Interview mit der Welt
DIE WELT: Herr Scholz, wie bewerten Sie die anhaltende Weigerung der FDP, eine Koalitionsaussage zu machen?
Olaf Scholz: Dass sich die FDP weder auf die CDU noch-auf die SPD festlegen will, ist nicht ungewöhnlich und in Ordnung. Schlimmer ist, dass sie sich zur Frage Schill nicht festlegt. Das ist unverantwortlich. Dafür wird sie weniger Stimmen bekommen als sie könnte.
Das kann doch der SPD gerade recht sein...
Darum geht es weniger. Vielmehr ist es so: Wer verhindern will, dass Ronald Schill eine wichtige Funktion in der Regierung bekommt, der darf nicht FDP wählen.
Weil der Wähler nicht weiß, worauf er sich dann einlässt?
Ich bin davon überzeugt, dass die FDP innerlich sehr auf Schill fixiert ist, ihre möglichen Wähler dies aber ganz und gar nicht sind und ein Bündnis mit Schill Umfragen zufolge ganz falsch finden.
Aber genau davon könnte die SPD doch profitieren. Warum drängen Sie die FDP dennoch zu einem Bekenntnis für oder wider Schill?
Es geht nicht um ein Puzzlespiel, sondern um Politik. Die Wähler haben eine wichtige Entscheidung zu treffen. Dafür müssen sie wissen, wer was mit Schill tun will. Wer sich davor drückt, gehört gestraft.
Nun wollen viele Bürger weniger Schill als über ihn ihrem Protest Ausdruck verleihen. Was antworten Sie denen?
Bei der letzten Bürgerschaftswahl haben 19 Prozent für eine Partei gestimmt, die nicht in der Bürgerschaft vertreten war. Die Situation gegenüber 1997 hat sich jetzt nur insofern verändert, dass die bisher nicht vertretenen Stimmen eine Chance haben, in das Parlament zu kommen.
Und das heißt für die SPD?
Wer will, dass die SPD-Regierung weitermachen kann, muss dafür sorgen, dass wir nicht nur das Ergebnis von 1997 erzielen, sondern kräftig zulegen.
Das ist doch aber keine Antwort auf ein derart gebündeltes Protestpotenzial. Offenbar wiederholt sich doch die Entwicklung, die 1993 zum Einzug der Statt-Partei in die Regierung geführt hat.
Das ist mir zu undifferenziert. Was sich wieder zeigt, ist die geringe Bindungskraft der Hamburger CDU. Letztes Mal hat es die CDU knapp geschafft, ihren Untergang von 1993 auszugleichen. Und selbst jetzt - in einer Situation, in der es teilweise heftig zugegangen ist - kommt die CDU nicht von 30 Prozent weg. Vielmehr gibt sie noch Stimmen an Schill ab, viel mehr als alle anderen. Die 35 Prozent der SPD belegen, dass ein substanzielles Reservoir von SPD-Stimmen für Herrn Schill nicht besteht.
Sie glauben also nicht, dass die SPD noch Wähler an Schill verliert, auch durch seine Verteufelung?
Nein. Wir sind mit unserer Kritik an Schill sehr zivil geblieben. Wir haben nie gesagt, dass es ihn nicht geben kann oder soll. Unser Ziel ist, eine Regierung mit Schill zu verhindern. Dafür ist nämlich nur eine Minderheit.
Worauf führen Sie zurück, dass die SPD bei Bundestagswahlen in Hamburg regelmäßig erheblich besser abschneidet als bei Parlamentswahlen?
Wenn es dafür eine einfache Antwort gäbe, würde ich einen entsprechenden Schalter umlegen. Ich glaube, dass es der SPD hilft, was ich an Innenpolitik mache. So, wie sich die SPD jetzt darstellt, ist sie eine SPD, die sich die Menschen in der Stadt manchmal mehr gewünscht haben. Dass das keine Ankündigung ist, sondern mit einer konkreten Person verbunden ist, die sich weiter durchsetzen wird, ist in Wahrheit das, was für uns die große Chance in dieser Wahlauseinandersetzung darstellt.
Wie erklären Sie sich dennoch die Wechselwählerstimmung? Liegt das am Spitzenkandidaten?
Nein. So, wie der Bundeskanzler seine Arbeit sehr gut macht, macht das auch der Bürgermeister.
Trotzdem springt der Funke nicht auf den Bürger über...
Darum starten wir heute eine Schlusskampagne, die die Kompetenzen eines modernen Großstadt-Bürgermeisters hervorhebt. Die wird sehr ungewöhnlich ausfallen.
Amerikanisch?
Ja, auch, aber sehr ungewöhnlich. Wir verzichten auf die typischen Politikerportraits. Wir wollen das zum Ausdruck bringen, was zu einem Ministerpräsidenten gehört, der die wirtschaftlich erfolgreichste Metropole Europas repräsentiert.
Wie spannend. Setzen Sie ihm eine Euromütze auf, oder fliegt er den A 380?
Da sind wir schon auf bessere Ideen gekommen.
Für sich und Ihre Erfolge als Innensenator werben Sie öffentlichkeitswirksam mit Polizeiwesten und Feuerwehrhelmen oder lassen sich von einem Hund in den Oberarm beißen. Was kommt als nächstes? Entschärfen Sie eine Bombe?
Das würde ich dann doch nicht tun.
Wie steht es mit einem Selbstversuch mit Brechmitteln?
Das hätte ich nur in Erwägung gezogen, falls eine heftige Debatte über die angebliche Menschenwürdigkeit dieser Einsätze aufgetreten wäre.
Sie wünschen, dass Hamburg das Jugendstrafrecht für Heranwachsende nur noch so oft anwendet wie andere Länder. Wie ist das mit richterlicher Unabhängigkeit vereinbar?
Ich will einfach niemanden aus der politischen Legitimationsverantwortung entlassen. Die Gerichte müssen sich sicher sein können, dass Innenminister und noch mehr Justizminister nicht in ihre Entscheidungen hereinreden, das ist auch in Ordnung. Ein Missverständnis wäre, dass Richter die Legitimation von Entscheidungen auch an andere delegieren können. Vielmehr müssen Entscheidungen, die viele nicht einsehen, begründet werden. Und in die Debatte, was einsehbar ist und was nicht, können sich auch Innenminister einbringen. Richter müssen auch bereit sein, darüber zu diskutieren, was in der Rechtsprechung richtig ist.
Zurück zum Parteichef. Wollen auch Sie nur eine Fortsetzung von rot-grün?
Die Rot-Grüne Regierung hat gute Arbeit geleistet und verdient eine Mehrheit, die wir erkämpfen wollen.
Sowohl Ortwin Runde als auch Krista Sager haben ihre Zukunft an eine Fortsetzung von Rot-Grün gebunden. Sie nicht.
Das ist trotzdem keine Differenz. Ich bin 42. Mein Schicksal wird noch sehr wechselhaft sein.
Das heißt für den 23. September?
Ich werde Tag und Nacht dafür arbeiten, dass die SPD deutlich Stimmen hinzugewinnt und eine Fortsetzung der Regierungskoalition danach möglich ist.
Ein hehres Ziel. Wenn Sie das nicht erreichen und beispielsweise unter 35 Prozent bleiben, ziehen Sie dann Konsequenzen?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich mein Amt als Parteivorsitzender vom Wahlausgang abhängig mache. Als Parteivorsitzender werde ich wieder kandidieren.
Aber Sie können sich auch vorstellen, in drei oder vier Jahren Parteichef und Bürgermeister zu sein?
Diese Frage hat so viele Anzüglichkeiten, dass ich sie nicht beantworten muss. Ich bin Innensenator und kämpfe dafür, dies zu bleiben.
Wundert Sie eigentlich, dass Sie gleichwohl als künftiger Bürgermeister gehandelt werden?
Ich finde es Klasse, was Menschen mir zutrauen. Dann kann ich jedenfalls das Amt des Innensenators für die nächsten vier Jahre gut auszufüllen und weiter so gut mit dem Bürgermeister zusammenarbeiten.
Das Interview führten Ira von Mellenthin und Oliver Schirg.