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07.08.2013

20 Jahre Fleischgroßmarkt Hamburg

 

 

Sehr geehrter Herr Mattfeld,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

nur noch die wenigsten erinnern sich heute an den schönen Hans. Ich meine nicht Hans Albers und auch nicht den früheren Bürgermeister Hans-Ulrich Klose, sondern Hans Adolph Weymar. Der damals 24 Jahre alte Fußballer war als einziger Norddeutscher mit am Ball, als die deutsche Nationalelf am 5. April 1908 gegen die Schweiz ihr erstes Länderspiel überhaupt bestritt.

Der linke Außenläufer des SC Victoria damals eine Größe im deutschen Fußball war seinerzeit recht beliebt bei den jungen Damen und auch sonst kein Kostverächter. Wenn er mit seinem Sohn telefonierte, sagte Hans Weymar: Ich muss mal eben die Zigarre in den Mund nehmen, sonst kann ich nicht sprechen. Im Hauptberuf war der Genussmensch Weymar später Geschäftsführer eines Viehgroßhandels auf dem Hamburger Schlachthof, wo er bis zu seinem Tod 1959 arbeitete.

Dass man rund um den Schlachthof respektive den Fleischgroßmarkt verstärkt auf Genießer trifft, verwundert nicht. Der Mensch ist kein Beilagenesser. Diese Erkenntnis verdanken wir dem Harburger Heinz Strunk und seiner humoristischen Dorfmusiker-Biografie Fleisch ist mein Gemüse.

Dieses halb augenzwinkernde, halb trotzige Bekenntnis zum Fleischkonsum gilt nicht für alle. Die Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Aber die Hamburger Fleischerzeugung und   verarbeitung im Allgemeinen und der Fleischgroßmarkt im Besonderen sind eine Erfolgsgeschichte, und ich freue mich, heute mit Ihnen sein 20-jähriges Bestehen feiern zu können.

Im Oktober 1992 hat die Freie und Hansestadt Hamburg gemeinsam mit 80 Inhabern der hier ansässigen Unternehmen die Fleischgroßmarkt GmbH gegründet, die 1993 das Gelände des ehemaligen Schlachthofs per Pachtvertrag von der Stadt übernahm. Ziel war es damals, Hamburg als wichtigen Verarbeitungs- und Vermarktungsstandort für Fleisch und die damit verbundenen Arbeitsplätze zu erhalten. Mit dem Abstand von zwei Jahrzehnten können wir sagen: Dieses Ziel ist erreicht worden.

1993 waren hier 132 Firmen ansässig, die rund 1.500 Mitarbeiter beschäftigten. Heute sind es mehr als 3.800 Beschäftigte in 250 Betrieben. Die vermieteten Gewerbeflächen haben sich in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdreifacht, und zwar von etwa 34.000 Quadratmetern 1993 auf eine Fläche von knapp 130.000 Quadratmetern im Jahr 2013.

Die Vermietungsquote von annähernd 100 % zeigt, wie attraktiv dieser Standort im Herzen unserer Stadt ist. Übrigens auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Der Fleischgroßmarkt als einer der größten Arbeitgeber in Hamburg bietet Beschäftigung für viele in der Nähe wohnende Arbeitnehmer. Und was die Fleischabstinenz mancher Konsumenten angeht: Etwa jeder zehnte im Fleischgroßmarkt angesiedelte Betrieb verkauft Obst, Gemüse, Gewürze, Wein und andere Lebensmittel, bietet Dienstleistungen an oder ist handwerklich tätig.

Das Fleischgewerbe in zentraler Lage in Hamburg hat eine lange Tradition. Die Hauptschlachtstätte in Hamburg war seit 1892 der Zentralschlachthof, der mitten in der Stadt zwischen dem später erbauten Fernsehturm, dem Messegelände und dem Heiligengeistfeld lag.

Der Fleischgroßmarkt verbindet Schanzen- und Karolinenviertel und trägt zum bunten Charakter dieser beiden beliebten Stadtteile bei: Ein Musikkindergarten, eine Kaffeerösterei, Tim Mälzers erfolgreiche Bullerei, die Ratsherrenbrauerei und vieles mehr kaum irgendwo sonst in Hamburg findet sich eine ähnlich vielfältige Mischung aus Gewerbe und Wohnen, Industrie und Dienstleistung, Handwerk und Kreativberufen wie hier. Da ist der Fleischgroßmarkt genau richtig.

Das soll auch so bleiben: Die vorzeitige Verlängerung des Pachtvertrages bis 2034 sichert diesen Standort für viele Jahre und bietet den hier ansässigen Unternehmen wertvolle Investitions¬sicherheit. Und der bis 2014 für 8,3 Millionen Euro fertiggestellte neue Fußgängertunnel unter dem S Bahnhof Sternschanze als rollstuhlgeeignete Verbindung zwischen Park, Messe und Karolinenviertel macht auch das Umfeld des Großmarkts buchstäblich zugänglicher und noch ansprechender.

Meine Damen und Herren,
leider gibt es zum Jubiläum nicht nur Gutes zu berichten. Als ich unlängst in Paris Frau Dr. Wasum-Rainer traf, die deutsche Botschafterin in Frankreich, hat sie mich mit der Information überrascht, dass es bei unseren Nachbarn eine aufgeregte Debatte gebe über die Zustände an deutschen Schlachthöfen, insbesondere über die abattoirs de Hambourg, die Schlachthöfe bei uns in Hamburg. Von Lohndumping und Schwarzarbeit sei die Rede, von Steuerhinterziehung und nicht entrichteten Sozialabgaben in Millionenhöhe.

Wie Sie sich vorstellen können, war ich ziemlich verblüfft; einmal über die angeblichen Tatbestände immerhin gibt es in der Stadt Hamburg keine abbatoirs im eigentlichen Sinne, sie liegen außerhalb der Stadtgrenze , aber auch über unser Image bei manchen Franzosen. Ich habe die Angelegenheit in der Sache umgehend prüfen lassen und die Auskunft erhalten, dass die zuständigen Behörden was Hamburg angeht diesbezüglich bisher keine Kenntnisse haben.

Die Razzia in Schlachtbetrieben, von der Sie sicher alle gehört und gelesen haben, fand an bundesweit 90 Orten statt nicht bei uns. Entsprechend habe ich der Botschafterin dann einen Brief mit der Bitte um Richtigstellung geschrieben, wann immer die Diskussion auch unsere Stadt berührt.

Aber auch wenn wir Hamburger wie es aussieht außen vor geblieben sind, der Vorgang sollte uns eine Mahnung sein. Denn es kann nicht angehen, dass es zwar Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Fleischerzeugung gibt, auf die die Branche verweist, aber die Standards für die Beschäftigung der eigenen Mitarbeiter von einigen auf unanständige Weise gedrückt werden.

Hintergrund ist selbstverständlich der massive Preisdruck in der Branche. Ich weiß von Zulieferern der großen Lebensmitteldiscounter, dass sie ihren Abnehmern gegenüber seit Jahren keine Preiserhöhung mehr durchsetzen konnten. Das muss mit der Zeit auf Kosten der Beschäftigten gehen und auf Kosten der Produktqualität.

Ich würde mir wünschen, dass sich mit Frische und Qualität angemessene Preise durchsetzen lassen, die Produzenten wie Beschäftigten ein vernünftiges Auskommen sichern.

Die sauber arbeitenden Betriebe sind es, die von den schwarzen Schafen der Branche geschädigt werden. Unternehmen, die faire Gehälter zahlen, können den Wettbewerbsvorteil, den sich andere durch Lohndumping verschaffen, nur schwer kompensieren.

Was können wir tun, um diese Auswüchse zu stoppen? Ich denke, die Produzenten müssen die Qualität ihrer Produkte mehr als bisher in den Vordergrund stellen und dafür werben.

Und: Wir brauchen einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland! Zum Wohl der Arbeitnehmer, der redlichen Unternehmen, der Fleischbranche sowie zum Wohl des Wirtschaftsstandorts Deutschland insgesamt.

Die Freie und Hansestadt Hamburg als größter Arbeitgeber der Stadt geht dabei mit gutem Beispiel voran. Unser Mindestlohngesetz schreibt als unteres Limit 8,50 Euro pro Stunde vor und wird bereits in allen Unternehmen der Stadt umgesetzt nicht nur in unseren eigenen Betrieben, sondern auch da, wo Hamburg beherrschenden Einfluss hat und ebenso in Unternehmen, die Aufträge der Stadt Hamburg erfüllen.

Für die Fleischwirtschaft wäre ein verbindlicher Mindestlohn ein Schutz gegenüber Billigkonkurrenz einerseits und Lohndumping andererseits gleichermaßen.

Meine Damen und Herren,
der Fleischgroßmarkt gehört zu Hamburg dazu. Erst recht in einer Stadt, die seit dem Herbst 2009 in der Speicherstadt eine Zeitschrift für Männer mit Geschmack beheimatet namens Beef! eine erfolgreiche Zeitschriften-Neugründung und der Beweis, auf wie viel Interesse das Thema stößt.

Fleisch ist ein Stück Lebenskraft, sagt ein altbekannter Werbe¬slogan. Und wenn wir auch künftig für Qualität sorgen und für Arbeitsbedingungen, die den Unternehmen ehrbarer Kaufleute würdig sind, dann ist mir um die Zukunft des Großmarkts nicht bang. Herzlichen Glückwunsch zum 20. Geburtstag!

 

Es gilt das gesprochene Wort.