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31.10.2012

Norwegisch-deutscher Willy-Brandt-Preis 2012 für Ingvar Ambjørnsen

 

Herr Bürgermeister,

sehr geehrter Herr Myrli,

sehr geehrter Herr Thönnes,

sehr geehrter Herr Botschafter Svedman,

sehr geehrter Herr Botschafter Dr. Berg,

sehr geehrter Herr Professor Dr. Lorenz,

sehr geehrte Preisträger,

meine Damen und Herren,

 

Das ist groß, und deshalb gibt es nicht sehr viel darüber zu sagen. Alles liegt ein wenig jenseits der Worte. 

 

Diesen Satz lese ich bei Ihnen, lieber Ingvar Ambjørnsen, in Ihrem jüngsten Roman Den Oridongo hinauf. Und dabei muss ich nicht nur an Ihr gesamtes literarisches Werk denken, sondern auch an Ihre Verdienste um die Deutsch- Norwegischen Beziehungen. In der Tat, Ihre Leistung ist groß.

 

So groß, dass es nicht sehr viel darüber zu sagen gibt... oder doch? Wir lassen heute Taten sprechen und zeichnen Sie mit dem Willy-Brandt-Preis 2012 aus. Aber doch nicht ohne vorher in gebotener Kürze zu laudieren. Ich möchte an dieser Stelle gern Ihren literarischen Beitrag für ein besseres gegenseitiges Verständnis unserer beiden Länder hervorheben. 

 

Meine Damen und Herren,

ohne Frage, Ingvar Ambjørnsen ist der Auszeichnung würdig, wegen seines Werdegangs, seines literarischen Anspruchs und der Qualität seines Werks. 

 

Die Geschichte seiner Autorenwerdung ist eng mit Norwegen und Deutschland verknüpft und mitunter so kurios und originell wie viele seiner Figuren. Ambjørnsens literarischer Weg führte ihn immer wieder von seinem Heimatland Norwegen zu uns nach Deutschland, besonders nach Hamburg, und dann wieder zurück.

 

Seine eigene Geschichte ging ganz ähnliche Wege, sie begann 1956 in der südnorwegischen Hafenstadt Tønsberg. Nach seiner Schulzeit tauchte er in die Hippie- und Alternativszene ein, reiste durch die Welt und tat das, was einen guten Autor ausmacht: Er beobachtete.

 

Seine informelle Ausbildung, wie er es nennt, machte er unter anderem als Schriftsetzer, Fabrikarbeiter und Pfleger in einem Krankenhaus. Er studierte sein Umfeld, schrieb und beschrieb und veröffentlichte im Alter von 25 seinen ersten Roman, in den viel von seiner Arbeit in der Psychiatrie einfloss. In den Jahren darauf avancierte er in Norwegen zum Kultschriftsteller und er zählt heute zu den spannendsten norwegischen Gegenwartsautoren.

 

Ruhe und Anonymität fand der in seinem Land Gefeierte vor mehr als 25 Jahren in seinem Wahlexil Hamburg, wo er trotz seines Ruhms bis heute fast unerkannt leben kann gemeinsam mit seiner Frau Gabriele Haefs, einer bekannten Übersetzerin und der ersten Willy Brandt-Preisträgerin überhaupt im Jahr 2000.

 

Dass der Beobachter viele seiner Hauptpersonen und Motive in Hamburg entdeckte, versteht sich von selbst, auch wenn die meisten Erzählungen in Norwegen spielen. So soll ihn der Anblick der Hamburger Grindelhochhäuser zu der Idee der weltbekannten Romanfigur Elling inspiriert haben einem reizenden Sonderling in der großstädtischen Isolation.

 

Es sind all diese Erfahrungen, auch die in den Randbereichen der Gesellschaft, die Ingvar Ambjørnsen heute glaubwürdig machen als Beobachter, als Autor und ganz sicher auch als Botschafter zwischen unseren Ländern.

 

Sich selbst bescheinigt er ganz bescheiden lediglich ein abnormes Mitteilungsbedürfnis. 

Ein Mitteilungsbedürfnis, an dem wir nur zu gerne teilhaben. Denn er ist nicht nur ein brillanter Erzähler, der die Themen der Zeit im Blick hat und sich mit den Grundfragen beschäftigt. Ambjørnsen ist auch ein Wanderer zwischen den Kulturen, der mit Worten Brücken baut.

 

Seinen vielen deutschen Leserinnen und Lesern hat er Norwegen und seine Gesellschaft auf verschiedene Weise näher gebracht. Er ist der am meisten ins Deutsche übersetzte zeitgenössische Autor aus Norwegen. Und andersherum hat er das heutige Bild der Deutschen in seinem Heimatland entscheidend mitgeprägt.

 

Literatur als Mittlerin zwischen den Kulturen diese Rolle spielt sie hier zweifellos. Der Autor pflegt freundschaftliche Kontakte zu deutschen Schriftstellern. In enger Zusammenarbeit mit seiner Frau hat er dazu beigetragen, dass sowohl deutsche zeitgenössische Literatur in Norwegen bekannter geworden ist, aber auch 

norwegische  in Deutschland. 

 

Willy Brandt Journalist, norwegischer Staatsbürger und der Sprache mächtig hätte sicher bestätigt, dass Ingvar Ambjørnsen auch in seiner wöchentlichen Kolumne für "Verdens Gang", Norwegens größte Tageszeitung, einen neuen Ton gefunden hat, um das Verhältnis unserer Länder zu beschreiben. Viele Jahre lang hat er den norwegischen Leserinnen und Lesern ein besseres Verständnis für deutsche Kulturen, Mentalitäten und gesellschaftliche Entwicklungen vermittelt, und das auf eine Weise, die über die normalen Möglichkeiten der Berichterstattung hinausgeht.

 

Dabei war es ihm ein Bedürfnis, in seinen Kolumnen zu erklären, dass sich Deutschland wie kein anderes Land in Europa mit der dunklen Zeit der Geschichte auseinandergesetzt hat und das heißt: mit  seiner eigenen Kriegs- und Besatzungspolitik, gerade auch hier in Norwegen und dass unser Land heute zu den am wenigsten militarisierten Ländern in Europa gehört.

 

Die Folge war eine offenere und freiere öffentliche Debatte als zuvor, beispielsweise über die militärischen Einsätze in dem früheren Jugoslawien, wie auch im Irak und in Afghanistan. Aber auch eine offene Debatte über die in Deutschland verbreiteten europäischen und internationalen Perspektiven in der Politik. In Ingvar Ambjørnsen haben wir einen scharfen kritischen Beobachter.

 

Ambjørnsen schreibt über das Leben, geradeheraus, ohne zu moralisieren, meint einer seiner Rezensenten. Ein anderer Kritiker sagt: Solange solche Autoren die Welt bevölkern, ist sie noch nicht verloren! 

 

Eine würdige Anerkennung für eine Leistung, die, um mit Ihnen zu sprechen, lieber Herr Ambjørnsen, ein wenig jenseits der Worte liegt. 

 

Dass Willy Brandt höchst einverstanden gewesen wäre mit Ihnen als Preisträger, davon bin ich überzeugt. Denn mit Ihnen teilte er nicht nur die Liebe zu beiden Ländern, sondern auch den Drang zu einem intensiven Dialog zwischen Norwegen und Deutschland. 

 

Ich gratuliere Ihnen sehr herzlich zum Willy-Brandt-Preis 2012 und freue mich, dass Sie als Hamburger diese Auszeichnung erhalten!

 
 
Es gilt das gesprochene Wort.