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30.10.2012

Zukunftsdialog Wettbewerbsstärke Personal

Zukunftsdialog Wettbewerbsstärke Personal

 

Die moderne Arbeitsgesellschaft solidarisch und flexibel

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

was passt besser zu einem Zukunftsdialog als eine Zeitreise vielleicht mit einem schnellen Auto aus Sindelfingen? Es darf aber auch aus München sein.

 

Allerdings führt  uns die Reise nicht sofort  in die Zukunft, sondern wir legen zuerst gleichsam den Rückwärtsgang ein. Auf den Stopp in der Vergangenheit folgt ein ebensolcher in der Zukunft, danach biegen wir in die Zielgerade ein und kommen wieder im Hier und Heute an.

 

Unsere erste Station ist ein Sonntag ein ganz und gar nicht ruhiger Tag, Sonntag der 14. September 2008. 

 

Es ist der Tag vor dem Schwarzen Montag, dem ersten dieses Jahrhunderts. 

 

Am Montag wird die ganze Welt wissen, dass die amerikanische Investmentbank Lehman Brothers zusammengebrochen ist. Ein Telefonat jagt das nächste der Regierungsmitglieder und der europäischen Finanzminister untereinander, der Europäer mit der US-amerikanischen Regierung. 

 

Die Finanzkrise ist auf ihrem Höhepunkt angekommen. Am Montag rauschen die Aktienkurse in den Keller. Die Welt, so wie wir sie kennen, wird nicht mehr dieselbe sein, heißt es in den Zeitungen. Der damalige deutsche Finanzminister nennt die Lehman-Pleite, Zitat, eine Art Wasserscheide, die alles verändert hat.

 

Am Dienstag, 16. September, beginnen im Deutschen Bundestag die Haushaltsberatungen. Größter Einzelposten ist der Etat des Arbeitsministers, für den ich verantwortlich war.

 

Der 16. September ist auch der Tag, an dem der US-Versicherungsriese AIG in akute Kapitalnot gerät und mit 85 Milliarden Dollar von der US-Notenbank gerettet werden muss. 

Die Beratungen für den Haushalt des Jahres 2009 stehen angesichts der Ereignisse auf den Finanzmärkten unter völlig neuen Vorzeichen. 

 

Ursprünglich sollte die Neuverschuldung 2010 auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung fallen. Damit ist es nun vorbei. Denn wenn eine weltweite Rezession droht, wird auch das exportstarke Deutschland nicht unbehelligt bleiben. 

 

Dabei ist die Lage in Deutschland vergleichsweise gut: Die Arbeitslosigkeit liegt Anfang Oktober 2008 zum erstem Mal seit 16 Jahren wieder unter der Drei-Millionen-Marke. Sogar die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist 2008 zurückgegangen. Wir haben, anders als die USA, keine Immobilienblase und unsere Renten sind nicht primär in Aktien angelegt, so dass die Kaufkraft der Rentner unter Kurseinbrüchen an der Börse nicht leidet. 

 

Die Lage ist 2008 noch aus anderen Gründen gut. Dank der Reformen in den Jahren zuvor sinkt die Arbeitslosigkeit schon bei weniger als zwei Prozent Wachstum. Deutschland ist vom kranken Mann Europas wieder zur Wachstumslokomotive geworden: Im Jahr 2006 ist das BIP preisbereinigt um 3 Prozent gestiegen, 2007 um 2,5 Prozent und 2008 ist auch wieder gut gestartet. Aber für 2009 sieht alles nach Null-Wachstum aus. Die bange Frage ist: Wird unser Arbeitsmarkt auch in derart rauer See bestehen? 

 

Meine Damen und Herren,

die Herausforderung, vor der wir damals als Bundesregierung standen, war: Wie können wir die Folgen der Krise für die deutsche Wirtschaft, den deutschen Arbeitsmarkt und seine Arbeitnehmer eindämmen? Wie können wir dem Teufelskreis von Entlassungen, steigender Arbeitslosigkeit, Unsicherheit der Verbraucher und sinkendem Konsum durchbrechen? Unser Ziel war, dass die Arbeitgeber in der Krise so wenig Mitarbeiter wie möglich entlassen müssen. Die Antwort hieß: intelligente Flexibilisierung.

 

Wir wollten einen Arbeitsmarkt schaffen, der entsprechend der konjunkturellen Entwicklung atmen kann, ohne dass dabei jedes Mal gleich Hunderttausende von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ausgespuckt und entlassen werden. Einen Arbeitsmarkt, der Sicherheit bietet und trotzdem hochmobil ist, weil er durch einen sozialstaatlichen Rahmen gesichert ist. 

 

Dahinter steht die Idee, dass Flexibilität und Sicherheit keine Gegensätze sind. Wir leben nicht in einem Land, in dem Menschen für einen neuen Job Haus und Hof verkaufen, um ein paar hundert oder tausend Kilometer weit nach Westen zu ziehen. Die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit in Deutschland liegt derzeit bei rund elf Jahren, bei Daimler in Deutschland beträgt sie sogar 19 Jahre, wie ich kürzlich gelesen habe. Dass das auch für das Unternehmen ein Vorteil ist, wissen Sie selbst. 

 

Denn auch Unternehmen brauchen Sicherheit. Das Hire and Fire, das Einstellen und Entlassen, passt schlecht zu einem hoch technisierten und spezialisierten Arbeitsmarkt. Wer im nächsten Aufschwung erst nach neuen Beschäftigten suchen muss, sie einarbeiten und qualifizieren muss, verliert zu viel kostbare Zeit. Schließlich besteht ein immer größer werdender Teil des Kapitals der Unternehmen im Wissen und Können ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

 

Und noch etwas kommt hinzu: Unternehmen brauchen die Sicherheit, dass sie in Zeiten demografischen Wandels auch morgen noch genügend qualifizierte und motivierte Mitarbeiter auch Human Resources genannt zur Verfügung zu haben. 

 

Das waren im September 2008 unsere Gedanken und sie kamen gerade zur rechten Zeit. Denn die Finanzkrise forderte neue Opfer:

 

 

26. September 2008: Die größte Sparkasse der USA, die Washington Mutual, steht vor der Insolvenz. Europas größte Bank, die HSBC, streicht angesichts der Finanzkrise 1.100 Stellen.

 

Der 26. September ist auch der Tag, an dem der Gesetzentwurf zu Langzeitkonten im Bundestag eingebracht wird.

 

Unsere Idee war, den Arbeitnehmern mehr Souveränität zu geben, um während des Arbeitslebens über ihre Zeit zu verfügen. Wir wollten ihnen ein Konto geben, auf dem sie Zeit ansparen können, wenn im Betrieb der Laden brummt oder wenn sie mit einer Aufgabe konfrontiert sind, in der sie richtig aufgehen.

 

Ein Konto auch, von dessen Guthaben man abbuchen kann, um mehr Zeit zu haben für das eigene Leben, für private Belange, die Kinder, eine Umschulung oder Weiterbildung.

 

Oder um beim Übergang in die Rente weitere Gestaltungsmöglichkeiten zu haben, was angesichts der Verlängerung der Lebensarbeitszeit an Bedeutung gewinnt. Ein Konto, das dafür sorgt, dass in diesen Wochen oder Monaten für den Lebensunterhalt gesorgt ist. 

 

Ein Konto zudem, das man ob aus persönlichen oder betrieblichen Gründen überziehen kann, so dass man quasi einen Zeit-Kredit aufnimmt, um ihn dann im Nachhinein zurück zu zahlen. Unsere Idee war, ein Instrument zu schaffen, das geeignet ist, so mancher Unsicherheit heutiger Arbeitsmarktrisiken die Spitze zu nehmen. 

 

Mancher von Ihnen mag sich erinnern: Es gab doch schon viele gesetzliche Ansprüche zum Beispiel Kindererziehungszeiten oder den Rechtsanspruch auf Teilzeit. Auch die Möglichkeit, geleistete Arbeitszeit in einem Wertguthaben anzusammeln, gab es seit 1998. 

 

Sie haben Recht. Allerdings waren diese Wertguthaben nicht ausreichend gegen Insolvenz gesichert und sie mussten bei einem Wechsel des Arbeitgebers aufgelöst werden. Wir änderten das. Wir machten diese Langzeitkonten portabel, sicherer und damit attraktiver. 

 

Ich bin davon überzeugt, dass wir hier von einem der modernsten Gesetze unserer Zeit sprechen, von dem ich hoffe, dass  in zehn Jahren für jeden einzelnen selbstverständlich wird. 

 

Meine Damen und Herren,

Wachstum füllt die Kassen, nicht nur der Verbraucher, die mit dem zusätzlich verdienten Geld einkaufen gehen und für Nachfrage sorgen können. Das Wachstum in den Jahren vor der Finanzkrise hatte auch die Kassen der Bundesagentur für Arbeit gefüllt. Mit diesen Rücklagen würde sie Anfang 2009 über 16 Milliarden Euro verfügen, so die Prognosen. Das war ein großer Vorteil. Denn die Krise spitzte sich zu. Sie wurde von einer Finanzkrise zur Wirtschaftskrise:

 

11. November 2008: Die Weltbank erwartet für 2009 wegen der Finanzmarktkrise nur noch ein globales Wachstum von einem Prozent. 

 

Am 12. November beschließt das Bundeskabinett, die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld zu verlängern. Die neue Verordnung soll ein Jahr gelten.

 

Jahrzehntelang galt auf Deutschlands Arbeitsmarkt eine eherne Regel: Wenn eine neue Krise kommt, wird alles noch schlimmer als im vorhergegangenen Abschwung. Diese Regel wollten wir brechen. Deshalb wurde das Kurzarbeitergeld nicht mehr wie bisher sechs Monate gezahlt, sondern konnte bis zu 18 Monate gewährt werden. Das war ein starkes Signal an die Unternehmen.

 

Es lautete: Wir helfen euch dabei, wenn ihr eure Beschäftigten festhaltet. Entlasst sie nicht, wenn es jetzt Schwierigkeiten gibt, sondern behaltet sie bei euch! Ihr werdet sie schneller wieder brauchen, als ihr denkt!

 

Ich nenne das intelligente Flexibilisierung. Denn sie sorgt dafür, dass der Arbeitsmarkt atmen kann, dass die Unternehmen atmen können, ohne dass die Arbeitnehmer arbeitslos werden. 

 

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat übrigens noch im Dezember 2008 einen Kreis von Personalvorständen und Betriebsräten der DAX-30-Unternehmen eingerichtet, der regelmäßig über mögliche Maßnahmen zur Überwindung der Krise diskutiert hat. Mit Erfolg, wie sich gezeigt hat. Auch wenn es zunächst ganz und gar nicht danach aussah.

 

Januar 2009: Die Prognose für das globale Wirtschaftswachstum für das Jahr 2009 sinkt auf 0,9 Prozent. 2008 waren es noch 2,5 Prozent gewesen. 

 

Die Bundesregierung beschließt, mit 50 Milliarden Euro die Wirtschaft anzukurbeln und sie verbindet Kurzarbeit mit Weiterbildung.

 

Wenn wir nichts tun, werden zukünftig viele Fachkräfte fehlen. Das gilt heute, das galt auch schon in der Krise 2009. Denn während langfristig die Zahl der freien Stellen für Fachkräfte weiter steigen wird, verringert sich die Zahl der Stellen für geringer Qualifizierte. 

 

Um die Entstehung qualifikationsbedingter Entlassungen zu verhindern, haben wir 2009 vor allem zwei Dinge getan.

 

Wir haben im Rahmen des Konjunkturpakets II auch einen Pakt vereinbart für Beschäftigung und Stabilität in Deutschland zur Sicherung der Arbeitsplätze, Stärkung der Wachstumskräfte und Modernisierung des Landes. Zu dem Pakt gehörte, dass wir Arbeitgebern die Sozialversicherungsbeiträge vollständig erstatteten, wenn sie ihre Arbeitnehmer während der Kurzarbeit weiterqualifizierten. Damit wollten wir Betriebe anspornen, ihre Beschäftigten weiterzubilden, statt sie zu entlassen, um ihnen so am Ende der Krise bessere Einsatzmöglichkeiten ihrer Mitarbeiter zu ermöglichen.

 

In Krisenzeiten sind insbesondere ungelernte, gering qualifizierte und ältere Arbeitnehmer gefährdet, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Wir haben deshalb außerdem den Ausbau des Sonderprogramms WeGebAU beschlossen. Das war nicht, wie man vom Namen her meinen könnte, ein Infrastrukturprogramm für das platte Land, sondern stand für Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter Älterer in Unternehmen. 

 

Hierbei erhielten Arbeitgeber Lohnkostenzuschüsse, wenn sie Ungelernte und Geringqualifizierte für eine Weiterbildung freistellten. Den Arbeitnehmern wurden die Lehrgangs- und Fahrtkosten erstattet. Wir wollten, dass beide Seiten profitieren: Die Arbeitnehmer sollten nicht entlassen werden und die Unternehmen in der Zukunft besser qualifiziertes Personal haben, das sich merken wird, wie sich der Arbeitgeber in der Krise verhalten hat.

 

Außerdem hat der Bundestag im Juni 2009 die Sonderregelung für das Kurzarbeitergeld noch einmal ausgedehnt, so dass sie erst Ende März 2012 auslief 15 Monate später als ursprünglich geplant. 

 

Angesichts der Krise in der Automobilindustrie und der sich abzeichnenden Eintrübung der Konjunktur wäre die Bundesregierung gut beraten ich springe jetzt kurzfristig in die Gegenwart, aber Zeitreisende können das ja sie wäre gut beraten, das Kurzarbeitergeld wieder wie damals zu gestalten. Auch wenn die Bundesregierung fahrlässig die Arbeitslosenversicherung durch eine falsche Weichenstellung finanziell knapp gehalten hat, indem sie den Beitragssatz abgesenkt und die Ausgleichszahlung an die Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 5 Milliarden hat wegfallen lassen.

 

Aber zurück ins Jahr 2009. Was hat das alles gebracht? Waren diese Maßnahmen erfolgreich? Sie merken, wir lassen den Orkan hinter uns, schalten hoch und nähern uns der Gegenwart.

 

Januar 2010: Das deutsche Jobwunder aus amerikanischer Sicht.

 

Dass der europäische Sozialstaat von US-Amerikanern gelobt wird, geschieht nicht so häufig. Umso bemerkenswerter war eine Sendung der Tagesschau, in der es sinngemäß hieß: Während sich in den USA durch die Finanzkrise und die Rezession die Arbeitslosenzahl verdoppelt habe, sei in Deutschland ein massiver Anstieg der Arbeitslosigkeit ausgeblieben. Als einen maßgeblichen Grund sehe man in den USA die Kurzarbeit, so der Bericht. Zitiert wird Dean Baker, Co-Direktor des Zentrums für ökonomische und politische Forschung in Washington, der die Kurzarbeit eine eine fantastische Geschichte nannte.

 

Zitiert wird auch ein ehemaliger Regierungsmitarbeiter des US-Arbeitsministeriums. Der lobte, Zitat: Als die USA zur Hochzeit der Rezession 600.000 bis 700.000 Jobs im Monat verloren haben, ist in Deutschland die Kurzarbeit durchgestartet.

 

Im Februar 2010 berichtete das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung, dass die Kurzarbeit 2009 rund 1,2 Millionen Jobs gerettet habe. Die Arbeitslosenquote, von der einige Experten befürchtet hatten, sie würde bis Ende 2009 auf 5 Millionen steigen, lag bei 3,6 Millionen. Die Kurzarbeit war damit auch ein Bekenntnis zum Wettbewerbsfaktor Personal. 

 

Gegen Ende des Jahres war unübersehbar: Es ist geschafft. Immer mehr Menschen in Deutschland haben Arbeit. Die Wirtschaft ist mit 3,7 Prozent überdurchschnittlich gewachsen eine gewaltige Leistung nach dem Minus von 5,7 Prozent im Jahr 2009. Der bisherige Höchstwert von 40,3 Millionen Beschäftigten vom Oktober 2008 war fast wieder erreicht. 

 

Das konnte auch deshalb so schnell gehen, weil ich sage es gern nochmal die Unternehmen in der Krise ihre Beschäftigten vor allem dank der Kurzarbeit halten konnten. Eine Befragung des IAB hat zudem ergeben, dass während der Krise auf den Arbeitszeitkonten der Arbeitnehmer Zeitguthaben abgebaut und Zeitschulden aufgebaut wurden, um Beschäftigung zu sichern. Auch das war also ein Beitrag zu intelligenten Flexibilisierung.

 

Es gibt sogar Untersuchungen darüber, dass Unternehmen, die in der Wirtschafts- und Finanzkrise in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investiert haben, einen höheren Umsatz und eine höhere Beschäftigung zu verzeichnen hatten als andere Unternehmen.

 

Ich will hinzufügen: Deutschland ist auch besser durch die Krise gekommen, weil alle Verantwortlichen Sozialpartner, Wirtschaft und Politik gemeinsam gehandelt haben. 

 

Damit bin ich mit meiner Zeitreise in der Gegenwart angekommen.

Wieder wird in den USA ein Präsident gewählt. Aus der Finanzkrise und der Wirtschaftskrise ist eine Schuldenkrise geworden. 

 

Die Aufgaben werden also nicht weniger, auch wenn die Arbeitslosigkeit auf 2,8 Millionen gesunken ist und die Zahl der Erwerbstätigen auf fast 42 Millionen gestiegen ist. Das ist Rekord. Niemals zuvor war die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland höher. Auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist mit 29 Millionen so hoch wie zuletzt 1992, dem Boomjahr nach der Wiedervereinigung. 

 

Auch wenn nicht sicher ist, wie sich die Wirtschaft im kommenden Jahr entwickelt, fest steht: Die Zukunft gehört der qualifizierten Arbeit und den qualifizierten Arbeitskräften. Mehr und mehr zeichnet sich in einzelnen Branchen ein Fachkräftemangel ab und der demografische Wandel führt dazu, dass bis zum Jahr 2025 nach heutigen Schätzungen rund 6,6 Millionen Erwerbsfähige Beschäftigte fehlen werden. Diese Herausforderungen können wir nur mit einem Mix an Maßnahmen auffangen. 

 

Lassen Sie uns deshalb noch den kurzen Boxenstopp in der Zukunft machen. Dazu einige Punkte, wie das Deutschland der Zukunft aussehen könnte.

 

Wir leben in einem Land mit einem liberalen Zuwanderungsrecht, noch mehr als heute. Zuwanderung stellt den einzigen beeinflussbaren Positivfaktor für die künftige demografische Entwicklung dar, da die Geburtenquote auch durch größte familienpolitische Anstrengungen nicht signifikant positiv beeinflussbar zu sein scheint. Ich gebe allerdings zu, dass für ein liberaleres Zuwanderungsrecht derzeit die politischen Mehrheiten fehlen.

Wir leben in einem Land, in dem noch mehr Frauen, Ältere, Migranten, Personen mit Behinderungen und Jugendliche Arbeit haben. Wir sind da besser geworden, haben aber noch im Vergleich zum oberen Drittel der EU-Länder einen Rückstand aufzuholen.

 

Wir leben in einem Land, in dem die Arbeitsfähigkeit der Arbeitnehmer vom Beginn der Beschäftigung bis zum Übergang ins Rentenalter unterstützt und ausgebaut wird sowohl in wirtschaftlich guten wie auch schlechten Phasen. Das hat uns die Wirtschafts- und Finanzkrise gelehrt. Die Stärkung von Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit ist im Übrigen auch eine wichtige Brücke, um möglichst gesund in das Rentenalter mit 67 zu kommen.

 

Wir leben in einem Land, das auf Wertschöpfung durch Wertschätzung setzt: Es war eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung, die vor 10 Jahren die Initiative Neue Qualität der Arbeit auf den Weg gebracht hat, die  genau dieses Motto hat.

 

Das entspricht so ziemlich dem, was Professor Juhani Ilmarinen vom Finnischen Institut für Arbeitsmedizin das Haus der Arbeitsfähigkeit nennt. Es basiert auf vier Grundlagen: 

  • Personalmangement: Führung, Arbeitsorganisation, Arbeitszeit das sind wesentliche Felder eines modernen Personalmanagements. Langzeitarbeitskonten, die in der letzten Legislaturperiode eingeführt wurden, sind dabei wichtige Instrumente.
  • Chancengleichheit und Diversity: Die Förderung von Frauen und die Integration von Behinderten, Migranten und schwer vermittelbaren Beschäftigten sind wichtig, um die drohende Fachkräftelücke zu schließen. Dabei ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist wichtige Voraussetzung für eine Anhebung der Erwerbstätigenquote der Frauen.
  • Gesundheit: Die Beschäftigten sollen gesund ins Rentenalter gelangen. Deshalb müssen die Unternehmen mit der entsprechenden Ausgestaltung des Arbeitsplatzes, aber auch der Anwendung von flexiblen Arbeitszeitmodellen die Basis für eine gute, gesunde Arbeit leisten. 
  • Weiterbildung und Qualifizierung: Es wird darum gehen, lebenslanges Lernen zu verankern. Deutschland liegt bei den Investitionen in Weiterbildung im hinteren Drittel der OECD-Staaten. 

 

Meine Damen und Herren,

Hamburg hat sich auf diesen Weg in die Zukunft schon begeben. Und damit bin ich, wie es sich für einen erfolgreichen Zeitreisenden gehört, in der Gegenwart angekommen. 

 

Wir wissen nicht, welche Produkte und Dienstleistungen wir in Zukunft in Deutschland herstellen und anbieten werden. Aber was wir schon heute sicher wissen ist, dass dafür gut ausgebildete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nötig sein werden. Dafür müssen wir das Richtige tun.

 

Um dem drohenden Fachkräftemangel zu begegnen, erarbeiten wir in Hamburg derzeit gemeinsam mit der Agentur für Arbeit, den Sozialpartnern und den Wirtschaftskammern eine umfassende Fachkräftestrategie. Und wir tun noch mehr.

 

  • Damit kein Kind zurückgelassen wird, fördert Hamburg konsequent die frühkindliche und kindliche Bildung. Mit dem Ausbau der Kindertagesbetreuung und der Ganztagesbetreuung an Schulen belegt Hamburg bundesweit einen Spitzenplatz.
  • Wir haben flächendeckend ab Klasse 8 in allen Hamburger Stadtteilschulen die Berufsorientierung eingeführt. Das geschieht in Zusammenarbeit mit Lehrkräften der berufsbildenden Schulen, Beraterinnen und Beratern der Arbeitsagentur und Hamburger Betrieben.
  • Und wir verbessern den Übergang von der Schule in den Beruf. 

 

Dazu richtet Hamburg als erstes Bundesland das ist für mich eine Herzensangelegenheit flächendeckend eine Jugendberufsagentur ein, um junge Leute unter 25 Jahren nachhaltig in Ausbildung oder Beschäftigung zu vermitteln. Ziel ist, allen Hamburger Jugendlichen mit dem Verlassen der Schule eine verlässliche Perspektive für eine Ausbildung, den Einstieg ins Berufsleben oder ein Studium anzubieten. 

 

Denn zu viele Jugendliche in unserer Stadt schaffen nicht aus eigener Kraft den Sprung in eine Ausbildung und in eine Existenz sichernde Beschäftigung. Einige werden mangels Qualifizierung dauerhaft von staatlicher Unterstützung abhängig. Andere haben resigniert, weil sie nicht wissen, welche Schritte sie in die richtige Richtung unternehmen können. 

 

Mit den Jugendberufsagenturen begleiten wir die jungen Leute und, wenn die nötige Eigeninitiative zunächst fehlt, schieben wir sie an. Jede und jeder Einzelne wird individuell betreut und erhält eine Förderung aus einer Hand. Hier arbeiten Arbeitsagentur, das Jobcenter, die Berater für Schulpflichtige und die Jugendhilfe zusammen. 

 

Wir wollen es uns nicht mehr leisten, dass uns die Jungen verloren gehen. Wir brauchen jede und jeden! Wir brauchen sie in der Mitte unserer Gesellschaft und als qualifizierte Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt. 

 

Denn das Wissen und das Können der Arbeitnehmer sind das Fundament unserer Wirtschaft und unseres Wohlstands. Sie sind die wichtigsten Voraussetzungen dafür, dass wir im nächsten Jahrzehnt das Szenario prosperierender Wirtschaft und Beschäftigung erreichen. 

 

Es gibt viel zu tun, meine Damen und Herren, packen wir es an. Gemeinsam können wir eine moderne Arbeitsgesellschaft schaffen, die beides ist solidarisch und flexibel. 

 

Ich danke Ihnen.

 
 
Es gilt das gesprochene Wort.