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25.05.2003

"Wer stehen bleibt, fällt zurück."

 

Interview mit der BILD am SONNTAG

 

BILD am SONNTAG: Herr Scholz, ist Gerhard Schröder nach dem Sonderparteitag nächsten Sonntag noch Kanzler?

 

Olaf Scholz: Gerhard Schröder ist in einer Woche noch Kanzler. Auf dem SPD-Parteitag wird die Politik des Bundeskanzlers eine breite Mehrheit finden.

 

 

…und Olaf Scholz bleibt auch nach dem ordentlichen Parteitag im Herbst SPD-Generalsekretär?

 

So ist es.

 

 

Keine Woche ohne Hiobsbotschaften aus der rot-grünen Koalition. Der SPD-Gründungsvater Ferdinand Lasalle hat vor 140 Jahren die Devise ausgegeben: Sagen, was ist." Was ist mit Arbeitslosigkeit, Haushaltslöchern und steigenden Beiträgen?

 

Sagen, was ist — das ist immer das Leitmotiv sozialdemokratischer Politik gewesen. Genau darum geht es bei der Agenda 2010. Wir sagen den Menschen, was los ist. Für unsere Reformansätze, die auf dem Tisch liegen, brauchen wir im Bundesrat CDU und CSU. Die müssen jetzt endlich zeigen, ob sie unserem Land helfen, oder ob sie blockieren und das Land lieber untergehen lassen wollen.

 

 

Die Union ist also schuld?

 

Ach was! Die Union muss sich jetzt nur ihrer Verantwortung stellen! Und wir werden sie da nicht rauslassen.

 

 

Hans Eichel spricht angesichts der riesigen Haushaltslöcher bereits von weiteren Einschnitten. Kommt die bittere Pille erst noch?

 

Das ist nicht die Botschaft von Hans Eichel! Die Botschaft heißt: Wenn wir nichts tun, dann wird alles wirklich bitter. Deshalb müssen wir die weitgehenden Reformen wagen, die wir jetzt auf den Weg gebracht haben. Aber: Keiner kann glauben, dass es mit diesen Reformen für alle Zeiten getan ist, dass wir nie wieder reformieren müssen. Wer stehen bleibt, fällt zurück. Natürlich wird es nach der Agenda 2010 noch weitere Reformen geben.

 

 

Die höhere Tabaksteuer ist kaum beschlossen, schon wird über die nächste Steuer spekuliert. Können Sieuns versprechen, dass die Mehrwertsteuer dieses und nächstes Jahr nicht erhöht wird?

 

Dieses Versprechen kann ich den Bürgern geben. Wir wollen und werden die Mehrwertsteuer nicht erhöhen. Die Taktik der Union ist doch klar: Die warten nur darauf, dass wir ihren Lockrufen nachgeben und uns für eine Anhebung stark machen — um uns dann in die Pfanne zu hauen. Aber dabei machen wir nicht mit! In der gegenwärtigen konjunkturellen Lage wäre eine Erhöhung der Mehrwertsteuer der falsche Weg.

 

 

Wie sollen denn dann die gewaltigen Haushaltslöcher gestopft werden?

 

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) und sein nordrhein-westfälischer Kollege Peer Steinbrück (SPD) prüfen zurzeit alle Subventionen. Sie werden vorschlagen, welche davon wir beseitigen können. Dieser Prozess wird uns voranbringen. Der einzige Weg zum Stopfen von Haushaltslöchern ist der Subventionsabbau.

 

 

Mal ehrlich, Herr Scholz, ist die Lage nicht längst so ernst, dass eine große Koalition fällig ist?

 

Wir brauchen keine große Koalition, sondern anständige Politiker. Anstand zeigt sich in der Bereitschaft, sich um die Interessen des Landes zu kümmern. CDU, CSU und FDP müssen jetzt im Bundesrat bei den Reformvorhaben einfach diesen Anstand beweisen. Schließlich haben sie doch die Agenda bisher im Kern begrüßt. Wenn wir ernst nehmen, was die Unions-Ministerpräsidenten sagen, dann können die Reformen gar nicht scheitern. Wenn es keine Reformen gibt, dann deshalb, weil Unionspolitiker ihre parteitaktischen Spielchen vor die Interessen des Landes stellen.

 

 

Wie oft darf der Kanzler in dieser Legislaturperiode noch mit Rücktritt drohen?

 

Der Kanzler hat noch nicht ein einziges Mal mit Rücktritt gedroht.

 

 

Eine eigenwillige Auslegung ...

 

…keineswegs! Niemand kann den Kanzler zwingen, einePolitik zu vertreten,die er nicht richtig findet. Das wird jeder einsehen. Das ist keine Drohung, sondern eine Tatsache.

 

 

Das Interview führten Rolf Kleine und Martin S. Lambeck.