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11.10.2009

"Wir müssen alles dafür tun, dass die SPD so aufgestellt ist, dass die vielen, die bereit sind, sie zu wählen, dies auch wieder tun."

Olaf Scholz im Interview mit der Welt am Sonntag.

 

WELT am SONNTAG: Herr Scholz, am 6. November sollen Sie zum Landesvorsitzenden der Hamburger SPD gewählt werden. Wie wollen Sie die am Boden liegende Partei wieder aufrichten?


Scholz: Es funktioniert nicht, weil einer sich das vorgenommen hat, und alle anderen bestellen Chips und gucken, ob er es wohl schafft. Es wird nur gehen, wenn es alle miteinander machen wollen. Deshalb war es eine Voraussetzung, dass mich alle unterstützen und wir das innerparteiliche Hick-Hack hinter uns lassen. Es kann nicht so sein, dass wir uns einmal schütteln und einfach weitermachen. Wir müssen das Wahlergebnis als Ausgangspunkt für einen Aufbruch nehmen.

 

Nur mit einer Ankündigung ist es ja nicht getan.

 


Scholz: Natürlich nicht. Wir müssen alles dafür tun, dass die SPD so aufgestellt ist, dass die vielen, die bereit sind, sie zu wählen, dies auch wieder tun.

 


Die vielen? Es waren nur 28 Prozent in Hamburg.

 


Scholz: Die SPD hat in Hamburg ein Wählerpotenzial zwischen 35 und 40 Prozent. Wenn wir bei der nächsten Bürgerschaftswahl Erfolg haben, ist bei späteren Wahlen auch mehr drin, aber sicherlich nicht im nächsten Anlauf.

 

In der SPD gibt Eitelkeiten, unbefriedigte Machtansprüche und divergierende Positionen. Wie wollen Sie verhindern, dass das weiter köchelt?

 


Scholz: Zwei Dinge müssen zusammenkommen: Große Offenheit, was die Diskussion in der Partei betrifft, und der Wille zur Geschlossenheit. Wenn alle das Gefühl haben, dass wir stets um die beste Lösung ringen, dann funktioniert das.

 


In der Schulpolitik ringt die Partei seit zwei Jahren um eine gemeinsame Position. Wie wollen Sie einen innerparteilichen Schulfrieden erreichen?

 


Scholz: Dass wir zusammen kommen können, zeigen die Entscheidungen, die wir auf dem Parteitag getroffen haben und das von vielen getragene Abstimmungsvotum der Fraktion.
Und im Übrigen: Der Senat hat es versäumt für Schulfrieden zu sorgen. In Bremen ist ein Konsens unter Einschluss der Opposition gelungen. In Hamburg ist dieser Versuch nicht gemacht worden, obwohl ein Konsens hier möglich war. Das ist ein schwerer Fehler.



Das sehen wir anders. Die SPD hat nur deshalb einer sofortigen zweiten Lesung des Schulgesetzes zugestimmt, weil sich selbst eine zweite Debatte ersparen wollte.

 

Scholz: Die SPD hat ihre Linie. Das mag Ihnen nicht gefallen, ist aber so. Und jetzt werden wir die Umsetzung der Gesetze durch den Senat beobachten. Wenn die nicht problemfrei gelingt, bekommt der Senat ein schweres Problem. Leider auch die Schüler.

 


Wollen Sie damit sagen, dass die Hamburger SPD eine eindeutige und nachvollziehbare Position zur Zukunft der Hamburger Schulen hat?

 


Scholz: Ja. Wir sind dafür, dass alle Kinder maximal gefördert werden. Egal wo sie wohnen. Jede Schule muss eine gute Schule sein. Wir sind gegen die Abschaffung des Eltern-Wahlrechts. Und wir wollen, dass jede Stadtteilschule eine Oberstufe hat. Das müssen starke Schulen werden.

 


Es gibt Stimmen aus der Partei, die fordern, den Diskussionsprozess nach der Primarschulentscheidung neu zu beleben. Was halten Sie davon?

 

Scholz: Unser Wahlprogramm schreiben wir 2011. Wir kritisieren die überhasteten Reformen des Senats. Deshalb werden wir Verbesserungen vorschlagen, aber sicher nicht erneut das Unterste nach oben kehren.

 


Zu einem anderen Thema. Wie beurteilen Sie die Arbeit der Partei Die Linke in der Bürgerschaft?

 


Scholz: Das ist erkennbar eine von uns verschiedene Partei. Aber auch eine, die ordentliche Sacharbeit macht. Man muss sich nicht erschrecken.

 


Heißt das, dass Die Linke aus Sicht der SPD bündnisfähig ist?

 


Scholz: Keiner kann sagen, was in ein paar Jahren sein wird. Ich bin für einen unverkrampften Umgang mit ihnen, wie mit den Grünen, der FDP und der CDU. In Zukunft sollten vor Wahlen weniger Aussagen zu möglichen oder unmöglichen Koalitionen im Vordergrund stehen, sondern politische Konzepte. Und die Bürger müssen sich darauf verlassen können, dass die auch nach der Wahl noch Bedeutung haben. Diejenigen, die in Hamburg CDU gewählt haben, bekommen doch eine ganz andere Bildungspolitik als die, die sie bestellt haben. Es ist gefährlich für die Demokratie, wenn das eigene Wahlverhalten mit der dann folgenden Politik nichts zu tun hat.

 


Gleichwohl wünscht sich der Wähler eine Machtperspektive. Wäre es dann nicht angebracht, zu sagen, dass rot-rot-grün eine mögliche Koalition wäre?

 


Scholz: Es muss immer um die Sache gehen. Die Zukunft unserer Stadt muss im Mittelpunkt der Politik stehen.

 


Nun geht es bei einer Wahl immer auch um Persönlichkeiten, die gegeneinander antreten. Ihr Parteifreund Gerhard Schröder sagte 2002, letztlich ginge es um die Frage: Ich oder der. Könnten Sie sich vorstellen, sich selbst dieser Frage auszusetzen?

 

 

Scholz: Bitte fragen Sie die SPD 2011 wieder. Wir haben eine große Liste von geeigneten Persönlichkeiten und wenn es soweit ist, dann diskutieren wir über die.

 


Wie wollen Sie den Hamburgern die Sympathie für ihren Bürgermeister austreiben?

 

 

Scholz: Fest steht: Wir werden nicht persönlich verletzend, nur weil wir es politisch richtiger finden, wenn jemand anders den Senat führte. Mit ausreichender Gelassenheit werden wir es schaffen, einen Bürgermeister-Kandidaten aufzustellen, den die Hamburger lieber im Rathaus sehen als Herrn von Beust.

 

 
Sie haben schon unmittelbar nach Ihrer Wahl angekündigt, sie würden auf Mathias Petersen zugehen. Hat es da schon ein Gespräch gegeben?

 


Scholz: Mathias Petersen ist übel mitgespielt worden. Damit verbunden ist auch eine persönliche Verletzung, die man sich schlimmer kaum ausmalen könnte, denn offensichtlich hätte er die Urwahl für sich entschieden und wäre als Kandidat der SPD bei der letzten Bürgerschaftswahl angetreten. Deshalb gebietet der Respekt vor ihm, dass wir versuchen, dies gemeinsam in Ordnung zu kriegen. Wir müssen uns alle sehr entschuldigen.

 


Das Bedauern über die Vergangenheit ist eine Sache. Die andere wäre es, Mathias Petersen aktiver als bisher einzubinden.

 


Scholz: Ziel muss es sein, dass sein Talent für die Hamburger SPD nicht verloren geht. Ich erinnere mich noch gut an seine Anfänge, als wir auf ihn aufmerksam geworden sind. Ich habe damals als Altonaer SPD-Vorsitzender den Landesvorsitzenden sehr dabei unterstützt, ihn außerordentlich auf die Landesliste für die Bürgerschaft zu nehmen.



Wie gehen Sie damit um, dass der frühere Landesvorsitzende Mathias Petersein in der Bürgerschaft entgegen der Vereinbarung in der Fraktion für die schwarz-grüne Reform gestimmt hat? Wird das Konsequenzen haben?

 

 

Scholz: Nein. Aber natürlich kann sich die Bürgerschaftsfraktion darüber nicht freuen.

 

 

Sehen Sie sich eigentlich mehr als Bundes- oder als Landespolitiker?

 

 

Scholz: Ich bin ein engagierter Bundestagsabgeordneter und bewerbe mich als stellvertretender Parteivorsitzender der SPD. Ich muss nicht verhehlen, dass ich gern Arbeitsminister geblieben wäre und da noch viele Pläne hatte. Wenn ich jetzt das Amt des Landesvorsitzenden übernehme, dann tue ich das nicht meinetwegen, sondern ich verrichte einen Dienst für meine Hamburger SPD und meine Heimatstadt Hamburg. Dies führt zu einer gewissen Klarheit bei der Wahrnehmung der Führungsaufgabe, denn ich will und muss um niemandes Gunst  buhlen.