Vor kurzem schrieb der russische Journalist Mikhail Afanasjew an seine Freunde: „Der Verstand will nicht wahrhaben, dass das alles tatsächlich geschieht. Dass Journalisten, Personen des öffentlichen Lebens und einfach nicht gleichgültige Bürger wegen ihrer Worte in Gefängnissen einsitzen.“
Afanasjew hatte in einer sibirischen Zeitung über Soldaten berichtete, die in Russlands Krieg gegen die Ukraine kämpfen müssen . In dem Text stand, dass einige sich weigerten, zu kämpfen. Er erzählte von Toten, Vermissten und Verwundeten.
Das russische Regime stufte den Artikel als Falschinformation ein. Afanasjew sitzt seit Monaten in Untersuchungshaft. Ihm drohen Jahre im Gefängnis.
Russland führt Krieg. Auch mit Worten, wie der Propaganda in den Staats-Medien. Und auch gegen Worte. Worte, die der Darstellung des Regimes widersprechen. Worte, die ein anderes Bild zeichnen, als das offiziell als Wahrheit ausgerufene. Worte, die eine andere Meinung ausdrücken.
Denn Worte haben Macht.
Und Russland ist leider kein Einzelfall: Weltweit werden Bürgerinnen und Bürger mundtot gemacht, werden Journalistinnen und Journalisten in ihrer Arbeit behindert, verfolgt, verhaftet, gar ermordet.
Im Umkehrschluss zeigt dies aber auch, was Worte bewirken können. Autoritäre Regime fürchten ihre Kraft. Sie fürchten Worte, die gegen ihre Propaganda stehen – deshalb bekämpfen sie sie mit allen Mitteln.
Meine Damen und Herren,
dass Worte frei bleiben,
dass Bürgerinnen und Bürger ihre Meinung äußern können,
dass unterschiedliche Meinungen gehört und verbreitet werden,
dass Machthaber sich den Fragen und dem kritischen Blick der Öffentlichkeit stellen müssen – all das gehört zu den vornehmsten Aufgaben der Presse.
Wie gefährlich es sein kann, sich frei zu äußern, den zunehmenden Versuch der Unterdrückung unabhängiger Berichterstattung, den erleben auch immer mehr Ihrer Kolleginnen und Kollegen, die weltweit für die Deutsche Welle im Einsatz sind. Sie werden durch die Polizei eingeschüchtert, bei Live-Schalten unterbrochen . Ihre Wohnungen, Ihre Büros werden durchsucht. Immer wieder werden vor allem lokale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch Interviewpartner der Deutschen Welle inhaftiert und mit fadenscheinigen Anschuldigungen angeklagt.
Ich weiß, in vielen Ländern braucht man großen Mut, um Journalistin oder Journalist zu sein. Für diesen Mut und Ihren Einsatz sage ich Ihnen heute: Von Herzen vielen Dank!
Der Bund steht zu seiner finanziellen Verantwortung für die Berichterstattung der Deutschen Welle. Auch in diesem Jahr ist unser Zuschuss noch einmal gestiegen. 408 Millionen Euro sind es aktuell. Dazu kommen noch die Gelder für besondere Projekte.
Diese Wertschätzung Ihrer Arbeit dürfen Sie auch ganz wörtlich nehmen.
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Wenn wir heute 70 Jahre Deutsche Welle feiern, dann feiern wir auch 70 Jahre, in denen sich Ihr Sender um die Demokratie verdient gemacht hat.
Damit niemand glaubt, er könnte Worte kontrollieren und damit auch die Realität kontrollieren, dafür brauchen wir unabhängige Medien.
Wir brauchen eine international vernetzte Presse.
Wir brauchen Journalistinnen und Journalisten, die miteinander weltweit für die Freiheit des Wortes arbeiten.
So wie die Deutsche Welle das seit 70 Jahren tut.
Herzlichen Glückwunsch dazu - und schönen Dank.