein Türöffner in eine Ausbildung im Betrieb.
Wir müssen uns besonders um die Altbewerber kümmern. Wer keinen Ausbildungsplatz gefunden hat, der braucht besondere Unterstützung.
Manchmal geht dies nur, indem wir die jungen Leute über geförderte Beschäftigung an einen Ausbildungsplatz heranführen.
Mit Zuschüssen an Arbeitgeber fördern wir seit Oktober die Beschäftigung von jungen Menschen, die zuvor mindestens sechs Monate arbeitslos waren. Eine der zwei Fördervarianten richtet sich besonders an junge Arbeitslose ohne Ausbildung.
Und: Ab Januar nächsten Jahres können alle ausländischen Jugendlichen mit Daueraufenthaltsrecht oder Bleibeperspektive eine Berufsausbildungsbeihilfe bekommen.
Zum Ende des Berufsberatungsjahres am 30. September waren noch 29.100 Bewerber ohne einen Ausbildungsplatz oder eine vergleichbare Perspektive. Gleichzeitig gab es 18.400 unbesetzte Ausbildungsstellen. Die rechnerische Lücke betrug also 10.700. Die müssen wir in der Nachvermittlung schließen. Das ist alle Anstrengungen wert.
Bis Mitte November konnten wir die Zahl der noch unversorgten Bewerber auf 16.600 reduzieren. Wir werden nicht nachlassen.
Ausbilden schützt vor Fachkräftemangel. Es ist lange bekannt, dass die Schülerzahlen zurückgehen und Lehrlinge mittelfristig knapp werden. Deshalb:
- Schöpfen Sie alle Reserven aus. Wir brauchen noch mehr Ausbildungsplätze!
- Bieten Sie zusätzlich Einstiegsqualifizierungen an!
- Geben Sie auch denjenigen eine Chance, die es auf dem Ausbildungsmarkt besonders schwer haben: behinderte, sozial benachteiligte und lernbeeinträchtigte Jugendliche sowie junge Migrantinnen und Migranten!
- Investieren Sie in die Zukunft der jungen Menschen und in die Zukunft Ihres Unternehmens!
Die gute wirtschaftliche Entwicklung hat in den vergangenen Monaten wieder Kräfte frei gemacht und Spielräume zum Wachsen geöffnet.
Wenn jetzt in vielen Betrieben neues Personal eingestellt wird, dann hoffe ich, dass die Geschäftsführungen dabei auf einen guten Mix von Alt und Jung achten. Genauso wichtig wie der Einstieg in eine gute Ausbildung ist die zweite Schwelle, wenn junge Leute nach der Ausbildung mit der Arbeit beginnen wollen.
Guter unternehmerischer Erfolg ist die Voraussetzung für eine gute Entwicklung unserer Volkswirtschaft und damit für eine gute Entwicklung unseres Landes insgesamt.
Wenn wir hier etwas hinbekommen für die jungen Menschen, dann ist das die beste Form von sozial verantwortlicher Unternehmensführung, die ich mir vorstellen kann.
Größte Verantwortung, wie Ludwig Erhard sie gefordert hat, ist die Grundlage für den Erfolg von morgen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
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03.12.2007