arrow-left arrow-right nav-arrow Login close contrast download easy-language Facebook Instagram Telegram logo-spe-klein Mail Menue Minus Plus print Search Sound target-blank X YouTube
Inhaltsbereich

Detail

30.08.2011

Verabschiedung von Dr. Henning Voscherau aus seiner Amtszeit als Hamburger Notar

 

 

 

Sehr geehrter Herr Dr. Voscherau,

sehr geehrter Herr Schmidt,

sehr geehrte Frau Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft,

meine Damen und Herren,

 

das ist wie wir eben miterlebt haben das Risiko, wenn man wohlmeinende, gleichzeitig anspruchsvolle Weggefährten einlädt: Man kann vor neue Aufgaben gestellt werden. Aber vielleicht hat der Wunsch des früheren Bundeskanzlers nach Lesestoff ja durch eine längst offene Tür ins Ziel gefunden. Wir dürfen gespannt sein.
 

Jetzt sind wir erst einmal sehr zahlreich hier, um Dr. Henning Voscherau zu beglückwünschen. Erstens nachträglich zum Geburtstag das Privileg hatte mein Vorredner. Seiner Gratulation schließe ich mich gern, aber sozusagen noch inoffiziell an. Man weiß ja nie, ob doppelt wirklich besser hält, und als Bürgermeister darf ich dem Politiker Henning Voscherau in wenigen Wochen noch amtlich gratulieren.

Aber noch einen weiteren Glückwünsch gilt es heute zu überbringen. Und zwar den, dass sich der Notar Dr. Henning Voscherau jetzt bitte gefälligst darüber freuen möge, in den Ruhestand getreten zu sein. Oder, um es formal korrekt auszudrücken: dass seine Amtszeit als Hamburgischer Notar beendet ist.


Nun ist dieser Notar und Politiker nicht unbedingt dafür bekannt, dass er sich seine Gemütsregungen vorschreiben ließe. Ein Notar hat sich von solchen ohnehin nicht leiten zu lassen, jedenfalls nicht in akuter Ausübung seines Berufs.


Aber wie ist es mit dem Politiker? Wie war es mit dem Ersten Bürgermeister Henning Voscherau denn man kommt ja doch von dem einen Beruf unweigerlich auf den anderen? Wie war es mit dem so hanseatischen, immer druckreif sprechenden Ersten Bürgermeister, von dem manche behaupteten nicht ohne Bewunderung seine Krawatte habe doch der Notar gebunden?


In einem noch beinah druckfrischen Interview mit dem Hamburger Kurs hat Henning Voscherau auf zweieinhalb Seiten gleich an mehreren Stellen über Gemütsregungen geschrieben. Zum Beispiel beim Mauerfall. An den erinnern sich viele, und daran, wo sie an dem Tag waren. Hamburgs Erster Bürgermeister war in der Landesvertretung, damals noch in Bonn, vor dem Fernseher und so steht es im Interview überglücklich. Beides wird Henning Voscherau höchstens ein paar Minuten lang davon abgehalten haben, zum nächsten Telefonhörer zu greifen. Jetzt war Zeit zum Einfluss nehmen, zum Wege zeigen, zum Handeln. 

 

Denn er hat im überglücklichen Zustand sofort beides gesehen: die ungeheuren Chancen und die nicht ganz geringen Risiken, die auch für Hamburg aus dem Zusammenwachsen Deutschlands und Europas erwuchsen. Er hat es wirklich gesehen, und er darf im selben Interview darauf hinweisen, dass ihn gewisse Vorbehalte noch heute bis ins Innerste ärgern.


Das ist keine Rechthaberei, denn Henning Voscherau kann ich verlasse jetzt die Vergangenheitsform kann schnell denken und hält sich damit ungern zurück. An eine deutsche Vereinigung schon im Jahr nach dem Mauerfall haben ja wirklich nicht alle geglaubt. Man lese die einschlägigen Magazine, Zeitschriften, Zeitungen vom Herbst 1989 nach. Henning Voscheraus Marginalie an amtlichen Schriftstücken, die vor übertriebenen Hoffnungen und falscher Offensivtaktik warnten, war knapp und präzise: Steht aber im Grundgesetz.

In den Jahren lernte seine Stadt Hamburg ihn als einen herausragenden Hanseaten kennen von der Art, wie sie einen an der Spitze ihrer Regierung brauchte. Er hat sie bemerkenswert erfolgreich über die aufregende Wendezeit gebracht und bleibende Projekte initiiert.

Noch ein Wort zum immer druckreif sprechenden Redner, dessen Sätze wenn er vom Manuskript abwich nicht die kürzesten waren, aber immer ein syntaktisch gutes Ende nahmen. Manchmal musste die ganze Rede lang sein, sehr lang sogar, wenn etwa der Energieminister eines großen Landes noch in der Warteschleife kreiste und der Veranstalter darum bitten musste: Herr Bürgermeister, können Sie ein wenig weiter ausholen und länger reden?

Er tat es, Viertelstunde um Viertelstunde, und Augen- wie Ohrenzeugen beteuern: Niemand im Publikum hat gemerkt, dass er sein ursprüngliches Manuskript schon während der Fahrt im Fußraum des Dienstwagens entsorgt hatte mit den Worten viel zu lang, brauch ich alles nicht.


Ich bin sicher, dass ihm das Spaß gemacht hat. Ein Hanseat sprach da über seine Stadt. Und über die wusste er genug, weil es nicht nur gelerntes, angelesenes Wissen war das sicher auch , sondern weil es aus dem Herzen kam und das durfte nun endlich mal überlaufen. Unter Wahrung perfekter Syntax.

 


Lieber Henning,


ich weiß nicht, wie es bei Notaren ist, aber der Politiker, der nicht an irgendeinem Punkt alles hinschmeißen möchte, muss noch sehr am Anfang seiner Laufbahn sein.

 

Du erwähnst als einen besonders positiven Moment den im Jahr 1991, als wir in Hamburg mit Dir als frontman die absolute Mehrheit gewannen. Die Gemütsregung ein Jahr später, als das Gewonnene wieder zerronnen schien, weil eine Neuwahl angesetzt wurde über den Anlass will ich schweigen was da in Dir vorging, war vermutlich nicht kameratauglich. Vor den Kameras hast Du natürlich auch da staatstragende Worte gefunden.

Zurück zum Notar. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich aus dem heutigen Anlass einige Worte zu diesem Beruf sagen, und unter welchen Bedingungen er in Hamburg stattfindet.


Hamburger Notare üben ihr Amt ausschließlich vollberuflich aus. Damit nimmt der Rechtsstandort Hamburg im Bereich des Notariats eine Sonderstellung im Nordwesten Deutschlands ein. In den benachbarten Bundesländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen sind es Rechtsanwälte, die ebenso den Beruf des Notars ausüben.

Die Amtsausübung der Notare war in Hamburg stets von der Internationalität, Größe und Dynamik des Wirtschaftsstandortes geprägt. Nach dem Judikat des Europäischen Gerichtshofes geschieht dies nicht (mehr) in Ausübung öffentlicher Gewalt. Aber in der Wahrnehmung der Mandanten geschieht es schon mit dem besonderen Prädikat hoheitlicher Funktion. Wir werden sehen, wie der Zugang zum Notariat aus anderen Ländern die Landschaft verändern wird. Politik ist gut beraten, Vorgaben auch aus Brüssel mit einem wachsamen Auge zu begleiten.

 

Hamburg tut das. Überhaupt glaube ich, Hamburg kann sich mit Recht einen starken Standort der Rechtspflege nennen. In vielen Einrichtungen gibt es hochqualifizierten rechtlichen Sachverstand.


Leistungsfähige Notariate und Notars-Sozietäten sind ein wichtiger, ein unverzichtbarer, ein seit langer Zeit immer wieder bewährter Bestandteil dieses starken Standorts.


Der rechtliche Sachverstand hat sich auch im Streit um die Notarverordnung bewährt. Wie sehr viele von Ihnen wissen, ist vor allem um eine Größenbeschränkung pro Sozietät gerungen worden.

Mittlerweile hat die Justizbehörde einen ordentlichen Weg vorgeschlagen und die Hamburgische Notarkammerversammlung hat ihn mit einer 80-Prozent-Mehrheit gutgeheißen.

 

 

Meine Damen und Herren,

 

wir werden das berücksichtigen, was uns die Handelskammer, was uns deutliche Voten aus der Wirtschaft, was uns die Hamburgische Notarkammer geraten haben und so ist der Konflikt sinnvoll gelöst worden.


Henning  Voscherau ist ein deutscher Notar und Politiker. So lautet, formal vorschriftsmäßig, der erste Satz in seinem Wikipedia-Eintrag. Von seinem Geburtstag und -ort, dem Elternhaus, der bevorzugten Sportart und dem Werdegang bis 1961 wird in Kürze sehr ausführlich zu reden sein. Spätere Abweichungen von der Juristenlaufbahn hat Helmut Schmidt bereits thematisiert. Im heutigen Zusammenhang muss zuerst das Studium an der Universität Hamburg erwähnt sein: Volkswirtschaftslehre, dann Rechtswissenschaften. Letzteres nach eigener Aussage zunächst per Nebenkurs Rechtwissenschaft für Anfänger oder Wirtschaftswissenschaftler oder so. Das Nebenfach drängte sich dann nach vorn und ich mache einen größeren Sprung 1974 erfolgte die Ernennung zum Notar auf Lebenszeit. Wie die Lebenszeit dann so spielte, hat er den Notarsberuf bis 1988 und dann wieder seit 1997 ausgeübt.

 

 

Meine Damen und Herren,


überall liest man jetzt: mit Dr. Henning Voscherau scheidet der mit Abstand bekannteste Hamburger Notar aus dem Amt. Wenn das so ist, dann liegt es  nicht nur daran, aber schon auch daran, dass seine Notarszeit durch die Jahre zwischen 1988 und 1997 unterbrochen war. Für Hamburg waren jene Jahre alles andere als eine Zwischenzeit. Für den Notar, glaube ich, auch nicht. Es war die sehr wesentliche Zeit mit Henning Voscherau als Erstem Bürgermeister. In der Zeit lernte seine Stadt Hamburg wie schon gesagt ihn als einen herausragenden Hanseaten kennen von der Art, wie sie einen an der Spitze ihrer Regierung brauchte.

 

Aber schon davor und jetzt von den Medien weiterhin stark beachtet danach hat sich Henning Voscherau als Sohn der Stadt mit großem Engagement in vielen Fragen des bürgerschaftlichen Zusammenlebens und des Wohles unserer Stadt zu Wort gemeldet und eingebracht.

 

Das galt im Großen und im Kleinen. Notar und Politiker nennt Henning Voscherau als Doppelberuf und -berufung. Als Notar kann man wie wir sehen zur Beendigung seiner Amtszeit gezwungen werden. Als Politiker nicht wirklich.


Dafür scheint mir Henning Voscherau ein hervorragendes Beispiel zu sein. Man kann gern herumfragen in der Stadt, früher oder später und meistens sehr schnell trifft man auf jemanden, der seinen Rat und seine Hilfe als Notar und Politiker gesucht hat. Für die notarielle Hilfe kam irgendwann eine Rechnung, für den menschlichen Rat keine.

 

Als Notar war Henning Voscherau nicht nur für die großen und gewinnträchtigen Mandate da, sondern immer wieder für die Dienstleistung in den vielen kleinen, unspektakulären, aber für die Betroffenen oft existenziell wichtigen Fällen, die die Bürgerinnen und Bürger zum Notar führen.

Notaren kommt es zu, komplexe gesellschaftsrechtliche, immobilienrechtliche, registerrechtliche Vorgänge zu betreuen. Als unabhängige und neutrale Träger eines öffentlichen Amtes haben Notare außerdem die Aufgabe, den Bürgern als unparteiische und kompetente Berater in schwierigen und folgenreichen Rechtsangelegenheiten zur Seite zu stehen. Dies erfordert zu allererst eine herausragende fachliche Qualifikation, aber mit der allein ist es nicht getan, sondern setzt auch eine besondere persönliche Eignung im Umgang mit Menschen voraus.

Das alles, lieber Henning, traf und trifft auf Dich nach Einschätzung aller, die Dich kennen, voll zu. Dein Ausscheiden ist also sicher ein Verlust für das Notariatswesen Hamburgs, aber Du wirst Deine besonderen Fähigkeiten mit ebensolcher  Sicherheit weiter einbringen.

Man wünscht sich Bürger wie Dich, man braucht sie auch, wenn sie keine Notare mehr sind.

Mit dem Ruhestand wird es, wie man hört, ja sowieso nichts. Ein neues Büro wird oder ist bereits bezogen.

In diesem Sinne beste Wünsche.

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.