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04.11.2009

"Die Hamburger SPD muss zueinander finden."

Olaf Scholz im Interview mit der taz. 


taz: Herr Scholz, warum mussten Sie sich so heftig drängen lassen, erneut Vorsitzender der Hamburger SPD zu werden?  

 

Olaf Scholz: Das war nicht mein Plan. Aber: Es gibt manchmal Situationen, in denen alle überzeugende Argumente haben und einem selbst das schlagkräftige Gegenargument nicht einfallen will. Und der Landesvorstand hat mich einstimmig nominiert. Das war für mich eine Voraussetzung, beim Parteitag am Freitag anzutreten.    

 

taz: Welches sind Ihre drängendsten Aufgaben?  

 

Die Hamburger SPD muss zueinander finden. Eine ganz wichtige unerledigte Angelegenheit ist immer noch der Stimmzettelklau. Im kommenden Jahr müssen wir uns um Inhalte kümmern und die politischen Positionen der SPD weiter entwickeln.    

 

taz: Was kann der dritte Versuch der Aufarbeitung des Stimmzettelklaus noch bringen?

 

Es geht nicht darum, sich noch einmal auf die Suche nach dem Dieb zu machen. Wir werden Ende Dezember einen Bericht von Harald Muras erhalten, dessen Auftrag Mathias Petersen und ich miteinander abgestimmt haben. Er soll klären, warum sich eine ganze Parteiführung so ineinander verhaken konnte, das letztendlich nichts mehr ging, und wie eine Wiederholung verhindert werden kann.    

 

taz: An welchen selbst gesteckten Zielen werden wir Sie als Parteichef messen dürfen?  

 

Ich will mich daran messen lassen, dass sich die SPD zukünftig gemeinsam für eine bessere Politik in Hamburg einsetzt und dass das jeder merkt.    

 

taz: Eben das konnte bislang niemand. Ist das der Grund für das schlechte Hamburger Ergebnis bei der Bundestagswahl? 

 

Auch. Wir haben der Öffentlichkeit ein paar mal zu oft vorgeführt, dass wir nicht zusammenhalten können. Ich glaube, dass alle in der Partei begriffen haben, was die Stunde geschlagen hat, und dass wir jetzt zu dem zurückkommen müssen, was die Menschen von uns erwarten: Dass wir um eine solidarische Gesellschaft und den besten Weg dorthin ringen.  

 

taz: Ihr Vorgänger Ingo Egloff galt innerparteilich als eher führungsschwach. Wird Olaf Scholz auf den Tisch hauen, wenn er es für nötig hält?  

 

Wer bei mir Führung bestellt, muss wissen, dass er sie dann auch bekommt. Das geht natürlich nicht im Alleingang. Doch ich bin mir sicher, genug Unterstützung in der Partei zu haben, um es hinzukriegen, dass wir uns um Politik kümmern und nicht um Politiker.    

 

taz: Wo wollen Sie denn das Profil der Hamburger SPD schärfen?  

 

Das Ziel der SPD muss ein solidarisches Hamburg sein. Ich finde es etwa bedrückend, dass das Büchergeld im Schulgesetz eine gesetzliche Grundlage gefunden hat. Zudem hat Wirtschaftspolitik in Hamburg eine viel zu geringe Priorität - ich halte das für einen großen Fehler. Wir werden an diesen Punkten zeigen, wie man es besser machen kann.    

 

taz: Die SPD steht mit ihrer Blockade des längeren gemeinsamen Lernens auch bundesweit isoliert da - wird es einen Kurswechsel geben?  

 

Die SPD hat hier eine Position, die zugegeben schwer erklärbar ist. Wir haben im Prinzip nichts gegen eine längere gemeinsame Schulzeit und auch nichts gegen eine sechsjährige Primarschule. Aber wir weisen darauf hin, dass die soziale Spaltung in der Stadt soweit gegangen ist, dass es am Ende der Grundschule Lerndifferenzen von einem Jahr gibt und dass die sechs Jahre nur dann funktionieren, wenn sie viel besser sind als die vier Jahre, die wir heute haben. Sonst bedeutet das eine Verstärkung der Segregationstendenzen. Gute Schulen in allen Quartieren sind der wichtigste Beitrag des Staates zu einer integrativen Gesellschaft und zu guter Stadtentwicklung.  

 

taz: Im Klartext: Die SPD wird die jetzige Schulreform nicht wieder umkehren wollen?  

 

Die Bürgerschaft hat die Entscheidung für diese Reform getroffen. Niemand von uns hat vor, die Primarschulen wieder abzuwickeln; wenn sie erstmal entstanden sind. Schüler und Eltern sind schon jetztA vom Hin und Her in der Schulpolitik völlig genervt. Aber wir werden die Umsetzung der Reform kritisch begleiten und die Punkte benennen, über die wir weiter diskutieren müssen. Damit meine ich etwa die törichte Abschaffung des Elternwahlrechts, die Qualität der Hortversorgung und die Frage, ob wirklich an allen Stadtteilschulen dass Abitur erreicht werden kann. Wir müssen aufpassen, dass es den Schulen nach dieser Reform nicht schlechter geht als vorher.    

 

taz: Wann benennt die SPD den Herausforderer von Ole von Beust für die Wahl 2012?

 

Nach der Wahl des Landesvorsitzenden werden wir eine politische Planung für die kommenden beiden Jahre machen. Wir müssen zunächst dafür sorgen, dass alle erkennen, dass die SPD die Partei ist, die sich Sorgen um die Zukunft der Stadt macht und über Alternativen verfügt. Dann klären wir die anderen Fragen, die vor einer Bürgerschaftswahl zu beantworten sind. Das wird vor 2011 nicht der Fall sein.  

 

taz: Welche Qualitäten muss ein SPD-Spitzenkandidat haben?

 

Jeder muss sich vorstellen können, dass er oder sie die Stadt führen und eine bessere und verantwortliche Politik machen wird und dass Probleme nicht weggelächelt werden.    

 

taz: Haben Sie sich jetzt gerade selbst beschrieben?  

 

Ich sehe viele in der SPD, die diese Voraussetzungen erfüllen.    

 

 

Interview Marco Carini und Sven-Michael Veit